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Bellis-Perennis
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Wien

Bewertungen

Insgesamt 828 Bewertungen
Bewertung vom 07.04.2024
REMIND Dein Gehirn kann viel mehr, als du glaubst
Diewald, Yvonne

REMIND Dein Gehirn kann viel mehr, als du glaubst


ausgezeichnet

Dieses Buch habe ich mit großem Interesse gelesen!

Die Neurowissenschaftlerin Yvonne Diewald beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Gehirn, seinen Funktionen und seiner Lernfähigkeit. Ausschlaggebend dafür war der persönliche Schicksalsschlag rund um ihren zu früh geborenen Sohn, dem die Ärzte wenig Chancen auf kognitive Lernfähigkeit gegeben haben.

In diesem klar strukturierten Buch erfahren wir in fünf Abschnitten, die noch in weitere Kapitel geteilt sind, was das Gehirn so alles zu leisten vermag.

Teil 1: Was ist neuronale Programmierung
Teil 2: Wie unser Gehirn tickt und neuronale Programme erstellt
Teil 3: REMIND - Die Musterlösung für dein Problem
Teil 4: Bedienungsanleitung für dein Gehirn
Teil 5: Anhang

Diese „Bedienungsanleitung“ für das menschliche Gehirn ist sehr gut strukturiert und übersichtlich aufgebaut. Neben theoretischem Input wie Wissenswertes über die Gehirnfunktionen per se, bietet Yvonne Diewald gleich Übungen an, die das zuvor Gelesene auch praktisch anwendbar machen.

Sehr gut gefällt mir, dass das menschliche Gehirn mit einem Computer verglichen wird, den man programmieren kan.

Da ich mich schon mit ähnlichen Themen wie NLP beschäftigt habe, ist es mir leicht gefallen, die Thesen von Yvonne Diewald zu verstehen. Diejenigen Leser, die zum ersten Mal mit diesem Thema und den komplexen Gehirnstrukturen in Kontakt kommen, müssen aufmerksam an dieses Buch heran gehen. l

Fazit:

Gerne gebe ich dieser interessanten und lesenswerten Lektüre, die beweist, dass unser Gehirn viel mehr kann, als wir glauben, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 06.04.2024
Bedrohliche Provence / Commissaire Leclerc Bd.10 (eBook, ePUB)
Lagrange, Pierre

Bedrohliche Provence / Commissaire Leclerc Bd.10 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Man kommt nicht mit einem Messer zu einer Schießerei!“

Der pensionierte Ex-Commissaire Albin Leclerc fühlt sich nach wie vor unterbeschäftigt, da hilft weder das Boule-Spiel noch die Tatsache, dass Mops Tyson Vater geworden ist. Das war ja eine einmalige Angelegenheit, zu der Albin nichts beigetragen hat. Die jungen Möpse haben ein neues Zuhause gefunden.

Da kommt der Anruf seines alten Bekannten Arnault Langlois, der sich Sorgen um seine Nichte Sandrine und deren Lebensgefährten gerade recht. Von den beiden, die als Krankenschwester bzw. als Apothekengehilfe in der nahen Klinik arbeiten, fehlt jede Spur. Wenig später wird das Paar erschossen aufgefunden. Verwirrung stiftet ein ausgedrucktes Foto der jungen Ehefrau eines reichen Rotlichtbosses in ihrem Auto. Wollten die beiden die Frau entführen? Als dann ein weiteres Paar ermordet wird, bei dem man ebenfalls das Foto findet, steht die offizielle Polizei, Leclercs ehemaligen Kollegen Catherine Castel und Alain Theroux, vor einem Rätsel.

Dann entdeckt man eine Spur nach Afrika und zu einem Sondereinsatz der französischen Armee. Doch die Mordserie ist noch nicht zu Ende. Will sich hier jemand für erlittenes Unrecht rächen? Und welche Rolle spiel Gabriel Martinet vom französischen Inlandsgeheimdienst, der Catherine Castel schon mehrmals das Leben schwer gemacht hat?

Albin Leclerc, der seine ganze Erfahrung und seine Chuzpe in die Waagschale wirft, zieht den einen oder anderen Faden aus seiner eigenen Vergangenheit und stößt buchstäblich auf einen Mann, der nichts mehr zu verlieren hat.

Meine Meinung:

In diesem 10. Fall zieht Albin Leclerc wieder aller Register. Während seine ehemaligen Kollegen Castel und Theroux
streng nach Polizeihandbuch vorgehen (müssen), kann Albin die eine oder andere Abkürzung nehmen, was aber Castel und Theroux regelmäßig auf die Palme treibt. Blöderweise gibt der Erfolg Albin recht. Ich denke, er wird irgendwann einmal zu oft, die Verbrecher jagen.

Dieser Provence-Krimi lässt sich leicht und locker an einem Nachmittag lesen. Diesen 10. Fall finde ich einen Hauch fesselnder als den vorherigen. Der Autor die Spannung hoch halten, was auch an der Figur von . Das liegt zum größten Teil an den tiefschürfenden und doch humorvollen Dialogen zwischen Albin und Mops Tyson.

Schmunzeln musste ich über die Szene an der Bar:

„Man kommt nicht mit einem Messer zu einer Schießerei, lautet ein geflügeltes Wort. Und wie verhielt es sich, wenn man einen noch verkorkten Moët mitbrachte? Fraglos war man ebenfalls ein Dummkopf. Es sei denn, man hatte keine andere Wahl und dachte sich: Besser als gar nichts. So wie Albin, der die grüne Flasche wie eine Keule hielt und sich auf die Bar zubewegte.“

Fazit:

Wieder lassen falsche Spuren, die eine oder andere überraschende Wendung und eine schlüssige Auflösung das Krimileserherz höher schlagen. Dazu noch etwas Provence-Feeling und schon ist der Lesenachmittag perfekt. Von mir gibt es 5 Sterne für diese gelungene Fortsetzung.

Bewertung vom 06.04.2024
Keine Spaghetti sind auch keine Lösung
Neumayer, Silke

Keine Spaghetti sind auch keine Lösung


sehr gut

Wie gut kennst du deine besten Freundinnen wirklich? Teilst du ALLE deine Geheimnisse mit ihnen? Oder verschweigst du ihnen Teile der Wahrheit?

Amelie, Mia, Poppy und Franziska, die alle Welt nur Schröder nennt, sind seit ihrer Jugend beste Freundinnen. Als Amelie nach Italien auswandert, sehen sich die vier Frauen nur mehr per Videokonferenz, aber zu einem Besuch in der Toskana kann sich keine der drei anderen so wirklich aufraffen. Dann platzt die Nachricht vom Tod Amelies in die Welt von Mia, Poppy und Schröder. Jetzt machen sich die drei verbliebenen Freundinnen auf den Weg in die Toskana, um sich, wie von Amelie gewünscht, um die Beerdigung zu kümmern. Schon die Anreise ist turbulent: Von Hamburg in die Toskana mit einem Cabrio und viel zu viel Gepäck.

Recht bald wird klar, dass sich die vier Freundinnen gegenseitig eine heile Welt vorgespielt haben. Weder ist das „Castello“, das Amelie den Freundinnen vermacht hat, ein ansehnlicher Landsitz noch ist die Verstorbene eine berühmte Malerin. In ihrem italienischen Umfeld wird nur von “La pazza tedesca“, der verrückten Deutschen, gesprochen. Als sich dann noch das Begräbnis, Amelie wollte eine Feuerbestattung, verzögert, und ein paar unangenehme Wahrheiten zutage kommen, scheint die Jahrzehnte lange Freundschaft zu zerbröckeln ...

Meine Meinung:

Dieser Roman über Freundschaft unter Frauen, die doch nicht ganz so idyllisch ist, wie es sich die vier Damen vormachen, hat mir recht gut gefallen. Die drei Überlebenden sind um die Fünfzig, und kämpfen mit unerfüllten Sehnsüchten und verpassten Gelegenheiten. Die eine sucht ihren Erfolg im Beruf, die andere nimmt sich regelmäßig jüngere Kurzzeitliebhaber und die dritte lügt sich über ihre ach so tolle Ehe in den Sack und in die Depression. Irgendwie ein Klassiker so rund um Fünfzig, oder? Keine will der anderen eingestehen, dass sich die Träume nicht verwirklichen haben lassen. Vor allem Mia scheint, mit dem Bestreben ihre Fassade aufrecht erhalten zu wollen, alle vergrault zu haben.

Sie werfen sich allerlei Gemeinheiten an den Kopf, die sich sichtlich seit Jahren aufgestaut haben und, um gleichzeitig vom eigenen Fehlverhalten abzuhalten.

Ja, das reinigende Gewitter hat sein müssen, auch wenn diese Freundschaft niemals mehr so sein wird, wie sie einmal war.

Die Geschichte ist flott erzählt und Spaghetti mit Saucen in vielen Variationen sowie das eine oder andere Glas Weiß- oder Rotwein spielen ein große Rolle. Denn keine Spaghetti sind auch keine Lösung.

Vielleicht sollten wir unsere Freundschaften besser pflegen. Wie gut kennst du deine besten Freundinnen wirklich? Teilst du ALLE deine Geheimnisse mit ihnen? Oder verschweigst du ihnen Teile der Wahrheit?

Fazit:

Wer gerne eine Geschichte über echte Freundschaft und wie viel eine solche aushalten kann, lesen möchte, ist hier genau richtig. Diesen Roman bewerte ich mit 4 Sternen.

Bewertung vom 02.04.2024
Elvis und die Tote im Amischlitten (eBook, ePUB)
Neeb, Ursula

Elvis und die Tote im Amischlitten (eBook, ePUB)


sehr gut

Mit diesem ersten Fall für Elfriede Kunz entführt uns Autorin Ursula Neeb in die BRD von 1958, genauer gesagt nach Bad Nauheim. In der alten Kurstadt sind seit 1945 Truppen der US-Army stationiert, die Arbeitgeber für so manche Kriegswitwe sind, aber auch, nach der Aufhebung des Fraternisierungsverbotes, zahlreiche Liebschaften hervorbringen. Die Soldaten kaufen zwar (fast) alles in ihren PX-Läden ein, daneben sorgen sie aber in kleineren deutschen Geschäften für Umsatz. Eines davon ist das „Rheingold, ein Wirtshaus mit angeschlossener Fremdenpension, das von Elfriede „Elfi“ Kunz geführt wird. Elfi, zweifache attraktive Witwe und Geliebte des GI Brian O’Shaugnessy, hat ein großes Herz. Das beweist sie, als ausgerechnet im rosafarbenen Ami-Schlitten von Brian, der vor ihrer Haustüre parkt, die ehemalige Rosenkönigin Rita ermordet aufgefunden wird. Gleichzeitig ist Brian spurlos verschwunden. Ist er der Täter?

Kriminalkommissar Freddy Graf und Max Caspers, sein amerikanischer Kollege von der Military Police, ermitteln, sehr zum Missfallen von Elfi, im Umfeld der „Villa Rheingold“. So geraten de Pensionsgäste Asta und Renato ins Visier von Freddy Graf, den man auch „Pistolen-Freddy“ nennt, weil er Gerüchten zufolge ein ehemaliger Scharfschütze ist. Das kann Elfi nicht auf sich sitzen lassen, genauso wenig, wie den Verdacht gegen Karl-Otto, dem Sohn ihrer besten Freundin Lottie, der die Ermordete erfolglos angehimmelt hat. Wutschnaubend beginnt Elfie auf eigene Faust zu ermitteln.

Und dann gibt es auch noch Helga, deren Traum vom Neuanfang in den USA recht schnell ausgeträumt ist.

Meine Meinung:

Dieser Krimi beleuchtet das Zusammenleben der Soldaten der US Army mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Es gibt einige, die dem verlorenen Krieg nachtrauern und andere, die mehr oder weniger mutig in die neuen Zeiten gehen. Froh ist man allerdings, dass man hier in Bad Nauheim die Amerikaner und nicht die Russen als Siegermacht stationiert hat.

Natürlich ist nicht alles „Liebe-Wonne-Waschtrog“ und die jungen deutschen Männer sind auf die oft gutaussehenden und scheinbar vermögenden GI eifersüchtig. Die Spannungen entladen sich häufig in wilden Prügeleien. Eine davon beschert Brian einige Prellungen, einen Besuch im Krankenhaus sowie eine Nacht im Gefängnis, die ihm allerdings für den Mord an Rita ein bombensicheres Alibi gibt.

Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Freddy Graf ist ein vielschichtiger Charakter. Zum einen, ein gewissenhafter Polizist, und zum anderen trägt er sicherlich auch das eine oder andere Geheimnis mit sich herum.

Elfie steht mit beiden Beinen im Leben, hat aber vor allem den Verlust ihre kleinen Tochter an die Diphterie sowie den Tod ihrer Ehemänner noch nicht wirklich verwunden. Daher stürzt sie sich in das Abenteuer mit dem schnuckeligen GI Brian, der allerdings nicht ganz so treu ist. Geschickt ist Elfies Vergangenheit durch die Aufzeichnung ihrer Lebenserinnerungen, in die wir Einblick nehmen dürfen in das aktuelle Krimigeschehen eingebunden.

Stellvertretend für die vielen ledigen Mütter und Kinder, die aus Verbindungen mit den GIs hervorgegangen sind, steht Helga. Ihr ist nichts im Leben geschenkt worden. Sie ist eine der zahllosen verlorenen Seelen dieses Krieges. Mittellos und ohne Familie aus Ostpreußen in der BRD gestrandet, nicht einmal wirklich geduldet, sondern immer auf die Gnade der Bevölkerung angewiesen. Sie glaubt nun mit einem der GIs in Amerkia ein neues Leben anfangen zu können. Weit gefehlt! Sie wird schwanger sitzengelassen und gerät in die Mühlen des Gesetzes, das von Menschen, die der NS-Zeit nachtrauern vollzogen wird. Mit schwerwiegenden Folgen für die junge Mutter.

Der Krimi lässt sich sehr gut lesen. Er spiegelt ein wenig die unstete Zeit zwischen 1945 und 1960 wieder. Ein Highlight ist das Auftreten von GI Elvis Presley, der einige Monate in Bad Nauheim Dienst schiebt. Allerdings wohnt er nicht in den Ray Barracks sondern ziemlich feudal mit seiner Entourage in einer Villa. Er erfreut sich gemeinsam mit seinen Bodygards an den „Best german Snitzel“.

Eine tolle Idee von Autorin Ursula Neeb, dass jede Kapitelüberschrift den Titel eines damals gerne gehörten Songs trägt. Dadurch wirkt das Lokalkolorit authentisch.

Fazit:

Ein Krimi aus der deutschen Nachkriegszeit, einer Zeit, in der das Alte noch längst nicht weg und das Neue noch nicht so ganz Fuß gefasst hat. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 02.04.2024
Die Flut (eBook, ePUB)
Dützer, Volker

Die Flut (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser Krimi ist nichts für schwache Nerven, denn er fesselt von der ersten bis zur letzten Seite!

Worum geht’s also?

Bei einem missglückten Einsatz kommt eine Person ums Leben und der Ermittler Thomas McCallum wird schwer verletzt. Die Tote ist ausgerechnet die Freundin von Viktor Sorokin, Boss eines mächtigen russischen Syndikats. Als er Tom ewige Rache schwört, betrifft das nicht nur Tom selbst, sondern auch seine große Liebe Abby und deren Tochter. Während Abby und Tochter in einem Zeugenschutzprogramm unterkommen, muss der Ermittler Thomas McCallum offiziell sterben, um weiterleben zu können.

Ausgestattet mit einer neuen Identität tritt er als Chief Steve Cole die Stelle des Polizeichefs auf der Insel Alderney an. Statt wie vorgesehen eine ruhige Kugel zu schieben, wird er mit eine Serie von Frauenmorden konfrontiert, die zwanzig Jahre zuvor die Insel in Angst und Schrecken versetzt hat. Der Mörder, Albert Evans, ist beim Brand des damaligen Pfarrhauses ums Leben gekommen.

Als man dann die junge Claire tot am Strand findet, scheint der Alptraum von Neuem zu beginnen. Claire ist auf ähnliche Weise ermordet worden, wie die Frauen in der Vergangenheit. Ist hier ein Nachahmungstäter am Werk oder war Albert Evans gar nicht der Täter?

Und was hat Emily Gray damit zu tun? Die junge Frau hat als Kind sichtlich ein Trauma erlitten und erhofft sich auf Alderney Antworten auf ihre Fragen.

Meine Meinung:

Ich kenne zahlreiche historische Krimis aus der Feder von Volker Dützer, die von der ersten bis zur letzten Seite fesseln. Dieser hier steht den Krimis, die im und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg spielen um nichts nach.

Keineswegs überrascht war ich, als sich herausstellt, dass Emiliy an dem Phänomen einer dissoziativen Persönlichkeit leidet. Darüber habe ich in anderen Büchern bereits gelesen. Es ist erstaunlich, was der menschliche Geist für Mechanismen entwickelt, sein Innerstes zu schützen.

Steve/Tom ist ein ernsthafter Ermittler, der sich zum Ziel gesetzt hat, Sorokin unschädlich zu machen und zwar im Rahmen des Gesetztes. Kein unnötiges Herumgeballere oder Attentatsversuche seitens der Behörde. Der Start auf der Kanalinsel ist nicht ganz einfach, denn eigentlich hat einer seiner Mitarbeiter auf den Chefposten geschielt. Doch Steve ist ein sehr guter Menschenkenner und eine Führungspersönlichkeit. Als Chief von Alderney hat er natürlich nicht nur Freunde. Sein Widersacher ist John Baxter, der die Wahl zum Präsidenten von Alderney unbedingt gewinnen will. Dazu ist ihm jedes Mittel recht, ob Bestechung oder Drohung, offen oder versteckt - an Baxter kommt fast niemand vorbei. Da kann es auch schon einmal passieren, dass er sich von seiner jovialen und hilfreichen Seite zeigt.

Dass Baxter sein eigene Süppchen kocht, zeigt der fiese Cliffhanger am Ende dieses Krimis. Eine Fortsetzung ist also geplant und wird auch bald erwartet.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem fesselnden Krimi, der Auftakt einer neuen Reihe ist, 5 Sterne.

Bewertung vom 01.04.2024
Im Namen des Klimas
Zehetner, Elisabeth

Im Namen des Klimas


ausgezeichnet

Endlich ein intelligentes Buch zur Klimadebatte, das sachlich mit diesem komplexen Thema umgeht! Für mein persönliches Empfinden gibt es nämlich viel zu wenig politische Sachbücher, die von Frauen verfasst sind. Bücher, die sich sachlich mit jenen Themen, die jeden von uns betreffen, auseinandersetzen, abseits von populistischen und polemischen Geschrei und Geschwurbel.

Dieses neue Buch von Elisabeth Zehetner ist mutig, sinnvoll und notwendig zugleich. Mutig, weil es dem Trend des demonstrativen „Dagegenseins“ widerspricht, notwendig, weil es eine Menge Informationen bereithält und sinnvoll, weil es ein Thema behandelt, bei dem es um viel geht und wir alle betroffen sind. Barbara Zehetner setzt sich in ihrem Buch mit der Instrumentalisierung von Medien und Institutionen durch den Klima-Aktivismus bewusst differenziert auseinander. Die aktuelle Ausgangslage und Zukunftsszenarien werden sachlich dargestellt. Zahlreiche Abbildungen ergänzen den Text.

Barbara Zehetner ist Geschäftsführerin von „oecolution austria“ und zeigt, in welche Sackgassen einseitiger Klimaaktivismus führen kann und blendet auch die Argumente der Leugner des Klimawandels nicht aus.
In insgesamt neun Thesen zeigt sie in ihrer konstruktiven Streitschrift, wie der Fokus wieder auf die sachliche Ebene zurückgeführt werden kann. Unbestritten ist, dass weltweit Maßnahmen gesetzt werden müssen.

Zu vernünftigem Klimaschutz gibt es keine Alternative - zu Panik sehr wohl
Die Endzeitstimmung in der Klimadebatte schadet der Sache
Die extremen Positionen der Klimaaktivisten sind eine Gefahr für die Demokratie
Die Ideologisierung von Klimaschutz fördert Technologiefeindlichkeit
Die Instrumentalisierung von Gerichten und Medien durch die Klimaaktivisten ist ein Problem
Klimaschutz braucht die Mitte der Gesellschaft und alle Generationen
Wirtschaftliches Wachstum ist die Grundlage für den Klimaschutz - nicht Schrumpfung
Technologien sind unser mächtigster Hebel für eine bessere Klimazukunft
Der Klimaschutz ist EIN wichtiges Ziel für Österreichs Zukunft

Barbara Zehetner nennt sich selbst „Öko-Optimistin“ - eine Wortschöpfung, die mit gut gefällt - und erklärt, was sie darunter versteht. Sie lädt ein, dem Thema Klimaschutz mit Offenheit, Zuversicht und Vertrauen statt mit aggressiver Ignoranz und lähmender Panikmache entgegenzutreten. Beim Thema Klimaschutz gibt es kein schwarz oder weiß, kein Allheilmittel. Es ist notwendig, alle erlernten Kulturtechniken einzusetzen, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.

Barbara Zehetner liegt es ganz besonders am Herzen, dass sich die Politik nicht von radikalisierten Klimaaktivisten erpressen lässt, wie es in der Stadt Hannover bereits passiert ist. Einige dieser radikalen Klimaaktivisten haben autoritäres Gedankengut, das die Demokratie aushebeln könnte. Mit einem autoritären Staat ist für den Klimaschutz nicht gewonnen. Es würde nur eine kleine elitäre Gruppe oder gar ein Einzelner über Wohl oder Weh entscheiden.

Die Gestaltung der Zukunft ist ein äußerst komplexes Thema, das sich sich nicht ausschließlich auf den Klimaschutz fokussieren kann.

„Während Klimaaktivisten sich nur auf das eine Ziel ‚Klimaschutz‘ konzentrieren, müssen wir für eine gute und sichere Zukunft Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Nachhaltigkeit gemeinsam verwirklichen. Das erfordert ein Mindset in Politik und Gesellschaft, das auf Vernunft und Machbarkeit setzt“ (S. 144)

Um unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft bieten zu können, bedarf es wirtschaftlicher Vernunft, intelligente neue Technologien sowie ein gemeinschaftliches Zusammenarbeiten aller Gesellschaftsschichten und aller Generationen. Extremismus, egal ob links oder rechts oder religiös motiviert, hat hier keinen Platz.

„Wir stehen Umweltproblemen nicht machtlos gegenüber. Wir können sie lösen - mit vernünftigen Maßnahmen.“

Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem intelligenten Buch, das sich einerseits kritisch mit dem Aktionismus, der sich in Sachen Klimaschutz breit gemacht auseinandersetzt und andererseits dafür plädiert, mit mehr Vernunft der Zukunft entgegenzugehen, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.04.2024
Die Entflammten (eBook, ePUB)
Meier, Simone

Die Entflammten (eBook, ePUB)


weniger gut

Ich habe in diesem Buch einen historischen Roman à la „Frau Einstein“ von Marie Benedict erwartet. Doch leider ist dieser Roman hinter meinen Erwartungen sehr weit zurück geblieben.

Die Idee, die Geschichte von Johanna van Gogh-Bonger, der Ehefrau von Theo van Gogh zu erzählen, hat mir recht gut gefallen. Immerhin hat sie nach dem tragischen Tod ihres Mannes Theo sowie dem Selbstmord von Vincent, die sie mit einem Baby ohne Einkommen zurückgelassen haben, Vincents Bilder verkaufen und damit seinen Weltruhm begründen können.

Parallel dazu wird die Geschichte der jungen Kunsthistorikerin Gina erzählt, die hundert Jahre später auf Johanna „Jo“ van Gogh-Bonger stößt und eine Arbeit über sie schreibt. Während der Recherche entdeckt sie gewisse Ähnlichkeiten zwischen Vincent van Gogh und ihrem Vater und muss sich ihrer eigenen Familiengeschichte stellen.

Meine Meinung:

Vincent van Gogh ist den meisten durch seine Sonnenblumen, seinen Alkoholkonsum, dem abgeschnittenen Ohr und letztlich seinem Selbstmord bekannt. Hier werden noch zahlreiche Details aus seinem Leben erzählt, wie zum Beispiel seine mangelnde Körperhygiene und ähnliches, was ihn mir nicht wirklich sympathisch macht.

Nach einer sehr langen Verlobungszeit heiraten Jo und Theo, doch bald wird der jungen Ehefrau klar, dass sie eigentlich zwei Männer geheiratet hat. Theos inniges Verhältnis zu Bruder Vincent lässt wenig Spielraum. Diese Zeit vor der Hochzeit wird sehr ausführlich beschrieben, während die Witwenzeit doch eher kurz abgefasst wird. Wird Jo zunächst als ungewöhnlich kultivierte Frau beschrieben, so wird sie uns später als herrische und harte Person präsentiert. Wahrscheinlich muss sie das als Verwalterin von Vincents Gemälden sein, doch dem Leser bleibt die Entwicklung dorthin leider verborgen.

Auch der zweite Handlungsstrang leidet an einem Ungleichgewicht von Ginas Kindheit und ihrem Erwachsenenleben. Die eigenartige Beziehung zu ihrem Vater, einem erfolglosen Schriftsteller, ist recht langatmig beschrieben und hat mich nicht berührt sondern gelangweilt.

Leider bin ich von diesem Buch ziemlich enttäuscht. Die Idee, die Biografie von Johanna van Gogh-Bonger in die Arbeit einer Kunsthistorikerin einzubetten, hat mir gut gefallen, die Umsetzung und vor allem der Handlungsstrang rund um Gina so gar nicht.

Mich konnte dieser Roman nicht entflammen. Der Maler Vincent van Gogh steht auf meiner „nice-to-see“-Liste der Maler ohnehin weit unten, der Mensch Vincent ist mir entfernter denn je.

Fazit:

Leider eine Enttäuschung, die ich nur mit zwei Sternen bewerten kann.

Bewertung vom 01.04.2024
Wilde Wut (eBook, ePUB)
Schmöe, Friederike

Wilde Wut (eBook, ePUB)


gut

Dieser Krimi ist der 16. aus der Reihe rund um Privatermittlerin Katinka Palfy und ihrem Lebenspartner KHK Hardo Uttenreuther. Für mich ist es der erste Krimi von Autorin Friederike Schmöe.

Worum geht’s?

Man findet die Leiche von Michael Dreysbach unterhalb der Bamberger Heinrichsbrücke. Auf den ersten Blick scheint der Mann unglücklich gestürzt zu sein, doch als man ein Stück Stoff in seinem Hals, Antidepressiva und Kokain in seinem Blut sowie in seiner Jackentasche entdeckt, ist klar, dass der Sohn des berüchtigten Immobilienmaklers Günther Dreysbach ermordet worden ist. Es scheint, als hätte der Tote eine Menge Feinde gehabt. Nur, wer ist der Täter?

In einem weiteren Handlungsstrang lernen wir Babs kennen, die einerseits durch eben solche Immobilienspekulanten ihre Wohnung verloren hat, und andererseits psychische Probleme hat. Gemeinsam mit einer Gruppe Gleichgesinnter protestiert sie gegen die Gentrifizierung und gerät dadurch in den Fokus der Polizei. Babs bittet ausgerechnet Katinka Palfy um Hilfe, die ihrerseits eine Klagsdrohung wegen Blattlausbefall erhalten hat. Dem schäbigen Kaufangebot für ihr Haus vor einem Jahr hat Palfy keine Beachtung geschenkt. Als sie erneut ablehnt, lernt sie die kriminelle Ader des Immobilienmaklers kennen, die Sabotage und Sachbeschädigung beinhaltet.

Bei ihren Recherchen entdeckt Katinka, dass es zahlreiche Mieter und Eigentümer gibt, die von Dreysbach Machenschaften betroffen sind. Bei einigen macht sich wilde Wut breit.

Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass die Dreysbachs eine höchst dysfunktionale Familie sind. Patriarch Günther demütigt Frau und Kinder, lässt alle nach seiner Pfeife tanzen und wer nicht mitmacht, wird ausgestoßen.

Meine Meinung:

Die Stadt Bamberg kenne ich nicht, weshalb ich sowohl zu Architektur als auch zur Geschichte eine Beziehung aufbauen konnte.

Die Charaktere KHK Hardo Uttenreuther, Katinka Palfy sowie der Journalist Dante Wischnewski leben in verschiedenen Wohnungen unter einem Dach und scheinen miteinander befreundet zu sein. Berufliches und Privates wird recht gut getrennt und man hilft einander mit Rat und Tat.

Die Machenschaften von Immobilienhaien sowie die Gentrifizierung ganzer Stadtteile bieten immer wieder Stoff für Konflikte, beschäftigen Legionen von Rechtsanwälten und inspirieren Krimiautoren. Allerdings habe ich dazu schon deutlich fesselnder Krimis lesen können.

Obwohl ich üblicherweise keine Probleme habe, irgendwo in der Mitte oder am Ende eine Reihe einzusteigen, ist werde ich diese hier nicht weiterverfolgen.

Fazit:

Leider hat mich der Krimi nicht wirklich gefesselt, daher nur 3 Sterne.

Bewertung vom 01.04.2024
Verzogen, verweichlicht, verletzt
Nickel, Susanne

Verzogen, verweichlicht, verletzt


ausgezeichnet

Susanne Nickel ist Autorin und Unternehmensberaterin. Sie erlebt tagtäglich, wie die, als Generation Z bezeichneten jungen Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind, bei vielen Arbeitgebern ob ihrer Einstellung zu Arbeit und Leistung für Kopfschütteln sorgen.

In vier Abschnitten beleuchtet die Autorin die aktuelle Situation und versucht Lösungen aus dem Dilemma zu finden:

Was läuft falsch am Arbeitsmarkt?
Eine Generation auf dem Egotrip?
Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?
Und jetzt? Welche Lösungen gibt es?

Zunächst stellt Susanne Nickel das „Haus der Generationen“ vor. Auch wenn es sich hier um Daten aus Deutschland handelt, kann das meiste auch auf Österreich übertragen werden.

Generation Silent (1929-1945)
Generation (Baby)Boomer (1945-1964)
Generation X (1965-1979)
Generation Y (1980-1994)
Generation Z (1995-2010)

Die Autorin berichtet über ihre Erfahrungen mit Personalchefs, die händeringend Mitarbeiter suchen und an der Erwartungshaltung der Bewerber schier verzweifeln. Ich kann auch ein kleines Beispiel anbieten, obwohl ich üblicherweise bei Personalentscheidungen nicht mitzureden habe, aber diesmal bei Vorstellungsgesprächen dabei war. Wir (eine österr. Bundesdienststelle) hatten unlängst eine Lehrstelle für den Lehrberuf „Verwaltungssassistenz“ (also eine Bürostelle) ausgeschrieben. Ein Bewerber (25 Jahre) hat gemeint, er möchte nur 20 Stunden pro Woche arbeiten, die aber dafür vollständig im Homeoffice, das Gehalt natürlich für die Vollzeit, die Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter seiner Wahl und einen Dienstwagen. Unserem HR-Chef ist die Spucke weggeblieben.

„Die Generation Z zeigt, dass sie sich schwertut mit der Realität und dem Leben der anderen, es zählt vorrangig das eigene.“

Die grundsätzlich Kernaussage des Buchs ist „Die deutsche Wirtschaft ist auf die junge Generation angewiesen, was heißt, dass Unternehmen gezwungen sind, sich auf Veränderungen einzustellen. Sie müssen reagieren.“ Ja, das unterschreibe ich gleich. Aber auf solche oder ähnliche unverschämten Forderungen einzugehen, halte ich nicht wirklich für sinnvoll. Was kommt dann als Nächstes?

Susanne Nickel provoziert natürlich, bietet aber auch, nachdem sie die verschiedenen Perspektiven einige Ideen zur Abhilfe an. Die zehn Fragen eines HR-Managers an die Bewerber halte ich für einen interessanten und einfachen sowie kostenlosen Ansatz. Man könnte ähnliche Fragen auch dem Bestandspersonal stellen, damit die „ihre“ Firmen nicht verlassen. Ich kenne einige altgediente KollegInnen, deren Leitspruch ist „Für das Gehalt mache ich das nicht. Die Verantwortung übernehme ich nicht. Das steht nicht in meiner Arbeitsplatzbeschreibung.“

„Viele Wünsche der Z-ler – etwa in Bezug auf Führung, Flexibilität und ehrliches Feedback – sind inzwischen Forderungen aller Generationen.“

Auffällig bei der Generation Z ist, dass sie, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, sofort gekündigt wird. Job-Hopping ist ein weit verbreitetet Phänomen. Es scheint, als ob Ausdauer oder Durchhalten, wenn es einmal eine Durststrecke gibt, nicht mehr vorhanden sind. Es muss immer alles JETZT, SOFORT, AUF DER STELLE passieren, wenn nicht, wird gekündigt - das entspricht oft dem Verhalten eines Kleinkindes im Trotzalter. Vermutlich, weil viele der Generation Z Einzelkinder sind, deren Eltern ihnen die Wünsche erfüllt haben, noch bevor sie ausgesprochen worden sind.

Meine Meinung:

Das Buch ist einerseits unterhaltsam, gut zu lesen , trotzdem regt es zum Nachdenken an. Nach zunächst sehr kritischen Beispielen zur Generation Z versetzt sich die Autorin gegen Ende des Buches in deren Perspektive und regt einen Dialog zwischen den Generationen an.

Autorin Susanne Nickel will in diesem Buch nicht nur Missstände aufzeigen, warnen und zur Diskussion anregen, sondern praktikable Lösungen finden und zum konkreten Handeln auffordern. Denn sie glaubt: Die Generation Z und die Boomer könn(t)en viel voneinander lernen. Gut gefallen hat mir die klare Struktur und die konstruktive Kritik, die auch die Firmenchefs nicht außen vor lässt. In dieser schwierigen Lage ist partnerschaftliches Miteinander der Generationen das Gebot der Stunde.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das zu Diskussionen anregt, um ein partnerschaftliches Miteinander unterschiedlicher Generationen zu erreichen, 5 Sterne.

Bewertung vom 01.04.2024
Beelitz Heilstätten (eBook, ePUB)
Kampe, Lea

Beelitz Heilstätten (eBook, ePUB)


sehr gut

Autorin Lea Kampe entführt uns mit ihren historischen Roman in das von der Arbeiter-Versicherungsanstalt Berlins 1898 errichtete Lungensanatorium Beelitz-Heilstätten.

Die junge Biologie-Studentin Antonia Marquardt hat einen unklaren Befund ihres Tuberkulinpflasters und wird 1938, weil ihre Mutter an Tbc verstorben ist, zur Beobachtung und Rekonvaleszenz nach Beelitz geschickt. Antonia ist als Studentin hier die Ausnahme. Die anderen Frauen sind Ehefrauen von Arbeitern, die mit ihren Kindern in feuchten Wohnungen leben, von Armut geprägt sind und zum Teil ihre Nahrungsmittel für die Kinder aufsparen. Sie alle müssen sich nun dem strengen Reglement unterwerfen. Mehrmals Fieber messen pro Tag, das Sputum in den „Blauen Heinrich“ spucken, Liegekuren, Wechselduschen und nahrhaftes Essen. Was wie das Paradies klingt, ist für manche schwer zu ertragen, denn so manche Krankenschwester legt einen Kasernenhofton an den Tag.

Obwohl man versucht, alles die Politik von den Kranken fern zu halten, sickern natürlich Informationen durch. Außerdem leben auch einige Frauen, die dem NS-Regime fanatisch folgen.

Als Antonia als geheilt entlassen wird, sattelt sie von Biologie auf Medizin um. 1942 kehrt sie kurz vor Studienabschluss als Praktikantin nach Beelitz-Heilstätten zurück. Der Ton ist rauer geworden, was vor allem an Schwester Martina und Dr. Franke, beides glühende Nazis, liegt. Was daraus folgt, ist klar. Sterbenskranke Patientinnen, die sich nicht unterordnen oder an der Politik zweifeln, werden in eine der zahlreichen Sonderanstalten überstellt.

Neben dem Handlungsstrang rund um Antonia, gibt es noch zwei weitere: Den um die Familie Berggruen. Der Vater, ein Sozialist, der es geschafft hat, unter dem Radar des Regimes zu bleiben, und die beiden ungleichen Söhne. Ronny, dem die Gemeinschaft der HJ so gut gefällt, dass er mit Freude und Hurra-Geschrei an die Front geht und Joachim, genannt Jojo, der lieber Bücher liest, als an Wehrsportübungen teilzunehmen.

Der dritte Handlungsstrang, der nicht ganz so ausgeprägt ist, betrifft Antonias Freundin Christian, die mit Gleichgesinnten dem NS-Regime Widerstand leistet und Flugblätter verteilt. Es kommt, wie es kommen muss, Christiane wird verhaftet und ihre kleine Schwester Leni flüchtet zu Antonia, die zwar bei den Aktionen der der Widerstandsgruppe nicht aktiv mitmachen wollte, aber nun im Ernstfall sich als kreative Stütze erweist.

Meine Meinung:

Über Tuberkulose-Kranke liest man häufig in Zusammenhang mit gut Betuchten wie Thomas, die in Davos auf Kur weilen oder von schwindsüchtigen Charakteren in diversen Opern wie Mimi in La Bohème oder als „Wiener Krankheit“ in den Elendsvierteln der Arbeiterinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Die Tbc hat bis zur Entwicklung von Antibiotika bis nach dem Zweiten Weltkrieg als unheilbar gegolten. Die vorbeugende Impfung ist zwar seit den 1930-er Jahren bekannt, aber auf Grund des Impfunglücks von Lübeck, bei dem Neugeborenen verunreinigter Impfstoff verabreicht wurde und 77 Babys an Tbc starben, ausgesetzt.

Dieser historische Roman schildert wie zahlreiche andere Romane Details aus der NS-Zeit, die vielleicht nicht ganz so bekannt sind. Mag sein, dass die Heilanstalt - zumindest zu Beginn der Zweiten Weltkriegs eine kleine selige Blase in einer grausamen Welt der Vernichtung gewesen ist. Der gutgemeinte Appell an Linde, sich keiner Schwangerschaft mehr auszusetzen, kann ich auch nicht ganz glauben. Man hat hier nicht lange gefackelt und die Frauen wie Männer einfach unter sterilisiert.

So nimmt denn auch die Liebesgeschichte zwischen Dr. Henrik Westphal und Antonia Marquardt einen großen Raum ein.

Der Roman wirkt auf mich insgesamt ein wenig „weichgespült“. Es sind einfach zu viele aufrechte Charaktere an einem Platz. Es gibt zwar neben der schon genannten Schwester Martina und Dr. Franke, mit Prof. Hartmann eine weitere üble Person, der den Studentinnen nachstellt und Antonia mit schlechten Noten zu erpressen versucht, sollte sie nicht mit ihm „Abendessen“ gehen. Doch Antonia, ist in ihrer Rolle als Mitwisserin bzw. als Initiatorin ist nie wirklich in Gefahr.

Aus anderer Literatur kenne ich da ganz andere Gepflogenheiten wie z. B. in der Wiener Kinderklinik Am Spiegelgrund: Austausch des gesamten Personals und barbarische medizinische Versuche an Kindern, die letztlich ermordet worden sind.

Wer ein realistische Bild der medizinischen Versorgung von Langzeitkranken in der NS-Zeit lesen will, muss zu anderen Büchern greifen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der die grausame NS-Zeit in nur einer winzigen Dosis verabreicht, 4 Sterne.

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