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gst
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pirna

Bewertungen

Insgesamt 201 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2018
Bäm!
Teichen, Frauke;Teichen, Tobias

Bäm!


sehr gut

Beziehungsratgeber

Wer kennt es nicht: Man hat die besten Absichten mit anderen gut auszukommen und trotzdem kracht es immer wieder. Statt aufzugeben und mit anderen Menschen neu zu beginnen, gibt es auch die Möglichkeit, Konflikte auszutragen – ohne große Streitereien. Wie das geht, beschreiben Tobias und Frauke Teichen in diesem Buch.

Schon das Cover zeigt, dass in einer Beziehung beide das Lenkrad in der Hand halten (können). Doch was geschieht, wenn jeder in eine andere Richtung lenkt? Dann fährt die Karre nicht weiter. Statt sie stehen zu lassen und eine neue anzuschaffen, ist es sinnvoll, sich zu einigen, wohin man fahren will. Dazu gehört, sich über Argumente auszutauschen.

Das Pastorenehepaar beschreibt mit vielen persönlichen Beispielen, wie sie ihre Ehe „am laufen“ halten. Sie sprechen ihre unterschiedliche Einstellung an und erzählen, wie sie mit Gottes Hilfe unvermeidbare Konflikte überwinden. Dabei wird deutlich, dass ihre Strategien nicht nur den Ehealltag erleichtern können, sondern auch für Freundschaften und sonstige Beziehungen gelten.

Drei Übungskomplexe („Die Wahrheit in Liebe sagen“, „Vergebung“ und „Die Kommunikation“) bereichern den zweiten Teil des Buches. Sicher wird nichts wirklich Neues erwähnt, aber sich bewusst zu machen, was Beziehungen erschwert, schadet sicher niemandem.

Die weiterführende Literatur, auf die durch viele Fußnoten hingewiesen wird, fand ich ausgesprochen interessant. Und auch wenn mich die Cartoons nicht wirklich ansprachen, brachte mich so manche Aussage zum Schmunzeln.

Gerne empfehle ich das Buch denjenigen, die sich nach harmonischen Beziehungen sehnen und immer wieder frustriert feststellen, dass Konflikte unvermeidbar sind.

Bewertung vom 04.09.2018
In Schönheit sterben / Robert Lichtenwald Bd.2
Ulrich, Stefan

In Schönheit sterben / Robert Lichtenwald Bd.2


weniger gut

Von einem Italienkenner

Die Journalistin Giada Bianchi schreibt für den „Mercurio“, ein Blatt, das Cesare Colasanti gehört. Als der Bruder des Mäzens ermordet aufgefunden wird, soll Giada herausfinden, welches wertvolle Kunstwerk bei ihm gestohlen wurde. Hilfesuchend wendet sie sich an Robert Lichtenwald, einen Münchner Rechtsanwalt, der sich in der toskanischen Maremma niedergelassen hat.

Das Buch begann mit einem spannenden Prolog. Doch die Spannung flachte schnell ab. Als Leserin lernte ich die Gegend um Rom kennen, ebenso wie den Landsitz des Rechtsanwaltes. Ich erfuhr, dass Giadas Sohn vor einem Jahr von einem Serienmörder entführt worden war und Robert ihr in dieser schweren Zeit zur Seite gestanden war. Neben dem Liebesgeplänkel der beiden wurde deutlich, dass sich der Autor in der beschriebenen Gegend gut auskennt. Doch als Nicht-Kennerin ließen mich die vielen Ortsangaben und die italienischen Worte seltsam kalt. Die Augusthitze in Rom und der Umgebung ließen eher Urlaubsgefühle erahnen, als die von einem Krimi erhoffte aufgeladene Stimmung.

Erst die letzten der insgesamt 33 Kapitel auf 300 Seiten nahmen mich gefangen. Da geschah dann tatsächlich etwas! Doch insgesamt hatte ich mir mehr erwartet, weshalb meine Bewertung entsprechend ausfällt.

Bewertung vom 04.09.2018
Summer
Sabolo, Monica

Summer


ausgezeichnet

Als Leser taucht man ein in ein geselliges Leben am Genfer See ein, doch entdeckt schnell, dass der Schein größer ist als das Sein. So gibt es nach Summers Verschwinden keine Freunde und Gäste mehr. Und der verstörte Benjamin zieht sich immer stärker in seine eigene Welt zurück, in der er angeblich nicht mehr an seine Schwester denkt.

Mich hat dieser Roman sehr angesprochen. Ich fand die langsame Entwicklung mit den vielen Rückblicken und den diffusen Bildern äußerst spannend. Da konnte ich leicht über die teilweise verschachtelten Sätze hinwegsehen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.08.2018
Die Kunst der Begleitung
Schuchter, Patrick; Fink, Michaela; Gronemeyer, Reimer; Heller, Andreas

Die Kunst der Begleitung


ausgezeichnet

Wächter der Einfühlsamkeit am Rande des Lebens

Dieses Buch entstand aus einem Forschungsprojekt über ehrenamtliche Arbeit, in der Menschen Sterbenden verschwenderisch ihre Zeit zur Verfügung stellen, ohne dafür Geld zu verlangen. Denn sie verfügen im Gegensatz zu vielen Hauptamtlichen über die Möglichkeit, sich zweckfrei und absichtslos auf die Lebenssituation derjenigen einzustellen, die aus Gesundheits- oder Altersgründen am Ende ihres Lebens stehen. In ihrer Tätigkeit sind sie nicht für die körperliche Versorgung zuständig, sondern für den Seelenschmerz, der Sterbende quält. Oft sind es ältere Frauen, „die eine Fülle drastischer, dramatischer und erfahrungreicher Geschichten über Sterben und Trauer zu erzählen haben.“ (Seite 9)

Die Berichte der Ehrenamtlichen zeugen von einer bemerkenswerten Sensibilität und einer großen Fähigkeit sich auf die unterschiedlichsten Situationen einzulassen. Natürlich kommt auch Hilflosigkeit zur Sprache, wenn es beispielsweise nicht gelingt, einen Zugang zum Sterbenden zu finden. Auch Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Begleitern werden thematisiert.

Insgesamt ein Buch, das zeigt, wie Ehrenamtliche, die in der privaten Umgebung und in Pflegeheimen häufig gestresste Angehörige und Hauptamtliche unterstützen und durch ihr Dasein dem Ende des Lebens einen Teil des Schreckens nehmen.

Ich wünsche diesem interessanten, gut lesbaren Buch, dass es viele Menschen in die Hand nehmen und lesen, damit sich noch mehr Menschen dafür erwärmen, anderen das Lebensende etwas menschlicher zu gestalten.

Bewertung vom 13.08.2018
Weit weg von Verona
Gardam, Jane

Weit weg von Verona


ausgezeichnet

Eigenwillige Jugenderlebnisse

Nein, mit Verona hat dieses Hörbuch wirklich nichts zu tun. Es spielt in einem kleinen Badeort an der Nordostküste England zu Zeiten des 2. Weltkrieges. Die Kinder gehen mit Gasmasken bewaffnet zur Schule. Ansonsten sind sie ganz normale Kinder, mit einer Menge Flausen im Kopf.

Jessica, die Hauptperson, die von sich selbst erzählt, ist sehr wahrheitsliebend. So erfährt man als Hörer detailgetreu von ihren Ideen, die nicht unbedingt das sind, was die Erwachsenen von ihr erwarten. Unüberlegt bringt sie sich immer wieder in verquere bis gefährliche Situationen. Als Pubertierende kämpft sie mit dem Gefühl, von anderen abgelehnt zu werden. Trotzdem hält sie an ihrer eigenen Einstellung zum Leben fest und lässt sich nicht verbiegen.

Vanessa Loibl liest dieses Buch mit einer Jungmädchenstimme ein, die sehr gut zu Jessika passt. In meinen Augen gelingt es ihr vorzüglich, den Humor der jeweiligen Situation einzufangen. So wurde mein Schmunzeln des öfteren von einem lauten Auflachen abgelöst. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass diverse Erzählungen mitten im Geschehen abgebrochen wurden. Doch die fehlenden Details wurden später noch einmal aufgenommen und zu Ende erzählt.

Für mich war dies das erste Werk aus Jane Gardams Feder, aber sicherlich nicht das letzte.

Bewertung vom 16.07.2018
Dhanyavaad Mama
Hövels, Isabel;Schiffer, Mike

Dhanyavaad Mama


sehr gut

Auf der Suche nach der Herkunft

Isabel Hövels ist Deutsche. Doch ihr Aussehen verrät, dass ihre leiblichen Eltern keine Europäer sind. Trotzdem sie in Deutschland zu Hause ist, drängte sie ein innerer Aufruhr, nach ihrer Herkunft zu suchen. Mit 18 begab sie sich zum ersten Mal auf die Reise nach Indien, wo ihre Eltern sie als Baby adoptiert hatten. Doch so leicht, wie sie sich die Suche nach ihrer Ursprungsfamilie vorstellte, war es nicht. Von den Kinderheimen einer Ordensgemeinschaft bekam sie voneinander abweichende Auskünfte über ihre Mutter: Einmal sollte sie schon gestorben sein, ein andermal hieß es, sie selbst sei unehelich geboren und würde ihrer Mutter nur Probleme bereiten, wenn sie weiter suchte. Doch Isabel gab nicht auf. Schließlich hatte sie mehrere Menschen an ihrer Seite, die sie mit Rat und Tat unterstützten.

Ich fand das Buch sehr interessant. Bisher wusste ich noch nicht, dass Klosterschwestern indische Kinder ohne Zustimmung der Eltern an ausländische Adoptiveltern vermittelten. Sicher hatten sie im Hinterkopf den Kindern etwas Gutes zu tun. Doch an die Seele der Kinder dachten die gottesgläubigen Frauen wohl nicht.

Isabel Hövels ist es gelungen, ihre eigene Zerissenheit sehr glaubhaft darzustellen. Sie nimmt uns in diesem Buch auf drei Reisen nach Indien mit. Allein das Kennenlernen der völlig anderen Kultur und Lebensweise fand ich beeindruckend. Mir wurden ganz neue Sichtweisen offenbart.

Für mich war diese Biografie einer deutsch-indischen Adoption sehr lesenswert. Ich empfehle das Buch nicht nur denen, die daran denken, ein Kind aus dem Ausland zu adoptieren. Auch wer mehr über Indien erfahren möchte, bereut die teilweise sehr emotionale Lektüre sicherlich nicht.

Bewertung vom 27.05.2018
Andrea - Briefe aus dem Himmel
Kehr, Karsten

Andrea - Briefe aus dem Himmel


gut

Das Leben ist nicht fair

„Glück ist etwas, was man geben kann, ohne es zu haben“, sagte Andrea (Seite 194). Sie war erst 31, als der Krebs ihr das Leben nahm. Die Mutter von zwei kleinen Töchtern hat tapfer gegen die Krankheit angekämpft und so dem Leben noch vier Jahre abgerungen, um sie für ihre Töchter zu nutzen.

Die letzten 14 Monate ihres Lebens durfte sie der Journalist Karsten Kehr begleiten. Beeindruckt erzählt er von der Lebenskünstlerin, die für die Geburtstage ihrer Töchter in den nächsten Jahren Briefe schrieb und Geschenke bastelte. Seine Frau, die Sängerin NEA! schrieb sogar einen Song für die tapfere Frau, der mit den lebendigen Kindern auf YouTube unterlegt ist: https://www.youtube.com/watch?v=vYXWA1J17TM

Als Leser kann man Andrea nur ebenso bewundern, wie es auch der Autor zum Ausdruck bringt und den Kindern wünschen, dass sich die Verwandten weiterhin so liebevoll um sie kümmern. Das Buch ist auf jeden Fall eine mutmachende Lektüre und zeigt, wie auch Todgeweihte Sinn in ihrem Leben finden.

Leider hat mir die Schreibweise dieser sehr bewegenden Geschichte nicht so gut gefallen. Vielleicht bin ich ungerecht, denn der Autor ist Journalist und kein Schriftsteller, und schreibt eben so, wie es in seinem Beruf gewünscht wird. Mir sind einige Wiederholungen aufgefallen und so manche Wortwendung, die mir nicht besonders gefiel. Aus diesem Grund kann ich nur drei Sterne vergeben.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.05.2018
Das Grab unter Zedern / Leon Ritter Bd.4
Eyssen, Remy

Das Grab unter Zedern / Leon Ritter Bd.4


sehr gut

Eine aufregende Reise an die Côte d'Azur

Zwischendurch mal ein Krimi schadet nicht, dachte ich mir. Schließlich hatte ich schon lange keinen mehr gelesen. Da kam mir „Das Grab unter Zedern“ gerade recht. Das Buch entführte mich an die Côte d'Azur und ließ diese Landschaft, die ich als Urlauberin schon einmal in Natur erleben durfte, wieder aufleben.

Zum Glück hatte ich damals mehr Ruhe, als der mit der Kommissarin Isabelle liierte Gerichtsmediziner Leon Ritter. Der findet bei der Obduktion eines Ertrunkenen, dass der unmöglich eines natürlichen Todes gestorben sein kann. Gleichzeitig erschrickt er über die Bürgerwehr in Lavandou, die einem als unschuldig entlassenen ehemaligen Gefängnisinsassen nachstellt und muss sich über den ihm zur Seite gestellten Bodin ärgern, der nichts tut, aber versucht, die Lorbeeren abzusahnen. Während die Polizei versucht, den Fall als abgeschlossen zu betrachten, findet Leon genügend Anhaltspunkte, um sie davon abzuhalten. Dazu muss er trotz seiner Seekrankheit auf die Insel Porquerolles übersetzen, die zwar idyllisch ist, aber auch einige Geheimnisse beherbergt.

Der Autor hat mit seinem vierten Krimi einen interessanten Fall geschaffen, in dem es immerhin darum geht, wer vor Jahren ein kleines Mädchen entführt hat, das niemals gefunden wurde. Der Schreibstil ist locker und leicht – gerade richtig für erholsame Lesestunden. Auch wenn man die ersten drei Bände nicht kennt, kommt man ohne Probleme in die Lektüre.

Bewertung vom 17.05.2018
Die Schönheit der Nacht
George, Nina

Die Schönheit der Nacht


sehr gut

„Eines Tages festzustellen, dass man sich verändert hat, während man nicht hinsah, passiert täglich Millionen von Frauen. Menschen sehen eine Frau im mittleren Alter, Mitte vierzig, Mitte sechzig – aber unter der Hülle lebt eine Vierundzwanzigjährige, eine Achtzehnjährige, eine Frau jenseits von Zahlen, und alle ihre Wünsche sind noch jung.“ (Seite 158)

Die Mittvierzigerin Claire ist keine Frau der großen Worte. Als Wissenschaftlerin ist sie im Beruf immer up to date. Um ihrer Sehnsucht nach Gefühlen Genüge zu leisten, bricht sie ab und zu für ein kurzes Abenteuer aus ihrer Ehe aus. Nachdem sie sich alle Empfindungen zugestanden hat, zieht sie sich wieder in ihren Kokon zurückzuziehen um zu funktionieren.

Julie ist noch sehr jung und träumt von einer Karriere als Sängerin. Doch verbirgt sie ihre Wünsche, traut sich selbst nichts zu. Claire und ihr Mann Gilles laden die Freundin ihres Sohnes ein, mit ihnen ans Meer zu fahren.

Soweit die Ausgangssituation dieses Romans, der mich anfangs nicht so recht einfangen konnte. Erst als die Familie am Meer ankam und Claire sich an ihre Kindheit als jüngste von drei Geschwistern erinnerte, sprang der Funke über. Plötzlich erfuhr ich von einem äußerst lebendigen Kind, das ihren beiden älteren Geschwistern die Mutter ersetzte.

Auch in Julie bricht in dieser relaxten Umgebung etwas auf: „Ich will leben! Ich will tanzen, ich will singen, ich will das große Ganze, ich will Rausch, Lust, ich will alles und jetzt! Ich will mich nicht fügen, genügen, ich will mich nicht zusammenreißen, um gemocht zu werden!“ (Seite 97) Welche Frau kennt dieses Aufbäumen der Seele nicht?

Da entstand in mir ein unbeschreibliches inneres Feuer, das von jedem Bild, jedem Satz des Buches genährt wurde und mir zeigte, wie schön das Leben sein kann. Gleichzeitig spürte ich auch Traurigkeit hochsteigen, weil sich die Protagonisten unfähig zeigten, sich einander anzunähern, die gewachsenen Regeln zu durchbrechen, dem anderen die eigenen Sehnsüchte einzugestehen ...

Nina Georges poetische Sprache ist mir schon in „Das Lavendelzimmer“ aufgefallen. Schon damals hat sie die Entwicklung ihrer Protagonisten sehr nachvollziehbar beschrieben. Auch in diesem, ihrem vierten Roman, sorgt sie für eine – diesmal ungewöhnliche – Entwicklung ihrer Figuren. Das Buch beinhaltet Urlaubsstimmung, ein Familientreffen, einen eindrücklichen Tangoabend und viele Augenblicke, über die sich das Nachdenken lohnt.

Ich kann es jedem empfehlen, der nicht nur „action“ sucht, sondern leise Töne liebt.

Bewertung vom 05.05.2018
Den Kern schluckt man nicht

Den Kern schluckt man nicht


ausgezeichnet

Kurz und prägnant

„Während der Vater die Zeitung zusammenfaltete, sah M auf den Teller vor sich, auf die rote Umrandung und die kleinen, gebrochenen Stellen am Tellerrand. Er fuhr mit dem Finger darüber. Manche Stellen waren glatt, andere hingegen rau und scharfkantig.“ (Seite 9)

Der Autor beobachtet präzise, so dass die Bilder wie ein Film vor dem Auge des Lesers ablaufen. Es geschieht nichts aufregendes – oder besser gesagt: alles wird so stoisch beschrieben, als geschähe nichts besonderes. Der Leser taucht in die Welt eines alterslosen Kindes ein, für das alles selbstverständlich ist. Doch mit ein wenig Lebenserfahrung entstehen Emotionen, da sich die Verhaltensmuster ganz anders einordnen lassen. Und unvermittelt fragt man sich, was die Familienmitglieder für ein Verhältnis zueinander haben.

Seite 33: „… sah abermals hoch, zur dritten Etage, wo die Mutter stand, mit dem Rücken ans Fenster gelehnt, die lockigen Haare gegen das Fenster gedrückt, und wo der Vater stand, von dem nur die rechte , obere Hälfte des Gesichts zu sehen war. Die Mutter schaute am Vater vorbei auf etwas, das sie in der Hand hielt. Als der Vater seine Hand auf das Ohr der Mutter legte, ließ sie den Kopf wie auf Kommando nach vorn auf seine Brust fallen.“

Neben den zahlreichen Episoden aus dem Familienleben haben mir auch die Beobachtungen der Umgebung gefallen:

„Im Zentrum des Marktplatzes stand eine Bronzestatue. Sie zeigte einen Offizier auf einem Pferd. Auf dem Kopf des Offiziers saß quer ein Zweispitzhut, er reckte eine Lanze in die Luft, und als wollte er ein Heer in eine Schlacht peitschen, war sein Mund weit aufgerissen. Das Pferd aber schien zu traben, nur leicht hatte es eines der Vorderbeine angewinkelt, und schlaff hing auch die Leine von seinem Hals herunter.
Jeden Morgen kam der Mann mit dem Lappen, die Statue zu polieren. Mit dem Oberkörper pflegte er dabei auf- und abzuwippen, und die Haare die ihm übrig geblieben waren, fielen ihm in feinen Strähnen übers Gesicht.“ (Seite 21)

Hakan Tezkan wurde 1989 in Göttingen geboren, wuchs in Bergisch Gladbach auf und lebt heute in Wuppertal, wo er nach seinem Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig ein Lehramtsstudium aufgenommen hat. Sein Debütroman „Den Kern schluckt man nicht“ ist nur 125 Seiten lang. Er ist in drei Teile gegliedert, von denen jeder aus kurzen, prägnanten Kapiteln von ein bis sieben Seiten besteht.

Ich bin wirklich begeistert von der knappen Sprache, in der jeder Satz auf den Punkt kommt. Wer keine ausschweifenden Erklärungen braucht, der wird seine Freude an diesem Roman haben, der sich leicht an einem Nachmittag weglesen lässt.