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sabatayn76

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Insgesamt 244 Bewertungen
Bewertung vom 10.05.2010
Leila
Cavelius, Alexandra

Leila


gut

Inhalt:
Leila erzählt von ihrer Kindheit mit einem gewalttätigen und alkoholkranken Vater, von dem Leben auf dem Land und ihrem Umzug nach Krajina. Eigentlich wollte sie studieren, hatte Träume und Pläne, doch dann bricht der Krieg aus, und Leila wird in ein Vergewaltigungslager in Bosnien verschleppt.

Mein Eindruck:
In simpler und bisweilen kindlicher Sprache berichtet Alexandra Cavelius von Leila und ihrem Leiden. Selbstverständlich sind Leilas Erfahrungen schockierend und schrecklich, doch ganz authentisch wirken diese Schilderungen nicht. Dies mag zum Einen an der sprachlichen Unbeholfenheit der Autorin liegen (Ich möchte kaum glauben, dass sie ihr Geld mit Journalismus verdient). Zum Anderen bleibt selbst bei den detailliertesten Ausführungen ein sonderbares Gefühl von Distanz und Sachlichkeit zurück. Diese Gefühlslosigkeit/Nüchternheit wirkte auf mich jedoch nicht wie eine emotionale Taubheit wie sie beispielsweise bei schweren Traumata und bei dissoziativen Zuständen auftritt, sondern vielmehr wenig authentisch und eher aufgesetzt.

Mein Resümee:
Es gibt meiner Meinung nach deutlich bessere Bücher zum Thema 'Vergewaltigung im Krieg', beispielsweise 'Eine Frau in Berlin', 'BeFreier und Befreite' und 'Als gäbe es mich nicht'.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2010
Rattentanz
Tietz, Michael

Rattentanz


sehr gut

Inhalt:
Aufgrund eines Schülerstreichs geht am 23. Mai um 7 Uhr nichts mehr: Das Telefon ist tot, der Strom ist weg, Flugzeuge stürzen ab. Noch glauben die Protagonisten an ein temporäres Problem, doch bald wird klar, dass man sich mit dem neuen Leben abfinden und das Beste daraus machen muss. Eine neue Zeitrechnung beginnt. Die Errungenschaften der modernen Welt rücken immer mehr in den Hintergrund. Die tägliche Herausforderung ist nun der Kampf um Nahrung und das nackte Überleben in einer Welt des Chaos, der Anarchie und der Gewalt.

Mein Eindruck:
'Rattentanz' liest sich sehr flüssig und einfach, obwohl der Autor bisweilen sehr weit ausholt. Dennoch hat das Buch meiner Meinung nach trotz seiner Länge keine Längen.
Man merkt zudem, dass der Autor sich mit dem Thema hinreichend auseinander gesetzt und sich in das von ihm beschriebene Szenario intensiv hineingedacht hat. Auch die detaillierte und realistische Schilderung von Erkrankungen und ihren Symptomen hat mir gut gefallen. Man merkt, dass der Autor Krankenpfleger ist, und dass er Ahnung von dem hat, was er beschreibt.
Bis auf die letzten 150 Seiten, die ich im Vergleich zum Rest des Buches eher schwach und manchmal regelrecht absurd fand, wirkte 'Rattentanz' auf mich sehr authentisch. Das Geschriebene ist oft sehr brutal und sehr explizit, doch vermag es der Autor dadurch, sein Schreckensszenario glaubwürdig, befremdend und verstörend darzustellen. Etwa bei der Hälfte des Buches dachte ich darüber nach, ob ich das Buch nicht lieber abbrechen sollte, denn ich habe die Unsicherheit und die Verzweiflung der Protagonisten beinahe hautnah erlebt und habe mich zeitweise sehr unwohl gefühlt.
Es gibt einige Inkonsistenzen, die ich als störend empfand. So hat einer der Protagonisten eben noch eine eiternde Wunde von einem Streifschuss mitten im Gesicht und sieht kurz darauf gesund und munter aus. Außerdem gefiel mir die Beschreibung des anfangs verbal aggressiven Griesgrams Frieder nicht, der urplötzlich zu einem beliebten und geliebten Zeitgenossen mutiert. Menschen machen zwar Wandlungen durch, vor allem durch schwere Traumata, aber diese schlagartige Veränderung grundlegender Charakterzüge ist unglaubwürdig und psychologisch nicht nachvollziehbar.

Mein Resümee:
Alles in allem eine unterhaltsame und erschütternde Vision des Lebens nach dem Verlust der Errungenschaften der modernen Welt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.05.2010
Die Stimmen des Flusses
Cabré, Jaume

Die Stimmen des Flusses


ausgezeichnet

Inhalt:
Die Lehrerin Tina Bros findet in einer abbruchreifen Schule eine alte Zigarrenkiste mit den Aufzeichnungen von Oriol Fontelles. Oriol war Lehrer in Torena, einem kleinen Ort in den Pyrenäen, und wurde 1944 in der Kirche ermordet. Tina sucht nach der Wahrheit und erforscht die Geschichte und die Geschichten des Dorfes, stößt auf Geheimnisse, Verschwörungen und Intrigen, erfährt von großer Leidenschaft, von Verrat und von Schuld. Immer mehr verschmilzt die Vergangenheit mit Tinas Leben und mit den jüngsten Ereignissen im Ort.

Mein Eindruck:
Cabré wechselt häufig die Zeit und die Perspektive, ohne dies im Text zu kennzeichnen. Sehr schnell werden zahlreiche Protagonisten eingeführt, deren Verbindung zueinander und deren zeitliche Einordnung anfangs noch unbekannt und eher verwirrend ist. Anfangs habe ich bisweilen die Orientierung verloren. Sobald ich mich jedoch eingelesen und mich auf Cabrés Stil eingelassen hatte, entstand ein sehr komplexes Bild des Dorfes, seiner Bewohner und des Franquismus. Cabré berichtet von Bespitzelungen, von Verhören, von Folterungen, von Gewalt, von Hinrichtungen, vom Widerstand. Er tut dies bisweilen in schonungsloser, doch stets in glaubwürdiger Weise. Durch die plötzlichen Zeitsprünge zeigt er den fließenden Übergang zwischen Vergangenheit und Gegenwart und betont die Konsequenzen, die Geschichte Im Kleinen wie im Großen hat.

Mein Resümee:
Ein spannender Einblick in die Zeit des Franquismus.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.04.2010
Das Liebesleben des Giacomo Müller
Krausser, Helmut

Das Liebesleben des Giacomo Müller


sehr gut

Inhalt:
Das Büchlein umfasst sechs Erzählungen Helmut Kraussers: 'Neues vom Norbert', 'Spielgeld', 'Das Liebesleben des Giacomo Müller', 'Der eine und der andere', 'Nuntius und Ananas' und 'Iason'.

Mein Eindruck:
Der Autor schreibt, als säße er mit dem Leser am Tisch, tränke ein Bier und erzähle seine Geschichten - sehr flüssig, sehr lebendig, sehr fesselnd. Kraussers Beobachtungen und Schilderungen sind oft boshaft, sarkastisch, schwarzhumorig. Besonders gefallen hat mir 'Neues vom Norbert', eine Erzählung über Norbert, der seinen Suizid plant und seine Freunde informiert, was aber keinen interessiert und was keiner recht ernst nehmen möchte.

Mein Resümee:
Oberflächlich betrachtet ein unterhaltsames und leicht zu lesendes Buch, das Spaß macht. Zwischen den Zeilen Gesellschaftskritik und eine tiefgehende Lektüre. Ein Autor, von dem ich gern mehr lesen möchte!

Bewertung vom 25.04.2010
Am Strand
McEwan, Ian

Am Strand


weniger gut

Inhalt:
Edward und Florence befinden sich auf ihrer Hochzeitsreise und quälen sich beide mit Befürchtungen, Ängsten und Pflichtgefühlen. Während Edward sexuelles Versagen antizipiert, zeigt Florence gar kein Interesse an Sex und fühlt sich regelrecht abgestoßen. Keiner erwähnt dem anderen gegenüber, was wirklich in ihm vorgeht – und so befinden sie sich bald in einer Spirale aus Schweigen, Interpretation der Aktionen und Reaktionen des anderen, Paranoia und Wut.

Mein Eindruck:
Die Sprache McEwans mag zum Ort und zur Zeit der Handlung passen, doch waren mir seine Schilderungen bisweilen zu schwülstig und künstlich (z.B. '(…) daß der empfindlichste Teil seiner selbst (…) für eine gewisse Zeit (…) in der natürlichen Höhlung dieser fröhlichen, liebenswerten und so außerordentlich intelligenten Frau weilen würde' oder 'anschwellender Leibeszustand'). Die Protagonisten wirkten auf mich wenig glaubwürdig und nicht lebendig, die Handlung erschien zu konstruiert. Alles in allem empfinde ich 'Am Strand' als einen belanglosen Roman, trotz oder gerade wegen der gewollten psychologischen Tiefe, die der Autor meiner Meinung nach jedoch nicht erreicht.

Mein Resümee:
Ian McEwan kann es besser. Romane wie 'Abbitte', 'Der Trost von Fremden' oder 'Liebeswahn' haben mich vor Jahren begeistert und sehr bewegt. 'Am Strand' bleibt meiner Meinung nach deutlich hinter diesen Büchern zurück.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.04.2010
Die Zarinnen
Fedorowski, Wladimir

Die Zarinnen


schlecht

Inhalt:
Federowski porträtiert Russlands mächtige Frauen – von der ersten Zarin Anastasia Romanowa über Katharina die Große und Raissa Gorbatschowa bis hin zu Boris Jelzins Tochter.

Mein Eindruck:
Die Stuttgarter Zeitung kommentiert Federowskis Buch folgendermaßen: 'Ein romanesker Streifzug durch die russische Geschichte'. Dies trifft den Kern sehr gut, und etwas anderes als eine Art Roman sollte der Leser auch nicht erwarten. Gesicherte Quellen sucht man vergeblich - im Anhang gibt es zwar eine kurze Bibliographie, doch im Text gibt es keine Hinweise, welche Literatur der Autor benutzt hat, woher er seine Informationen gewonnen hat. Federowskis Schilderungen sind zudem reißerisch und klingen eher wie Tratsch, den man in Frauenzeitschriften zu Angehörigen der Königshäuser finden kann. Der Leser erfährt von den Trink- und Waschgewohnheiten der Zaren und Zarinnen, von Impotenz und Mätressen, jedoch kaum von wirklich spannenden und wichtigen Details wie kulturgeschichtlichen Hintergründen, politischen Zusammenhängen, historischen Aspekten oder tiefgründigen Charakterstudien, die zum Verständnis der Zeit, der Kultur und des Machtgefüges beitragen könnten. Alles in allem bleibt die Geschichte des zaristischen Russlands und der Sowjetunion farblos und oberflächlich.

Mein Resümee:
Enttäuschend.

Bewertung vom 24.04.2010
Pandora im Kongo
Sánchez Piñol, Albert

Pandora im Kongo


ausgezeichnet

Inhalt:
Sommer 1914: Der 19-jährige Ich-Erzähler Thomas Thomson ist ein 'literarischer Neger', er schreibt Bücher für andere. Nach diversen Beerdigungen trifft Thomson auf den Rechtsanwalt Edward Norton, der möchte, dass Thomson die Geschichte des Häftlings und angeklagten Mörders Marcus Garvey in Buchform bringt. Dies bildet den Rahmen für den Bericht über Garveys Erlebnisse im Kongo, wohin er die beiden Brüder Richard und William Craver begleitet hatte, die dort das schnelle Geld machen wollten.

Mein Eindruck:
Selten hat sich meine Meinung über ein Buch während des Lesens so häufig und so extrem geändert wie bei 'Pandora im Kongo'. Den Beginn fand ich zu konstruiert und bisweilen albern, beinahe lächerlich übertrieben.
Die Schilderung der Kongo-Expedition hat mir anfangs sehr gut gefallen, da ich großes Interesse an Entdeckungsreisen im Allgemeinen und am Kongo im Besonderen habe. Hier vermag es der Autor, den Leser mit ins Herz der Finsternis zu nehmen, ihn die Farben, die Hitze und die Gerüche hautnah erleben zu lassen.
Das Auftreten der Tektoner hat mich eher zwiegespalten bis entgeistert zurückgelassen: wo ich bei 'Im Rausch der Stille' noch Gefallen an den sonderbaren Wesen gefunden habe und eigene Interpretationsansätze entwickeln konnte, was das Ganze zu bedeuten hat, war mir die detailreiche Beschreibung der Tektoner zu absurd, zu übertrieben und zu unglaubwürdig. Einige Beschreibungen grenzen meiner Meinung nach an Kitsch und sind an Plattheit kaum zu übertreffen; so regnet es beispielsweise Gold, und Tränen werden zu Diamanten.
Das Ende hat das Ruder jedoch herumreißen können. Der Leser erkennt: Albert Sánchez Piñol hat ihn glaubhaft zum Narren gehalten. Die Übertreibungen und blumig-kitschigen Ausführungen ergeben plötzlich Sinn. Am Ende möchte man wieder von vorn beginnen und alles mit anderen Augen sehen und erleben.

Mein Resümee:
Mehrmals wollte ich abbrechen und war am Ende froh, dass ich durchgehalten habe. 'Pandora im Kongo' bleibt meiner Meinung nach hinter 'Im Rausch der Stille' zurück und erreicht vor allem nicht dessen Sprachgewalt, ist aber dennoch eine spannende, wenn auch höchst merkwürdige Geschichte.

Bewertung vom 23.04.2010
Die Attentäterin
Khadra, Yasmina

Die Attentäterin


ausgezeichnet

Der Endpunkt einer langen Gehirnwäsche oder Ein Ende in Würde nach einem Leben im Elend

Inhalt:
Der Araber Amin ist erfolgreicher Chirurg, ist glücklich verheiratet mit Sihem und lebt sein Leben scheinbar fernab des Nahostkonflikts, fernab der Ungerechtigkeit, die seinem Volk widerfährt, fernab der Intifada. Eines Tages wird seine heile Welt zerstört, denn alles deutet darauf hin, dass Sihem für ein Selbstmordattentat und den Tod unschuldiger Menschen verantwortlich ist. Amin versucht schließlich, den Geheimnissen seiner Frau auf den Grund zu gehen und begibt sich in die Zentren des palästinensischen Widerstandes.

Mein Eindruck:
Yasmina Khadra bewegt sich sprachlich auf dem gewohnt hohen Niveau, beschönigt nichts und beschreibt das Misstrauen und die Diskriminierung im eigenen Land, gibt dem Leser Gründe für und gegen Fundamentalismus/Selbstmordattentate, klärt über die Missstände in Palästina/Israel auf, berichtet vom Leiden der Menschen, von der Allgegenwärtigkeit des Kampfes, vom Fehlen eines sorglosen und freudvollen Lebens, von Hass, Ohnmacht und dem Verlust der Selbstachtung. Auf der Suche nach den Geheimnissen seiner Ehefrau wird Amin endlich wieder bewusst, woher er kommt; er erkennt, dass er Scheuklappen getragen hat, die Augen vor der politischen Misere und dem Leid der Palästinenser verschlossen hat.

Mein Resümee:
Das bisher beste Buch, das ich zum Thema gelesen habe. Unbedingt lesen!
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'Aber sie werden das Haus niederreißen!', rufe ich. 'Was ist schon ein Haus, wenn man ein ganzes Land verloren hat', seufzt sie.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.04.2010
Indien von oben
Chorier, Nicolas

Indien von oben


ausgezeichnet

Inhalt:
Nach einem Vorwort von Zubin Mehta und einer Einleitung von Nicolas Chorier mit der Geschichte des Drachenfliegens, einer Beleuchtung der technischen Seite und einer Beschreibung des traditionellen indischen Drachenkampfes finden sich Photographien verschiedener indischer Städte. Es werden unter anderem Bilder von Delhi, Jaipur, Agra, Varanasi, Goa, Mumbai und Kerala gezeigt und näher beschrieben.

Mein Eindruck:
Chorier präsentiert wunderbare Bilder in großem Format, wodurch auch Details erkennbar sind, die den Leser/Betrachter immer wieder beeindrucken, ihn zum Staunen und Träumen anregen. Weiterhin findet der Leser Informationen darüber, wie das jeweilige Bild entstanden ist, und erhält Einblicke in die Geschichte und Architektur bestimmter Bauwerke und weiterführende Anmerkungen zu den Städten.

Mein Resümee:
Ein wunderschöner Bildband, der eine überwältigende und atemberaubende Sicht auf Indien bietet.