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Benutzername: 
mrs-lucky
Wohnort: 
Norddeutschland

Bewertungen

Insgesamt 196 Bewertungen
Bewertung vom 25.08.2015
Mann ohne Herz / Siri Bergmann Bd.4
Grebe, Camilla;Träff, Åsa

Mann ohne Herz / Siri Bergmann Bd.4


sehr gut

ein interessanter Krimi mit kleinen Schwächen:
Als ich begonnen habe "Mann ohne Herz" zu lesen, war mir nicht bewusst, dass dies bereits der vierte Band um die Psychologin Siri Bergmann ist. Die vielen Andeutungen zu Siris offenbar dramatischer Vorgeschichte ließen mich stutzig werden, und ein Blick in den inneren Klappentext verhalf zur Aufklärung. Obwohl es im Verlauf der Geschichte einige Erklärungen zu Siris Streit mit ihrer ehemaligen Freundin Aina gibt und dazu, weshalb sie neuerdings für die Polizei arbeitet, hatte ich das Gefühl, Siri als Charakter nicht wirklich greifen zu können. Ich denke, dass hier im Vorteil ist, wer die anderen Bände kennt und Siris persönliche Entwicklung besser nachvollziehen kann. Da Siri eine der wichtigsten Personen des Buches ist und ihr Privatleben eine große Rolle spielt, blieb bei mir immer ein gewisses Gefühl der Lücke.
Ansonsten ist das Buch spannend geschrieben, man merkt ihm an, dass zumindest eine der Autorinnen über fundiertes Wissen aus dem Bereich der Psychologie verfügt.
Ein skrupelloser und gut organisierter Mörder scheint wahllos und brutal zu morden, erst ist ein prominenter Schwuler sein Opfer, dann ein kleiner Junge. Die Tatwaffe bildet eine Verbindung zwischen den Morden jedoch nicht zwischen den Opfern. Da der Täter keine Spuren hinterlässt, tappt die Polizei im Dunkeln. Deshalb wird die Täterprofilgruppe der Stockholmer Polizei zur Hilfe geholt, zu der auch Siri seit neustem gehört. Diese verhört Zeugen und Beteiligte, um Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern zu finden und so dem Täter auf die Spur zu kommen.
Der Krimi ist in mehrere Erzählebenen geteilt. Zum einen berichtet Siri aus der Ich-Perspektive ihre Sicht der Ereignisse, zum anderen werden in Rückblicken die Erinnerungen und Erlebnisse eines jungen Mannes dargelegt. Aber auch die Gedanken anderer Beteiligter werden in einigen Abschnitten aus ihrer jeweiligen Sicht geschildert und vermitteln auf diese Weise sehr eindringlich ihre Gefühle.
Das Buch ist an einigen Stellen brutal ohne aber abstoßend zu wirken. Die Geschichte ist komplex aufgebaut, der Leser kann miträtseln und wird an einigen Stellen überrascht.
Ich als Neueinsteigerin in die Reihe konnte lediglich mit der Hauptfigur Siri Bergman nicht wirklich warm werden und fand es störend, dass ihrer Person mit ihrer derzeitigen Labilität und Unsicherheit so viel Raum gegeben wird.

Bewertung vom 25.08.2015
STRAFE (Restexemplar)
Polanski, Paula; Nesser, Hakan

STRAFE (Restexemplar)


ausgezeichnet

Eine raffinierte Geschichte mit einigen Überraschungen:
Dieses Buch ist schwer einzuordnen. Håkan Nesser ist als Verfasser von Kriminalromanen bekannt und tritt hier als Coautor auf, um die Identität Paula Polanskis wird ein Geheimnis gemacht. Ist dieses Buch ein Krimi? Das trifft es nicht wirklich, die Geschichte besitzt allerdings durchaus Elemente eines Psychothrillers, wenngleich diese erst gegen Ende des Buches deutlich werden. Ansonsten kommt in diesem Fall eher Nessers Talent zu Geltung, in seinen Büchern auch philosophische Betrachtungen unterzubringen.
Hauptfigur dieses Romans ist ein Autor namens Max Schmeling. Er ist Mitte 60 und sehr überrascht, als er den Brief einen ehemaligen Schulkameraden erhält, zu dem er seit über 40 Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Tibor Schittkowski ist unheilbar krank und bittet Max Schmeling um einen Besuch, da er für ihn etwas erledigen solle und ihm noch etwas schuldig sei. Schmeling zögert zunächst, dieser Kontakt regt ihn jedoch dazu an, sein eigenes Leben Revue passieren zu lassen. Längst vergessen geglaubte Ereignisse aus seiner Kindheit tauchen dabei auf, die Nesser in typischer Manier mit viel Selbstironie und Augenzwinkern schildert.
Da es Tibor Schittkowski zu sehr anstrengt, Max Schmeling sein Anliegen zu erklären und die Gründe zu erläutern, gibt er ihm ein Manuskript mit, das er zu diesem Zweck vorbereitet hat.
Es gibt also eine Art Buch im Buch, das sich mit der Lebensgeschichte Tibor Schittkowskis beschäftigt und aufgrund einer gemeinsamen Bekannten weitere Erinnerungen bei Schmeling wach ruft.
Der Großteil des Romans besteht aus amüsanten Anekdoten aus dem Leben der beiden Hauptprotagonisten. Die Geschichte plätschert sanft dahin und besticht in erster Linie durch den Erzählton, der stets von einem leichten Augenzwinkern begleitet ist. Die eigentliche Raffinesse des Romans offenbart sich dem Leser erst kurz vor dem Ende. Erst jetzt wird deutlich, wie komplex diese so unscheinbar und unschuldig dahin plätschernde Geschichte ist.
Mir haben Idee und Umsetzung der Geschichte sehr gut gefallen, sie ist ebenso raffiniert angelegt wie sprachlich ausgefeilt umgesetzt.

Bewertung vom 24.06.2015
Nun ruhet sanft / Kommissar Dühnfort Bd.7
Löhnig, Inge

Nun ruhet sanft / Kommissar Dühnfort Bd.7


sehr gut

spannend und überraschend:
„Nun ruhet sanft“ ist bereits der 7.Band aus Inge Lönigs Krimireihe um den Münchner Ermittler Tino Dühnfort und ebenso spannend wie seine Vorgänger.
Diesmal wird Tino Dühnfort an einen besonders grausamen Tatort gerufen. Eine Frau und ihre beiden kleinen Kinder wurden brutal erschossen und das Haus der Familie anschließend in Brand gesteckt. Der Ehemann und Vater ist verschwunden und gilt schnell als Tatverdächtiger. Kann ein Familienvater seine eigenen Kinder derart grausam hinrichten? Kommissar Dühnfort ist fassungslos und umso mehr erschüttert, als er gerade erst von seiner Freundin Gina erfahren hat, dass er bald selbst Vater wird. Als Tom Sassen nach Hause zurück kehrt und einen Schock erleidet, nimmt Dühnfort ihm diese Reaktion nicht ab, da er in ihm den Täter sieht. Dieser Fall ist eine harte Nuss für Dühnfort, da viele Umstände und Indizien auf Tom Sassen als Täter hindeuten, dieser die Tat jedoch hartnäckig leugnet, und es keine eindeutigen Beweise gibt. An Dühnfort nagt zusätzlich, dass vor einigen Jahren in einem ähnlich gelagerten Fall der mutmaßliche Täter vor Gericht mangels eindeutiger Indizien frei gesprochen wurde. Das soll ihm diesmal nicht wieder passieren.
Obwohl die Ermittlungen im Laufe der Geschichte auf der Stelle treten, wird der Fall nie langatmig. Der Leser weiß mehr als die Polizei, denn in kursiv gedruckten Abschnitten bekommt er Einblick in die Beweggründe des Täters. Aber auch der Leser kann nur spekulieren, wer hinter der Tat steckt und erlebt einige Überraschungen.
Als Fan der Reihe habe ich alle Bände gelesen, und auch diesmal gefällt mir wieder die ausgewogene Mischung. Der Fall ist komplex und enthält überraschende Wendungen, die Charaktere sind glaubhaft und interessant angelegt. Es ist schön, nebenbei die private Geschichte Tino Dühnforts mitzuverfolgen, er wirkt als Ermittler sympathisch und menschlich. Das Privatleben rundet die Geschichte ab, ohne zu sehr in den Vordergrund gestellt zu werden, so dass diese Passagen die Spannung nicht zu sehr unterbrechen.
Der Krimi ist nicht herausragend, bietet aber spannende Unterhaltung und bekommt deshalb von mir 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 24.06.2015
Als der Himmel uns gehörte
Roth, Charlotte

Als der Himmel uns gehörte


sehr gut

Albi mit dem Bogen lässt Geschichte lebendig werden:
Vielleicht war es ganz gut, dass ich eher zufällig über diesen Roman gestolpert bin, Frauenliteratur ist nicht gerade mein bevorzugtes Genre. So aber konnte mich diese emotionale und feinfühlig erzählte Geschichte sehr berühren und positiv überraschen.
Der Klappentext ist ein wenig irre führend, stellt er doch Jennifer Feldman in den Vordergrund, deren Traum von einer Teilnahme an der Olympiade 2012 in London durch ihre wiederkehrenden Panikattacken gefährdet ist. Jennifers Geschichte bildet jedoch nur den kleineren Teil des Romans, die eigentliche tragische Heldin der Geschichte ist Jennifers Urgroßmutter Alberta, deren Familiengeschichte den größeren Raum einnimmt. Das Buch ist in 11 Teile gegliedert, die abwechselnd von Jennifers Vorbereitungen für die Olympiade 2012 erzählen und von der Familiengeschichte Alberta Berhards. Jennifer erfährt erst jetzt, dass ihre Urgroßmutter nicht nur deutsche Wurzeln besitzt, sondern sogar selbst einmal an einer Olympiade teilgenommen und ein Goldmedaille gewonnen hat, und zwar 1936 in Berlin im Bogenschießen.
Alberta ist fast 100 Jahre alt, als Jennifer sie auf ihrem Landsitz besucht und Einblick in ihre Familiengeschichte bekommt.
1932 darf Alberta ihren Vater, der im Radio als Sportreporter arbeitet, zu den olympischen Spielen in Los Angeles begleiten. Auf dieser Reise lernt sie nicht nur den begabten Springreiter Hannes von der Weydt kennen, sondern auch den britischen Adligen und Sonnyboy James Seaton-Carew, der dort ebenfalls beim Springreiten antritt. Beide Männer werden in Albertas Leben noch eine große Rolle spielen. Mit der Machtergreifung der Nazis beginnt eine schwierige Zeit in Deutschland, die deutschen Sportler für Olympia 1936 werden zur Propaganda missbraucht, auch „Albi mit dem Bogen“ muss einige Kompromisse eingehen, um ihren Traum verwirklichen zu können. Charlotte Roth geht in diesem Roman anhand der Geschichte Albertas, ihrer Familie und einiger anderer einflussreicher Personen sehr einfühlsam auf die sich verändernden Stimmungen und Verhältnisse im sich wandelnden Deutschland ein. Es kommt gut zur Geltung, wie schwierig das Leben damals war, und wie schwierig, sich dem Einfluss Nazi-Deutschlands zu entziehen oder gar zu widersetzen. Der Fokus bleibt jedoch auf den Hauptpersonen und deren teils tragischen Schicksalen und erschint so manchmal eher oberflächlich.
Die Charaktere und auch viele Szenen wirken jedoch sehr lebendig, Alberta ist ein sehr positiver Mensch und zieht die Sympathien auf sich, so dass ich an vielen Stellen mit ihr mitgefiebert und gelitten habe.
Gegen Ende wirkt die Geschichte sehr gerafft und driftet dann doch etwas sehr ins Pathetische ab, findet aber insgesamt einen runden Abschluss.
Für mich war das Buch eine positive Überraschung, die Geschichte hat mich auch dann weiter beschäftigt, wenn ich das Buch weg gelegt habe. Es hat mich zum Nachdenken angeregt, wie ich mich wohl in der damaligen Zeit entschieden und verhalten hätte. Ich werde mir die Autorin auf jeden Fall merken, da mir ihr Stil sehr gut gefallen hat und dieser Roman die Geschichte lebendig hat werden lassen.

Bewertung vom 26.05.2015
Vielleicht mag ich dich morgen
McFarlane, Mhairi

Vielleicht mag ich dich morgen


gut

Spritzig erzählt aber insgesamt zu oberflächlich und vorhersehbar:
„Vielleicht mag ich Dich morgen“ von Mhairi McFarlane ist ein locker erzählter Liebesroman, der Fans des Genres Frauenroman ein unterhaltsames Lesevergnügen bereiten wird. Das Buch ist ansprechend geschrieben, wenn auch nicht unbedingt anspruchsvoll.
Aureliana hatte in ihrer Schulzeit aufgrund ihres Übergewichts und ihres Aussehens sehr unter Mobbing zu leiden. Ein absoluter Tiefpunkt war eine Schulfeier, bei der ihr Schwarm James Fraser in ihr Hoffnungen geweckt und sie um ein Duett auf der Bühne gebeten aber letztendlich nur bloß gestellt hat.
16 Jahre später hat Aureliana nicht nur viele ihrer Pfunde verloren, sondern ist auch zu einer Schönheit mutiert und lebt als erfolgreiche Geschichtsprofessorin in London. Um die Verwandlung abzurunden, hat sie ihren Namen geändert und nennt sich jetzt Anna. Lediglich ihr Selbstbewusstsein ist bei dieser radikalen Wandlung auf der Strecke geblieben. So zögert sie, bei einem Klassentreffen ihren Peinigern von damals gegenüber zu treten. Doch mit Erstaunen stellt sie fest, dass niemand sie erkennt und auf die Idee kommt, hinter der attraktiven Anna könne die hässliche Aureliana von damals stecken. Als Anna und James dann auch noch beruflich miteinander zu tun bekommen, wittert Anna ihre Chance zur Rache, entdeckt aber bald ganz ungewohnte Seiten an ihrem Erzfeind.
Die Geschichte ist locker erzählt, der Wortwitz, lebhafte Dialoge und einige amüsante Szenen machen einige Schwächen wett. Abgesehen von dem eher unrealistischen Aufhänger von der Verwandlung des hässlichen Entleins in einen schönen Schwan, bedient die Geschichte für meinen Geschmack zu viele Klischees und ist in weiten Teilen sehr vorhersehbar. Die Charaktere bleiben eher blass, die Hauptperson Anna wirkt aufgrund ihrer Vergangenheit und ihrer natürlichen und zurück haltenden Art sympathisch, aber auch ihre Person sollte man nicht hinterfragen, da sie sonst wenig schlüssig und glaubwürdig wirkt. Allerdings bin ich nicht wirklich ein Maßstab, da Liebesromane nicht zu meinen Favoriten gehören. Fans der ChickLit-Richtung werden sich mit dieser durchaus spritzigen Erzählung vermutlich deutlich mehr amüsieren als ich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.05.2015
Tochter der Angst
Berg, Alex

Tochter der Angst


sehr gut

ein emotionsgeladener Thriller:
"Tochter der Angst" ist bereits der zweite Roman, den ich von der Autorin Alex Berg gelesen habe und hat mich ebenso wie "Dein totes Mädchen" von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt.
Bei vielen Autoren gibt es wiederkehrende Hauptcharaktere oder Schauplätze, bei Alex Berg ist dies nicht so. Es hat mich fasziniert, wie unterschiedlich die Geschichten sind, und dennoch bleibt die Autoren ihrem Stil treu. Auch bei "Tochter der Angst" steht wieder eine Frau mittleren Alters im Mittelpunkt, und ein düsteres Familiengeheimnis trägt am Ende zur Auflösung der Geschichte bei. Diesmal ist einer der Hauptcharaktere die Hamburger Oberärztin Marion Sanders, die nach Paris reist, um sich auf einen Auslandseinsatz bei Ärzte ohne Grenzen vorzubereiten. Sie wohnt bei der Familie Bonnier, die sie seit ihrer Kindheit kennt. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter war Louise Bonnier für Marion eine wichtige Bezugsperson.
Ein weitere Verwandter, Jean Morel, hat bei den Bonniers gerade das syrische Flüchtlingsmädchen Zahra untergebracht. Zahra ist verstört und traumatisiert, findet jedoch allein zu Marion Vertrauen. Diese ist gerade selbst durcheinander, weil sie auf einige Ungereimtheiten in ihrer Familiengeschichte gestoßen ist, nimmt sich jedoch des Mädchens an, ohne zu ahnen, dass diese ein Spielball in internationalen Verwicklungen ist.
Die Geschichte überzeugt unter anderem durch ihre emotionale und bildhafte Sprache. Die Charaktere wirken glaubhaft und authentisch. Dazu kommt ein komplexer Aufbau der Geschichte mit unerwarteten Wendungen und dramatischen Entwicklungen. Neben dem Handlungsstrang um Marion Sanders spielen sowohl Jean Morel als auch ein Ermittler des auswärtigen Amtes namens Claude Baptiste in der Geschichte eine wichtige Rolle.
Während ich "Dein totes Mädchen" eher als Psychodrama oder Spannungsroman ein geordnet habe, findet man bei "Tochter der Angst" deutlich mehr Elemente eines politischen Thrillers. Mir gefällt die Komplexität der Bücher Alex Bergs sehr, ebenso wie die überzeugende Art, mit der sie die innere Zerrissenheit darstellt, die einigen ihrer Charaktere inne wohnt. Dies wird bestimmt nicht der letzte Roman gewesen sein, den ich von dieser Autorin lesen werde.

Bewertung vom 27.04.2015
Das Mädchen, das rückwärts ging
Hamer, Kate

Das Mädchen, das rückwärts ging


sehr gut

Bewegend aber zu spirituell, um wirklich glaubhaft zu sein:
„Das Mädchen, das rückwärts ging“ erzählt eine tragische und bewegende Geschichte, im Verlauf gewinnen jedoch spirituelle Themen eine zu große Bedeutung und nehmen dem Buch viel an Glaubhaftigkeit.
Das Buch ist nicht einfach zu rezensieren, ohne zu viel zu verraten, aber ich werden dennoch versuchen, meine Meinung abzubilden.
Es ist eine Geschichte über das besondere Verhältnis und die besondere Verbindung zwischen Mutter und Tochter. Beth lebt nach der Trennung von ihrem Mann Paul allein mit ihrer Tochter Carmel in einem kleinen Häuschen in Norfolk in England. Carmel ist ein intelligentes Mädchen, wirkt mit einigen ihrer Gedanken reifer als andere 8-jährige, ist auf der anderen Seite aber oft verträumt und vergisst neben sich die Wirklichkeit.
Das Buch gibt abwechselnd Einblicke in die Welt und sie Sichtweise von Beth und Carmel. Gerade anfangs sind die Stimmungsbilder sehr intensiv, Mutter und Tochter schildern sehr emotional ihre Eindrücke von ihrem Leben und ihren Unternehmungen. Erstaunlich sind ihre teils sehr unterschiedlichen Empfindungen und Wahrnehmungen.
Nachdem Beth ihre Tochter bei dem Besuch eines Irrgartens bereits einmal verloren glaubte, passt sie besonders auf Carmel auf. Doch diese versteht die Einengung durch ihre Mutter nicht, und während eines Geschichtenfestivals passiert es dann, im Gedränge und im Nebel verlieren sich die beiden, Beth verzweifelte Suche bleibt erfolglos.
Die Last dieses Verlustes lähmt Beth und treibt sie gleichzeitig zu einer unermüdlichen Suche an. Beth Nöte und Ängste werden in einer sehr bildhaften Sprache eingefangen, der Leser leidet und hofft mit ihr.
Im weiteren Verlauf nehmen in der Geschichte jedoch spirituelle Themen einen für meinen Geschmack zu großen Raum ein. Christliche Sekten spielen ein große Rolle und beispielsweise Wunderheilungen. Damit kann ich persönlich nichts anfangen und die Themen werden für mich zu wenig kritisch beleuchtet. Die Figuren werden dadurch für mich weniger glaubhaft, ich kann mich nicht mehr mit ihnen intensivieren. Das mag auch am Aufbau des Buches liegen, der Momentaufnahmen aus dem Leben der Hauptfiguren abbildet und wenig Raum für Erklärungen lässt.
Trotz der Intensität der Bilder und Stimmungen, bleibt das Buch an vielen Stellen oberflächlich und lässt am Ende einige Fragen offen, nach einem sehr starken Einstieg hat es mich im Verlauf doch eher enttäuscht.

Bewertung vom 27.04.2015
Apfelblütenzauber / Im Alten Land Bd.2
Engelmann, Gabriella

Apfelblütenzauber / Im Alten Land Bd.2


sehr gut

Erfrischender Stil, aber etwas vorhersehbar:
Apfelblütenzauber ist ein erfrischender Roman, der sich um Liebe dreht, um Freundschaft aber auch darum, dass man seine Träume niemals ganz aus dem Blick verlieren sollte. Nebenbei ist er aber auch eine Liebeserklärung der Autorin an das "Alte Land", das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Deutschlands vor den Toren der Hansestadt Hamburg.
Leonie ist gerade 41 Jahre alt geworden und hat sich mit ihrem Leben gut arrangiert. Mit ihren Freundinnen Nina und Stella teilt sie sich die Wohnungen einer Stadtvilla in Hamburg Eimsbüttel, und sie ist glücklich in ihrem Job als Teamleiterin im Restaurant von Ninas Freund Alexander. Nur in der Liebe herrscht seit längerer Zeit Flaute.
Doch plötzlich brechen mehrere Stützen ihres Lebens gleichzeitig zusammen. In der Ehe ihrer Eltern, die im alten Land einen großen Obsthof betreiben, kriselt es, da ihre Mutter lange gehegte Träume verwirklichen möchte und sich für geraume Zeit auf Reisen begeben. Der Pachtvertrag für das Restaurant läuft aus, und da das Haus danach abgerissen werden soll, steht Leonie plötzlich ohne Job da. Als wäre das nicht genug, droht auch noch die Wohngemeinschaft zu zerbrechen.
Leonie kommt zunächst auf dem Hof ihrer Eltern, in der vertrauten Umgebung erkennt sie schnell, dass hier ihre eigentlichen Wurzeln liegen. Und dann tauchen auch noch kurz nacheinander gleich zwei Männer in ihrem Leben auf, die ihr den Kopf verdrehen.
Die Geschichte ist herzerfrischend und aufgrund der bildhaften Sprache leicht und flüssig zu lesen. Wie für dieses Genre nicht unüblich bleibt die Geschichte trotz der angesprochenen Probleme eher oberflächlich. Da im Hintergrund genügend Kapital vorhanden ist, sind die Probleme Leonies und ihrer Freundinnen schnell gelöst.
Insbesondere die bildhafte Sprache und die liebevollen Schilderungen der Region machen das Buch lesenswert und bieten eine kurzweilige Unterhaltung. Die Charaktere sind liebenswert, sie wirken mit ihren Ecken und Kanten authentisch. Dazu gibt es noch ein paar leckere regionale Rezepte, die das Buch und die Atmosphäre abrunden. Den Vorgängerroman „Eine Villa zum Verlieben“ kenne ich nicht, hatte aber nicht das Gefühl, dass mir Hintergrundinformationen fehlen.

Bewertung vom 16.04.2015
Alles Licht, das wir nicht sehen
Doerr, Anthony

Alles Licht, das wir nicht sehen


ausgezeichnet

Die bewegende Geschichte zweier junger Menschen während des 2.Weltkriegs:
Hierzulande ist der Autor Anthony Doerr noch weitgehend unbekannt, während er in Amerika mit dem Original seines Romans „Alles Licht, das wir nicht sehen“ bereits seit einiger Zeit auf der Bestsellerliste steht. Nachdem ich diesen Roman lesen durfte, kann ich mich der Begeisterung über diesen Autor nur anschließen. Sein Stil ist bemerkenswert und zeugt von einer großen Beobachtungsgabe für die Menschen und ihre Gefühle. Anthony Doerr verwendet an vielen Stellen eine bildhafte, poetische Sprache, die den Leser, Landschaften aber auch Farben und Gerüche in einem völlig neuen Licht sehen lassen.
Dieser Stil passt wunderbar zu der Geschichte, die er in diesem Roman erzählt. Der Roman spielt zur Zeit des 2.Weltkriegs beziehungsweise beginnt in der Zeitspanne davor und beleuchtet die Ereignisse aus der Sicht zweier Jugendlicher. Da ist zum einen der Waisenjunge Werner Hausner, der mit seiner jüngeren Schwester Jutta in einem Waisenhaus im Ruhrgebiet behütet aber unter vielen Entbehrungen aufwächst. Werner ist technikbegeistert und bringt sich selbst viel über Radio- und Sendetechnik bei. Ein Offizier aus dem Ort wird auf sein Talent aufmerksam und ermöglicht ihm den Zugang zu einer Eliteschule der Nazis. Über diesen Weg gelangt er auch an die Front des Krieges, zunächst im Osten, später in Frankreich.
Der zweite Handlungsstrang dreht sich um das französische Mädchen Marie-Laure, das allein mit ihrem Vater in Paris lebt. Marie-Laure leidet an angeborenem grauem Star und ist bereits im Alter von sechs Jahren völlig erblindet. Einen großen Teil ihrer Kindheit verbringt sie bei ihrem Vater in dem Museum, in dem er arbeitet und findet Sicherheit in der kleinen Welt, in der sie sich bewegt. Als Marie 12 Jahre alt ist, wird es in Paris zu unsicher, und ihr Vater bekommt den Auftrag, einen wertvollen Edelstein des Museums, das Meer der Flammen, um den sich einige Sagen ranken, in Sicherheit zu bringen. So kommt Marie-Laure mit ihrem Vater zu dessen Familie nach Saint-Malo und erlebt dort die grausamen Folgen des Krieges.
Der Roman bildet einzelne Szenen aus den Leben seiner Hauptpersonen ab in Form kleiner Momentaufnahmen. Er beobachtet und beschreibt aus der Sicht seiner Figuren. Gerade die Kinder besitzen dabei eine oft unverfälschte und unvoreingenommene Sicht der Dinge. Insbesondere bei Marie-Laure, die aufgrund ihrer Blindheit eine ganz eigene Wahrnehmung der Dinge besitzt, kommt das Talent des Autors für seine bildhafte und einfühlsame Sprache zum Tragen.
Nicht nur die Handlungsstränge wechseln sich ab, sondern es gibt auch Zeitsprünge zwischen einem Hauptteil der Erzählung, der Bombardierung Saint-Malos im August 1944, bei der einige Fäden zusammen laufen, und den Rückblicken in die Zeitschiene ab 1934 mit den Entwicklungen bis zum Höhepunkt 1944. Das klingt verirrender als es ist, zudem gibt es eine detaillierte Inhaltsübersicht, die die Zeitebenen verdeutlicht.
Ich bin sehr froh, auf dieses Buch aufmerksam gemacht worden zu sein und werde es auf jeden Fall meinen Kindern zu Lesen geben, wenn sie alt genug sind und sich mit dem Thema 2.Weltkrieg beschäftigen.
Sicher bedient das Buch einige Klischees, hier sind aber weder alle Deutschen böse noch gehören alle Franzosen zu den Guten. Das Buch setzt voraus, das der Leser über die geschichtlichen Zusammenhänge und die Ideologien der Nationalsozialisten informiert ist, zeigt aber auf sehr eindrucksvolle Weise die Auswirkungen auf das Leben der Menschen und ihre Empfindungen.