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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 28.05.2008
Risk. Du sollst mich fürchten.
Frost, Scott

Risk. Du sollst mich fürchten.


weniger gut

Es ist der leidende Ton, der diesen Roman so schwer macht und nur selten Spannung aufkommen läßt. Die Verzweiflung kleistert alles andere zu. Andere Thrillerautoren haben unter Beweis gestellt, wie geschickt man dieses Stilmittel einsetzen kann, um die Spannung voranzutreiben. Bei Frost tritt sie, trotz aller Spannungsmomente auf der Stelle. Darunter verschwindet der Plot. Alles ist düsteren Ahnungen untergeordnet. So dass weder die Terroristengeschichte, noch der Verdacht des Serienkillers richtig in Gang kommt. Somit hängt der Thrill in der Luft. Immer wieder nur durch Delillo angeschoben, deren Gewissenbisse nach allen Seiten, durch die Kontaktaufnahme mit Gabriel, den Unterstellungen des FBI auf eine schwere Probe gestellt wird. Dabei fängt die Geschichte durchaus witzig an. Ausgerechnet die Tochter eines Lieutenant entpuppt sich als Aktivistin und gerät in den Strudel eines möglichen Anschlags. Nur kann der Autor sich nicht entscheiden, soll es nun das Psychogramm einer vom Schicksal gezeichneten Mutter oder ein Verschwörungsroman mit Thrillerpotential werden.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.05.2008
Irre
Goetz, Rainald

Irre


ausgezeichnet

Als der Roman erschien, hatte der Autor einen spektakulären Auftritt beim Ingeborg Bachmann-Preis hinter sich, wo er sich vor Augen der Jury die Stirn aufschlitzte, während er aus dem Manuskript vorlas. Was als Werbegag hätte abgetan werden können, bewies sich als Kampfansage für den verstaubten Literaturbetrieb. Im Nachhinein tauchte hier ein Autor auf, der mit gängigen Kriterien nicht abzuurteilen war und sich auch nicht darum scherte. Irre ist ein fulminanter Roman über die Psychiatrie, beschreibt die Arbeit in einer Klinik und stellt die Frage nach einem menschenwürdigen Leben auf beiden Seiten. Stilistisch läßt er einem Leser nicht viel Raum, sich zurückzulehnen und zu goutieren. Wir begegnen einer Melange aus Popmusik, Kneipenleben und Psychiatrie, in der die Nerven allesamt gespannt, die Sucht nach Erfahrung groß ist. Goetz gehört zu den wenigen Autoren, die ein schillerndes Debüt durch spätere Werke bestätigt haben, ohne an Kraft zu verlieren.
Polar aus Aachen

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.05.2008
Der Schrei der Eule
Highsmith, Patricia

Der Schrei der Eule


ausgezeichnet

Patricia Highsmith kreuzt in dem Roman einmal mehr drei Leben, die rein zufällig aufeinander zutreiben. Lebte Forester nicht von seiner Frau getrennt und neige er nicht dazu, im Dunklen spazieren zu gehen und durch fremde Fenster zu schauen, wäre es nie zu der eigenartigen Begegnung mit Jenny gekommen. Was scheinbar Zufall ist, erscheint zwangläufig. Patricia Highsmith stattet ihren Forster so aus, dass er unentrinnbar zwischen allen Stühlen sitzt. Er könnte das Verhältnis zu Jenny, das sich langsam entwickelt, jederzeit beenden. Vor allem als Greg auftaucht, und er sich plötzlich in einer Eifersuchtsszenerie wieder findet. Ob Jenny, ob Greg, ob Robert Forester, sie alle werden durch Highsmith künstlerisches Vermögen in eine Tragödie hineingesogen, bei der sie hilflos erscheinen. Keiner kann sich so recht befreien. Keiner kann dabei gewinnen. Wenn Forester eine Zeitlang als überlegen erscheint, weil er endlich einen Entschluss fällt, strafen ihn die Ereignisse ab. Seine Ex-Frau spinnt im Hintergrund Fäden gegen ihn. Nutzt Greg aus, um Rache zu nehmen. Die Polizei, wie häufig bei Patricia Highsmith, taucht auf, stellt Fragen, bringt den Unschuldigen in Bedrängnis und ist nicht in der Lage, die Tragödie aufzuhalten. Einer der besten Romane von Patricia Highsmith, bei der man einmal mehr merkt, wie sehr sie ihren Figuren zugeneigt ist.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 24.05.2008
Agent in eigener Sache
Le Carré, John

Agent in eigener Sache


ausgezeichnet

Im dritten Band, der den legendären George Smiley auf der Jagd nach seinem russischen Gegenspieler Karla zeigt, agiert Smiley wie ein Privatmann, der einer Obsession folgt. Er will Karla zur Strecke bringen, wartet im Dunklen auf einen Fehler von ihm. In Smiley und Karla hat John LeCarré Agenten des Kalten Krieges porträtiert. Mit sachverwalterischer Akribie folgt der Brite seinen Spuren, mit beinah väterlicher Sorge wacht er über Agenten. Er wirkt wie ein Bürovorsteher, wäre da nicht sein messerscharfer Verstand. Ein Agent wie Smiley, der auf ein langes Berufsleben zurückblicken kann, besitzt natürlich noch Kontakte, von denen andere nichts wissen. Er braucht nur seine Schläfer zu wecken, Netze zu knüpfen. Karla hat eine Tochter und diese wird ihm zum Verhängnis werden, da sie im Westen lebt. So endet die Trilogie um einen Zweikampf, wie sie begonnen hat, indem Familienbanden ausgenutzt werden, um Gegner schachmatt zu setzen.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 24.05.2008
Thunderhead
Preston, Douglas; Child, Lincoln

Thunderhead


sehr gut

In Thunderhead breiten die Autoren den Mythos einer frühen spanischen Expedition zur sagenumwobenen Stadt Quivia und das Leben des ausgestorbenen Indianerstamms der Anasazi samt überlieferter Artefakten und Ritualen aus. Kritisch gewähren sie außerdem einen Eindruck in eine Museumspolitik, bei der es vor allem darauf anbekommt, sich einen Namen zu verschaffen. Zu Anfang deuten Preston/Child den Schrecken nur an und widmen sich ausführlich der Entstehung einer Expedition. Ein reizvoller Vorlauf für den Horror, der die Leser erwartet. Dass das Entsetzen stilbildend bei Preston/Child ist, wissen seine Hörer. Es sind die Launen der Natur, die Mutationen, die im Dunklen überlebt haben, die plötzlich ans Tageslicht brechen. Das Strickmuster bleibt gleich. Es führt neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit archaischen Strukturen zusammen, mischt Aberglaube mit der Naturwissenschaft und betont zumeist, wie brüchig, wie nah am Abgrund die Menschheit lebt. Nora, die Tochter eines verschollenen Archäologen begibt sich mit einem Trupp interessanter Forscher auf die Spur nach der sagenumwobenen Stadt Quiviva. Ähnlich dem Atlantis-Mythos verspricht ihre Entdeckung Erkenntnisse, in deren Besitz Wissenschaftler unbedingt kommen wollen. Preston/Child gelingt es, Interesse für die Archäologie zu wecken, ihrer Arbeitsweise nachzugehen, Gefahren wie Erkenntnisse gegeneinander abzuwägen. Indem die Expedition nicht direkt zurück ins Museum zurück führt, sie erst einen Abgrund an Schrecken durchschreiten muss, die Vergangenheit als etwas erscheint, das man besser hätte ruhen lassen, beweist einmal mehr das Wissenschaft egal wie sie betrieben wird, nicht immer die gewünschten Ergebnisse erzielt. Preston/Child wissen das. Ihre Bücher beinhalten immer eine unterschwellige Warnung. Doch wenn sie so kenntnisreich und spannend vorgetragen wird, folgen wir den Autoren nur zu gern.
Polar aus Aachen

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.05.2008
Ihr Unvergeßlichen
Troller, Georg St.

Ihr Unvergeßlichen


sehr gut

Eigentlich dürfte das gar nicht gehen. Troller ohne eine Kamera in der Hand, eine seiner berühmten Personenbeschreibungen aufzeichnend ist kaum vorstellbar. Und doch ist man überrascht mit welcher Leichtigkeit dem Autor der Wechsel von der bildlichen Beschreibung gelingt. Egal ob Ali, Bukowski, Barbara oder Romain Gary samt Jean Seberg seinen Begegnungen hängt das Besondere an. Nicht weil er immer die richtigen Fragen stellt, wie er selbst zugibt, nicht weil er seine Interviewten im richtigen Moment antrifft, sie zu Beichten verleitet, es ist die Mischung aus Erlebtem, der Begegnung selbst und dem Abstand. Troller unterzieht seine Gespräche einer weiteren Überprüfung der Menschen, die ihm einen tieferen Einblick gewährten. In seiner Beschreibung der Freundschaft zu Axel Corti, der Trollers Drehbücher verfilmte, spürt man jenem Verlust nach, den Troller seit Cortis Tod erlitten hat. Und so geschieht in diesem Buch das, was seine Fernsehporträts auszeichnete, es handelt sich um einen ganz persönlichen Blick, um Begegnungen, die nur Troller haben konnte. Dass er sie schriftlich nachgezeichnet hat, ist ein Glück für die Leser.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 23.05.2008
Liebeswahn
McEwan, Ian

Liebeswahn


sehr gut

Was einem so alles zustoßen kann, wenn man Gutes tun will. Joe will ein Kind aus einem Fesselballon retten und muß mit ansehen, wie einer der Retter bei der Aktion ums Leben kommt. Ein Mann spricht ihn an, fordert ihn auf, gemeinsam zu beten, und Joe sieht sich im Verlauf der Geschichte den seltsamen Nachstellung Jed Parrys ausgesetzt, der vorgibt, sich in ihn verliebt zu haben. McEwan beschreibt jedoch nicht nur den Wahn eines religiös Verwirrten, der in einer Melange aus gläubigem Sendungsbewußtsein und Liebesgefühlen das Leben eines Ehepaars durcheinander bringt, er zeigt auch wie hilflos jemand solchen Anwandlungen ausgesetzt ist, wenn dieser sich nichts zu schulden kommen läßt. Was die Liebesschwüre, dunklen Drohungen bei Joe anrichten, der absolut nicht von Parry geliebt werden möchte, wie er miterleben muss, dass ihm niemand glaubt, er beginnt, sich seiner Frau zu entfremden, ist eindringlich geschildert. Die psychologische Begründung liefert der Autor gleich mit. Bei Parrys Wahn handelt es sich um das Clérambault-Syndrom. Eine Bezeichnung für krankhafte, abgewiesene Liebe, die zur Gewalt neigt. Viel schlimmer jedoch erscheint der Umstand, wie Joe allmählich den Boden unter den Füßen verliert, alles Parry unterordnet. Es kommt sogar zum Bruch mit seiner Frau Clarissa, dem verzweifelten Versuch, sich durch den Kauf einer Pistole zu schützen. Wie sich die Katastrophe allmählich zuspitzt, zeigt einmal mehr, mit welcher Akribie McEwan es versteht, Menschen aus ihrem Alltag zu reißen. Gleich einer Schlinge zieht der Autor die fehlgeleitete Liebe um die Hauptfiguren zu. Keiner bleibt unbeschadet. Und einmal mehr schafft McEwan es, Beklemmung so spannend zu beschreiben, dass man das Ende gespannt erwartet.
Polar aus Aachen

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2008
Gott und die Wilmots
Updike, John

Gott und die Wilmots


sehr gut

Konsequent zu sein, kann sich als Last herausstellen. Als Clarence Wilmot nicht mehr anders kann, als seiner Gemeinde zu verkünden, dass er den Glauben verloren hat, rechnet er sicher nicht mit den Folgen für sich und die Familie. Vielleicht hätte er es sich anders überlegt, wenn er geahnt hätte, dass sie alle verarmen werden. Clarence Entschluss prägt das Leben seiner Nachkommen. Auch seine Vorliebe fürs Kino, in deren Scheinwelt alle Wilmots gerne abtauchen. Wie sie sich durchs Leben schlagen, ihr Weg unweigerlich nach Hollywood führt, davon erzählt Updike mit pointiertem Witz und Nachsicht für die eine oder andere Schwäche. Wir begegnen Größen wie Clark Cable, Gray Cooper und der Leere, die das Celluloid zu hinterlassen vermag, wenn der Projektor abgeschaltet wird. Es erscheint bei dem Vorlauf, Clarence Abkehr von Gott, fast folgerichtig, dass sich ein Spross der Familie wieder in den Schoß der Kirche zurückbewegt, um einen Sinn im Leben zu entdecken. Wenn Clark auf der Farm landet, in den Armen einer adventistischen-fundamentalistischen Kommune zeichnet Updike hinter dem Großglanzprodukt Amerika deren Anfänge auf. Nur in der Gemeinschaft hat das Land sich entwickeln, nur in dem gemeinsamen Glauben zu einer Einheit finden können. Doch ist dieser Glaube auf der Farm zum Wahn verkommen. Es darf nur einen Gott geben. Wenn jemand behauptet, es gebe mehr Anhänger anderer Religionen als Christen auf der Welt, greift man halt zur Waffe. Weit vor 9/11 geschrieben, liest man Updikes Roman heute anders. Er seziert das amerikanische Leben, das tief sitzende Sendungsbewußtsein der Verblendeten. Gott und die Wilmots. Gott wird sie nicht in Ruhe lassen und sie ihn auch nicht.
Polar aus Aachen