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Benutzername: 
Uli Geißler
Wohnort: 
Fürth/Bay.

Bewertungen

Insgesamt 768 Bewertungen
Bewertung vom 22.06.2014
Das Todesjahr des Ricardo Reis
Saramago, José

Das Todesjahr des Ricardo Reis


gut

Auferstehung eines Erfundenen

Die Rückkehr des von Lissabon 1919 nach Brasilien ausgewanderten Protagonisten Ricardo Reis in seine Heimat ist an sich nichts Außergewöhnliches. Und doch merkt man schnell, dass der in die Fremde gezogene nun im vermeintlich sicheren Heimathafen erst recht fremd zu sein scheint.

So findet der Arzt und Heimkehrer 1935 keinen Ankerplatz, als in einem kleinen Hotel und lässt sich von den Abläufen eines tristen Alltags zunächst treiben, ohne Freude und Lust, ohne wirkliche Beziehungen. Lediglich das Zimmermädchen Lídia ist ein gewisser Lichtblick für den von Trugbildern heimgesuchten Mann. Später entsteht eine platonische Sehnsucht und Liebelei zu Marcenda, die mit ihrem Vater im gleichen Hotel logiert, einen bewegungslosen linken Arm hat und lediglich dem Wunsch des Vaters nach medizinischer Hilfe nach Lissabon folgte.

Immerhin wird er skurriler Weise kurz nachdem er dessen Grab aufgesucht hatte von dem kürzlich verstorbenen Fernando Pessao aufgesucht, der mit ihm über das Leben und sein Handeln, insbesondere herablassend über die in Pessaos Augen wohl eher kindischen Liebeleien des Arztes mittleren Alters philosophiert.

Eine plötzliche Vorladung zur Polizei führt ihm die Wirklichkeit politischer Unzulänglichkeiten und gesellschaftlicher Realitäten zur Zeit des Salazar-Regimes erkennen. Er nimmt sich eine Wohnung und versucht auch trotz finanzieller Unabhängigkeit eine Arbeitsstelle zu finden, was in einer nahegelegenen Klinik auch gelingt. Seine Sehnsucht nach einem normalen Leben bleibt bestehen, findet jedoch keine rechte Erfüllung, zu wankelmütig und unentschieden tändelt Ricardo Reis durch den Alltag. Auch die Mitteilung über Lídias Schwangerschaft lässt den werdenden Vater keineswegs seine Verantwortung erkennen und wahrnehmen, vielmehr distanziert er sich von ihr und versteift sich fast noch mehr auf die unerfüllte Sehnsucht nach Marcenda.

Das Ende der Geschichte könnte auch das Ende des Protagonisten sein, die Melancholie, die unerfüllten Hoffnungen auf ein besseres Jetzt und ein noch besseres Morgen zerfallen geradezu zwischen den Zeilen, als ein Aufstand gegen die Herrschenden schon vor dem richtigen Ausbruch niedergeschlagen wird.
Auch hier fehlt Reis die nötige Empathie Lídia gegenüber, deren Bruder, wie er von ihr wusste, als Aktivist und Oportonist sicher mit bei dem Putschversuch beteiligt war und augenfällig zu Tode kam.

In der Sogwirkung der Saramagotypischen Erzählweise unendlicher Satzkonstruktionen trägt einen der Roman dahin und es ist schwer, einen Spannungsbogen auszumachen. Alles spielt sich gewissermaßen auf einer Wellenlänge ab, was sich schnell als Durchschnitt auswirkt. So ist das Buch gut, aber nicht sehr gut und erst recht nicht so hervorragend, wie man es von dem Autor erwartet hätte. Motiv und Vorhaben, dem spanischen Dichter ein Denkmal zu setzen, lassen sich eben noch aus dem Kladdentext entnehmen, die Geschichte selbst gibt es meiner Ansicht nach her.

(c) 5/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2014
Der Riese
Siepen, Stefan aus dem

Der Riese


sehr gut

Kleine Geschichte groß erzählt

Diese – vermutlich – Parabel erzählt der Autor in einer so leicht zu verfolgenden Sprache, dass man ohne Pause das ganze Buch lesen kann und man schnell die Zeit und das Außenherum vergisst, obwohl es einen in der Geschichte um den immer weiter wachsenden Tilman Wölzinger längst eingefangen hat.

Die Geschichte ist einerseits skurril und unglaublich, andererseits aber auch von solcher Unspektakularität über ein Leben gekennzeichnet, welches nur deshalb erzählenswert scheint, weil der Protagonist an einer merkwürdige Krankheit leidet.

Das ist aber auch, was den Reiz des Romans ausmacht, dieses plötzliche Entstehen einer Sensation, die niemand wollte, erzeugte, vorbereitete, eine Aufregung, die einfach so entsteht, weil sich etwas aus dem Alltäglichen ein kleines wenig hervorhebt. Gierig-distanziert verhalten sich die Menschen Tilmann gegenüber, weil niemand es wagt, nachzufragen, sich wundern oder einfach zu sagen, so ist es. Die Norm überschreitende Größe des Mannes mit 2,06 m im jugendlichen Alter und später 2,36 m als Größter Mann Deutschlands wird zum Faktum der Berühmtheit ohne Leistung. Welche Vergleiche ließen sich da nicht zu vielen aktuellen Stars und Persönlichkeiten ziehen …

In angenehmer und geradezu bedächtiger Erzählform erfährt man vom Leiden und den inneren Nöten, des jungen Mannes, der Stigmatisierung durch die ihn umgebenden Menschen, die ihn meiden und ausgrenzen. Er bleibt ungeliebt. Die für einen Menschen so wichtige Beziehung zu anderen wird nur kurz durch die Freundschaft zu einem Mädchen befriedigt, doch selbst die ist lediglich auf ihren eigenen Nutzen aus. Tragisch.

Der „Nagoldshausener Riese“ wie er schnell genannt wird ist getrieben von dem Kampf nach Anerkennung und der Notwendigkeit des Verschwindens. Das Konsum- und Gewinndenken seines Vaters stößt ihn ab und er flieht zunächst, später mit wachsender Begeisterung und Vergeistigung in die Musik und vor allem Literatur.

Irgendwann vollzieht sich ein Wandel, denn Tilmann beginnt Nutzen aus der Sensationsgier der Menschen zu machen, verkauft sich und sein Leben an Presse und Öffentlichkeit, lässt sich als Größter Mensch der Welt mit 2,67 m vermarkten.

Erst spät entsteht eine neue Beziehung zu einer Frau, die ihn liebt, wie er ist. Tilmann beginnt eins mit seinem unsäglichen Riesendasein zu werden, arrangiert, ja versöhnt sich gewissermaßen mit seiner Krankheit, nutzt sie zum Leben und genießt, was ihm in seiner Situation zu genießen möglich ist. Er denkt und vor allem fühlt, ein normales Leben zu führen, das auch normal enden wird.

Dem Autor gelingt es in einer ganz unprätentiösen Weise eine einerseits tragische, andererseits aber auch nach vorne gerichtete Geschichte zu erzählen, die von Phantasie, maßgeblich jedoch von erforderlichem Respekt und gelebter Würde getragen wird.

© 6/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2014
Wer mordet schon in Franken?
Schmöe, Friederike

Wer mordet schon in Franken?


gut

Mordstour durch Nordbayern

Diese Anthologie aus Kriminalgeschichten und Freizeitinformationen sind eine gute Kombination und für den Aufenthalt und Kurzurlaub in Ober-, Unter- und Mittelfranken bestens geeignet. Alle Geschichten spielen in und um die genannten Urlaubsregionen.

Es gibt keine durchgängige Protagonistin oder eine wiederkehrende Hauptfigur. Immerhin zwei Mal ermittelt eine Bamberger Privatdetektivin namens Katinka Palfy. Vielleicht oder sogar wahrscheinlich wäre es besser gewesen, es hätte ein Kontinuum in Persona einer Kommissarin oder eines Kommissar gegeben. Vielleicht beim nächsten Mal!?

Nachdem man vergeblich ein Inhaltsverzeichnis oder andere kurze Hinweise auf die insgesamt 11 Geschichten gesucht und nicht gefunden hat, liest man sich etwas orientierungslos durch die Geschichten durch, immer gedanklich die Landkarte Bayerns und insbesondere Frankens vor Augen, wenn es nach Bamberg, Coburg, Würzburg oder Nürnberg, in die Rhön oder ins Fichtelgebirge geht.

Die gute Idee, im Text benannte Sehenswürdigkeiten oder Orte mit einer Kennnummer zu versehen, unter welcher man jeweils am Ende einer Geschichte ein paar touristische Hinweise und Freizeittipps findet, hätte mit einer kleinen Übersichtskarte eine gute Ergänzung gefunden. So muss man angetan von den durchaus anregenden und interessanten Hinweisen im Text etwas mühsam herausfinden, wo sich die jeweiligen Ereignisse abgespielt haben.

Die Geschichten sind zwar bisweilen richtige Mordsgeschichten, aber aufgrund ihrer sprachlichen Direktheit und Kürze leicht zu lesen und teilweise hat man den Eindruck, selbst die Lösung des Falles aufgeklärt zu haben. Es gibt merkwürdige Todesursachen wie beim Ableben der Anhalterin, obwohl ein anderes Ende durchaus im Bereich des Möglichen lag, Ereignisse, die nachvollziehbar und doch unverständlich bleiben wie bei den drei verschwundenen Jugendlichen im Fichtelgebirge oder einen krass tragischen Unfall wie der eines reumütigen Vaters.


Einfach erzählt unterhalten die Geschichten gut und lassen die Fränkische Landschaft und die städtischen oder landschaftlichen Sehenswürdigkeiten gut vorstellbar werden, die Ereignisse nacherleben. Die eingestreuten Freizeittipps oder touristischen Hinweise ergänzen das Ganze schön und entweder, das Buch weckt die Besuchslust für die vorgestellten Tatorte oder ergänzen eigene Erkundungen am Urlaubsort.

© 6/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

Bewertung vom 21.06.2014
Die Legenden von Andor (Kennerspiel des Jahres 2013)

Die Legenden von Andor (Kennerspiel des Jahres 2013)


ausgezeichnet

Gemeinsam die Welt retten – zumindest die des fiktiven Königreiches

Schnell ist klar, dass es sich bei diesem geradezu epischen Spiel um kein Wettkampfspiel handelt. Wie aus den Anfängen der kooperativen Kinderspiele bekannt rücken die zu bekämpfenden Gegner unaufhörlich in Richtung des Zielfeldes „Riedburg“, welches sie eben auf keinen Fall erreichen sollen und daher das kluge Zusammenwirken aller Mitspielenden erfordert, um das zu verhindern.

Gemeinsame Planung ist das „A“ und das „O“ bei diesem Spiel, im Alleingang wird man die jeweiligen Legenden mit ihren Anforderungen und Aufgaben nicht erfüllen können. Das merken alle Beteiligten spätestens nach der ersten „Niederlage“.

Die Legenden werden anhand entsprechender Karten vorgegeben und bauen aufeinander auf. Im Spiel selbst befinden sich fünf davon und es gibt inzwischen auch schon Erweiterungen auf der Spiel-Internetseite sowie eine zum Nachkauf: „Der Sternenschild“.

Als erstes wird der hervorragend illustrierte und sehr große Spielplan ausgelegt, die zu spielende Legende ausgewählt und die dafür erforderlichen Vorbereitungen vorgenommen. Die mitspielenden vier Charakterfiguren (Zwerg/in, Krieger/in, Bogenschütz/in oder Zauber/in) versuchen in den Spielrunden, die einen 7-stündigen Tag zuzüglich bis zu drei zusätzlichen Stunden lang dauern, die gestellte Aufgabe zu lösen, wie beispielsweise das Verteidigen der Riedburg. Jede einzelne Bewegung einer Figur auf dem Spielfeld kostet eine Stunde, was auf der aufgedruckten Zeitleiste markiert wird.

Wie bei den allen „Fantasy“-(Rollen)Spielen kommt es auch in diesem Brettspiel zu Kämpfen mit allen möglichen bösartigen Gegnern, die es zu besiegen gilt. Diese Auseinandersetzungen werden per Würfel ausgetragen, was Willenspunktezuwachs auf der eigenen Heldentafel bringen kann.

Durch die verschiedenen von der am Rande des Spielplan laufenden Erzählerfigur im Verlauf des Spiels eingebrachten neuen Ereignisse bzw. Legenden entstehen immer wieder neue Konstellationen und Herausforderungen für Spielenden, die auch unterschiedlich schwierig zu bewältigen sind und selbst für Spielerinnen und Spieler, die normalerweise lieber wettbewerbsorientierte Spiele bevorzugen, spannend sind und bleiben.

Klasse ist auch neben der hervorragenden grafischen Gestaltung und der zahlreichen spielerischen Varianten das üppig vorhandene Material, auch wenn man dieses kaum in der Schachtel unterbringt. Die leichte Sofortlosspielmöglichkeit gefällt ebenfalls, so dass man die Finessen des Spiels im Vollzug entdecken und sich damit vertraut machen kann. Das hilft, wenn dann nach und nach weitere Regeln und neue Spielelemente hinzukommen.
Die steigende Regelfülle führt aber auch hin und wieder zu Unsicherheiten und Überraschungen (vor allem, wenn man eine vorgelesene Regel vergessen hatte und sich ein Spieler plötzlich doch wieder daran erinnert …). Daher ist es gut, mit der gleichen Spielgruppe mehrere Legenden durchzuspielen und außerdem immer die Verbindung zur Spieleigenen Internetseite zugriffsbereit zu halten, um hilfreiche Erläuterungen dort nachlesen zu können. Zudem finden sich dort auch weitere Varianten und Ergänzungen.

„Die Legenden von Andor“ ist ein niveauvolles Spiel für Spielerinnen und Spieler aller Altersklassen ab 10 Jahren. Wer sich in die phantastische Welt der Zwerge und Monster hineinversetzen und zudem fähig ist, im Team Entscheidungen treffen und akzeptieren zu können, wird sicher eine Menge Spaß an dem Spiel haben und auch mehrmals den Weg nach Andor einschlagen. Eine richtige (Spiel)Legende.

(c) 10/2013, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Spiel- und Kulturpädagoge, Fürth/Bay.

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.06.2014
Urban ArtCore
Carlsson, Benke;Louie, Hop

Urban ArtCore


sehr gut

Aktiv Kunst des Vergänglichen gestalten

Straßenkünstlerinnen und Straßenkünstler – bislang wohl eher als Musikanten, stocksteif dastehende Lebensskulpturen, Äquilibristen, Keulen- oder Balljonglierende bekannt, lassen sich nicht mehr so leicht in die wenigen Kategorien einordnen.
Zudem geht es Vielen nicht mehr nur um das Herzeigen eines fertigen Werkes. Vielmehr gehört der Entstehensprozess zum Ausdruck dazu und „Kunst im Öffentlichen Raum“ bekommt eine deutlich aktivere, Soziale und Freiheitliche Beteiligungskomponente hinzu. Mitmachen für „Nichtkünstler/innen“ ist oftmals Programm, macht Kunst menschlich.

Das anregende, stark mit Bildern und Illustrationen aufbereitete Buch stellt zahlreiche Kunstschaffende vor, klärt über deren Anfänge, Anlässe, Arbeitsweisen und Botschaften auf und stellt jeweils einen kleinen Ausschnitt ihrer Werke dar. Spannend sind die sich den jeweiligen Kunst-Genres folgenden Anregungen und Anleitungen, selbst aktiv künstlerisch ausdrucksfähig zu werden. Plakate, Veränderung von Großwerbung, Sprühstempel mit Schablonen, Siebdruck, Sticker, Freihandmalen, Installationen oder Guerilla-Guardening werden als neue, wenn man so will „Jedermensch-Kunst“ propagiert.

Es macht Spaß, durch das Buch zu blättern, die Statements der Kunstaktivistinnen und -aktivisten zu lesen und ständig die Lust in sich zu verspüren, gleich mal loszuziehen und im Quartier oder um die Ecke selbst gestalterisch zu wirken. Politische oder soziale Aufmerksamkeiten können entstehen, Missstände aufgezeigt, Forderungen verdeutlicht werden.

Kein Wort wird übrigens über mögliche Strafrechtliche Folgen dieser Kunstformen verloren, was jedoch durchaus zu überlegen ist, will man nicht in Sachbeschädigungsprozesse verwickelt werden. Hier gilt es also stets zu prüfen, wie stark Eingriffe in Fremdes Eigentum vorgenommen werden und die veröffentlichte Kunst auf Straße, Wand und Objekten möglichst temporär anzulegen. Hier endet „Urban Art“ möglicherweise schnell an der eigenen Grenzüberschreitungsbereitschaft.

(c) 5/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.06.2014
Die grüne Küche
Vindahl, Luise;Frenkiel, David

Die grüne Küche


sehr gut

Gutes und gesundes Essen für jeden Tag

„Was soll ich nur kochen?“ – Diese Frage kennen alle, die jeden Tag für sich und besonders für andere Familienmitglieder oder „Mitesser“ und –esserinnen etwas auf den Tisch bringen wollen oder müssen. Wenn es dann noch gesund sein soll … schwierig. In diesem Buch sind eine kleine Auswahl der besten Rezepten des „Best Food Blog“ zusammengefasst. Damit kann Frau, kann Mann gelassener für sich, die Familie oder Gäste neue und wohlschmeckende Gerichte fabrizieren.

Angereichert mit kleinen Geschichten aus dem eigenen Familienleben erzählen David Frenkiel und Luise Vindahl geradezu vom Kochen. Der durchaus realistische Start in die gemeinsame vegetarische Zukunft der Beiden erzeugt schnell das Interesse an den folgenden Kapiteln Gesunder Start, Grundrezepte, Frühstück, Leichte Gerichte, Zum Mitnehmen, Familienessen, Häppchen, Getränke und schließlich Süße Gaumenfreuden.
Aufgelockert durch schöne Landschafts-, Zutaten- oder Präsentationsfotos wirkt das Buch wie ein lukullischer Reiseführer. Wer ganz neu die vegetarische Küche entdecken will, kommt um die Ergänzung des Zutaten-Bestandes in der Speisekammer nicht herum. Ist diese aber wie in der Ausstattungsliste vorgeschlagen mit den passenden Gewürzen, Zutaten, angefüllt, ist alles nur noch „halb so wild“.

Zutatenübersichten und gut beschriebene Arbeitsabläufe lassen wohl schmeckende Mahlzeiten oder Gerichte entstehen. Mit dem Brombeer-Haferflocken-Auflauf geht es los, Bananenkokospfannkuchen ohne Mehl folgen. Schmackhaft sind auch der Quinoa-Salat mit Gemüse-Chorizo, das kräftige dunkle Roggenbrot oder die Brotrolle mit Äpfeln und Champignons, die vegetarische Pizza sowieso, die Cracker mit Orangenglasur oder der Eiersalat und all die anderen Gerichte auch.

Leider fehlen Angaben zu den Kalorien und auch die Zubereitungszeiten sind nicht eigens angegeben. Die erschließen sich erst aus dem Rezepttext. Überwiegend sind die Zubereitungszeiten kurz und das Kochen nicht allzu aufwändig. Essen ist eine Lebenshaltung und ein kultureller Wert, daher sollte man sich für die Zubereitung und das gemeinsame Essen Zeit nehmen und lassen.
Das Buch ist eine Botschaft für gesunden und guten Genuss, ein bisschen Lebensphilosophie und auf jeden Fall eine Empfehlung für schmackhaftes, fleischloses Essen.

© 5/2014, Redaktionsbüro Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.05.2014
Einfach selber bauen!
Richarz, Klaus; Hormann, Martin

Einfach selber bauen!


ausgezeichnet

Artgerechte Nist- und Futterhäuser für heimische Vögel

Immer wieder sieht man in Gärten und Vorgärten einfache, bunte und manchmal außergewöhnliche Vogelhäuschen und Nistkästen. Schon ab dem frühen Frühjahr werden sie umflattert und schließlich von heimischen Singvögeln in Beschlag genommen und bewohnt. Die Autoren benennen schon in der Einleitung, dass diese menschliche Erweiterung des Brutstättenangebots für die gefiederten Freundinnen und Freunde durchaus Sinn macht, selbst wenn der Stadtpark oder Waldrand in nächster Nähe zu finden ist. Schließlich werden die natürlichen Möglichkeiten wie Baumhöhlen, Mauernischen, Astlöcher oder Hecken auch wieder durch Menschen stetig reduziert oder eingeschränkt.

In gut beschriebenen und bebilderten Arbeitsschritten und Erstellungsfotos wird der Bau eines einfachen Nistkastens erläutert und es ist erfreulich, dass nur wenig Werkzeug dazu erforderlich ist. Ein wenig Handwerkliches Geschick ist allerdings hilfreich beim Bau, denn schnell ist ein Daumen blau oder ein Schiefer eingezogen. Die übersichtliche Materialliste gibt das Benötigte vor, eine grafische Darstellung zeigt präzise der nötigen Maße, um auch die von den Tieren bevorzugte Hausgröße samt passenden Einflugloch richtig zu dimensionieren. Anleitungen gibt es weiter für einen Meisen-, Dohlen, Halbhöhlen- und einen gut vor Nesträubern schützenden so genannten „Wettenberger“-Nistkasten sowie für ein Spatzen-Reihenhaus, einen Mauersegler-, Baumläufer-, Turmfalken- und sogar einen Schleiereulen-Kasten. Wer mag kann noch ein Steinkauzröhre bauen oder ein Rauschwalbenbrett herstellen.

Der zweite Teil des praktischen Ratgebers ist der Vorstellung von 31 wesentlichen heimischen Vogelarten gewidmet. Tabellarisch gut vergleichbar dargestellt lässt sich so Brutort, Legebeginn, Bruthäufigkeit und –dauer, Futtertyp und vieles Interessante mehr erfahren. Ein weiteres Kapitel klärt über das richtige Füttern mit dem erforderlichen Futter sowie Schutzmaßnahmen für die Federlieblinge, das Reinigen der Futter- und Nistkästen auf und zeigt, wie ein Futterhaussilo oder –automat gebaut werden kann.

Wer sich also mit dem Gesang der Singvögel im eigenen Garten bereichern möchte oder einfach Spaß daran hat, etwas praktischen Tierschutz durch wenig Bastelaufwand zu betreiben, hat mit „Einfach selbst bauen“ ein informatives, konkretes und sinnvolles Buch vorliegen.

(c) 2/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2014
Bildbar
Gut, Jimmy;Kühne-Eisendle, Margit

Bildbar


ausgezeichnet

Methoden zum Einsatz von Bildmaterial in Ausbildung und Beratung

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – dieser altbekannte Spruch, dessen Herkunft bislang unbelegt dem Gründer der Nachrichtenagentur Reuters, Paul Julius Reuter zugeschrieben wird (Wikipedia-„Wahrheit“), fand schon oft seine Sinnhaftigkeit bestätigt. Schnell sind die Informationen auf einem Bild erfasst und einer Aussage, einem Gedanken, einer Idee passend interpretiert oder zugeordnet.

Gefühle, Positionen, Sichtweisen, ganze Geschichten können Bilder oder lassen sich mit ihnen erzählen. Diese großartige Möglichkeit in einer Qualifizierungsmaßnahme, einer Schulung, einem Seminar, einer Ausbildung, einer Gruppensitzung oder im Zusammenhang eines Beratungsprozesses zu nutzen, ist Anliegen der Praxissammlung mit einhundert Praxiserprobten und –gerechten Vorschlägen.

Als ideale Ergänzung zu dem Bildkarten-Set aus dem gleichen Verlag bietet das Buch zu den verschiedensten Schlagworten wie zum Beispiel Konflikt, Veränderung, Kennenlernen, Reflexion, Team oder Führen sehr praktische Methoden, um mit Bildern einen leichteren oder treffenden Einstieg und Zugang zu den ausgewählten Zielen und Themen für Gruppen (und auch Einzelnen) zu ermöglichen. Hilfreich ist hierbei gleich die umfangreiche Tabelle der Schlagworte und einer Zuordnung als Anfangs-, Vertiefungs- oder Abschlussmethode sowie dem Hinweis auf das Setting der Gruppe. So findet man schneller die geeignete Methode.

Die Übungen selbst sind in gleicher Weise gut und nachvollziehbar dargestellt: Ziel, Ablauf und Beschreibung, Setting und Einsatzmöglichkeiten, Technische Hinweise und Varianten. Auch Quellen oder weiterführende Literatur und Links sind zu finden. Selbstverständlich unterstreichen auch hier Bilder die Texte erläuternd und motivierend.

Alle von erfahrenen Fortbildnerinnen und Coaches beigesteuerten Beiträge sind erkennbar Praxiserprobt und so kann man mit eigenen oder den fünfzig Bildern aus der praktischen Metallbox „Bildbar – Das Kartenset“ (Din-A-5) Seminareinstiege, Kursinhalte, Beratungseinheiten oder auch Ausbildungsabschlüsse kreativ, anregend und eindrucksvoll gestalten.

(c) 5/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journlist, Fürth/Bay.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.04.2014
Der Osten ist ein Gefühl
Goerz, Anja

Der Osten ist ein Gefühl


sehr gut

Unterstützung des Deutschen Geschichtsverständnisses

Der Fall der Mauer ist inzwischen für viele Menschen genau so lange her, wie damals das Kriegsende bei Eintritt in den Kindergarten. Trotzdem existiert in vielerlei Köpfen noch ein merkwürdiges Herablassungsgefühl gegenüber der jeweils anderen Deutschen – sowohl in Richtung Osten vom Westen, als auch andersherum Richtung Westen vom Osten her. Weshalb das so ist, weiß niemand, Vorurteile, bisweilen auch Urteile begründen sich eher emotional denn rational. Besonders, wenn es Jüngere sind, die negativ konnotiert von „Ossis“ oder „Wessis“ sprechen.

Die Autorin Anja Görz lässt in ihren Interviews Deutsche zu Wort kommen, die Entweder-Oder-Einschätzungen abgeben, die erzählen, was für sie der Fall der Mauer und damit der Untergang eines lange Zeit als Status Quo existierender zwei Staaten Deutschland bedeutete.

Einfühlsam und eindrucksvoll sind die Erinnerungen und Meinungen der teilweise Prominenten wie beispielsweise Sebastian Krumbiegel („Die Prinzen“) oder Inka Bause, aber auch zufällig ausgewählter und eher unbekannter Personen wie die damals mit der Auszahlung von Begrüßungsgeld betrauten Bankauszubildenden Stephanie Jansen.

Es wird deutlich, dass sich die Heimat der Menschen auf beiden Seiten verändert hat und jede und jeder diese Entwicklung unterschiedlich wahrnahm und einschätzt. Die Wende zum Guten oder Schlechten hängt eben nicht von kurzzeitig hoch geputschter politischer Euphorie, monetärem Zugewinn oder Verlust ab, sondern vom Einfinden in neue Zusammenhänge beruflicher und privater Art.

Kaum angesprochen sind die extremen Enttäuschungen durch entdeckte Beteiligung von Freunden, Familienangehörigen oder Nachbarn an Bespitzelung oder Verrat. Das ist aber vermutlich auch am leichtesten nachzuvollziehen, welche Wunden in Herz und Seele so etwas hinterlässt. Interessant aber sind die Aussagen der Befragten über die auch vorhandenen inneren Bindungen an das Heimatland derer, die vermeintlich durch den Systemwandel im Osten dieses ganz plötzlich verloren haben. Besonders Westdeutsche können und sollten nach der Lektüre dieses Buches über ihre oft vorherrschende Uninteressiertheit am ausgeblendeten Teil Deutscher – und damit auch ihrer - Geschichte nachdenken.

(c) 4/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.04.2014
Kaltfront
Koch, Manfred

Kaltfront


gut

Selbstbetrug und Lebensdrama

Wegen des Unfalltodes der Eltern mussten die Brüder Markus und Thomas alleine zurecht kommen. Dem Älteren Markus gelingt das offenbar deutlich besser, als dem jüngeren und sich aufgrund seiner Kleinwüchsigkeit minderwertig fühlenden und im Verhalten unberechenbaren Thomas. Als Markus in einer Beziehung mit Roswitha lebt, verliebt sich unerfüllt auch Thomas in die Frau.

Hart und geradezu unerträglich ist für ihn jedoch das offenbar unbegründete Verschwinden der heimlich Angebeteten, fühlte er sich doch auch schon von seinen Eltern verlassen. Alle Beteuerungen und Versuche seines älteren Bruders, der den wahren Grund für die Abwesenheit von Roswitha kennt, helfen Thomas nicht über den Verlust hinweg. Immer wieder kommt es zum Streit und zur Trennung der beiden Brüder. Erst Jahre später führt sie die vermeintliche Vergewaltigung der mit dem wenig begabten Maler Thomas verheirateten und nun im Koma liegenden Frau Tanja wieder zusammen, da Markus – inzwischen mit der finanziell unabhängigen Claudia verheiratet und mehr oder weniger freiberuflich in deren Kunstgalerie tätig - helfen soll, den Schuldigen ausfindig zu machen.

Im Verlauf erfährt man aufgrund der Ich-Erzählung des Protagonisten Markus sowie den Aufzeichnungen seiner aufgrund seiner ausgebrochenen Krebserkrankung mit ihm arbeitenden Psychologin immer mehr von seinen dunklen Seiten, so dass man eine anfängliche Identifikation mit der Hauptgestalt bald aufgibt. Aber auch die Psychologin selbst entwickelt ganz eigene Emotionen während der Gesprächssitzungen. Hier war man etwas gespannt, wie sich dieser Erzählstrang entwickeln wird.

In insgesamt jedoch sehr gemäßigter Spannung und leider teilweise mit Wiederholungen in der Auseinandersetzung zwischen Thomas und Markus begleitet wird man die Geschichte entlang geführt und folgt emotional unentschlossen den Ereignissen ohne eine Ahnung, worauf das Ganze hinauslaufen wird oder soll. Auch wenn sich schließlich ein nachvollziehbarer Schluss ergibt, ist dieser für das hintergründige weniger Psychothriller denn Lebens- und Beziehungsdrama ein verhalten unaufgeregtes Ende.

(c) 4/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.