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Philo
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Frankfurt am Main
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Lesen ist mein liebstes Hobby

Bewertungen

Insgesamt 429 Bewertungen
Bewertung vom 14.03.2021
Wo wir Kinder waren
Naumann, Kati

Wo wir Kinder waren


ausgezeichnet

Die Autorin hat eine ganz wunderbare Familiengeschichte erzählt. Sehr gut geschrieben, spannend zu lesen und bestens recherchiert, war es leicht, sich in die Familie Langbein hineinzudenken und die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Albert Langbein gegründete Puppenfabrik in dem kleinen Ort Sonnenberg in Thüringen bis nach der Wiedervereinigung zu begleiten. Hilfreich ist der dem Buch vorangestellte Stammbaum, der hilft, die Protagonisten zuzuordnen. Es handelt sich um einen fesselnden Familienroman, in dem man das Leben und Arbeiten der Familie Langbein über mehrere Generationen miterleben kann. Unter größten Schwierigkeiten führte Albert langbein seinen Betrieb, die Menschen lebten in Armut, zwei Weltkriege mit all ihren Schrecken mußten überstanden werden, aber von Generation zu Generation wurde der Betrieb weitergeführt.

Auch wenn man vieles weiß aus dieser Zeit habe ich doch viel Wissenswertes erfahren über die Zeiten der DDR mit der Verstaatlichung des Betriebes mit all seinen Erschwernissen für die enteigneten Eigentümer bis hin zu der Auflösung des Betriebes nach der Wiedervereinigung. Ich habe viel gelernt über das Handwerk der Puppenherstellung, das sehr anschaulich beschrieben wird.

Die einzelnen Familienmitglieder werden sehr gut charakterisiert. Nicht alle muß man mögen, aber die meisten sind mir ans Herz gewachsen. Ich habe großen Anteil genommen am Leben der Familie Langbein.

Erinnerungen werden wach, als die Erben der Familie Langbein Iris, Eva und Jan das Haus in Sonnenberg, in dem sie groß geworden sind und glückliche Kindertage verbracht haben, beginnen auszuräumen. Wie erstaunt sie sind, was dabei alles zum Vorschein kommt, und sie verhelfen dem Leser in vielen Rückblicken noch einmal dazu, am Leben dieser besonderen Familie teilzunehmen.

Etwas wehmütig nehme ich Abschied von der Geschichte der Puppenfabrik in Sonnenberg, die mir ans Herz gewachsen ist, die ich begleiten konnte über viele Jahrzehnte, die aber zusamengefaßt in diesem Buch viel zu schnell zu Ende gelesen war. Ein großartiges Buch, welches ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 07.03.2021
Sommer der Träumer
Samson, Polly

Sommer der Träumer


weniger gut

Aufgrund des Klappentextes und der Leseprobe habe ich mir viel mehr erwartet von dem Buch. Leider hat es mich nur enttäuscht. Der Anfang und das Familienleben von Erika und ihrem Bruder Bobby ist noch nachvollziehbar beschrieben, auch daß Erika mit ihrem Bruder Bobby, ihrem Freund Jimmy und zwei weiteren Mädchen nach dem Tod ihrer Mutter dem gewalttätigen Vater entflieht und die Einladung von Charmian, einer Freundin ihrer Mutter, nach der griechischen Insel Hydra annimmt, kann ich gut nachvollziehen. Aber ein Sommer zum Träumen ist es für mich nicht geworden. Eigentlich ist niemandem zum Träumen zumute. Charmian lebt mit ihrem Mann, einem Schriftsteller, der aus Krankheitsgründen völlig unleidlich geworden ist, und ihren drei Kindern unzufrieden und in eher ärmlichen Verhältnissen. Sie gehören zu einer Künstlerkolonie, die sich im Sommer auf der Insel tummeln, und es sind deren so viele, daß ich mir keine Mühe gegeben habe, mir all die Namen zu merken oder auseinanderzuhalten. Eine bekannte Figur war darunter, der kanadische Sänger Leonhard Cohen, der hinter allen hübschen jungen Frauen her war, ohne Marianne zu respektieren, mit der er ein Kind hatte. Ihnen allen ist gemeinsam, daß sie ihre Unzufriedenheit und Langeweile in endlosen Partys und Saufgelagen begraben haben. In immer wieder gleichen Begebenheiten und endlos wiederholten Gesprächen wuchs die Langeweile beim Lesen. Das Buch hält nicht, was das schöne Cover und der Klappentext versprechen.

Bewertung vom 24.02.2021
Aus der Mitte des Sees
Heger, Moritz

Aus der Mitte des Sees


ausgezeichnet

Dieses Buch hat mich wirklich ergriffen. Schon der Sprachstil hat mich total mitgenommen. Die vielen kurzen und prägnanten Sätze haben mich fasziniert. Da saß jedes Wort am rechten Platz und traf genau. Ein Buch in einer so wunderbaren Sprache habe ich lange nicht gelesen.

Die beiden Freunde Lukas und Andreas treten als junge Männer in ein Benediktinerkloster ein, um dort viele Jahre als Mönche zu leben. Andreas aus voller Überzeugung, Lukas eher zweifelnd. Dann aber verlässt Andreas das Kloster, heiratet und bekommt einen Sohn. Lukas fühlt sich allein gelassen. In vielen nur in seinen Gedanken stattfindenden Gesprächen setzt er sich mit seinem Freund, auch mit Juliane, seiner Frau, und sogar mit Xaver, dem kleinen Sohn, auseinander. Er stellt sein bisheriges Leben in Frage. Hierzu gehört auch die Auseinandersetzung mit seinem Vater, der auf tragische Weise sein Leben verlor. Ein Rückzugsort für Lukas ist ein Steg, der als Zugang zum nahegelegenen See dient. Hier geht Lukas jeden Tag zum Schwimmen, was ihm hilft, sich wieder selbst zu finden.

Völlig überraschend taucht eine Schwimmerin auf Lukas‘ Steg auf. Eine junge, hübsche Frau. Die beiden kommen sich während vieler, sehr persönlicher Gespräche näher und verlieben sich. Nun gerät Lukas in einen tiefen Gewissenskonflikt. Er muss sich entscheiden zwischen seiner Liebe und dem Verbleib im Kloster, wo ihm die Aufgabe des Priors übertragen werden soll.

Lukas ist der Protagonist des Buches. Seine Charakterisierung hat mir sehr gefallen. Er ist weltoffen und den Menschen zugewandt, insbesondere auch seinen älteren Ordensbrüdern oder den Gästen im Kloster gegenüber. Als Gast in einem Kloster muss es ein tiefes Erleben sein, einem Mönch wie Bruder Lukas zu begegnen. Mich jedenfalls wird er noch eine lange Weile begleiten. Dem Autor ist anzumerken, daß er sich schon des öfteren in einem Kloster zur Einkehr befunden hat.

5 Sterne für ein wahrhaft lesenswertes Buch.

Bewertung vom 16.02.2021
Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1


sehr gut

Ein ehemaliger Strafverteidiger, Florian Schieker, und ein Rechtsmediziner, Florian Tsokos, haben sich zusammengetan, um einen Krimi über ein Verbrechen und die anschließende Gerichtsverhandlung zu schreiben. Dies fand ich durchaus spannend, weil ich mir durch die beiden Fachleute interessante Hintergrundinformationen und Einblick in die Arbeit eines Rechtsmediziners und Strafverteidigers erhoffte. Vor Gericht stand der bisher völlig unauffällige Nikolas Nölting, der eines Sonntagsmorgen in einer Bäckerei durch Schüsse zwei Personen verletzte und eine weitere Person tötete.

Wo ist das Motiv? Das versucht der Strafverteidiger Rocco Eberhardt zu ergründen, aber der Täter schweigt. Das macht eine Strafverteidung schwierig. Der Rechtsmediziner, Dr. Justus Jarmer, erstellt ein Gutachten, aber auch das ist schwierig, Nölting schweigt weiterhin. Der Anwalt scheint kein in sich ruhender Charakter zu sein. Er ist in seinen Entschlüssen des öfteren wankelmütig und kann sich zu keinem konkreten Vorgehen durchringen. Anders der Rechtsmediziner. Er hat klare Vorstellungen, und erst nachdem er den Anwalt mehrfach abgewiesen hat, läßt er sich auf ein Gespräch mt ihm ein. Die folgende Zusammenarbeit der beiden ist für beide Seiten von Nutzen.

Die Autoren haben viel Augenmerk auf die Charakterisierung ihrer Protagonisten gerichtet. Die angesehene Richterin leitet die Verhandlungen gekonnt und zielstrebig, wohingegen der Staatsanwalt Dr. Bäumler durch unpassende Einwendungen die Verhandlungen immer wieder stört. Er möchte sich profilieren und drängt auf eine Verurteilung des Täters. Er versucht, die Journalisten auf seine Seite zu ziehen. Er ist eitel und selbstgerecht und hofft auf eine für ihn günstige Berichterstattung.

Mit Hilfe seines Freundes, einem Privatdetektiven gelingt es dem Anwalt schließlich, Licht ins Dunkel zu bringen und den Angeklagten zum Reden zu bewegen und die Tat aufzuklären.

Das verhängte Strafmaß finde ich, nachdem alle Fakten geklärt sind, für angemessen. Auf den Anwalt kommt schon der nächste Fall in Sicht, der ihn auch privat betreffen wird. Hört sich spannend an, und man darf gespannt sein.

Bewertung vom 08.02.2021
Der Solist
Seghers, Jan

Der Solist


ausgezeichnet

Jan Seghers hat sich für sein neues Buch "Der Solist" einen neuen Ermittler erdacht - Neuhaus (ohne Vornamen - leider), der auf Verbechen mit politischem Hintergrund spezialisiert ist, wurde vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden nach Berlin zur "Sondereinheit Terrorabwehr" (SETA) abgeordnet, um die dortigen Kollegen bei ihren Ermittlungen zu unterstützen. Neuhaus macht sofort klar, daß er nicht in der Einsatzzentrale (genannt Baracke) auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Tempelhof arbeiten, sondern seine Ermittlungen im Alleingang durchführen werde. Dies aber wird von seiner neuen Kollegin Suna-Marie, einer Deutschtürkin, vereitelt, die sich an seine Fersen heftet, wovon Neuhaus zunächst einmal total genervt ist. Mehr und mehr ist er aber von ihr abhängig. Sie kennt Berlin wie ihre Westentasche, kennt alle Brennpunkte und einschlägigen Treffpunkte, alle Kneipen samt den Wirten und versorgt Neuhaus mit wichtigen Hintergrundinformationen, so auch zu dem Anschlag durch Anis Amri am Breitscheidplatz.

Erschreckend ist zu lesen, wie Anis Amri sich der Überwachung durch die SETA nicht nur in Berlin, sondern auch schon vorher an anderen Orten entzogen hat. Hätte bei einer zielgerichteten Oberservierung der Anschlag womöglich verhindert werden können?

Auf diesen Anschlag richtet Jan Seghers sein Augenmerk. Wie immer findet man in seinen Romanen ein tatsächliches Verbrechen eingebettet in eine fiktive Handlung, was seine Bücher so überaus spannend und interessant macht. Er beschreibt sehr genau, wie und wo Berlin sich verändert hat, die Gefährdungslage hier in der Hauptstadt ist enorm hoch.

So geschehen mehrere Morde mit rassistischem Hintergrund. Ein jüdischer Aktivist und eine muslimische Anwältin sind die ersten Opfer. Ein Bekennerschreiben lautet auf "Kommando Anis Amri".

Neuhaus ermittelt und bevor er wieder zum Bundeskriminalamt zurückkehrt,
findet er die Drahtzieher, die hinter den Anschlägen stecken. Die Aufklärung ist ungeheuerlich.

Neuhaus ist zwar ein Einzelgänger, aber trotzdem teamfähig, was er seiner stets freundlichen und hilfsbereiten neuen Kollegin Suna-Marie zu verdanken hat. Ich finde die beiden sehr sympatisch. Auf einen neuen Einsatz von Neuhaus darf man sehr gespannt sein.

Wie immer in den Büchern von Jan Seghers bin ich von den Musiktiteln begeistert. Von der im Buch erwähnten Sängerin Cesária Évora unbedingt "Besame Mucho" anhören. Zum Weinen schön.

Bewertung vom 02.02.2021
Die Kannenbäckerin
Spratte, Annette

Die Kannenbäckerin


ausgezeichnet

Es war ein besonderes Lesevergnügen, angesiedelt im 30jährigen Krieg im Kannenbäcker Land. Soldaten zogen durchs Land. Sie überfielen die Dörfer, stahlen den Menschen Tiere und Nahrung, brandschatzend und mordend zogen sie durchs Land. Es grassierte die Pest und viele Menschen starben. So auch die Eltern und Geschwister der 13jährigen Johanna, die nun alleine dasteht und sich als Junge verkleidet auf den gefahrvollen Weg zu ihrem Onkel macht, den sie bisher nicht kennen gelernt hat. Sie wird von Onkel und Tante freundlich aufgenommen, gibt sich aber nicht als Mädchen zu erkennen. Der Onkel arbeitet als Kannenbäcker und freut sich auf die Hilfe seines „Neffen“.

Die Autorin beschreibt sehr genau die Arbeit der Kannenbäcker vom Abbau des benötigten Materials über die einzelnen Arbeitsschritte bis hin zum fertigen Tongeschirr, Tellern, Tassen, Krügen, Schüsseln und allem, was im Haushalt benötigt wird. Es ist eine schwere Arbeit an der Drehscheibe, die immer gleichmäßig am Laufen gehalten werden muss. Hier werden die einzelnen Gefäße geformt, anschließend getrocknet und gebrannt. Hierzu ist eine große Erfahrung nötig und erfordert Kraft und viel Geschick. Hierüber zu lesen fand ich überaus interessant.

Johann(a) stellte sich überaus geschickt und wissbegierig an, so daß der Onkel sie nach und nach mit eigenen Arbeiten betraute.

Das Buch erzählt von Mißgunst und Neid der anderen Kannenbäcker in der Gegend. Johann(a) hat großes Talent und stellt die schönsten Tongefäße her, die anschließend auf dem Markt verkauft werden, wobei sie eines Tages in große Gefahr gerät.

Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Ich konnte mich gut in die beschriebene Zeit hineinversetzen, in die Arbeit der Kannenbäcker, aber auch die gut charakterisierten Protagonisten. Den manchmal sehr strengen Onkel, die überaus liebevolle Tante und natürlich Johanna, deren Identität eines Tages aufgedeckt wird.

Es gäbe noch so viel zu erzählen, aber ich empfehle das Buch gerne weiter. Es hat viele Leser verdient und bekommt von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 26.01.2021
Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1
Bennett, S J

Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1


weniger gut

Cover und Buchbeschreibung haben mich veranlaßt, das Buch zu lesen. Die Idee zur Geschichte fand ich hineißend. Aber dann die Enttäuschung. Zwar fand ich die Schilderungen des Lebens im Schloß Windsor sehr interessant. Das Auftreten der Queen wurde so beschrieben, wie man sie sich vorstellt und manchmal - leider nur sehr selten - blitzte der englische Humor auf, das aber leider nur dann, wenn Prinz Philipp in Erscheinung trat, wobei auch hier - wohl der Übersetzung geschuldet - der letzte Schliff fehlte.

Was war geschehen? Nach einer Feier im Schloß, zu der namhafte Persönlichkeiten eingeladen waren, wurde die Leiche des russischen Pianisten Brodsky erhängt in seinem Kleiderschrank vorgefunden. Die Annahme, daß die Ermordung von Putin (was schon weit hergeholt war) angeordnet wurde, erweist sich als falsch. Die Vermutungen der ermittelnden Kommissare stellen die Queen nicht zufrieden, und mit Hilfe ihrer neuen Privatsekretärin Rozie stellt sie eigene Ermittlungen an.

Leider entwickelt sich die Aufklärung des Falles als sehr langatmig. Es treten zu viele Personen in Erscheinung, die der Geschichte nicht dienlich sind und den Lesefluß beeinträchtigen. Durch die vielen Personen habe ich zeitweilig den Überblick verloren, und das Weiterlesen ist mir schwergefallen. Alles in allem fand ich die Geschichte eher langweilig und zäh zu lesen. Ein spannnender Krimi war es auf jeden Fall nicht. Ich werde das Buch nicht weiter empfehlen.

Bewertung vom 28.12.2020
Die Djurkovic und ihr Metzger
Raab, Thomas

Die Djurkovic und ihr Metzger


sehr gut

Dies war mein erstes Buch von Thomas Raab und seiner Reihe um den Metzger. Die Geschichte ist einfach erzählt. Der Metzger will endlich seine Daniela heiraten. Die aber quartiert ihn einige Tage vor der Hochzeit aus der Wohnung, in der sich plötzlich fremde Gestalten tummeln. Als Metzger mit Daniela endlich vor dem Altar steht entführt ein Wildfremder Daniela aus der Kirche. Bis hierhin ist das ja noch kein Krimi. Der entwickelt sich jetzt im Anschluß, als Metzger sich auf die Suche nach Daniela macht. Jetzt kommt er mit allerhand dubiosen Gestalten zusammen. Ziemlich verworren fand ich das Ganze. Ich hatte Mühe, all die in Erscheinung tretenden Personen zuzuordnen und auseinanderzuhalten. Wer waren hier die Guten und wer die Bösen? Dieses Rätsel löst sich erst zum Schluß. Dies war jetzt kein Krimi, von dem ich sagen würde, ich habe ihn mit Spannung gelesen, und ich werde ihn auch nicht weiterempfehlen.

Bewertung vom 28.12.2020
Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1
Blum, Antonia

Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1


ausgezeichnet

Antonia Blum hat ein gut recherchiertes Buch über die im Jahr 1911 eröfnete Kinderklinik Weißensee geschrieben. Für Kinder gab es bis einige Jahre zuvor keinen eigenen Zweig in der Medizin, sie wurden wie Erwachsene behandelt, was zu einer hohen Sterblichkeit, insbesondere von Säuglingen führte. Bei der Eröffnung der Klinik standen aber Kinderärzte und Kinderkrankenschwestern zur Verfügung. In der Klinik wurden auch neue Krankenschwestern ausgebildet. Hierzu gehörten im Jahr 1911 die Schwestern Marlene und Emma, die ihre Kindheit im Waisenhaus verbracht hatten, weil ihre Mutter früh verstorben war. Sie hatten eine schwere Zeit hinter sich und freuten sich auf die Zeit ihrer Ausbildung. Wobei sie es anfangs auch in der Klinik nicht leicht hatten. Waisenhauskindern gegenüber war man mißtrauisch.

Das Buch ist nicht nur der Klinik, ihren Patienten und Ärzten gewidmet, sondern es ist auch die Geschichte der beiden Schwestern Marlene und Emma. Beide gehen in ihrer Arbeit auf, und Marlene beschließt, Medizin zu studieren. Sie möchte Kinderärztin werden, was zu dieser Zeit für Frauen fast unmöglich war.
Auch persönliche Beziehungen der beiden werden sehr eindringlich und anschaulich beschrieben, so daß man sich sehr gut in sie hineinversetzen kann.

Alle Protagonisten, Ärzte, Schwestern, Kinder mit ihren Ängsten im Krankenhaus, werden gut beschrieben und charakterisiert. Man fühlt sich fast als Teil des Ganzen.

Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen und warte gespannt auf die Fortsetzung. Was wird wohl aus Marlenes Lebenstraum Ärztin zu werden und wie wird sich ihre private Beziehung zu dem adeligen Kinderarzt Dr. Matthias von Weilert entwickeln. Dieser Beziehung steht der Standesdünkel der Eltern des Arztes entgegen.

Bewertung vom 10.12.2020
Wo du nicht bist
Gebert, Anke

Wo du nicht bist


ausgezeichnet

Obwohl bereits im Prolog klar wird, wie die Geschichte von Irma Weckmüller endet, beschreibt die Autorin in ihrem Buch das Leben von Irma in einer zu Herzen gehenden Art und Weise, der man sich nicht entziehen kann. Die Autorin selbst hat nur durch Zufall von Irma Weckmüller erfahren. Die Geschichte ließ sie nicht mehr los, und so hat sie dieses wunderbare Buch geschrieben.

Ich war in den letzten Kriegsjahren in Berlin. Es ist alles so realistisch beschrieben und hat bei mir viele Emotionen und Erinnerungen ausgelöst.

Irma hatte es nicht leicht in ihrem Leben. ihr Vater war im Ersten Weltkrieg gefallen, was ihre Mutter nicht verkraften konnte. Sie sprach nicht mehr und zog sich mehr und mehr in sich zurück. So mußte Irma den Haushalt führen und sich auch um ihre 2 Jahre jüngere Schwester kümmern. Irma war gerade 6 Jahre alt. In ihrer Verzweiflung nahm sich Irmas Mutter das Leben und ließ die beiden allein zurück. Sehr ausführlich wird später die Arbeit von Irma als Tuchverkäuferin im KaDeWe beschrieben. Irma war angesehen, fleißig und sehr beliebt. Kummer machte ihr ihre Schwester, die als Hausmädchen arbeitete und von ihrem Dienstherren zum Sex gezwungen wurde. Martha wurde schwanger und entlassen. Durch Marthas Schwangerschaft lernten die beiden den Arzt Dr. Erich Bragenheim kennen, der sich unsterblich in Irma verliebte. Irma fühlte sich zum ersten mal in ihrem Leben geborgen. Die beiden verbrachten zunächst eine sorglose Zeit miteinander, gingen auf Reisen und luden oft Erichs Freunde ein. Aber es zogen dunkle Wolken über ihrem Glück auf. Erich war Jude und die Nationalsozialisten übernahmen die Macht in Deutschland. Der Judenhaß war allgegenwärtig. Erichs Leben endete in Auschwitz. Irma hat nach dem Krieg auf Erich gewartet und ihn verzweifelt gesucht. Erst als sie Gewißheit von seinem Tod hatte, hat sie mit anwaltlicher Hilfe eine postmortale Eheschließung durchgesetzt.

Irma hat mich sehr beeindruckt. Die Autorin hat ihr mit diesem Buch ein Denkmal gesetzt und sehr bewegend die Zeit, in der Irma und Erich sich kennenlernten beschrieben. Dr. Erich Bragenheim war ein charakterstarker Mann und guter Arzt. Er hat alles verloren, nur weil er Jude war. Dieses Schicksal haben tausende andere Juden mit ihm erleiden müssen.

Der Autorin sei Dank, daß sie das Leben der Irma Weckmüller so akribisch recherchiert hat. Es ist ein ganz wunderbares Buch, das noch lange nachwirken wird, eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne verdient hat.