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Island
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Nürnberg

Bewertungen

Insgesamt 541 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2023
Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne
Scherzant, Sina

Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne


ausgezeichnet

Protagonistin Katha sehnt sich von frühester Kindheit an nach Harmonie. Sie will, dass ihre Eltern glücklich (miteinander) sind und versucht (zunächst mit kindlichen Methoden) dazu beizutragen und auch in der Schule will sie keinen Ärger haben, aber zugleich dazu gehören. Als die Eltern sich doch irgendwann trennen und sie mit ihrer nun alleinerziehenden Mutter und ihrer kleinen Schwester nach Dortmund zieht, lernt sie dort Angelica kennen, die Mutter einer Klassenkameradin, die viel zugewandter und offener ist als ihre Mutter und Katha in ihrer Selbstfindung entscheidend prägt und zum Nachdenken darüber anregt, ob es wirklich gut ist, anderen immer gefallen und ihnen Schlechtes ersparen zu wollen.

Das Cover des Romans und der Titel erschienen mir zunächst zu abstrakt, um mir mehr darunter vorstellen zu können. Der Schreibstil gefiel mir aber von Beginn an. Die Autorin schreibt sehr reflektiert über die Zeit des Heranwachsens und Ausprobierens, es ist nicht nur eine Aneinanderreihung von Erlebnissen. Die Personen wirken authentisch und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen und mich teilweise auch in ihnen und ihrem Verhalten und den gemeinsamen Erlebnissen wiederfinden, obwohl meine eigene Teenager-Zeit etwa zehn Jahre länger zurückliegt, als die hier Beschriebene. Aber, vieles verläuft doch immer wieder ähnlich. Etwas weniger konnte ich aber mit dem, etwa 50 Seiten umfassenden, zweiten Teil anfangen, diese kürzeren Elemente waren mir zu abstrakt, auch wenn sie wohl den Zustand von Katha spiegeln sollten. Der dritte Teil rundete dann wieder alles sehr stimmig ab. Auch sprachlich fand ich den Roman sehr gelungen, modern und schnörkellos einerseits, aber mit den passenden sprachlichen Bildern an den entscheidenden Stellen. Somit empfehle ich dieses Debüt gerne weiter, es ist auf jeden Fall sehr lesenswert.

Bewertung vom 03.09.2023
Spiel auf Leben und Tod / Fräulein vom Amt Bd.3
Blum, Charlotte

Spiel auf Leben und Tod / Fräulein vom Amt Bd.3


sehr gut

Der neue Fall der historischen Krimireihe um das "Fräulein vom Amt" Alma Täuber spielt im Jahr 1925, als viel Prominenz nach Baden Baden reist, weil dort ein internationaler Schachturnier stattfindet und Schach gerade stark in Mode kommt. Auch Almas (heimlicher) Partner, der Kriminalkommissar Ludwig Schiller ist fasziniert von dem Spiel. Alma beschäftigt aber vor allem der der Tod der Cousine einer Kollegin, die tot in einer großen Wäschetrommel in einer Dampfwaschanstalt gefunden wurde, was zunächst als Unfall oder Selbstmord abgetan wird. Bei den Nachforschungen zum Umfeld der Toten stößt Alma schnell auf ein verruchtes Tanzlokal.

Es war wieder sehr interessant und spannend, mit der mutigen Alma auf Zeitreise ins Baden Baden der 20er Jahre zu gehen, wo es um Gleichberechtigung noch schlecht bestellt war, Alma und ihre beste Freundin aber das Beste aus den Umständen machen. Da die Krimireihe aber ja "Das Fräulein vom Amt" heißt, sollte meiner Meinung nach Almas Beruf noch eine etwas größere Rolle bei den Mordfällen spielen, wie es im ersten Teil auch der Fall war. Mittlerweile beeinflusst er hauptsächlich ihr Privatleben, da sie für den Beruf ledig bleiben muss und sich so nicht zu Ludwig bekennen kann. Als Ermittlerin gibt Alma sich manchmal auch etwas zu leichtfertig in Gefahr, auch wenn sie mir ansonsten in ihrer Art sehr sympathisch ist. Der Schreibstil des Autorinnen-Duos war auch diesmal wieder gut lesbar.

Bewertung vom 03.09.2023
Heartbreak
Bagci, Tarkan

Heartbreak


ausgezeichnet

Marie hat schon länger mit Depressionen zu kämpfen, ist aber in Therapie und nimmt Medikamente, dass ihr Freund sie nach einem Jahr plötzlich von einem Tag auf den anderen ghostet, wirft sie aber ganz schön aus der Bahn. Tom ist ein vielversprechender Musiker, der nach dem Wunsch seines Managers und zugleich Vaters seine Karriere antreiben soll, indem er in einem kitschigen Film mitspielt, was aber schon zu Beginn der Dreharbeiten gewaltig schief geht. Irgendwann landen beide mehr oder weniger zufällig im gleichen Hotel in der Toskana.

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Die Geschichte war fernab von jeglichem Kitsch und Marie und Tom wirkten als Protagonist:innen authentisch. Der Schreibstil des Autors ist sehr anschaulich und zugleich wortgewandt und mit der richtigen Dosis Humor an passenden Stellen. Auch Gesellschaftskritik, bzw. Kritik am Zeitgeist kommt nicht zu kurz, wenn Tom seinen ursprünglich afghanischen Namen ablegt, weil er damit, nach Meinung seines afghanischen Vaters, nicht erfolgreich werden kann, die Vermarktung auf Instagram und TikTok viel wichtiger ist als die Musik selbst und erschreckend viele Menschen in Deutschland mehr Mitgefühl für Hunde zeigen als für ertrunkene Flüchtlinge.

Bewertung vom 03.09.2023
Simone
Reich, Anja

Simone


ausgezeichnet

In diesem autobiografischen Roman beschäftigt sich die Autorin mit dem Selbstmord ihrer Freundin vor vielen Jahren und versucht, Gründe zu finden, warum ihre Freundin Simone sich nicht mehr in der Lage sah, weiterzuleben. Besonders beschäftigt sie, dass diese sich kurz vorher noch mit ihr treffen wollte, sie aber keine Zeit hatte. Nun begibt sie sich auf Ursachensuche, beginnend mit Simones Babyzeit, die sie in der DDR in einer Wochenkrippe verbringen musste, damit ihre Eltern voll arbeiten konnten, was heutzutage als sehr kritisch für eine gute Entwicklung angesehen wird. Außerdem spricht sie mit Simones Eltern, weiteren Verwandten, Freunden, Ex-Partnern und Psychologen und liest alte Tagebücher und Briefe ihrer Jugendfreundin, wodurch sie diese noch mal aus vielen anderen Perspektiven kennenlernt.

Ich fand das Buch sehr interessant, weil es zeigt, wie eine Persönlichkeit durch die Umstände ihres Aufwachsens bereits in der frühesten Kindheit geprägt wird, aber auch ansonsten ganz viele Aspekte beleuchtet werden, die zeigen, wie vielschichtig die Ursachen für einen Selbstmord sein können, und, dass es auch für Nahestehende ganz schwer ist, Selbstmordabsichten vorab zu erkennen. Daher halte ich das Buch für ein sehr wichtiges.

Bewertung vom 27.08.2023
Wir träumten vom Sommer
Rehn, Heidi

Wir träumten vom Sommer


ausgezeichnet

Der neue historische Roman von Heidi Rehn spielt auf zwei verschiedenen Zeitebenen in den Jahren 1968 und 1972 in München. Beides sehr ereignisreiche Jahre mit den Studentenaufständen 68 und vier Jahre später den Olympischen Spielen. Studentin Amrei aus dem Bayerischen Wald lernte 1968 den linksorientierten Künstler David und den Polizisten Wastl kennen und erlebte die Studentenproteste hautnah mit. Anschließend flüchtete sie vor der Situation mit den beiden so verschiedenen jungen Männern ins Ausland und kommt 1972 zurück, um ihr Studium fortzusetzen und als Hostess bei den Olympischen Spielen zu arbeiten. Und sie trifft natürlich auch all ihre früheren Freunde wieder.

Ich fand die Handlung des Romans sehr spannend, weil mich die beiden Ereignisse, die im Mittelpunkt stehen, sehr interessieren. In die Perspektive Amreis konnte ich mich sehr gut hineinversetzen. Heidi Rehn ist es sehr gut gelungen, ihr Hin- und Hergerissensein zwischen den beiden jungen Männern und den verschiedenen Sichtweisen und politischen Einstellungen darzustellen. Auch die sprachliche Gestaltung fand ich gelungen, da zwar ein süddeutscher Einschlag immer wieder für Authentizität sorgte, aber dennoch alles gut verständlich blieb. Viele Originalschauplätze in München spielten zudem eine Rolle und auch das Cover passt sehr gut zur Zeit und zum Handlungsort.

Bewertung vom 24.08.2023
Eine glückliche Familie
Kabler, Jackie

Eine glückliche Familie


ausgezeichnet

Beth, mittlerweile um die 40, ist bei ihrem Vater aufgewachsen, nachdem die Mutter die Familie überstürzt verlassen hat. Mittlerweile hat sie selbst einen Sohn und eine Tochter, ist von ihrem Ex-Mann getrennt, aber hat weiter ein halbwegs gutes Verhältnis zu ihm. Eines Tages steht dann plötzlich eine Frau vor ihrer Tür, die wirklich ihre verschollene Mutter zu sein scheint und Beth verzeiht ihr schnell, weil sie so froh ist, auch endlich wieder eine Mutter zu haben. Mit dem Auftauchen der Frau passieren aber auch immer extremere Dinge in Beths Leben und sie bekommt zudem Angst, dass etwas Schlimmes, das sie kurz nach dem Verschwinden ihrer Mutter getan hat, bekannt wird.

"Eine glückliche Familie" ist als Kriminalroman klassifiziert, für mich ist es aber eher ein Psychothriller, da ja kein wirklicher Kriminalfall im Mittelpunkt der Handlung steht, sondernd Beths Lebensgeschichte und die mysteriösen Vorfälle, die immer bedrohlicher werden. Die Geschichte um Beth und ihre Mutter fand ich sehr spannend, auch wenn ich manches schon ahnte, gab es dennoch auch immer wieder Überraschungen. Wie Beth vor lauter Freude über das Wiedersehen mit ihrer Mutter alle Vorsicht abstreift, vermittelt die Autorin sehr schlüssig und ebenso, welche Dynamiken im Familien-, Freundes- und Kollegenkreis in Gang gesetzt werden. Der Schreibstil war dabei gut und flüssig lesbar und zugleich anschaulich.

Bewertung vom 24.08.2023
Vom Ende der Nacht
Daverley, Claire

Vom Ende der Nacht


ausgezeichnet

Will und Rosie stammen aus recht unterschiedlichen Welten. Will wächst zusammen mit seiner Halbschwester bei seiner Großmutter auf, weil sein Vater schon lange weg ist und auch die Mutter ihre Kinder verlassen hat. Rosie hat einen Zwillingsbruder, eine sehr ehrgeizige und dominante Anwaltsmutter und einen Vater, der sich aus allem herauszuhalten scheint und lebt in gutbürgerlichen Verhältnissen. Über ihren Bruder, der mit Will im Mathe-Kurs ist, lernt Rosie, die Musik liebt, dann aber Will, der am liebsten an Motorrädern schraubt, auf einer Party kennen und sie unterhalten sich trotz aller Unterschiede erstaunlich gut. Dennoch gibt es Gründe, warum Rosie trotz aller gegenseitigen Anziehung nicht mit ihm zusammensein will oder kann und diese verfolgen sie auch im weiteren Verlauf ihrer Leben. Dennoch kommen beide aber auch nicht wirklich ohne einander klar, obwohl sie es sich immer wieder vornehmen.

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Die Geschichte um Will und Rosie ist nicht zu kitschig und ich mag die Schreibweise des Romans, die einerseits anschaulich genug ist, dass man sich gut in die Situationen und die beiden Hauptpersonen hineinversetzen kann, andererseits aber auch immer wieder wie im Zeitraffer erzählt, sodass es trotz der langen Zeitspanne keine unnötigen Längen gibt. In die beiden Charaktere konnte ich mich weitgehend hineinversetzen, außer, dass mir persönlich das ganze Hin- und Her und zweifeln am Ende vielleicht ein Tick zu viel war. Aber, sie waren sehr authentisch ausgestaltet mit Ecken und Kanten und eben auch Zweifeln und Ängsten. Der Schreibstil der Autorin war gut lesbar und ich empfehle das Buch gerne weiter!

Bewertung vom 20.08.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


sehr gut

In "Sylter Welle" beschäftigt sich der Autor mit seinen Großeltern und insbesondere mit den gemeinsamen Sylt-Urlauben auf dem Campingplatz in seiner Kindheit und Jugend. Vor kurzem war er dann noch einmal als erwachsener Mann mit seinen noch lebenden Großeltern in einer Ferienwohnung auf Sylt, viele alte Erinnerungen kamen dabei hoch, er musste aber auch miterleben, wie insbesondere sein Opa langsam abbaut.

Max Richard Leßmann ist es sehr gut gelungen, die mehr oder weniger liebenswerten Schrulligkeiten seiner Großeltern einzufangen, von denen manche einem von den eigenen Großeltern bekannt vorkommen, ebenso wie einige Anekdoten aus der Familiengeschichte. Zwischendurch geht er aber auch sehr feinsinnig darauf ein, wie seinen Großeltern das Alter doch immer mehr zusetzt, was ihm als Enkel auch sehr nahe geht. Etwas mehr hätten für mich noch die Insel Sylt und die gemeinsamen Erlebnisse dort im Mittelpunkt stehen können, da sich doch recht viele der erwähnten Begebenheiten anderswo zugetragen haben.

Bewertung vom 18.08.2023
Der Frühling ist in den Bäumen
Revedin, Jana

Der Frühling ist in den Bäumen


ausgezeichnet

Zunächst muss ich sagen, dass der Klappentext, insbesondere die Formulierung "sexuelle Abhängigkeiten" (mal wieder) ziemlich andere Vorstellungen bei mir geschürt hat, das Buch selbst hat mich dann eher positiv überrascht. Ich würde die Thematik anders auf den Punkt bringen.

Im Mittelpunkt der Handlung steht die 24-jährige Renina Dietrich, die es trotz ihres jungen Alters in den 50er Jahren geschafft hat, Assistentin beim Philosophen Martin Heidegger zu werden. Dann beschließt sie aber, mit Unterstützung ihrer Eltern, die mit ihr seit ihrer Flucht im Zweiten Weltkrieg in Konstanz am Bodensee leben, die "Lady", die erste deutsche Frauenzeitschrift herauszugeben. Zunächst einmal überrollt Renina aber ihr Privatleben. Sie hat recht überstürzt den Atomphysiker Fred Dietrich, einen Neffen von Marlene Dietrich, geheiratet und erlebt nun sexuelle Gewalt durch ihn, gegen die sie sich aber vehement zur Wehr setzt und die Scheidung möchte, was in den 50er Jahren noch sehr schwierig war.

Die Autorin erzählt hier die Geschichte ihrer eigenen Mutter, die wirklich die "Lady", die erste und noch dazu recht anspruchsvolle, Frauenzeitschrift Deutschlands gegründet. Außerdem spielt auch der intellektuelle Freundeskreis von Reninas Eltern mit einigen recht beeindruckenden Persönlichkeiten immer wieder eine Rolle. Aber auch Renina selbst und ihre Eltern haben Eindruck bei mir hinterlassen, wie sie, recht untypisch für die damalige Zeit, miteinander umgehen, bereits Gleichberechtigung leben und der Tochter viel Zutrauen und sie immer unterstützen. Renina bewundere ich dafür, wie sie die Gewalterfahrungen nicht erstmal hinnimmt, sondern direkt einen Schlussstrich unter die Ehe ziehen will. Und auch die Geschichte hinter der ersten deutschen Frauenzeitschrift und deren Verbindung zu Marlene Dietrich fand ich sehr interessant, diese hätte für meinen Geschmack auch noch etwas mehr Raum zusätzlich einnehmen dürfen. Der Schreibstil war gut lesbar und anschaulich, das Cover passt zu den 50er Jahren, trifft aber nicht voll meinen Geschmack. Ich empfehle das Buch gerne allen, die Geschichten um starke Frauenpersönlichkeiten mögen.

Bewertung vom 16.08.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


sehr gut

Der neue Roman der österreichischen Autorin Doris Knecht handelt von einer geschiedenen Frau Anfang 50, deren Zwillinge nach der Matura langsam auf eigenen Beinen stehen, sodass sie sich überlegen muss, wie es in ihrem eigenen Leben weitergehen soll. Die 150qm Familienwohnung ist dann zu groß und ohne den Unterhalt für die Kinder auch zu teuer für sie allein. Für alles, was schön und gut gelegen ist und sie sich leisten kann, müsste sie mit viel weniger Platz klar kommen und sich von lieb gewonnenen Dingen und Gewohnheiten trennen und sich auch daran gewöhnen, dass sie nun wieder komplett allein lebt.

Diese Situation wird vielen Müttern bekannt vorkommen, aber nicht nur diesen, es geht zugleich auch um das Verhältnis zu den eigenen, älter werdenden, Eltern, die noch einer anderen Generation entstammen und dem unter Geschwistern. Doris Knecht schildert in ihrer Erzählung anschaulich viele Begebenheiten, die einem bekannt vorkommen und man kann sich, ob selbst Mutter oder nicht, gut in die Protagonistin und ihre Gedankengänge hineinversetzen und muss manchmal auch schmunzeln. Eine spannende Rahmenhandlung bietet der Roman aber eher weniger, es geht um Alltägliches und darum, einen Weg für sich selbst zu finden, der einen möglichst zufrieden macht, auch wenn nicht alles perfekt ist.