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Benutzername: 
Stanzick
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Ober-Ramstadt

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 05.06.2019
Die einzige Geschichte
Barnes, Julian

Die einzige Geschichte


ausgezeichnet

Julian Barnes, Die einzige Geschichte, Kiepenheuer & Witsch 2019, ISBN 978462-05154-4

Julian Barnes neues Buch „Die einzige Geschichte“ ist ein sensibler und kunstvoller Roman über eine sehr unkonventionelle erste Liebe, die für den jungen männlichen Ich-Erzähler Paul lebenslange Konsequenzen und Folgen haben wird und die ihn schließlich zu der an den Leser gerichteten Frage führt: “Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden, oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.“

Paul ist gerade einmal 19 Jahre alt, als ihn seine Mutter Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in den traditionsreichen und auf strenge Sitten achtenden Tennisclub des Ortes schickt in der Hoffnung, er könne dort eine geeignete Partnern für sein Leben finden. Paul, der schon lange angeödet ist von dem prüden und langweiligen bürgerlichen Milieu, in dem er aufwächst und das ihm nach seinem ersten Semester an der Universität noch mehr auf die Nerven geht, sucht aus diesen Verhältnissen auszubrechen und rebelliert gegen seine Eltern.

Genau in dieser Situation lernt er im Tennisclub Susan kenne, eine verheiratete Frau, die dreißig Jahre älter ist er. Dass er sich sofort in sie verliebt und eine mehr und mehr sehr schwierige und komplizierte Beziehung mit ihr aufnimmt, die insgesamt sich über zwölf harte und lange Jahre hinzieht, ist mehr als nur Teil seines Protestes gegen gesellschaftliche Konventionen. Paul liebt Susan wirklich. Er ist sicher, in ihr die Frau für sein Leben gefunden zu haben. Sie ist so etwas wie der Gegenpart zum Spießerleben seiner Umgebung. Auch Susan, die zwei Töchter hat, die älter sind als Paul, erwacht zu neuem auch sexuellen Leben und Erleben, als sie spürt, dass Paul sie anziehend und liebenswert empfindet und sich für sie verzehrt.

Doch diese ersten Schmetterlinge sind bald verschwunden, und die Geschichte der beiden verwandelt sich in die Existenz einer eher tragischen Lebensform. Das ist schon spürbar, als sich Susan von Mann und Töchtern trennt und mit Paul zusammenzieht. Paul schließt sein Jurastudium ab, die Leidenschaft der ersten Zeit ist der Langeweile gewichen, zumal sich bei Susan mehr und mehr eine innere Veränderung zeigt, die sie bald völlig dem Alkohol verfallen lässt. Julian Barnes spürt dieser Entwicklung genau nach, versucht herauszufinden, wie es zu diesem menschlichen Absturz kommen konnte, doch dem Leser wird sie sich nicht erschließen, genauso wenig wie dem tapferen, mittlerweile als Anwalt arbeitenden Paul, der gewissenhaft und treu noch lange hilft, wo er kann, doch irgendwann nach zwölf meist dunklen und traurigen Jahren aufgibt.

Julian Barnes reichert wie oft in seinen Büchern seine Geschichte immer wieder an mit Erkenntnissen, Weisheiten, Reflexionen und der genauen Darstellung von Gefühlen. Poetische Stimmungsbilder beleuchten äußere und innere Befindlichkeiten seiner Figuren. Man ist tief bewegt und angerührt darüber, wie Lebenswege verlaufen können. Was ist vorherbestimmt, und was ist selbst verschuldet? Doch die Frage nach der Schuld stellt sich ihm nicht. Die ernüchternde, gleichwohl aber befreiende Erkenntnis von Barnes und seinem Erzähler Paul ist die: Lebensläufe werden von unerwarteten äußeren und inneren Entwicklungen mitbestimmt. Entwicklungen indes, die wie diese erste Liebe Pauls sein Leben über eine lange Zeit bestimmen werden. Und so verlässt der Leser den Erzähler und seine Geschichte am Ende, ohne zu wissen, was aus ihm werden wird. Er hat aber die leise Hoffnung, dass es auch für Paul noch einmal möglich sein wird, Liebe zu empfinden und zu geben.

Wer selbst in seinem Leben schon einmal von einer außergewöhnlichen Liebe aus der Spur geworfen wurde, wird in diesem Roman vieles wiederentdecken.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.06.2019
Wohin wir gehen
Mädler, Peggy

Wohin wir gehen


ausgezeichnet

Peggy Mädler, Wohin wir gehen,Galiani Verlag 2019, ISBN 978-3-86971-186-7

In ihrem Debütroman „Legende vom Glück des Menschen“ der 2011 auch bei Galiani in Berlin erschien, hatte die 1976 in Dresden geborene Peggy Mädler den gewagten und gelungenen Versuch unternommen, persönliche Erinnerung und die große Geschichte miteinander zu verbinden und nach ihren Beziehungen zu forschen.

Es war eine viel beachtete durch biographische Erinnerungen der Autorin getönte Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte, die die Erzählerin des Buches da unternahm. Eine Familiengeschichte in der DDR.

Nun, viele Jahre später, legt Peggy Mädler ihren nächsten Roman unter dem Titel „Wohin wir gehen“ vor. Es ist ein nachdenklicher und kluger, ja lebensweiser Roman über entscheidende Fragen des Lebens. Sie fragt mit ihren sympathischen Hauptfiguren nach dem, was bleibt, wenn eine Heimat verloren geht, die Eltern sterben oder auch politische Hoffnungen, die einem lange Kraft und Sicherheit gaben, verschwinden.

Wohin soll man gehen, wo will man bleiben, wo findet man Heimat, wenn Landschaften, Orte und Jahre durch die Zeiten sich zwangsweise verändern? Im Zentrum der sich über mehr als halbes Jahrhundert hinziehenden Handlung stehen die beiden Freundinnen Almut und Rosa. Die eine lernt in ihrem langen Leben, dass es immer etwas zu verlieren gibt und schaut auf ein Leben voller Verluste zurück und die andere hat erfahren, dass das Leben immer irgendwie weitergeht.

Und so ist der ganze, leise erzählte Roman eine Geschichte vom Älterwerden, von Abschieden und Neuanfängen und darüber, dass das Leben immer weiter geht.
Die Handlung beginnt in den 1940 er Jahren in Böhmen. Die Mädchen Almut und Rosa sind beste Freundinnen. Doch Almuts Vater stirbt völlig unerwartet und die Mutter begeht daraufhin Selbstmord. Rosas Mutter, eine überzeugte Kommunistin, nimmt nach dem Krieg und der Ausweisung aller Deutschen aus der Tschechoslowakei beide Mädchen mit nach Brandenburg. Peggy Mädler beschreibt sehr eindrücklich, wie sie dort nicht nur unter dem Verlust der alten Heimat und Entwurzelung leiden, sondern auch, wie sie nach und nach sich mit dem neu gegründeten Staat zu identifizieren lernen. Almut und Rosa werden beide Lehrerinnen. Doch kurz vor dem Mauerbau 1961 flieht Rosa nach West-Berlin. Almut leidet lange unter diesem Verlust, wieder ist ihre Welt auseinandergebrochen. Doch sie gibt nicht auf, gründet eine Familie und bekommt mit Elli eine Tochter.

Die wiederum hat in der Jetztzeit des Romans genau wie ihre Mutter damals mit Rosa eine Freundin. Sie heißt Kristine und wird sich, nachdem Elli für eine neue Stelle am Theater nach Basel gezogen ist, um die kranke und gebrechliche Almut kümmern.

Die Handlung des Romans wechselt zwischen Gegenwart und unterschiedlichen Stadien der Vergangenheit. Erfahrungen und Erinnerungen lagern sich wie Sedimente ab. Lebenswege verschlingen sich, zwischen den Familien und den Generationen. Über Jahrzehnte hinweg geht es immer auch ums Weggehen, Ankommen oder Bleiben. Hauptsächlich aber, zu unterschiedlichen Zeiten, geht es Peggy Mädler darum, mit ruhiger Kraft jenen Moment herauszuarbeiten in den Lebensgeschichten ihrer Figuren, wo sie spüren und erleben, was für sie wirklich zählt im Leben.

Peggy Mädler hat für dieses Buch den „Fontane-Literaturpreis der Fontanestadt Neuruppin und des Landes Brandenburg“ erhalten. In der Begründung der Jury heißt es:
„Drei Generationen, drei Freundinnenpaare. Geprägt sind ihre Lebensgeschichten von Brüchen und Veränderungen, ausgelöst durch Krieg, Vertreibung und wechselnde politische Systeme bei den einen, durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse, digitales Nomadentum und Globalisierung bei den anderen. (…) In literarischer Perfektion beschreibt Peggy Mädler Land und Leute, ihre Seele und ihre Sehnsüchte, ihre Prägungen und ihr Scheitern – ganz in der Tradition Theodor Fontanes. Sie braucht dabei nur wenige knappe Striche, um erzählerische Wucht zu entfal

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Die Frau im Musée d'Orsay
Foenkinos, David

Die Frau im Musée d'Orsay


ausgezeichnet

David Foenkinos, Die Frau im Musee d` Orsay, Penguin Verlag 2019, ISBN 978-3-328-60086-2

Der neue Roman von David Foenkinos schließt sich in seiner literarischen Qualität nahtlos an seine Vorgänger und zeigt ihn nicht nur als einen der erfolgreichsten zeitgenössischen französischen Schriftsteller, sondern auch als einen besten. In einer dramatischen Liebesgeschichte, die er so geschickt aufgebaut hat, dass eine den Leser an das Buch fesselnde Spannung bis zum Ende erhalten bleibt, erzählt er feinfühlig und vollen Herzenswärme davon, wie ein Mensch selbst im tragischen Scheitern seinem Leben eine neue Wendung geben kann.

Zunächst wird der Leser mit dem unter seinen Studenten sehr beliebten Antoine Duris bekannt gemacht. Er ist die leidende und dennoch mutige Hauptfigur in einem sehr unterhaltsamen und auch bewegenden Roman, dessen Unterthema die Faszination und Schönheit der Kunst ist.

Denn Antoine Duris ist Professor für Kunstgeschichte an der Hochschule der Schönen Künste in Lyon. Seine abwechslungsreichen und originellen Vorlesungen und Seminare sind überlaufen und dennoch hat er ein Ohr für jeden einzelnen seiner Studenten.

Deshalb versteht es niemand, als Antoine sozusagen über Nacht eines Tages seine Stelle an der Hochschule kündigt, seine Wohnung auflöst und sein Hab und Gut einlagert. Hat es damit zu tun, dass seine Beziehung nach nur sieben Jahren gescheitert ist und seine Partnerin Louise ihn verlassen hat?

Nur mit einem Koffer bestückt, reist er nach Paris und bewirbt sich am dortigen Musee d`Orsay als Wärter. Als die Personalchefin des Museums, Mathilde, ihn trotz seiner Überqualifizierung einstellt, da spürt der Leser schon, dass zwischen diesen beiden Menschen sich im Verlauf der Handlung noch eine ganz besondere Beziehung anbahnen wird. Sie hat auch den deutschen, etwas unglücklich gewählten, Titel inspiriert, während es im französischen Original treffender um „Schönheit“ geht.
In vielen Rückblicken entfaltet David Foenkinos nun die genaue Vorgeschichte der dramatischen Entscheidung, die ihn nach Paris geführt hat. Nachdem Antoine am Ende des ersten Kapitels zusammen mit Mathilde, die sich da schon sehr angenähert haben, nach Lyon gefahren war, und ihr dort einen Grabstein zeigte mit der Aufschrift „Camille Perrotin, 1997-2017“, wird in der Folge die Geschichte dieser überaus talentierten jungen Kunststudentin erzählt. Sie ist neben Antoine die eigentliche Hauptfigur des Buches. Nachdem sie einer Vergewaltigung durch ihren privaten Kunstlehrer zum Opfer gefallen ist, versucht sie sich durch ihre Kunst von den furchtbaren seelischen Folgen dieser Tat zu befreien. Niemand, auch Antoine nicht, dem die Studentin schon lange in seinen Vorlesungen aufgefallen ist, ahnt, was geschehen ist und unter welchen Ängsten Camille leidet.

E stellt sich heraus, dass es letztlich Camilles Schicksal war, das er nicht verhindern konnte, dass Antoine letztlich aus der Bahn geworfen hat und ihn nach Paris gehen ließ.

Neben dem ernsten Thema des Buches baut Foenkinos aber auch immer wieder humorvolle Szenen ein und meldet sich oft in ironisch-hintergründigen Fußnoten zu Wort. Leicht und elegant geschrieben gelingt es David Foenkinos auch in diesem Buch wieder, eine Liebesgeschichte voller Schönheit und Tiefe zu erzählen, die den Leser von Beginn an in ihren Bann zieht und ihn mit ihrem Ende seltsam beglückt zurücklässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Das Supermolekül
Koch, Timm

Das Supermolekül


ausgezeichnet

Timm Koch, Das Supermolekül. Wie wir mit Wasserstoff die Zukunft erobern, Westend Verlag 2019, ISBN 978-3-86489-240-0

Immer wieder hört man als Laie in der Debatte um Energiewende, Klimawandel und CO 2 Problem davon, dass der Antriebsstoff der Zukunft nicht der von seiner Energiebilanz sehr ungünstige Elektromotor sein wird, sondern Wasserstoff, ein absolut klimaneutraler Energieträger.
Ich wusste nicht, dass schon heute Ariane-Raketen mit diesem Antriebsstoff ins All geschossen werden, und hatte auch keine Ahnung davon, dass Wasserstoff mehrfach günstigere Eigenschaften als Speichermedium besitzt als andere Energieträger, auch alternative.

Für solche interessierten Zeitgenossen wie mich hat Timm Koch das vorliegende Buch geschrieben. Er führt nicht nur in den neuesten Stand der Technik ein und analysiert verständlich die Wasserstofftechnologie, sondern räsoniert auch darüber, wieso die enormen und zukunftsfähigen Potentiale des Wasserstoffs quasi totgeschwiegen werden. Stattdessen werden neue riesige Gaspipelines gelegt, durch Fracking in den USA gewonnenes Flüssiggas über den Atlantik geschafft und dafür neue Häfen an der Nordseeküste gebaut und selbst von Umweltschützern und Grünen die E-Mobilität hochgejubelt, als gäbe es keine noch besseren Alternativen.

In die Wasserstofftechnologie hingegen wird kaum investiert. Sie ist Timm Koch seit Jahren ein Herzensanliegen und auch mit diesem Buch versucht er eine Bresche zu schlagen in die Phalanx der herkömmlichen Energieträger. Ich verstehe nun mehr davon und kann nachvollziehen, warum immer mehr Wissenschaftler und auch der eine oder andere Politiker vom Wasserstoff als dem Zukunftsretter spricht.

Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie und die Chancen für ihren Durchbruch werden in den nächsten Jahren immer besser werden. Davon bin ich überzeugt, nachdem es sich gezeigt hat, dass das Klimathema jedenfalls bei uns die Europawahl nicht unwesentlich beeinflusst hat. Das Thema wird das Thema der nächsten Jahre bleiben.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Zärtlichkeit
Guanzini, Isabella

Zärtlichkeit


ausgezeichnet

Isabella Guanzini, Zärtlichkeit. Eine Philosophie der sanften Macht, C. H. Beck 2019, ISBN 978-3-406-73122-8

Mitten in einer Welt, die den Menschen immer mehr abverlangt, wenn sie in dem Kreislauf des Erfolgs und des Wettlaufs um die Siegerkrone des Ersten mithalten wollen, hat die Haltung, die die italienische Philosophin und Fundamentaltheologin Isabella Guanzini hier in ihrem von Grit Fröhlich und Ruth Karzel ins Deutsche übersetzten Essay, beschreibt, keine gute Konjunktur. Wer sich anschickt, über Zärtlichkeit als einer Lebenshaltung sich selbst und anderen, ja auch der Welt gegenüber zu sprechen und ihr nachzuspüren auf dem Weg, eine „sanfte Macht“ wieder zu entdecken, muss aufpassen, nicht als kitschig oder sentimental herüberzukommen.

Isabella Guanzini versucht dies, weil sie feststellt: „Zärtlichkeit ist zu einem Nahrungsergänzungsmittel des Privatlebens geworden".

Die Gesellschaft verlangt den Einzelnen immer mehr ab. Die Menschen werden innerlich hart, sie sind erschöpft und überreizt. Jene sanfte Macht der Zärtlichkeit, die ihnen helfen könnte, wirklich menschlich zu bleiben, kommt unter die Räder.

Doch mit wachsender Versteinerung wächst gerade auch in jungen Menschen immer mehr die Sehnsucht, dieser harten Welt etwas anderes entgegenzusetzen. Isabella wirbt für diese Haltung der Zärtlichkeit gegenüber dem eigenen und fremden Leben, um menschlich zu bleiben oder es wieder zu werden.
Zärtlichkeit als eine geistige Haltung, mit der wir sanft - und nicht durch Härte - das eigentliche Potenzial des menschlichen Lebens freisetzen und uns zugleich aus der zermürbenden mentalen Erschöpfung unserer Zeit befreien können. Vielleicht hat sie als Theologin auch im Kopf, dass Mystiker immer schon glaubten, die Beziehung zwischen Gott und den Menschen sei eben durch diese Haltung geprägt.

Sie ermutigt ihre Leser und Leserinnen, indem sie M. Gualtieri zitiert:
„Du aber glaube nicht denen,
die den Menschen zeichnen als lahmendes Tier
und diese Welt als Kugel am Abgrund.
Glaube nicht denen, die alles tiefschwarz und
Blutig malen. Das tun sie, weil es einfach ist.
Wir sind nur verwirrt, glaube mir.
Doch wir fühlen. Noch fühlen wir.
Noch können wir lieben. Noch fühlen wir Mitleid.
Es ist ein Glanz in allen Dingen. Ich habe ihn gesehen.
Nun sehe ich ihn klarer noch.
Ein Glanz. Hab keine Angst.“

Ein Mut machendes, Hoffnung ausstrahlendes Buch, das das Leben liebt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Monster
Sarid, Yishai

Monster


ausgezeichnet

Yishai Sarid, Monster, Kein & Aber 2019, ISBN 978-3-0369-5796-8

Der Ich-Erzähler des neuen bei Kein & Aber erschienenen und von Ruth Achlama aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzten Romans von Yishai Sarid schreibt einen langen Brief an seinen Chef, den Leiter der Gedächtnisstätte Yad Vaschem in Israel.

Er versucht darin zu erklären, wie es dazu kam, dass er als anerkannter Führer, der Besucher, die hauptsächlich aus Israel kommen, durch die nationalsozialistischen Vernichtungslager in Polen führt, irgendwann am Ende der ganzen Handlung im Lager Treblinka einen deutschen Dokumentarfilmer mit einem Faustschlag niederstreckt.

Yishai Sarid hat in seiner Hauptfigur einen Menschen beschrieben, der vielleicht überzeichnet, aber nicht weniger realistisch zeigt, wie Grausamkeiten Menschen auch dann in ihren Bann ziehen, wenn sie längst vergangen sind und der Erinnerung angehören.

„Monster“, damit sind die Monster der Vergangenheit gemeint, die bis in die aktuelle Gegenwart hineinreichen und ihr Werk treiben, hat er sein Buch genannt. So beschreibt er seinem kleinen Kind, das ihn fragt, warum er immer solange in Polen unterwegs ist, was er dort tut: gegen die Monster kämpfen.

Der Erzähler, der in seiner Dissertation die Techniken der unterschiedlichen Konzentrations-und Vernichtungslager beschrieben hat und zum Fachmann in diesen Fragen geworden ist, beschreibt nicht nur die spezielle israelische Erinnerungskultur kritisch, in der Schulklassen aus dem ganzen Land nach Polen reisen und dort auf eine fast einstudierte Weise trauern. Er rührt aber auch an ein Tabu, indem er beschreibt, wie die jungen Leute seltsam fasziniert sind von der Systematik der deutschen Lager und ihren Hass eher auf die Polen richten als auf die Deutschen. An mehreren Stellen berichtet er davon, wie die jungen Israels unter sich raunen, dass sie gerne genauso mit den Arabern zu Hause umgehen würden.

Sarid formuliert mutig Fragen, die in Israel nur hinter vorgehaltener Hand gestellt werden: was ist die Verbindung zwischen den vernichteten Juden damals und den Israelis heute? Wo verläuft die Grenze zwischen einer aufrichtigen Erinnerungskultur, die er nicht in Frage stellt und der Vereinnahmung des Gedenkens für die eigenen persönlichen bzw. politischen Zwecke, die er sehr wohl kritisiert?

Sarids Buch handelt von Moral und von Opferrollen. In seiner Direktheit und Offenheit zielt er auch beim deutschsprachigen Leser mitten ins Herz und hat sicher in Israel selbst für etliche Debatten gesorgt.

Es ist ein ehrlicher, starker Roman, der unter die Haut geht und mich jedenfalls sehr nachdenklich gemacht hat.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Lufthansa City Guide - New York
Waldenfels, Marianne von

Lufthansa City Guide - New York


ausgezeichnet

Marianne von Weidenfels, Lufthansa City Guide. New York, Callwey 2019, ISBN 978-3-7667-2392-5

Ein handlicher Reiseführer liegt hier in der Lufthansa-Reihe des Callwey Verlags vor, der sowohl für Menschen interessant ist, die schon öfter in New York waren, und Vieles schon kennen, als auch für solche, die in der nächsten Zeit planen zum ersten Mal die Stadt zu besuchen, die nie schläft.

Wie andere Stadtführer auch finden sich hier die klassischen Sehenswürdigkeiten, das Metropolitan Museum of Modern Art (MoMA), den Central Park, die »High Line« oder das »9/11 Memorial«.

Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was New York so besonders macht. In erster Linie geht es in diesem Buch um Orte, die man ohne die Hilfe von Insidern nicht findet. Und diese Insider kennen sich aus, denn sie sind Teil der Seele der Kultur von New York.
Beispielsweise Star-Fashionista Olivia Palermo, Designerin Tory Burch oder PR-Chefin Vanessa von Bismarck führen Sie an Orte, die Sie in keinen anderen Führer erwähnt finden. Mit ihnen unternehmen Sie verschiedene Touren durch die hippsten Viertel von New York.

Insgesamt neun außergewöhnliche Per¬sönlichkeiten beschreiben ihre Lieblingsplätze, die New York für sie so einmalig machen: angesagte Galerien, intime Nachbarschafts-Bars, ungewöhnliche Bou¬tiquen, Spitzen-¬Restaurants und originelle Hotels. Der Reiseführer ist in Viertel aufgeteilt, denn jedes Viertel hat seinen ganz eigenen Charakter – von der noblen Upper East Side mit ihren prunkvollen Palästen und berühm¬ten Museen, dem trubeligen Shopping¬ Mekka SoHo über das »Village« mit seinen kleinen Restaurants und Coffeeshops.

Absolut zu empfehlen für jeden New York Reisenden. Für manche hier vorgestellten Orte braucht man aber ordentlich Geld, aber das ist in jeder großen Stadt so.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Volcanic 7 Summits, Deutsche Ausgabe
Rohnfelder, Adrian

Volcanic 7 Summits, Deutsche Ausgabe


ausgezeichnet

Adrian Rohnfelder, Volcanic Summits, te Neues 2019, ISBN 978-3-96171-173-4

Adrian Rohnfelder ist ein leidenschaftlicher Reise- und Abenteuerfotograf, der schon viel gesehen und erlebt hat, und dabei fantastischen Fotos machte. Lange Zeit war sein „Traum von Unerforschten“, wie es im Untertitel dieses faszinierenden Buches von ihm heißt, als einer der ersten Menschen überhaupt die jeweils höchsten Vulkane der sieben Kontinente zu besteigen. Seit er 2008 in Indonesien nei einem Vulkanausbrich dabei war, hat ihn die Begeisterung für die glühenden Giganten auf der Welt nicht mehr losgelassen.

Dabei ist im Unterschied zu anderen Bergsteigern sein Hauptziel nicht die Besteigung des Vulkans selbst, sondern sein Fokus liegt immer auf den Bildern, die auf diesem Weg entstehen
Und so fährt er mit dem Fahrrad hoch über den dampfenden Regenwäldern im Kilimandscharo-Massiv; durch die brodelnde Hitze der Atacama-Wüste in Chile auf den Gipfel des Ojos del Salado; im Niemandsland der Antarktis auf den spektakulär vergletscherten Mount Sidley, der so abgelegen ist, dass ihn erst eine Handvoll Menschen überhaupt je zu Gesicht bekam.

Und so sind auf diesen sieben Reisen zu den höchsten Vulkanen der Kontinente spektakuläre Fotografien entstanden, die zusammen mit den spannenden und unterhaltsamen Reiseerzählungen den Leser sofort in den Bann ziehen.

Ein wunderbares Buch.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Ja heißt ja und ...
Emcke, Carolin

Ja heißt ja und ...


ausgezeichnet

Carolin Emcke, Ja heißt ja und …Ein Monolog , S. Fischer 2019, ISBN 978-3-10-397462-1

Wie können Menschen, Frauen und Männer, Heterosexuelle und Homosexuelle, in der heutigen Zeit, nach der von der MeToo-Bewegung angestoßenen und längst nicht abgeschlossenen Debatte über Sexualität und Lust und in diesem Zusammenhang über Macht und Gleichheit reden und nachdenken? Wie beeinflussen die tausendfachen Missbräuche die Einstellung vor allem junger Menschen zur Sexualität und zum Respekt vor der Würde desjenigen, mit dem sie eine Beziehung eingehen (wollen)?

Denn alles kritische und selbstkritische Nachdenken lässt doch die Fragen nicht verschwinden. Und Carolin Emcke stellt in einem selbstkritischen und nachdenklichen Monolog sich und anderen diese Fragen: „Welche Bilder und Begriffe prägen unsere Vorstellungen von Lust und Unlust? Wie lässt sich Gewalt entlarven und verhindern? Wie bilden sich die Strukturen und Normen, in die Männer und Frauen und alle dazwischen passen müssen? Was wird verschwiegen, wer muss ohnmächtig bleiben? Wie lassen sich Lust und Sexualität in ihrer Vielfalt ermöglichen?“

Am Ende, zwischen langem Kreisen zwischen Sexualität und Begehren und der Wahrheit, schreibt sie fast flüsternd und sich auf so etwas wie Hoffnung beziehend:
„Am Anfang ist immer der der Zweifel. Manchmal wünschte ich, ich könnte ihn abstellen. Aber ohne diesen Zweifel würden wir die anderen nicht mehr entdecken und berühren wollen, würden nicht mehr neugierig sein können auf das, was entsteht, wenn wir einander begegnen und begehren.
Ohne Zweifel und das genaue Hinhören,
ohne das Dialogisch
wären wir nicht mehr lernfähig,
nicht mehr lustvoll,
nicht mehr wir selbst.“


Das kleine Buch hat mich sehr nachdenklich gemacht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2019
Risotto, ti amo!

Risotto, ti amo!


ausgezeichnet

Riso Gallo, Risotto, ti amo. 101 Rezepte der besten Köche der Welt, Callwey 2019, ISBN 978-3-7667

Risotto ist ähnlich wie Pasta oder Pizza seit Generationen eine Mahlzeit, wie sie das arme Volk in Italien aß. In den letzten Jahrzehnten, auch durch den Tourismus und durch die vielen italienischen Gaststätten und später dann Restaurants und Trattorien, die überall in Deutschland seit Ende der fünfziger Jahre eröffnet wurden, haben diese Gerichte eine grandiose Erfolgsgeschichte geschrieben. Gerade das Risotto mit seiner sehr einfachen Grundherstellung ist nicht nur bei Kindern beliebt überall auf der Welt.

Nicht nur in feinen italienischen Restaurants, sondern auch bei den großen Köchen dieser Welt, steht Risotto in den unterschiedlichsten Variationen auf der Speisekarte. Mit wenigen Zutaten lassen sich fantastische Rezepte kochen, egal ob man für zwei oder eine ganze Mannschaft kocht.

Paul Riso hat für diesen Band mit fantastischen Fotografien Spitzenköche aus aller Welt zu einem Wettstreit eingeladen. Herausgekommen sind 101 wunderbare, größtenteils leicht nachzukochende Rezepte, voller Vielfalt um eine einfache Grundzutat herum.

Auch die Zutaten der meisten Rezepte lassen sich ohne großen Aufwand organisieren, wenn man von einigen exotischen Variationen einmal absieht.

Natürlich sind die großen Köche Italiens vertreten, genauso wie Heinz Winkler und Cornelia Poletto für Deutschland sowie das weltberühmte Le Cirque in New York. Ein Kochbuch, das in keinem Regal fehlen sollte.