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Benutzername: 
Kata_____Lović
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 177 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2022
Revolutions: Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten
Ross, Hannah

Revolutions: Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten


ausgezeichnet

Revolutions. Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten ist ein Pedaltritt durch die Geschichte der Emanzipation. Fahrradfahren war ganz und gar nicht selbstverständlich für Frauen.

Im späten 19.Jahrhundert nahm das Fahrrad Einzug in Europa und es schickte sich nicht, als Lady aufzusteigen. Und doch oder gerade deshalb gab es sie, die revolutionären Pionierinnen. Später wurde die Bewegung breiter und das Fahrrad erreichte fast Alle. Für Großbritannien gilt laut Autorin immer noch, dass das Rad mehrheitlich männlich besetzt ist und ja, so war auch meine Wahrnehmung dort. Für Deutschland - besonders Bremen - ist meine Beobachtung, dass für die simple Fortbewegung mehrheitlich Frauen zum Fahrrad greifen. Anders sieht es jedoch beim Radsport in der Breite und im Profibereich aus. Ja, und der Rennrad-Fetisch der Fahrrad-Freddie's, so taufte ich sie mal, nein es war meine Freundin Alisa, ist ein mehrheitlich männliches Phänomen.

Revolutions wäre zu dick geworden, aber wie passend wären Illustrationen und Bilder gewesen. Ist das Fahrrad nicht eins der fotogensten Objekte überhaupt?

Revolutions ist ein Buch zum Blättern, stöbern, sich gut fühlen, es informiert und es ist ein politisches Buch. In den weltbewegten und betrübenden Zeiten, tut es gut, von einer positiven Entwicklung zu lesen, nein zuende ist sie noch nicht.

Ich lege euch Revolutions ans wilde freie Fahrrad-Herz.

Bewertung vom 26.03.2022
heute graben
Schlembach, Mario

heute graben


ausgezeichnet

Heute Graben hat eine große Buchliebe in mir entfacht. Es ist bis jetzt der beste Roman, den ich in diesem Jahr gelesen habe.

Es trifft einen Ton, der mich lächeln lässt, nicht auf eine hohle Art. Sprachlich verströmt Heute Graben eine leichtfüßige Melancholie. Es handelt von dem nicht Ankommen, der Unruhe und der Poesie, die dem Leben innewohnt.

Ein Totengräber sucht die Liebe. Er verliert sich in der Sehnsucht nach seiner ersten Liebe, läuft ihr hinterher und spinnt sie immer weiter.
Der Totengräber erzählt, monologisiert. Er beobachtet und kommentiert sich, versucht sich schreibend zu erretten. Er traut sich nicht über den Weg, verliebt sich in die Verliebtheit, kommt nicht darüber hinaus. Der Totengräber vergisst, verklärt, wandert rastlos weiter, bleibt einsam, beziehungslos und voll von Träumen, Illusionen und Poesie.
Der Totengräber vergräbt sich immer weiter in sich selbst. Abgesehen von sexuellen Begegnungen, mal romantisch verklärt, mal tragisch nüchtern, geht er keine Beziehungen zu anderen Menschen ein, auch nicht zu den Toten und Trauernden.

Bald wird er das Unternehmen seines Vaters beerben, er versucht sich an einem Buch und dreht sich schwindelerregend um sich selbst. Es befällt ihn die gleiche Lungenkrankheit, die Thomas Bernhardt heimsuchte, Morbus Boeck, Sarkoidose; ein Zeichen und die Möglichkeit große Literatur zu erschaffen, verdenkt sich der Totengräber. Die Krankheit selbst versucht er zu ignorieren, doch sie nimmt ihn immer mehr ein und verschlingt ihn fast.

Der Totengräber ist in seiner heiteren Tragik eine Figur, die man liebhaben muss. Die Poesie und seine Idee der Liebe lässt ihn den Wirklichkeiten entfliehen und trotz des Kampfes gegen Krankheit und Medikamente lebendig sein. Graben wir etwas tiefer, nur eine kleine Schicht, kommen wir an existenzielle Themen der Beziehungen des Menschen zu sich selbst und zu Anderen, der Einsamkeit, der Sprache, der Literatur, des Sinns.

Dies ist ein Buch für alle, die sich schon einmal selbst das Herz gebrochen haben, für verhinderte Poetinnen und Dichter.

Bewertung vom 26.03.2022
Singe ich, tanzen die Berge
Solà, Irene

Singe ich, tanzen die Berge


sehr gut

Singe ich, tanzen die Berge ist eine vielstimmige, bunte, laute und fruchtbare Wucht. Der Text pustet Farben und Musik. Gewitter bricht das Paradies, das Paradies bricht die Berge, Pilze werfen Sporen, Bären wüten, Menschen lieben, leiden, zornen. Hier ist Poesie in der Luft.

Die Geschichten bewegen sich zwischen Phantasie und Wirklichkeit, Märchenhaft, Sagenhaft. Die Sprache ist rasend schnell, fast atemlos, erschöpfend.

Mittelpunkt der Geschichten ist eine Familie in einem katalanische Dorf in den Pyrenäen, dachte ich zuerst, bis ich verstand, die Menschen und Geschichten sind Nebenfiguren, es geht um niemanden direkt, sondern um die Natur, den Ort, wie er gleich bleibt über die Zeiten hinweg und sich bewegt, verändert.

Singe ich, tanzen die Berge choreographiert unterschiedliche Perspektiven und Zeiten. Die Gezeiten, die Pilze, die Bären, der Wald, die Berge, die Menschen und vieles Anderes kommt zu Wort.
Ein Chor, las ich irgendwo. Nein, als Chor habe ich die vielen Stimmen nicht empfunden.
Es ist eher eine moderne experimentelle Komposition, mit lärmigen, knalligen Stimmen, leisem murmelndem Flüstern, Grummeln, knallen, alles zusammen angefüllt, poetisch, auf eine blumige, üppige, manchmal schieftönige Weise.

Unheimlich, der @trabantenverlag scheint alles richtig zu machen, das Buchdesign, die Wahl des Textes, die charismatische Autorin, die Schnittstelle zwischen Poesie und Gegenwartsliteratur.

Insbesondere Menschen, die Märchen und Sagen lieben, die Poesie, die üppige, blumige Poesie und die Experimenten in der Literatur offen gegenüber stehen, sei dieser Schatz ans Herz gelegt.

Bewertung vom 26.03.2022
Aus einer Zeit
Zech, Maximilian

Aus einer Zeit


ausgezeichnet

»Verloren gehen, das ist etwas Lautes, Theatralisches, das vor aller Augen passiert. Abhandenkommen aber bedeutet: lautlos, unbemerkt verschwinden, ohne dass es irgendjemanden kümmert. «

Aus einer Zeit ist ein ruhiger melancholischer Roman über das Unbehagen und die Einsamkeit.

Mathias Bode ist in der Mitte seines Lebens, in der Mitte Deutschlands, in der Mitte und doch allein. Mathias, Oberarzt und heimlicher Lyriker, nimmt eine beobachtende Position zum Leben ein. Er wähnt sich immer im außen. Einzig einigen Patient:innen fühlt er sich nahe. Auf einer onkologischen Station arbeitet er, der ideale Ort, existenziellen Fragen nachzuhängen.

Matthias findet den Impuls aufzubrechen, er möchte abhanden kommen. Mit seinem alten Auto steuert er gen Süden und landet in Bayern, der Heimat seines Großvaters, trifft seine große Liebe wieder und findet zu seinen Gefühlen. Leise und fast unbemerkt baut sich Intensität auf und die Figur beginnt eine starke Bindung zur Leser:in auszulösen. Nein, es löst sich nicht in Wohlgefallen auf, soviel sei verraten. Dennoch müssen wir uns Mathias als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Bewertung vom 16.03.2022
Milch Blut Hitze
Moniz, Dantiel W.

Milch Blut Hitze


sehr gut

Lese ich normalerweise Kurzgeschichten nach und nach, habe ich Milch Blut Hitze an einem Tag durchgelesen. Die elf Kurzgeschichten vereinen mehrheitlich junge Frauen in ärmeren Gesellschaftsschichten des Sunshine States Florida. Sie erzählen von Suizid, Fehlgeburten, Krankheit, Missbrauch, Sexualität, Rassismus, Haft, Kriminalität, Drogen, Kirche und immer wieder Geschlechterbeziehungen. Sie sind wütend, trauern, lieben, erkalten. Der Sound der ärmeren Schichten von Florida verdichtet sich mit jeder Geschichte mehr.

Die Abfolge der Geschichten ist gut gewählt. Milch Blut Hitze startet laut, dröhnend, betäubend mit der ersten Geschichte Monster, dann kommen leiser Töne mit Festmahl, Zungen endet mit einem Knall. Auch die anderen Geschichten wechseln die Lautstärke, die Emotionen.

Nach dem Beenden ist das Bild rund, als wenn wir da wären, mittendrin, im Fastfoodrestaurant, auf einem Parkplatz, in der Kirche, der Schule, auf dem Häuserdach oder im Auto der Figuren.

Bewertung vom 05.03.2022
Freudenberg
Elze, Carl-Christian

Freudenberg


ausgezeichnet

Der 17jährige Freudenberg ist ein Einzelgänger, er ist voll von Gedanken und Poesie. Mit der Welt möchte er nicht reden, die Zunge am liebsten loswerden. Denn "ohne Zunge keine Sprache und ohne Sprache keine falschen Sätze und ohne falsche Sätze keine falschen Gedanken und Gefühle". Freudenberg hat den tiefen Wunsch, ein Anderer zu sein. Er hat einen Zwilling im Geiste, den er nicht kennt, der in sein Leben einbricht und ihn nicht mehr verlässt.

Seinen Eltern entrückt, verbringt Freudenberg mit ihnen den Urlaub Międzydroje, an die polnische Ostsee. Er wandert durch die Stadt, beobachtet, genießt es, durch das nicht verstehen der Sprache, kein Teil zu sein, hindurchzugleiten, unbeachtet, vereinzelt.

Er wandert weiter, am Meer entlang, das immer rauher und roher wird. Er beobachtet die fiesen Möwen, die Wellen, die Steilküste, das Treibgut, sinniert über die Farben und trifft auf einen Jungen, seinem Zwilling am Strand. Marek, sein Ebenbild liegt da, leblos, wie ihm scheint. Freudenberg nimmt Mareks Kleidung und Portemonnaie und setzt seinen eigenen Tod in Szene.

Freudenberg flieht in den Wald und es folgt ein Trip, in dem verschwimmt, was im Außen und was im Innen passiert. Maja lockt ihn zu den Blaubeeren, begleitet, liebt ihn, flackert, verschwindet. Alte Damen pflücken, Murmeln. Er zeltet, er läuft und läuft und läuft. Freudenberg fährt Mofa, fährt, fährt, fährt, bis er im Garten der trauernden Eltern ist. Die Realitäten flirren, im Keller, bei den Blaubeeren, bei Maja, im Metallwerk, bei den Eltern, bei Marek, mit Marek, anstelle von Marek, der auch ein anderer sein wollte.

Der Sound von Freudenberg ist poetisch, dabei präsent, präzise, fast nüchtern, sezierend. Einige Passagen lesen sich wie ein Gedicht und doch ist der Plot stringent, fesselnd, einfach gut.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.03.2022
Meter pro Sekunde
Pilgaard, Stine

Meter pro Sekunde


sehr gut

Im Land der kurzen Sätze landet die Erzählerin, die kommunizieren muss, das Reden und die Sprache liebt.
Noch in Elternzeit zieht sie mit ihrem Mann nach Westjütland, ins Nirgendwo. Er ist umschwärmter Lehrer, sie "Anhang", ein Anhang der sich nicht einfügen mag und sich genau dadurch sehr einfügt in die Dorfgemeinschaft.

Verheiratet ist sie nicht und ja "nur" ein Kind, das noch keinen Namen hat, einen Führerschein hat sie auch nicht, aber einen Fahrlehrerverschleiß und sie redet, redet, redet. Von einem Fettnäpfchen ins nächste quatscht sie sich in die Herzen der reservierten wortkargen Dorfbevölkerung, die lächelnd den Kopf schütteln. Auch wir haben sie gerne um uns, wie eine nette Freundin, die uns unterhält, über das Leben schmunzeln lässt und uns hilft, die Dinge leicht zu sehen. Und Menschen mit Kummer weiß sie aufzuheitern, auf ihre Art. In der Lokalzeitung macht sie den Kummerkasten, deutet die großen und kleinen Verzweiflungen charmant um, so dass sich die Leute besser fühlen.

Meter pro Sekunde ist ein Feel-Good Buch. Wie warme Sonnenstrahlen nimmt es Sorgen, die Schwere und das Leben selbst an, wie es ist. Es ist liebevoll, leise melancholisch und lächelnd.

Bewertung vom 01.03.2022
Die Eistaucher
Bryla, Kaska

Die Eistaucher


sehr gut

"Nach einem solchen Jahr verbringt man den Rest des Lebens damit, zu grübeln und zu versuchen, an dem, was geschehen ist, zu rütteln und die losen Enden zusammenzufügen."

Die Eistaucher von @kaska_bryla ist eisig und hitzig. Es ist eine Coming of Age Geschichte und ein Kriminalroman mit einigen fantastischen Elementen. Es ist es ein politisches Buch, das Queersein, Frau sein, psychische Erkrankungen in den Plot einwebt und dabei mit Zurückhaltung klare Position bezieht. Eistaucher dreht sich um Fragen der Gerechtigkeit, der Radikalisierung und der Selbstjustiz.

Zunächst Schlitten wir auf einer dicken undurchdringlichen Eisschicht. Die Erzählstimme der Gegenwart berichtet von einem Campingplatz im Nirgendwo, auf dem nichts los ist. Wäre da nicht Martin. Wir verstehen weder, wer Martin ist und was er will, noch, wer die Erzählstimme ist. Was wir wissen, es muss mit diesem einen prägenden Jahr aus der Jugendzeit zu tun haben.

Wir tauchen in dieses Jahr ein. Eines ist klar, es läuft auf ein Unheil hinaus. Es geht ums dazugehören, die Liebe, das Begehren, die Freundschaft und den Verlust. Die stilsichere Jess ist haltlos verliebt in ihre Ferienliebe, aber auch fasziniert von Iga. Iga ist der Kosmos, um den sich alles dreht. Sie hat nur Augen für ihre Französischlehrerin, ihr Band zu Saša kommt beiläufig vor. Ras ist in seiner eigenen Welt, hört und sieht Sachen, ein Poet ist er. Robert schwärmt für Lyrik und Jess, während sein bester Freund, der schöne Sebastian ihm ganz verfallen ist.

Sowie die Gegenwart, als auch die Vergangenheit werfen uns Fäden hin, die wir aufnehmen, rätseln, die uns in eine Sackgasse führen und doch immer tiefer in die Geschichte. Wir ahnen erst, dann kommt ein Detail, dann noch eins, dann noch eins. Die äußere Geschichte schließt sich, als sie erfahren, dass eine Frau vergewaltigt wurde, ungesühnt, die Gruppe sucht nach Vergeltung.
Zwischen uns und dem Innenleben der Figuren bleibt jedoch eine dünne Eisschicht, durch die wir sehen können, die auch an einigen Stellen knackt, uns aber auf Distanz hält. Es ist nicht so simpel, wie es erscheint.

Bewertung vom 16.02.2022
Inmitten der Nacht
Alam, Rumaan

Inmitten der Nacht


gut

Die Weißen New Yorker:innen Amanda und Clay mieten ein luxoriöses AirBnB auf Long Island. Sehr kontrolliert lassen sie los von ihrem Alltag, kaufen im Supermarkt ausnahmsweise die teuren Cracker, haben ein klein wenig verruchteren Sex, verbringen Zeit mit den Kindern.

Die sich zusammenbrauende unruhige Stille und aufkommende Dunkelheit ignorieren sie, sie machen das Licht an, fühlen sich sicher.

Inmitten der Nacht klingelt es, ein Auto haben sie nicht anfahren hören, es stürmt. Sie zögern, öffnen dann doch die Tür. Ein Schwarzes älteres Paar, Ruth und George stellen sich als die Besitzer vor. In New York sei der Strom ausgefallen und nun seien sie froh, dass sie es bis zum Ferienhaus geschafft hätten. Sie werden eingelassen und ein unscharfes Kammerspiel beginnt. Geld und Erfolg ist die Matrix von George und Ruth, während Amanda und Clay alles richtig machen möchten, ihren rassistischen Vorurteilen aber erliegen.

Ein dumpfer Knall erschüttert die Welt. Bruchstückhaft dringt durch, dass New York und alles entgültig aus den Fugen ist, oder nicht?

Mit den Familien beobachten wir, wie das Unheil diffus Einzug nimmt. Es entblättert sich eine mysteriöse Dystopie, verwirrend, voller Bedrohung und Andeutungen an eine Apokalypse. Die Rehe versammeln sich, schauen stumm, Flamingos okkupieren den Pool, der Vater verschwindet kurz, begegnet einer indigenen Frau, die Tochter ist vom Erdboden verschluckt, der Sohn erkrankt.

Inmitten der Nacht gehört zu den Romanen, in die sich alles und nichts hinein interpretieren lässt, zu offen und wage für meinen wahrscheinlich europäischen Geschmack.

2017 ist es geschrieben worden, vor der Pandemie und hat den Autor in die erste Riege der amerikanischen Gegenwartsliteratur katapultiert. Der große Erfolg erklärt sich auch durch die neue Lesart im Zusammenhang mit Corona. Netflix hat sich die Filmrechte gesichert und beabsichtigt es mit großem Budget zu verfilmen.

Bewertung vom 13.02.2022
Das Leben keiner Frau
Rosales, Caroline

Das Leben keiner Frau


sehr gut

Das Leben Keiner Frau dreht sich um Mel, die es uns schwer macht, Sympathie oder auch nur Mitgefühl zu entwickeln. Wir sind gefangen in ihrer verzweifelten, wütenden und zutiefst pessimistischen Sicht auf ihr Alter, die Männer und Frauen um sie herum. Wir können gar nicht anders, als uns zu ärgern, ihr zu widersprechen und nach anderen Sichtweisen zu suchen. Dabei müssen wir zugeben, dass wir Teile ihrer Sicht und ihrer Ängste auch selbst in uns tragen. Wie schön es wäre, sie einfach abzustreifen.



Mel ist stellvertretende Chefredakteurin im Print, das hat sie sich hart erkämpft. Mel erhungert sich ihre perfekte Figur, sie trinkt, kaum merklich immer mehr. Sie sucht nach Sex und Bestätigung, aber eigentlich möchte sie nur geliebt werden. Ja, so Klischeehaft es klingt, so ist es.

Die Mutter zieht in ein Pflegeheim, wertet Mel ab. Die Tochter, die Mel allein aufzog, ist verheiratet und hat ein Kind, fürchterlich konservativ und bieder empfindet Mel sie.

Mel's Ex bekommt mit seiner neuen jungen Frau ein Kind, das Kind, das er mit Mel nie wollte. Mel ist wütend, bitter, zu sich selbst und allem um sich herum.



Als der Chefredakteur einer Anfang 20jährigen aus dem Nichts eine Kolumne gibt und Mel degradiert, spritzt sie vor Gift. "Das Mädchen" ist ehrgeizig und selbstbewusst, sucht Mel's Nähe. Mel ist sauer, missgünstig, auf eine vordergründig höfliche Art, da kann sich die junge Frau noch so anstrengen.



Der Text ist zugespitzt, die Klischees zahlreich, die Botschaft trotz eines kleinen Ausblicks zutiefst pessimistisch. Ich schwankte zwischen großem Vergnügen an einigen Szenen, Wut auf die Figur, die Autorin, die gefälligst positive weniger Klischee- beladene Figuren entwickeln soll und dem Gedanken, wenn du es doch nur ein wenig anders sehen würdest Mel, dann könntest du zufriedener sein. Du könntest schätzen was du hast, andere lieben, unterstützen, solidarisch sein, nett, mild zu dir und den Anderen sein, dann würdest du weniger bitter, einsam sein und weniger Galle spucken. Ja, dann könnten Frauen solidarischer miteinander sein und gemeinsam mehr erreichen.