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Fornika
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Bewertungen

Insgesamt 378 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2019
Verratenes Land
Iles, Greg

Verratenes Land


ausgezeichnet

Nur widerwillig ist Marshall vor einigen Monaten wieder nach Hause, zurück an den Mississippi gezogen. Sein Vater ist schwer erkrankt, die Leitung der Zeitung in Gefahr. Statt also in Washington vom Puls der Zeit zu berichten, steckt er mit Mitte 40 dort fest wo er nie hinwollte. Doch als sein Ziehvater Buck kurz vorm Spatenstich einer für die Stadt so wichtigen Papierfabrik tot aufgefunden wird, da weiß Marshall gleich, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann.

Greg Iles hat mich schon mit seiner Penn Cage Trilogie begeistert, umso besser, dass auch sein neuer Roman mit ähnlicher Thematik punkten kann. Das bedeutet aber mitnichten, dass der Autor alte Stories wieder aufwärmt, sondern er schafft etwas Neues. Bienville krankt an vielen Dingen: verstecktem, aber auch offenem Rassismus. Der Tatsache, dass man wirtschaftlich irgendwie den Anschluss verpasst hat. Und natürlich am Pokerclub, dem elitären Zirkel der Stadt, der aus denen besteht, die halt etwas gleicher als die anderen Gleichen sind. Diese explosive Mischung sorgt auf den fast 900 Seiten für reichlich Zündstoff, langweilig wird es nie, dafür oft beklemmend, brenzlig und sehr spannend. Ich mochte Marshall gerne, auch wenn er mir an mancher Stelle doch etwas zu naiv durchs Leben gegangen ist; oder vielleicht macht Liebe auch einfach nur blind. Die anderen Figuren sind unterm Strich ebenfalls gut gelungen, gerade die Mitglieder des Pokerclubs sind der Inbegriff des Bösen; ab und an vielleicht etwas zu dick aufgetragen, was aber ebenfalls zu verschmerzen war. Das Mit- und Gegeneinander funktioniert trotzdem als Story super, Iles erzählt mit seinem wunderbaren Stil als wäre er direkt dabei gewesen. Auch seine detaillierten und sehr bildlichen Beschreibungen der Landschaften und v.a. des großen Mississippis waren für mich ein Highlight des Buches. Ein wirklich toller Südstaatenroman, der viele heiße Themen anfasst, dabei aber immer noch eine spannende Story erzählt.

Bewertung vom 04.09.2019
Teufelskrone / Waringham Saga Bd.6
Gablé, Rebecca

Teufelskrone / Waringham Saga Bd.6


ausgezeichnet

„Wenn du einem König deine Freundschaft schenkst, läufst du immer Gefahr, an seinen Taten zu verzweifeln.“
Yvain kann daheim auf kein Erbe hoffen, ist doch sein älterer Bruder Guillaume als zukünftiger Earl of Waringham vorgesehen. Über Umwege gelangt er in den Dienst von John Ohneland, der ebenfalls hinter dem Thronanspruch seiner Brüder zurückstehen muss. Der launische und oft unnötig grausame John verlangt Yvain alles ab, besticht aber gleichzeitig durch seine Gelehrsamkeit und seine Präsenz. An seiner Seite warten allerhand Abenteuer auf Yvain.

„Teufelskrone“ ist bereits der sechste Band mit den Waringhams, trotzdem ist er nicht nur etwas für eingefleischte Fans. Da die Handlung chronologisch weit vor den anderen Bänden angesiedelt ist, ist überhaupt kein Vorwissen nötig, um so richtig in das Waringhamuniversum eintauchen zu können. Doch auch Fans kommen natürlich auf ihre Kosten, denn vieles, was in späteren Bänden eine Rolle spielt, findet hier seinen Ursprung. Es macht Spaß die kleinen Details zu entdecken, vom Rest der Handlung mal ganz abgesehen ; ) Yvain ist durchaus ein würdiger Vertreter seiner Familie: jung, nicht auf den Mund gefallen, mit großem Pferdeverstand und noch größerem Gerechtigkeitssinn. Im Gegenüber steht John Ohneland, an dem in den meisten Geschichtsbüchern kein gutes Haar gelassen wird. Oft auch zu Recht, wie man im Laufe des über 900 Seiten starken Romans lesen kann; trotzdem schafft es die Autorin auch seine starken Seiten hervorzuheben. Rebecca Gablé vermischt wie so oft Fakten und Fiktion sehr gekonnt, zu lernen gibt es viel, unterhaltsame Lesestunden noch viel mehr. Spannende Dialoge, harte Fakten und ein kleiner Hauch Mystik sorgen für Abwechslung und haben mich wie bei jedem Buch aus der Autorinnenfeder an die Seiten gefesselt. Mein Vorwissen über diese Zeit war natürlich geprägt von Robin Hood, vielen anderen Legenden und Halbwahrheiten, und natürlich dem im Geschichtsunterricht eingebläuten Wissen über die Magna Charta. Gablé hat alles ins rechte Licht gerückt und einen wunderbaren historischen Roman abgeliefert. Für mich eines meiner Lesehighlights 2019.

Bewertung vom 14.08.2019
Tagebuch eines Buchhändlers
Bythell, Shaun

Tagebuch eines Buchhändlers


sehr gut

Shaun Bythell ist Inhaber von Schottlands größtem Antiquariat. In seinem Heimatstädtchen Wigtown dreht sich alles ums Buch, hat es sich doch zum Buchdorf gemausert. In willkürlichen Tagebucheinträgen erzählt Bythell von seinem Alltag.
Bythells Art ist sicherlich gewöhnungsbedürftig. Mit oftmals spitzer Feder erzählt er von seinen Angestellten und seinen Kunden. Die Netten lässt er in dieser Schilderung oft aus, die besonders Verschrobenen oder eben auch Unfreundlichen karikiert er in seinen täglichen Tagebucheintragungen. Es kann sicherlich jeder, der täglich mit viel Laufkundschaft arbeitet, ein wenig von dem eigenen Alltag in Bythells Schilderungen wiederfinden, auch dessen Unwille Fragen wie „Verkaufen Sie hier Bücher?“ mit dem nötigen Ernst zu beantworten ; ) Doch Bythell erzählt nicht nur von seiner Buchhandlung im Speziellen, sondern streut auch immer wieder allerlei Informatives zum Buchhandelswesen in Großbritannien bei. Gerade die fehlende Buchpreisbindung unterscheidet diesen doch sehr vom hiesigen, die Konkurrenz durch amazon & co sicherlich nicht. Auch über Wigtown und Umgebung erfährt man viel, ob zur Geschichte oder Sehenswürdigkeiten. Ich fand das Tagebuch ganz nett zu lesen; es ist sicherlich nichts, um es in einem Happs wegzulesen, denn natürlich wiederholen sich einige Dinge im Tagesgeschäft oder auch im Leben des Erzählers. Mir hat es mit kleinen Abstrichen trotzdem gut gefallen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.08.2019
Harz
Riel, Ane

Harz


ausgezeichnet

„Ich weiß nicht, ob ich unser Leben als Märchen oder als Horrorgeschichte bezeichnen soll. Vielleicht ein bisschen von beidem?“
Die 7Jährige Liv lebt mit ihrem Bruder und ihren Eltern auf einem verborgenen Hof im Norden einer Insel. Der Vater bringt ihr vieles bei, erklärt ihr viel zu der örtlichen Flora und Fauna, bringt ihr Fischen und Bogenschießen bei. Dafür nutzt er auch gerne Dinge, die andere einfach so entsorgt haben, schließlich kann man im Sinne der Nachhaltigkeit viel upcyclen.
Klingt so erst mal ganz normal. Doch der Leser merkt sehr viel schneller als Liv, dass in ihrem Leben gehörig etwas falsch läuft. So circa auf Seite eins, da wird nämlich erst mal die Großmutter ermordet. Doch die Isolation von anderen Menschen verhindert eben auch, dass Liv lernen kann was richtig und falsch ist. Die Ansichten des Vaters sind dazu eben – naja – speziell. Man sieht als Leser hilflos zu wie der Hof und die Menschen darin im absoluten Chaos und Elend versinken. Die Hoffnung gibt man nie auf, schon alleine deswegen, weil einem Liv so schnell ans Herz gewachsen ist. Bei der Lektüre wird man von Ane Riel nicht geschont, Ekel, Abscheu, Angst, Verzweiflung, viele Emotionen prasseln auf einen ein. Aber auch die wenigen Lichtblicke sind von der Autorin so unglaublich intensiv geschildert wie sie eben auch die negativen Seiten zeigt. Mich hat ihr Stil völlig gefesselt. Harz ist sicherlich kein typischer Thriller, sondern eher ein Psychogramm eines sehr kranken Mannes, und die Auswirkungen auf seine Familie. Mir hat die Geschichte trotzdem sehr gefallen.

Bewertung vom 04.08.2019
Die Leben der Elena Silber
Osang, Alexander

Die Leben der Elena Silber


gut

Von dem kleinen russischen Dorf, in dem sie geboren wurde, ist es ein weiter Weg bis nach Berlin, wo sie mit ihren vier verbliebenen Töchtern schließlich wohnen bleibt. Elena Silbers Leben ist geprägt von Verlusten, Krieg, Missgunst und dem Gefühl nicht reinzupassen. Diesem Leben spürt ihr Enkel Konstantin nach. Auf der Suche nach der verborgenen Wahrheit seiner Familie treibt es ihn quer durch Europa.

Alexander Osang erzählt seinen Familienroman auf mehreren Zeitebenen, trotzdem fällt es einem erstaunlich leicht, immer wieder anzuknüpfen. Elenas Leben ist sehr interessant, ihre Figur eine Herausforderung. Richtig nah kommt man ihr und ihrem Leben trotzdem nicht, bis zuletzt bleiben manche Wahrheiten im Dunkeln. Konstantin fand ich sehr blass, er ist und handelt sehr ziellos, auch wenn er sich jetzt gerade mal in den Kopf gesetzt hat, die Familiengeschichte aufzuarbeiten. Seinen Befragungen der Familienmitglieder, seinen Besuchen an früheren Wohnorten fehlt das echte Herzblut, und so konnte ich ihn einfach nicht ernst nehmen. Ich hatte vielleicht einfach etwas Anderes von diesem Roman erwartet, eine Familie, die vergangenes und aktuelles Geschehen wiederspiegelt; doch obwohl Elena viel erlebt, hatte ich nie das Gefühl Geschichte zum Anfassen zu haben. Dazu trägt natürlich auch der distanzierte Erzählstil bei, der sich zwar gut lesen lässt, aber eben echte Nähe verhindert. Die eine oder andere Länge schleicht sich auch ein, und da man das Ende schon relativ früh erfährt, bleibt die Handlung zwar abwechslungsreich, aber ohne echten Höhepunkt. Ich fand den Roman unterm Strich ganz ok, begeistern konnte er mich leider nicht.

Bewertung vom 04.08.2019
Wir von der anderen Seite
Decker, Anika

Wir von der anderen Seite


ausgezeichnet

Gerade noch steckte Rahel in den Weihnachtsvorbereitungen, da findet sie sich plötzlich im Krankenhaus wieder. Tagelang hat sie im Koma gelegen, ihr Leben steht immer noch auf Messers Schneide. Wirre Fieberträume, medikamenteninduzierte Halluzinationen von freundlich winkenden Eichhörnchen bestimmen ihre kurzen Wachphasen genauso wie die Besuche ihrer Familie.

Ich bin absolut kein Fan der geradezu inflationär auf den Buchmarkt geworfenen Ich-bin-ach-so-krank-Stories, aber Anika Deckers Roman ist einfach anders. Schonungslos ehrlich erzählt Rahel von ihren Ängsten, aber auch ganz pragmatisch von ihren Tagen im Krankenhaus. Man fühlt jederzeit mit, freut sich über den ersten gegessenen Löffel Joghurt, leidet mit beim Warten auf Ergebnisse, schämt sich bei den doch entwürdigenden Details wie Bettpfanne & Co. Die Autorin beschreibt all das sehr detailliert, gleichzeitig aber auf eine sehr flappsige, frische und humorvolle Art und Weise. Aber auch melancholische Töne kommen zum Tragen, je mehr Rahel ihre Situation versteht, desto mehr setzt sie sich auch mit ihrem alten Leben auseinander. Der Leser tut das natürlich auch, und fragt sich immer mehr, auf was es im Leben denn wirklich ankommt. Stoff zum Nachdenken, zum Lachen und Daumen drücken. Ein Roman, der wirklich mal anders ist. Ich mochte ihn sehr.

Bewertung vom 02.08.2019
Jagd auf die Bestie / Detective Robert Hunter Bd.10
Carter, Chris

Jagd auf die Bestie / Detective Robert Hunter Bd.10


ausgezeichnet

Lucien Folter, Serienmörder, Psychopath und pikanterweise ehemaliger Zimmergenosse von Robert Hunter ist wieder auf freiem Fuß. Aus dem Hochsicherheitsgefängnis entflohen, verkriecht er sich jetzt nicht etwa um die wiedergewonnene Freiheit zu genießen. Nein, Lucien muss seine Mordstudien beenden; dafür spielt er nicht nur mit dem Leben seiner Opfer, sondern auch mit Hunter.

Dieser Band knüpft an den vorherigen (Blutrausch) an und bezieht sich außerdem stark auf Band 6 (Die stille Bestie). Zumindest letzteren sollte man also vor der Lektüre des neuesten Bandes rund um Hunter und Garcia gelesen haben. Lucien Folter ist also kein neuer Bösewicht, zeigt sich in diesem Buch aber von einer neuen, noch scheußlicheren Seite. Gerade die Tatsache, dass er den schlauen Hunter so klein hält, macht einen besonderen Reiz aus, dieser Fall hat eine zutiefst persönliche Note. Ich fand das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden sehr spannend und mitreißend, Carters Stil macht einfach Spaß. Seine Thriller gefallen mir eigentlich immer, dieser hier war der erste, den ich in einem Rutsch durchlesen musste. Ein toller zehnter Band, der jetzt schon Lust auf den elften macht.

Bewertung vom 02.08.2019
Die geheime Mission des Kardinals
Schami, Rafik

Die geheime Mission des Kardinals


gut

In Damaskus fiebert Kommissar Barudi seiner Pensionierung entgegen, nur noch wenige Wochen trennen ihn vom wohlverdienten Ruhestand. Doch sein letzter Fall verlangt ihm noch einmal alles ab. In der italienischen Botschaft wird die Leiche eines Kardinals in einem Fass Olivenöl aufgefunden. Zusammen mit seinem extra aus Italien eingeflogenen Kollegen Mancini macht sich Barudi auf Spurensuche, und verstrickt sich in einem Netz aus Glauben und Aberglaube, Macht und Korruption.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich vom Klappentext mehr als angetan war. Ein Krimi mit Gehalt wurde versprochen. Im Prinzip habe ich vor allem letzteres auch bekommen, trotzdem konnte mich das Buch nicht recht überzeugen. Ich mochte die Auszüge aus Barudis Tagebuch sehr, hier kann man ihn denken hören. Die restliche Handlung ist sehr distanziert erzählt, die Protagonisten agieren ein bisschen im luftleeren Raum, das Geschehen kam einfach nicht an mich heran. Natürlich gibt es viele Konflikte, zwischen Muslimen und Christen, zwischen dem tiefverwurzeltem Glauben und denjenigen, die an gar nichts mehr glauben können. Auch die Übermacht der Obrigkeit kommt gut rüber, wenn hier etwas vertuscht werden soll, wird es für Barudi und Kollegen schnell lebensbedrohlich. Die Unsicherheit, die ständige Bedrohung von verschiedensten Seiten und die Stimmung in der Gesellschaft werden gut wiedergegeben. Ich war v.a. von den Figuren enttäuscht, gerade Barudi handelt sehr unglaubwürdig. Er, der sich seiner Bedrohung durch falsche Freunde ständig bewusst ist, ausgerechnet er schließt quasi auf den ersten Blick Freundschaft mit einem Ausländer? Auch seiner großen Liebe trauert er seit Jahren hinterher, wird dann aber doch innerhalb von Minuten im Sturm erobert? Glatter und konstruierter geht es kaum. Auch der Krimiaspekt war eher enttäuschend, Spannung gibt es kaum, eher verliert sich die Handlung in nüchternen und eher langatmigen Schilderungen. „Die geheime Mission des Kardinals“ punktet mit Beschreibungen zu Land und Leuten; ansonsten aber eher nicht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2019
Dschungel
Karig, Friedemann

Dschungel


ausgezeichnet

„Wenn ein Mensch verschwindet, hinterlässt er ein Loch. So unendlich tief und dunkel, man kann hineinfallen und nie wieder auftauchen.“ (S. 327)
Der beste Freund unseres Erzählers ist so ein spurlos Verschwundener. Zu einem Trip durch Asien aufgebrochen, hören weder seine Mutter noch sein bester Freund wochenlang auch nur ein Sterbenswörtchen von ihm. Als die Mutter völlig zu verzweifeln scheint, macht sich sein Freund aus Kindertagen auf ihn zu suchen. Widerwillig, überhaupt nicht abenteuerlustig, und bockig, weil der verrückte Felix ihn mal wieder zu etwas zwingt. Zu einer Reise ins ferne Asien, zu einer Reise in die gemeinsame Vergangenheit.

Dieser Roman kommt recht unscheinbar daher, und dann entwickelt er doch eine erzählerische Kraft und einen Sog, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Einerseits weil man natürlich unbedingt wissen will, wo Felix steckt. Andererseits erfährt man häppchenweise von der Kindheit und Jugend der zwei Jungs, sodass sich erst nach und nach die gesamte Geschichte entfaltet. Dem namenlosen Erzähler folgt man gerne auf seiner exotischen Odyssee, die nicht nur von der spannenden Suche, sondern eben auch von Land und Leuten lebt. Gerade die Beschreibungen der Natur fand ich sehr bildhaft, man wähnt sich sofort am heißen Sandstrand oder im schwülen Dschungel. Das Ende kommt dann nicht ganz so bildgewaltig und wuchtig daher wie der Spannungsbogen vorher vermuten ließ, trotzdem war dieser Roman für mich ein großes Vergnügen.