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Klara

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2014
Das Beste von allem
Jaffe, Rona

Das Beste von allem


sehr gut

Schauplatz des Romans von Rona Jaffe „Das Beste von allem“ ist die Großstadt New York. Fabian Publications, ein großes Verlagshaus, hat seine Büros auf fünf Etagen in einem modernen Wolkenkratzer in Radio City. Die frei gewordenen Stellen im Schreibbüro in der 35. Etage werden alle neu besetzt und so nehmen am ersten Arbeitstag des Jahres 1952 Caroline Bender, April Morrison und Gregg Adams ihre Arbeit auf. Caroline, eine College-Absolventin, stammt aus sehr gutem Haus und wollte im Herbst Eddie Harris heiraten. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als seine Ehefrau zu sein. Doch der Traum vom Glück zerplatzt, als Eddie auf einer Europareise Helen Lowe begegnet. Er fühlt sich nicht so sehr von Helen, dafür aber von den Ölquellen ihres Vaters angezogen und trennt sich von Caroline. Jetzt arbeitet sie unter dem strengen Regiment der Lektorin Amanda Farrow.

April, ein naives, wunderschönes und liebenswertes Landei aus Springs, Colorado, wäre gerne Schauspielerin. „Schauspielerin zu werden war Teil ihrer Wunschvorstellung, eines Traums…“ (S. 35). Ihre Eltern haben ihr zum College-Abschluß 500 Dollar und eine Bahnfahrkarte nach New York geschenkt, doch das Geld zerrinnt ihr zwischen den Fingern und Angebote, als Schauspielerin zu arbeiten, bleiben aus. Die Stelle im Schreibbüro bekam sie über eine Anzeige einer Arbeitsvermittlung in der New York Times. Gregg kommt aus Dallas und übernimmt den Job bei Fabian, um Geld für ihre Ballettstunden und den Schauspielunterricht zu verdienen. Sie ist nach New York gekommen nicht um Erfolg im Beruf, sondern in der Liebe zu haben. „Falls es in der Welt etwas gab, das wichtiger als die Liebe war, …, dann hatte sie zumindest keine Vorstellung davon, was es sein konnte.“ (S. 187)

Mary Agnes Russo, die in der Bronx lebt und schon länger für den Verlag arbeitet, ist die Klatschbase der Etage und spart schon seit zwei Jahren für ihre Hochzeit mit Bill. Ihr angestrebtes Ziel ist es, bis ans Ende ihres Lebens verheiratet zu sein. Barbara Lamont arbeitet bei der Zeitschrift „American‘s Woman“ und ist alleinerziehende Mutter einer dreijährigen Tochter. Sie wünscht sich die Idylle ihrer Ehe zurück.

Das Leben dieser fünf Frauen, die Freundinnen werden, wird der Leser über die nächsten knapp drei Jahre verfolgen können. Ihre Träume, ihre Wünsche und Sehnsüchte, ihr Leben in der Großstadt, das von Partys, Alkohol und diversen Männerbekanntschaften geprägt ist. Caroline, die ihrem Verlobten nachtrauert und deren Gedanken ständig um ihn kreisen, ist die Ehrgeizigste und Fortschrittlichste im Bunde und auch die am sorgfältigsten charakterisierte Protagonistin. Sie ist getrieben davon, erfolgreich zu sein und als Lektorin zu arbeiten. Gregg, die sich mit Caroline eine gemeinsame Wohnung teilt, ist die tragischste Figur. Sie verliebt sich in den Playboy und Theateragenten David Wilder Savage, ist später regelrecht besessen von ihm und droht daran zu zerbrechen. Nicht für jede von ihnen geht die Geschichte glücklich zu Ende.
Rona Jaffe hat vor über einem halben Jahrhundert mit dem Roman „The Best of Everything“, der in Deutschland damals unter dem Titel „Alle meine Träume“ erschienen ist und jetzt in einer Neuübersetzung als „Das Beste von allem“ vorliegt, einen wunderbaren Roman geschrieben, der den Zeitgeist hervorragend eingefangen hat. Der Roman beschreibt die Arbeitswelt fünf junger Frauen, beispielgebend für die, die jeden Morgen zu Hunderten und Aberhunderten aus dem Schlund des Subway-Tunnels strömen, einige in flauschige Mäntel gehüllt, andere mit alten Riemchenschuhen an den Füßen, unter den Kopftüchern noch Lockenwickler im Haar und den Lunch in geblümten Papiertüten. Zu jener Zeit war der Roman ein Schock für einige und ein Bestseller für viele. Mutig und erstaunlich offen für das recht prüde Amerika, beschäftigte sich die damals 26jährige Autorin mit den Problemen junger Frauen. Sei es nun Sex vor der Ehe, ungewollte Schwangerschaften, Abtreibung oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

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Bewertung vom 09.08.2014
Irgendwann werden wir uns alles erzählen
Krien, Daniela

Irgendwann werden wir uns alles erzählen


ausgezeichnet

„Es ist Sommer, heißer, herrlicher Sommer“ und es ist die Zeit der großen Veränderungen in Deutschland - das Wendejahr 1990 - doch in einem kleinen Dorf in Thüringen herrscht noch Stillstand vorm großen Umbruch. Nicht viel bewegt sich hier, nicht viel verändert sich. Maria, deren Kindheit durch die Abwesenheit ihres Vaters geprägt ist, verliert sich in Büchern und genießt es, mehr in der Sonne zu liegen als in die Schule zu gehen. Anfang Mai hatte Johannes, ihr Freund, sie seinen Eltern vorgestellt, danach ist sie gleich geblieben und zu ihm in die „Spinnenzimmer“ auf den Dachboden des Brendel-Hofes gezogen. „….und denke an die Mutter; …. Es ist ihre Traurigkeit, die mich aus dem Haus getrieben hat. Die saugt mir die Kraft aus dem Körper und die Freude aus dem Herzen.“ (S. 46)

Auf dem Hof leben Siegfried, Marianne (die Eltern), Lukas (Bruder von Johannes), die Großmutter Frieda und das „Anhängsel“ Alfred. Frieda hat außer Siegfried noch zwei Söhne, den Volker und den Hartmut. Hartmut lebt, nach dem er die Ausreise beantragt hatte, seit 1969 in Bayern. Jetzt, nach über 20 Jahren, hat er seinen Besuch mit Frau und seinen beiden Kindern angekündigt.

Maria – die Ich-Erzählerin – läßt sich treiben, Johannes hingegen hat klare Vorstellungen von seinem zukünftigen Leben. Er hat das Abitur fast in der Tasche und will Kunst studieren. Er entdeckt seine Leidenschaft für die Fotografie, Maria hingegen entdeckt die Leidenschaft zu dem wesentlich älteren Säufer, Schürzenjäger und Taugenichts Henner vom Nachbarhof. Nach einem Unfall, den Marias Mutter verursucht hat, kommen sich beide näher. „Wozu die Tage zählen! Dem Menschen genügt ja ein einziger Tag, um das ganze Glück zu erfahren.“ (Zitat aus Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“.) Und das erfährt Maria in den Armen von Henner, einem ausgesprochen gewalttätigen Liebhaber aber mit einer enormen Anziehungskraft, der sich Maria nicht entziehen kann und auch nicht will. „Die Hände von Henner sind jetzt wieder da – rau, sanft, brutal, fordernd, und ich sehne mich nach ihnen –„ (S. 70)
Mit einer anfangs ungewöhnlichen Erzählweise, die mich an alte Schmöker aus früheren Zeiten erinnerte und an die ich mich erst einmal gewöhnen mußte, später aber davon fasziniert war, erzählt die Autorin die Liebesgeschichte von Maria Bergmann und Thorsten Henner.

Geschickt verarbeitet die Autorin ihre Kindheitserinnerungen an die DDR, war sie doch 1990 auch gerade mal erst 15 Jahre alt. Pionierlager, FDJ, Jugendweihe und Staatssicherheit sind für sie keine Fremdwörter, sondern hautnahe eigene Erfahrungen. Die erschütternden Erlebnisse von Henners Mutter werden glaubhaft erzählt, auch sie liebte Bücher und der Alkohol wurde ihr bester Freund. Das Ende des Romans war für mich so nicht vorhersehbar, daß es so oder so ähnlich jedoch enden mußte, das war mir von Anfang an klar.

Ein Klassiker der Weltliteratur trifft auf zeitgenössische Literatur, was für ein wunderbares Zusammentreffen. Daniela Krien webt Auszüge aus Fjodor Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“ hervorragend in ihr Erstlingswerk ein. Dostojewski war auf der Suche nach den seelischen Abgründen des Menschen, Krien ist es auch. Daß eine 16jährige Dostojewski liest, ist nicht erstaunlich, andere Begehrlichkeiten gab es halt zu dieser Zeit noch nicht. So, wie die Protagonistin von Dostojewski begeistert ist, hat mich Daniela Kriens Roman in seinen Bann gezogen, nur daß ich mit ihm nicht spazieren gegangen bin, sondern mit Begeisterung gleich ausgelesen habe.
Ein wunderschönes, sehr zu empfehlendes Buch für „Ostler“ wie für „Westler“ und man kann auf eine Fortsetzung hoffen, denn „Die Brüder Karamasow“ sind noch nicht ganz ausgelesen.

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Bewertung vom 09.08.2014
Die Wahrheit über Alice
James, Rebecca

Die Wahrheit über Alice


sehr gut

Rebecca James Debütroman „Die Wahrheit über Alice“ beginnt in der Gegenwart. Eine noch unbekannte junge Frau erzählt, dass Alice vor vier Jahren gestorben ist und ihr das Beste genommen hat, was sie je besessen hat und dass sie eine Tochter hat, Sarah. Die eigentliche Romanhandlung beginnt Jahre früher. Die atemberaubend schöne und beliebte Alice Parrie feiert ihren 18. Geburtstag und lädt zu einer Party ein. Katherine, die sich in eine selbstgewählte Isolation begeben hat und als Einzelgängerin an der Highschool bekannt ist, spricht sie persönlich an. Alice sucht die Nähe zu ihr, möchte mit ihr viel Zeit verbringen und über alles reden. Später will sie, dass sich beide gegenseitig ihre Geheimnisse anvertrauen. Katherine ahnt nicht, dass sie in eine Falle gegangen ist und dies keineswegs eine normale Freundschaft ist. Sie hieß früher Katie Boydell und lebte in Melbourne. Damals war sie die Beste ihres Jahrganges und wollte zwei Jahre später Medizin studieren. Nach dem Tod ihrer Schwester Rachel ist sie zu ihrer Tante Vivien nach Sydney gezogen und hat den Namen Katherine Patterson angenommen. Sie hat ein Geheimnis, das sie sorgsam hütet. Katherine fühlt sich wohl mit Alice, und auch zu deren Freund Robbie hat sie ein herzliches Verhältnis. Der jedoch warnt Katherine vor Alice. Sie wäre eine Narzisstin und würde sich nur für sich interessieren. Er hat das selbst schon öfters am eigenen Leib erfahren müssen. Je intensiver die Freundschaft zwischen den beiden jungen Mädchen wird und je glücklicher und offener Katherine ist, desto mehr verändert sich Alice. Sie wird grob, bösartig, gehässig und leistet sich Gemeinheiten, die ihre Freundin zutiefst verletzen. Eines Abends lernt Katherine Philippa kennen, die ihr langsam die Augen öffnet, doch da ist die Katastrophe schon nicht mehr aufzuhalten.
„Die Wahrheit über Alice“ ist ein Jugendroman, der streckenweise Elemente eines Psychothrillers besitzt. Es ist eine Geschichte über Mord, Betrug und Verrat, Liebe, Familie und Freundschaft. Es wird auf drei Zeitebenen erzählt. Außer der Gegenwart sind es vier und fünf Jahre zurückliegende Zeiten, die in Rückblenden nachgeholt werden. So erfährt der Leser Stück für Stück, warum aus Katie Katherine wurde und auch Robbie und Alice haben ihre Geheimnisse. Was den Reiz des Buches schmälert ist, dass der Leser gleich auf den ersten Seiten das Ende der Geschichte erfährt, ohne die Zusammenhänge zu durchschauen. Durchaus spannend wird erzählt, wie und warum es dazu kam. Die Entwicklung der Ereignisse bis hin zum bitteren Ende kommt nicht immer völlig überraschend. Dennoch ist der Roman nicht nur für junge Leser empfehlenswert.

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Bewertung vom 09.08.2014
Eisiges Geheimnis / Macy Greeley Bd.1
Salvalaggio, Karin

Eisiges Geheimnis / Macy Greeley Bd.1


gut

Karin Salvalaggio führt den Leser in ihrem Thrillerdebüt "Eisiges Geheimnis" nach Montana. Hier lebt Grace Adams mir ihrer verwitweten Tante Elizabeth Lamm in einer einsamen Siedlung in den Bergen am Rand von Collier. Zu zweit bewohnen sie ein Haus, das einem nachgebauten Tudorschloss ähnlich sieht. Grace selbst erholt sich gerade von einer Herztransplantation, als sie eines abends beobachtet, wie eine Frau auf das Haus zukommt. Kurz davor begrüßt sie einen Fremden und nach einem kurzen Wortwechsel sticht dieser sie nieder. Die von Grace herbeigerufenen Sanitäter verspäten sich, und bei dem Versuch, die Frau selbst zu retten, stellt sie fest, dass es ihre seit Jahren verschollene Mutter Leanne ist. Grace ist sehr schwach und erfriert fast in dem einsetzenden Schneetreiben. Detective Macy Greeley von der State Police erhält von ihrem Vorgesetzten Ray Davies den Auftrag, nach Collier zu reisen. Sie soll den dortigen Polizeibeamten bei ihren Ermittlungen helfen. Die unverheiratete Macy ist hochschwanger und geht in drei Wochen in Mutterschutz. In Collier holt sie ein elf Jahre alter Fall wieder ein. Damals starben in dem Ort vier osteuropäische Mädchen, und die Spedition von Grace Onkel Arnold Lamm geriet in das Visier der Ermittler. Auch trifft Macy auf ihren ehemaligen Freund, den Sanitäter Jared, der sich nicht so recht zwischen der Krankenschwester Lexxie und der verheirateten Hayley entscheiden kann. Überhaupt ist Collier ein Ort, dessen Bewohner eine eingeschworene Gemeinschaft sind, in der die Kriminalität gedeiht und wo die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie für ihre üblen Machenschaften nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Keiner will so richtig mit Macy reden und auch Grace, die den Täter wahrscheinlich gesehen hat, schweigt sich aus. Ganz langsam gewinnt Macy ihr Vertrauen, und die Sorge ist groß, dass der Täter noch einmal zugeschlägt. Die Suche nach dem Mörder gestaltet sich auch deshalb so schwierig, weil Elizabeth Lamm lange Zeit zu den Vorkommnissen von vor elf Jahren schweigt. Warum kehrte ihre Schwester Leanne gerade jetzt, nach so vielen Jahren, aus ihrem selbstgewählten Exil in Kanada zurück, und was hat es mit ihren letzten Worten auf sich, die sie zu Grace sagte? "Du mußt vorsichtig sein. Sie sind immer noch hinter dem Geld her." (S. 16)
Praktisch jeder der Charaktere in dem Thriller "Eisiges Geheimnis" ist irgendwie ein schlechter, sonderbarer Mensch. Es gibt Vergewaltiger, Pädophile, Mörder, Menschenhändler, Drogendealer, gewalttätige Ehemänner und Ehebrecher. Deswegen kann man für keinen der Protagonisten Sympathie empfinden. Die Handlung ist schlüssig aufgebaut, jedoch fehlen überraschende und unerwartete Wendungen. Irgendwie hat man das Gefühl, das alles schon einmal gelesen zu haben. "Eisiges Geheimnis" ist nur mit Einschränkungen empfehlenswerte Thrillerlektüre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2014
Wer hat Angst vor Jasper Jones?
Silvey, Craig

Wer hat Angst vor Jasper Jones?


gut

An dem Tag, wo Jasper Jones an das Fenster des 13jährigen Charlie Bucktin klopft, ist dessen Kindheit mit einem Schlag vorbei. „Jasper Jones ist an mein Fenster gekommen.“ (S. 7), so beginnt der Jugendroman „Wer hat Angst vor Jasper Jones“ des australischen Autors Craig Silvey. Die Geschichte spielt in dem kleinen Örtchen Corrigan in Australien. Es sind die 60er Jahre. Jasper lockt Charlie in einer heißen Sommernacht aus seinem Zimmer und führt ihn irgendwo hin außerhalb der Stadt, vorbei an dem Cottage von Jack Lionel, um den sich die wildesten Geschichten ranken. Er soll ein verrückter Killer sein und vor Jahren eine Frau umgebracht haben. Auf einer kleinen Lichtung, die Jasper als sein Zuhause bezeichnet, zeigt er ihm seinen grausigen Fund. Laura Wishart, die Tochter des Bezirkspräsidenten, hängt an einem Ast eines Silbereukalyptus nur bekleidet mit einem Spitzennachthemd. Charlie ist klar, dass sich an dem stillen Örtchen Grausames abgespielt haben muss. Jasper hat Angst, dass die Polizei ihm den Mord in die Schuhe schiebt, denn in dem Ort gibt es für alles immer nur einen Schuldigen, und der heißt Jasper Jones. „Er ist ein Dieb, ein Lügner, ein Schläger und ein Schulschwänzer.“ (S. 13) Er bittet Charlie darum, gemeinsam mit ihm nach dem Killer zu suchen. Er hat auch schon einen Täter im Auge, Jack Lionel. Vorher beschließen sie, Lauras Leichnam in einem Tümpel verschwinden zu lassen. Wie ein Stein lastet das Wissen um das Verschwinden von Laura auf Charlies Seele. Der Protagonist des Romans ist nicht Jasper Jones, wie der Titel vermuten lässt, sondern Charlie, der die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt. Er ist ein feiger Junge, ein lausiger Sportler, der tödliche Angst vor Insekten hat, aber schon sehr belesen ist. Er liebt die Bücher von Mark Twain und Harper Lee. Sein bester Freund Jeffrey Lu ist der Sohn vietnamesischer Einwanderer. Er ist jünger und kleiner als Charlie, aber wesentlich klüger und mutiger und ein leidenschaftlicher Cricket-Spieler. Er wird in der Schule rücksichtslos schikaniert, jedoch steckt er alle Demütigungen mit einem Lächeln weg. Niemals würde er boshaft oder gehässig werden. Beide Freunde liefern sich interessante Wortgefechte, z. B. darüber, wer der mutigere Superheld ist, Superman oder Batman.
Neben der Krimihandlung, den Schulgeschichten und der Beschreibung sportlicher Ereignisse gibt es in diesem Roman auch eine Liebesgeschichte. Zwischen Charlie und Eliza, der Schwester der ermordeten Laura, entwickeln sich zarte Liebesbande, und Charlie vermutet, dass Eliza etwas über das Verschwinden ihrer Schwester weiß.
Craig Silveys Roman liest sich gut. Er behandelt Themen wie Kindesmissbrauch, Folter, Rassismus und Zivilcourage. Die seitenlangen Beschreibungen eines Cricketspiels lassen hingegen etwas Langeweile aufkommen. Hier ist das Glossar am Ende des Romans sehr hilfreich. Der Roman besticht durch Wortwitz mit lebendigen und interessanten Charakteren und ist nicht nur für junge Leser lesenswert, vor allem wegen der Einbettung der Ereignisse in einen historischen Kontext, Australien in den 60er Jahren zur Zeit des Vietnamkriegs. Thematisiert wird auch die Einstellung gegenüber Flüchtlingen und Aborigines.

Bewertung vom 06.07.2014
Teufelsgrinsen / Anna Kronberg & Sherlock Holmes Bd.1
Wendeberg, Annelie

Teufelsgrinsen / Anna Kronberg & Sherlock Holmes Bd.1


sehr gut

Annelie Wendebergs Erstlingsroman „Teufelsgrinsen“ spielt in London im Jahr 1889. Dr. Anton Kronberg, Englands führender Bakterioloe und Epidemiologe, der im Guy`s Hospitel arbeitet, wird von Inspektor Gibson von Scotland Yard zu den 1852 erbauten Hampton Wasserwerken gerufen. Möglicherweise ist der Tote, der im Kanal trieb, an Cholera gestorben. Da Cholerafälle öfter auftraten, hatte Dr. Kronberg häufiger das Vergnügen, mit den Kriminalinspektoren der Metropolitan Police zusammenzuarbeiten. ("Es war ein gut gemischter Haufen Männer, deren geistige Schärfe zwischen der eines Buttermessers und der einer überreifen Pflaume variierte. Inspektor Gibson gehörte zu der Pflaumenkategorie." S. 12) Gleichfalls vor Ort ist der beratende Detektiv Mr Sherlock Holmes. Er entdeckt in wenigen Augenblicken Dr. Kronbergs Geheimnis. Anton ist eigentlich Anna Kronberg, eine junge Frau aus Sachsen in Deutschland. Frauen war es in Deutschland zur damaligen Zeit verboten, einen akademischen Grad in Medizin zu erwerben. Sie galt als Männerdomäne und sollte Holmes ihre wahre Identität preisgeben, würde Anna ihren Wohnsitz verlieren, deportiert werden und in Deutschland im Gefängnis landen. Abends wechselt sie ihre fingierte Identität, dann ist sie Witwe und Krankenschwester und behandelt während nächtlicher Ausflüge ihre kranken Nachbarn. Holmes und Anna finden bei der Obduktion heraus, dass der Tote an Cholera im Endstadium erkrankt war, jedoch an Tetanus gestorben ist. Scotland Yard schließt schnell die Akte, so dass Holmes und Anna auf eigene Faust ermitteln müssen. Ihre Ermittlungen führen sie in die Irrenanstalt Broadmoor, die Anna wegen ihrer jährlichen Hygieneinspektionen kennt und sie kommen furchterregenden medizinische Experimenten auf die Spur die mit hochgradig gefährlichen Bakterien an den Ärmsten der Armen gemacht werden.
„Teufelsgrinsen“ von Annelie Wendeberg beginnt in alter Sherlock-Holmes-Tradition. Jedoch ist Holmes nicht der Mann, den wir aus den Geschichten von Sir Arthur Canon Doyle kennen. Es ist die Zeit des französischen Naturwissenschaftlers Louis Pasteur und des deutschen Arztes Robert Koch, die große Zeit der Bakteriologie und die Zeit der nächtlichen Leichenräuber, denn Anatomen beklagen seit Jahren einen Mangel an Leichen. “Manche Ärzte haben regelrecht Bestellungen abgegeben - schwangere Frauen, Kinder, Neugeborene und deformierte Menschen.“ (S. 82/83) Die Autorin ist von Haus aus Umweltmikrobiologin und lässt wissenschaftlich fundiertes Wissen in ihren Roman einfließen, nicht als trockene Theorie, sondern als Hintergrund eines gut konstruierten Kriminalromans. Auch sprachlich hat mich ihr Debütroman überzeugt. Wendeberg schreibt ausgesprochen witzig. Der Roman liest sich so gut, dass es ruhig ein paar Seiten mehr hätten sein können. Anna ist eine clevere, sympathische und ausgesprochen unabhängige Protagonistin mit scharfem Verstand, die zwar mit ihren Identitätsproblemen kämpft und Schreckliches in der Vergangenheit erlebt hat, jedoch ihrer Zeit um einiges voraus ist. Sie kann gegen Holmes bestehen, der ein außergewöhnlicher Detektiv ist. Beide sind ebenbürtige Partner. Die Charaktere sind überzeugend gezeichnet, und der Leser bekommt interessante Einblicke in die medizinische Entwicklung der damaligen Zeit. Ich freue mich auf die Fortsetzung und empfehle den Roman gern weiter.