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Aus Liebe zum Lesen
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Rannungen

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Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 13.03.2022
Die Kinder sind Könige
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


sehr gut

Juhu – der neueste Roman von einer meiner absoluten Lieblingsautorinnen ist endlich verfügbar: Die Kinder sind Könige von Delphine de Vigan.

Mélanie möchte berühmt werden, die Liebe von Massen erfahren und inszeniert deshalb ihr gesamtes Familienleben auf Social-Media-Kanälen. Die ledige Clara ist Polizistin und steckt ihre ganze Leidenschaft in ihren Beruf. Als Mélanies Tochter verschwindet, kreuzen sich die Wege der beiden Protagonistinnen.

Das zentrale Thema des Romans ist die Zurschaustellung des Lebens von Kindern in Social Media, insbesondere aus wirtschaftlichen Aspekten. Frankreich hat als erstes Land ein Gesetz zum Schutz von Kinder-Influencern verabschiedet. Die Autorin zeigt aber auch auf, dass dieses nicht weit genug geht.

Was ich an Delphine de Vigan so schätze, hier aber leider fehlt, sind die Botschaften zwischen den Zeilen. Stattdessen wird mir gerade die Erschöpfung der Kinderdarsteller durch ständige Erwähnung geradezu eingehämmert. Überhaupt ist die Geschichte sehr vorhersehbar, was sie aber nicht uninteressant macht.

Delphine de Vigan widmet sich in ihrem neuen Roman einem wichtigen Thema und macht sensibel für den Schutz unserer Kinder in Sozialen Medien. Auch wenn es nicht ihr bestes Buch ist, ist es dennoch lesenswert.

Bewertung vom 12.03.2022
Die Diplomatin
Fricke, Lucy

Die Diplomatin


sehr gut

Lucy Fricke beschäftigt sich in ihrem neuen Roman „Die Diplomatin“ mit zwischenstaatlichen Beziehungen und mit den Grenzen der Diplomatie.

Frederike, genannt Fred, wurde nach Stationen in Bonn und Bagdad ins schöne Montevideo versetzt. Als eine Touristin verschwindet, muss sie handeln. Jahre später treffen wir sie in der deutschen Botschaft in Istanbul wieder. Und auch hier gibt es Schwierigkeiten. Der Sohn einer inhaftierten Kunstmäzenin wird von den Behörden festgehalten und dann wirbelt auch noch ein Journalist ihr Leben durcheinander.

Lucy Fricke schreibt erstaunlich sachlich, bisweilen kühl, aber dennoch ergreifend über die Protagonistin, die sich ihre Karriere hart erarbeiten musste. Gekonnt strickt sie in die fiktive Handlung um Fred das Spiel mit politischen Interessen, Systemen und Machtgefügen ein. Lediglich der Schluss konnte mich nicht wirklich überzeugen, war mir zu einfach, zu glatt, zu weichgespült im Gegensatz zum bisherigen Plot.

Dennoch ein interessantes und spannendes Buch über eine nicht ganz alltägliche Figur, in dem die Politik nicht so staubtrocken beleuchtet wird.

Bewertung vom 08.03.2022
Wie man einen Diktator satt bekommt
Szablowski, Witold

Wie man einen Diktator satt bekommt


ausgezeichnet

Der Katapult-Verlag hat im vergangenen Herbst erstmals auch Bücher von externen Autoren veröffentlicht. Eines davon hat mir das Christkind geschenkt: „Wie man einen Diktator satt bekommt“ von Witold Szabłowski.

Der polnische Journalist hat sich 4 Jahre lang auf die Suche nach den Köchen von Saddam Hussein, Idi Amin, Enver Hoxha, Fidel Castro und Pol Pot gemacht. Mit Hilfe von diversen Guides hat er die Köch*innen ausfindig gemacht und mehr oder weniger einfach zum Reden gebracht.

Das was er da zusammengetragen hat, kann sich sehen – oder besser – lesen lassen! Dass es sich um kein Rezeptbuch handelt, sollte klar sein. Viel mehr als um das Essen an sich, geht es um die Art und Weise, wie die Machthaber mit ihren Bediensteten umgingen und wie die Kommunikation innerhalb des engsten Kreises ablief, wie der Alltag war. Auch eine grobe Zusammenfassung der geschichtlichen Zusammenhänge und Gräueltaten gibt es zu jedem Diktator.

Es war sehr spannend zu lesen, wie ergeben manch einer der Interviewten seinem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber war und noch ist, aber auch wie viel Angst sie teilweise selbst nach dessen Tod noch haben. Überhaupt war der Einblick in die Machtgefüge der Diktatoren sehr interessant. Außer mit Castro hatte ich mich bislang noch mit keinem näher befasst. Aber auch die kulinarischen Unterschiede der einzelnen Länder und die Ernährungsgewohnheiten, die sich sehr unterscheiden, finden durchaus ihren Platz in diesem Buch.

Ein konkretes Geheimrezept sucht man vergeblich – das nehmen die Köche standesgemäß mit in ihr Grab. Die ein oder andere grobe Zubereitung eines traditionellen Rezepts wird aber schon verraten, sodass man sich einen Eindruck von den Kochweisen machen kann.

Witold Szabłowski hat einen wahren Leckerbissen in geschichtlicher Bildung kreiert, der sich gut lesen lässt und einen etwas anderen Zugang zu wichtigen politischen Machthabern schafft, indem er sie aus dem inneren Kreis heraus betrachtet.

Bewertung vom 04.03.2022
Mädchen können alles werden
Sternbaum, Nico

Mädchen können alles werden


sehr gut

Heute gibt’s mal nichts zum Lesen, sondern zum Malen: Der Autor und Illustrator Nico Sternbaum hat ein Mädchen- und ein Jungs-Malbuch herausgebracht, in dem er Rollenklischees ad acta legt und spannende Berufe vorstellt.

Wir haben das Mädchenbuch und dort gibt es z. B. Seiten für eine Chemikerin, Bauarbeiterin, Rennfahrerin und Försterin. Zu jedem Beruf gibt es eine Seite zum Ausmalen, die die wichtigsten Arbeitsutensilien für das jeweilige Arbeitsumfeld beinhaltet. Die Vorzeichnungen sind dabei recht einfach gehalten, sodass sie auch schon jüngere Kinder ausmalen können.

Auf der nächsten Seite ist jeweils Platz, um sich selbst künstlerisch zu verausgaben und sich in dem jeweiligen Beruf selbst zu zeichnen. So wird auch die Vorstellungskraft der Kinder gefördert. Bei uns sind spannende Gespräche zu den einzelnen Jobs entstanden, in denen ich erklärt habe, was man dabei üblicherweise macht, aber auch die Kinder haben viele Ideen beigesteuert.

Ein bisschen Kritik muss ich aber dennoch üben: Offenbar sind die Seiten zum Ausreißen gedacht und fallen entsprechend regelrecht aus dem Buch heraus. Das ist meines Erachtens wenig sinnvoll, schließlich wollen die Kinder ja auch ihre gemalten Bilder wieder anschauen und zeigen und die eigenen Ideen mit den Vorlagen vergleichen und bei uns gehen die gemalten Bilder zwischen anderen Kunstwerken im allgemeinen Chaos unter.

Bewertung vom 02.03.2022
Farbe. Der Guide für Design und Kunst
Perryman, Laura

Farbe. Der Guide für Design und Kunst


gut

Laura Perryman hat mit „Farbe – Der Guide für Design und Kunst“ ihre „Farb-Bibel“ (Originaltitel: The Colour Bible) geschaffen.

Im allgemeinen Teil, der die ersten 50 Seiten umfasst, erklärt die Autorin, die sich als Farb- und Materialexpertin bezeichnet, Grundlagen der Farbwahrnehmung, Material und Farbenlehre. Auf den folgenden 250 Seiten stellt sie dann einzelne Farbnuancen sortiert nach Farbfamilien vor. Bei jeder Farbe geht sie auf die Geschichte, Herstellung und frühere Verwendung ein, auf die aktuelle Situation und die Verwendung in Mode, Kunst und Design.

Die Informationen, gerade zur Herstellung und geschichtlichen Verwendung der Farben, fand ich sehr interessant, auch welche Farben durch leichter zu gewinnende weitestgehend ersetzt wurden und welche ein Comeback erleben. Die Beispiele werden meistens nur durch ein einziges Foto illustriert, und kaum erklärt, was mir zu wenig ist. Es werden zwar jeweils 3 weitere Beispiele genannt, allerdings ohne weiter Erläuterungen.

Was mir leider für einen Farb-Guide viel zu kurz kommt, ist das Zusammenspiel der Farben. Das wird lediglich im Einleitungsteil kurz angerissen und bei den meisten Farben werden zwei Komplementärfarben zur Verwendung vorgeschlagen. Für die Arbeit als Designer reicht das nicht aus. Was hingegen gut gelungen ist, ist die Gestaltung des Buchs. Die Farben werden in einem kleinen Kästchen am Rand gezeigt, das das Nachschlagen erleichtert. Außerdem befindet sich auf jeder Doppelseite eine entsprechender Farbverlauf und der Aufbau ist auf allen Seiten gleich übersichtlich.

Meine Erwartungen konnte Laura Perrymans Buch leider nicht ganz erfüllen, dennoch gibt das Buch einen guten Überblick über die wichtigsten Farben und deren Verwendung.

Bewertung vom 23.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


sehr gut

Manche Autor*innen schaffen es auf 500 Seiten nicht, eine Geschichte zu erzählen. Anna Herzig dagegen skizziert in „Die dritte Hälfte eines Lebens“ die Geschichte eines ganzen Dörfchens über mehrere Jahrzehnte und lässt dabei gekonnt Themen, wie Rassismus und Diskriminierung sowie die Dynamik einer Dorfgemeinschaft mit all ihren Gerüchten, Traditionen und ihrer Lethargie einfließen.

Der Rathbauer möchte eigentlich bei der nächsten Gelegenheit in Frauenkleidern nach Italien abhauen. Doch die Gelegenheit scheint sich nie zu bieten und so bleibt er in Krimmwing, so wie Rosa, die ihr Leben durch ihr Kind Seppi zerstört sieht, und ebendiesen, der aufgrund seiner Hautfarbe und Vaterlosigkeit gemobbt wird, die Liesl, die wegen ihrer 3 Brüste von den Frauen des Ortes gleichsam beneidet und verachtet wird und viele andere.

Anna Herzig hat mich schon in „Herr Rudi“ mit ihrem Schreibstil gepackt und auch hier brilliert die Salzburgerin mit schnörkelloser Sprache, die trotz ihrer schonungslosen Direktheit so viel zwischen den Zeilen erzählt. Die Wucht der Ereignisse wird durch die teils harmlose Schilderung geradezu vervielfacht und auch die Namen, wie Seppi und Frido tragen zur Tragikomik bei. Was mich ein bisschen stört, ist der experimentelle Ansatz der Textgestaltung, der das Lesen zusätzlich zu den zeitlichen und räumlichen Sprüngen doch (gewollt?) erschwert.

Anna Herzigs Roman fühlt sich an wie eine kalte Hand im Nacken, denn das Wegsehen, das Tratschen, die Vorurteile kennen wir wohl alle und müssen uns mehr oder weniger an die eigene Nase fassen und doch es bleibt die Hoffnung, dass wir wie einige der Romanfiguren daraus ausbrechen können.

Bewertung vom 21.02.2022
Unsere Erde / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.5
Noa, Sandra

Unsere Erde / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.5


ausgezeichnet

Die meisten Erstleser-Bücher, die ich bislang in der Hand hielt, waren Geschichtenbücher. Heute habe ich mal ein Sachbuch für Erstleser für euch: „Wieso Weshalb Warum? Erstleser - Unsere Erde“ aus dem Ravensburger-Verlag.

Das Buch ist eingeteilt in 4 Kapitel, die jeweils mit einem Rätselblock abschließen. Die Inhalte sind in kurzen Texten mit großer Schrift altersgerecht erklärt. Zahlreiche Bilder ergänzen den Text und veranschaulichen die beschriebenen Zusammenhänge und Phänomene. Die Rätsel machen Spaß und vertiefen das Wissen der Kinder.

Neben Wissen über unseren Planeten, dessen Entstehung, Zusammensetzung und Bewohner geht es auch um die Erhaltung unseres Planeten. Meine Tochter im Vorschulalter konnte die Texte gut verstehen. Zum Selberlesen wird die Lesestufe 2 empfohlen, was ich angemessen finde.

Am Ende des Buches gibt es ein Leselotto zum Ausschneiden. Zum Aufbewahren der Kärtchen soll man einen Umschlag einkleben. Dieser hätte meines Erachtens schon im Buch sein sollen, dass es vom Format sowie optisch passt. Außerdem gibt es noch Sticker, die in ein Dschungelbild richtig eingeklebt werden sollen, was leider nur einmalig Spaß bringt. Das hätte man schöner lösen können.

Dennoch ein schönes Wissensbuch für Erstleser mit vielen Informationen zu unserem Planeten.

Bewertung vom 20.02.2022
Dein Bücherregal verrät dich
Snider, Grant

Dein Bücherregal verrät dich


ausgezeichnet

Grant Snider ist eigentlich Kieferorthopäde, aber seine Leidenschaft fürs Zeichnen hat er nicht aufgegeben und zeichnet Comics für die bekanntesten amerikanischen Zeitungen. Dass er auch bibliophil ist, zeigt sich in seinem neuen Buch „Dein Bücherregal verrät dich – Momente, die du nur kennst, wenn du Bücher liebst“, das eine Sammlung seiner Illustrationen zum Thema Bücher enthält.

Der Großteil der enthaltenen Comics zeigt mal ironisch, mal lustig, aber immer sehr wahr die Welt eines Bücherliebhabers. Es geht ums Lesen an sich, das Kaufen und Horten von Büchern, die Arten von Büchern, die wir lesen u.v.m. Ein Teil der Zeichnungen beschäftigt sich aber auch mit dem Schreiben von Büchern und mit Autoren.

Ich konnte mich in vielen der Bilder wiederfinden. Manchmal musste ich Loslachen, manchmal war es eher ein, „ja, okay, er hat ja recht“, wenn es z. B. um die Buchkaufsucht geht, die wir wohl alle mehr oder weniger gut kennen.

Grant Snider hat ein wirklich schönes Buch für alle bücherliebenden Menschen geschaffen, das zum Schmunzeln anregt, aber vielleicht auch, um sich mal an die eigene Nase zu fassen – wobei ich nicht glaube, dass ich das nächste Mal in der Buchhandlung widerstehen kann ;)

Bewertung vom 09.02.2022
Marianengraben
Schreiber, Jasmin

Marianengraben


ausgezeichnet

"Gedanken sind oft so unkontrollierbar wie die Liebe, die sie auslöst. Und jetzt liebe ich dich nur noch gefangen in einer Zwischenwelt aus Präteritum und Konjunktiv in einer Realität, die vor deinem Tod ein Leben und danach nur noch ein Zustand war."

Ja, gefühlt jeder Buchblogger hat schon was zu Jasmin Schreibers „Marianengraben“ geschrieben. Dennoch möchte ich auch ein paar Worte dazu verlieren, weil es wirklich ein Buch ist, das ans Herz geht.

Als Paulas Bruder stirbt, fühlt sie sich, wie in die unendliche Tiefe des Marianengraben hinabgezogen worden zu sein. Nach 2 Jahren in der Dunkelheit, besucht sie zum ersten Mal sein Grab und trifft dort auf Helmut, mit dem sie sich auf eine ungewöhnliche Reise begibt.

Der Schreibstil der Autorin zieht einen sofort in den Bann. Die tiefe Traurigkeit auf den ersten Seiten zerreißt einem schier das Herz. Ich konnte mich sofort in die Protagonistin einfühlen. Nach und nach wachsen einem auch der schrullige Senior Helmut und die anderen Weggefährten ans Herz.

Die Idee der Trauerbewältigung auf einem Roadtrip ist an sich nichts Neues. Dennoch konnte mich Jasmin Schreibers Geschichte überzeugen. Es gibt immer wieder unerwartete Wendungen, die Charakterzeichnung ist gelungen und – ich glaube, ich habe noch nie in einer Rezension so oft das Wort „Herz“ verwendet – der Roman geht ans Herz.

Bewertung vom 06.02.2022
Winternovellen
Rishøi, Ingvild H.

Winternovellen


ausgezeichnet

Passend zum Schneefall Anfang des Jahres, habe ich „Winternovellen“ von der norwegischen Schriftstellerin Ingvild H. Rishøi gelesen.

Das Buch enthält 3 Novellen unterschiedlicher Länge, die alle im Winter spielen. Das bezieht sich allerdings nicht nur auf die Jahreszeit – auch im Leben der Protagonisten herrscht im übertragenen Sinn „Winter“, denn allen ist gemein, dass sie am Rande der Gesellschaft stehen und auf eine ausweglose Situation hinsteuern.

In der ersten Geschichte begegnen wir einer 5-jährigen und ihrer jungen Mutter, die ihr Bestes gibt und dennoch vor allem am Finanziellen zu scheitern droht. Gerade aus dem Gefängnis entlassen, erzählt uns in der zweiten Geschichte Thomas, wie er sein Leben ändern will und in der letzten Novelle begleiten wir eine Jugendliche, die die Rolle der Mutter für ihre beiden Geschwister übernehmen muss.

Ingvild H. Rishøi schafft es, den Leser sofort in das Gedankenkarussell ihrer Protagonisten eintauchen zu lassen. Der Sog führt an den Abgrund und die Katastrophe scheint zum Greifen nah. Die so erzeugte Spannung in allen 3 Geschichten und die düstere, melancholische Stimmung, die Ausweglosigkeit der Situation hinterlassen beim Lesen ein flaues Gefühl im Magen und dennoch gibt es auch Lichtblicke.

Die Winternovellen sind keine leichte Kost. Sie führen uns vor Augen, wovor die Gesellschaft oft die Augen verschließt. Ein Buch, das einen aus der Komfortzone hervorlockt und lange nachhallt. Absolute Leseempfehlung von mir.