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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 533 Bewertungen
Bewertung vom 30.06.2022
Rolling Stones - Alle Songs
Margotin, Philippe;Jean-Michel Guesdon

Rolling Stones - Alle Songs


sehr gut

Anlässlich des 60jährigen Bandjubiläums touren die Rolling Stones ja gerade durch Europa - Grund genug für mich, anhand des vorliegenden bemerkenswerten Kompendiums tiefer in die Geschichte der wohl bekanntesten Rockband der Welt einzutauchen.

Beeindruckend ist zunächst der schiere Umfang der stabilen Klappenbroschur: Auf gut 750 (!) Seiten hat das Autorenduo Margotin / Guesdon erstaunliche Details zu sämtlichen Songs der Stones zusammengetragen. Die Lieder sind nach Erscheinungsdatum geordnet, so dass sich bei chronologischer Lektüre auch die musikalische Entwicklung der Band nachvollziehen lässt. Neben den jeweils beteiligten Musikern, dem Aufnahmestudio und dem technischen Team erfährt man etwas zur Vorgeschichte und Aufnahme des Tracks. Während ich erstere mit großem Interesse gelesen habe, sind die Absätze zur Aufnahme für mich dann doch zu detailliert: Wer wann welche Gitarre gespielt hat oder womit der Wah-Wah-Effekt erzeugt wurde dürfte doch eher für Musiker oder Toningenieure von Interesse sein als für Leser*innen wie mich, die Musik lediglich konsumieren.

Das Layout hingegen ist top - viele Fotos, kurze Hintergrundinfos, die wie Zeitungsausschnitte gestaltet sind, alles wirkt frech und unterhaltsam. Und auch so manche Geschichte rund um die Band und ihre Wegbegleiter*innen ist sehr kurzweilig, etwa die große Bedeutung des (vielen unbekannten) "sechsten Stones" Ian Stewart oder der Fast-Rausschmiss von Frontmann Mick Jagger aus der Band. Das Buch zeichnet sich durch eine Fülle an Details aus, sei es zu Coverversionen oder Hinweisen auf interessante Szenen in Videos zu den Songs.

Ein Muss für Stones-Fans, und eine Empfehlung für alle, die ein Faible für Rockmusik haben!

Bewertung vom 26.06.2022
Die hundert Jahre von Lenni und Margot
Cronin, Marianne

Die hundert Jahre von Lenni und Margot


sehr gut

Die britische Autorin Marianne Cronin ist promovierte Sprachwissenschaftlerin, und fraglos ist sie keine ausschließliche Theoretikerin, sondern weiß auch praktisch gut mit Worten umzugehen.

Doch mehr als durch die Sprache überzeugt Cronins Romandebüt, an dem sie neben ihrem Studium nahezu sieben Jahre lang schrieb, durch die ihm zugrunde liegende Idee: Zwei schwerstkranke Frauen, eine noch Teenager, die andere hochbetagt, erzählen einander ihre Leben, ausgehend von je einem Bild, das sie für jedes Ihrer Lebensjahre malen.

Die Romanfiguren sind unterschiedlich gut ausgearbeitet. Die jugendliche Protagonistin Lenni schwankt nachvollziehbar zwischen Trotz, Verzweiflung und altkluger Schnoddrigkeit. ("Ich bin nicht mutig, ich bin nur noch nicht tot.) Hingegen enttäuscht der Klinikpater sehr - er bietet den Kranken weder Trost noch Stütze, ja er scheint selbst mit seinem Glauben zu hadern. Leider erfährt man nichts über mögliche Ursachen seiner Zweifel.

Die Geschichte glänzt vor allem dann, wenn die zweite Hauptfigur, Seniorin Margot, in Rückblenden von ihrem Leben erzählt. Das ist berührend, witzig, immer wieder überraschend und lädt dazu ein, das eigene Leben zu hinterfragen. Insgesamt ist der Roman leider etwas überfrachtet, etliche Handlungsstränge sind nicht auserzählt, und ich bleibe mit der Frage zurück, wieso sie überhaupt in die Story aufgenommen wurden. Auch die Freundschaft zwischen Lenni und Margot wird kaum greifbar, den Dialogen fehlt hier echter Austausch, die Nachfrage, eine reflektierte, interessierte Reaktion auf das Gesagte.

Davon abgesehen ist Cronin ein anerkennenswerter Erstling mit Tiefgang und Humor gelungen, der auf Weiteres aus ihrer Feder hoffen lässt.

Bewertung vom 17.05.2022
111 Alltagsabenteuer, die glücklich machen
Morlock, Tatiana

111 Alltagsabenteuer, die glücklich machen


ausgezeichnet

Mal ehrlich: Wann hast du zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht? Etwas Neues entdeckt, ein Abenteuer erlebt? Wenn die Antwort "schon lange nicht mehr" lautet, dann kann ich dieses großartige Buch nur rundum empfehlen.

Es steckt voller Ideen für alltagstaugliche Mini-Abenteuer. Die Autorin stellt eine wirklich vielfältige und kreative Auswahl ungewöhnlicher Erlebnisse vor: Es gibt Sachen, die man mit Freunden oder alleine entdecken kann, Abenteuer für drinnen oder draußen, Abwechslungsreiches für den Feierabend oder längere Erlebnisse fürs Wochenende. Nicht alle vorgestellten Abenteuer machen einen gleich zum Indiana Jones, aber gerade die große Bandbreite macht Spaß, hier ist wirklich für alle etwas dabei. Wem die Wanderung im Fluss zu gefährlich erscheint, der begibt sich vielleicht auf Urban Art Tour in die nächstgelegene Großstadt, lernt einen Obdachlosen besser kennen oder erprobt seinen grünen Daumen beim Regrowing.

Die Abenteuer sind auch dadurch alltagstauglich, dass sie wenig oder nichts kosten und meist ohne große Vorbereitung umgesetzt werden können.

Das handliche Taschenbuch wurde von Anita Ortega wunderschön illustriert. Sie bildet unsere Welt so bunt und vielfältig ab, wie sie ist - schön, dass auch hier auf Diversität geachtet wurde.

Der rundum gelungene Ratgeber, vertreibt Langeweile und erweitert den Horizont - ein tolles Geschenk für Freunde, Kollegen oder für sich selbst!

Bewertung vom 17.05.2022
Inselwandern in Kroatien
Gruber, Eva

Inselwandern in Kroatien


gut

Auf den ersten Blick scheint "Inselwandern in Kroatien" ein Wanderführer wie viele andere zu sein: die Ausführung als praktische Klappenbroschur, viele Farbfotos, grundlegende Wandertipps zu Beginn, kompakt und verständlich gehalten. Danach werden je fünf Touren auf sieben kroatischen Inseln vorgestellt, darunter Bergwanderungen ins Innere des Eilands oder Touren entlang der Küste, anspruchsvolle Routen, die Trittsicherheit und gute Kondition erfordern oder gemütliche Spaziergänge, dich auch familien- und seniorentauglich sind. Tourenskizzen und übersichtliche Angaben zu Dauer, Länge, Höhenmetern u.v.m. erleichtern die Auswahl einer geeigneten Wanderung.

So weit, so gut - aber wie gesagt: Das alles kennt und erwartet man von einem Wanderratgeber. Völlig überrascht hat mich hingegen der Stil Eva Grubers. Ihre Tourbeschreibungen aus der Ich-Perspektive sind unerwartet blumig, geradezu poetisch. ("Steine ..., die wie Flammen aus der Erde zu züngeln scheinen.") Anfangs fand ich dies noch erfrischend anders, im weiteren Verlauf wird der Stil immer enthusiastischer, geradezu verzückt, und die Sprachbilder gleiten ins Schwülstige ab: Vor einer Höhle spürt sie nicht etwa einen kühlen Luftzug, sondern "den kalten Odem des Berges" und blühende Bäume stehen "im bräutlichen Blütenkleid". Das kann man mögen, mir war es etwas zu viel an Begeisterung, auch finde ich es etwas unpraktisch, wenn man den Text beim Wandern als praktische Wegbeschreibung nutzen möchte.

Einige organisatorische Hinweise fehlen auch, etwa zu Anreise, Unterkünften oder Auto- bzw. Fahrradvermietungen. Die vielen Farbfotos sind leider etwas unscharf.

Fazit: Die Tourbeschreibungen wecken die Wanderlust, als Urlaubsvorbereitung sind die enthaltenen Tipps und Informationen jedoch nicht ausreichend.

Bewertung vom 10.05.2022
Die Rebellion der Alfonsina Strada
Baldelli, Simona

Die Rebellion der Alfonsina Strada


ausgezeichnet

Lange hat mich kein Schicksal so berührt wie das der Radrennfahrerin Alfonsina Strada. Nicht nur, aber auch, weil diese großartige Romanbiografie aufzeigt, dass Alfonsina - die einzige Frau, die je den weltberühmten Giro d´Italia fuhr - zeitlebens nach Anerkennung für ihre Leistungen suchte. Es war ihr so wichtig, wahrgenommen zu werden, und ich hatte noch nie von ihr gehört. Nun hat ihr Simona Baldelli ein verdientes literarisches Denkmal gesetzt.

Die kleine Alfonsina wuchs Ende des 19. Jahrhunderts in ärmlichsten Verhältnissen in einem norditalienischen Dorf auf. Mit nur zwei Jahren Schulbildung schlug sie sich als Näherin durch, doch ihre große Leidenschaft gilt dem Rennrad. Und um diese Leidenschaft ausleben zu können, musst Alfonsina unglaubliche Hürden überwinden, Hürden, die heutzutage schier unvorstellbar sind. Eine Frau auf dem Fahrrad? Als Irre, ja sogar als Teufelin auf Rädern wurde sie verunglimpft. Doch egal, was oder wer sich ihr in den Weg stellte, Alfonsina ließ sich nicht von ihrem Traum abbringen, sie wurde eine erfolgreiche Radsportlerin. Und doch war ihr Leben von Schicksalsschlägen geprägt. Ihre beiden Ehemänner starben vor ihr; die Pflege des ersten, psychisch erkrankten, zehrte all ihre Preisgelder auf.

Der Roman ist fesselnd und berührend und er ist ein großes Lehrstück darüber, dass man nie aufgeben darf, egal welche Widrigkeiten das Leben einem in den Weg legt. Alfonsina hat keine Grenzen akzeptiert, die andere ihr setzen wollten. In dieser Hinsicht ist sie mir ein Vorbild und macht Mut.

Bewertung vom 10.05.2022
Gefundenes Fressen
Haebel, Fabio;Hrdlicka, Jan;Deharde, Olaf

Gefundenes Fressen


sehr gut

Ganz unter uns - ein wenig Effekthascherei ist beim Titel dieses edel gestalteten Kochbuchs schon im Spiel. Sicher, einige der Rezepte werden mit Wildkräutern, -beeren und Pilzen zubereitet, die man gut selbst "finden", sprich: sammeln kann. Aber die wenigsten Leserinnen dürften selbst Angeln oder auf die Jagd gehen, um so ihr "Fressen zu finden". Und selbst im Supermarkt oder beim Metzger ums Eck sind Wildschweinwurst, Gämse oder Fasan kaum erhältlich. Gut, dass das Autorentrio hier auf die Website des Deutschen Jagdverbandes verweist; dort kann der Hobbykoch nämlich regionale Wildhändler und Jägerinnen in seiner Nähe finden. Noch spezieller wird es beim - an sich sehr interessanten - Strandsammelguide: Queller oder Meersenf können Leser aus dem süddeutschen Raum wohl nur im Urlaub an der Küste sammeln.

Eine breitere Leserschaft spricht das Kapitel Vorräte und Grundrezepte an. Hier wird fermentiert, Mixed Pickles eingelegt, getrocknet und eingekocht.

Die rund 60 Essensrezepte sind nach Jahreszeiten gegliedert und werden durch zehn alkoholische Drinks ergänzt. Der Schwierigkeitsgrad der Gerichte ist überwiegend einfach, sie dürften auch Kochanfängern gut gelingen. Leider sind keine Zubereitungszeiten angegeben, das erschwert die Planung beim ersten Nachkochen etwas. Dafür überzeugen die Gerichte optisch und geschmacklich rundum.

Die Ausstattung des fadengebundenen Hardcovers ist top: ein edler Leineneinband, ein praktisches Lesebändchen und das junge, freche Layout mit tollen Fotos machen das Buch auch zum idealen Geschenk für Kochbegeisterte, vorausgesetzt sie essen Fleisch und Fisch.

Fazit: Wer ein wenig Mühe bei der Besorgung der Zutaten nicht scheut, wir mit außergewöhnlichen und sehr schmackhaften Gerichten belohnt. Nichts für die schnelle Küche, aber jede Menge Kreatives für den besonderen Anlass.

Bewertung vom 10.05.2022
Das Lächeln der Natur. Ein Lesebuch für Gartenliebhaber
Lässig, Christine

Das Lächeln der Natur. Ein Lesebuch für Gartenliebhaber


sehr gut

Klein, aber fein - diese Redewendung trifft auf dieses handliche Lesebuch zum Thema Garten rundum zu. Autorin Christine Lässig teilt ihre Ansichten zum Wachsen und Vergehen der gehegten heimischen Flora und regt so zum eigenen Nachdenken über Gärten und Gärtnerinnen an. Dabei halten sich Tiefsinniges und Humorvolles auf angenehme Weise die Waage.

Die Illustrationen von Rita Fürstenau im plakativ-naiven Stil erinnern an ein Kinderbuch und geben dem Paperback einen eigenen Charme. Interessant sind überdies zahlreiche Zitate bekannter und weniger bekannter Gartenliebhaber.

Mein einziger Kritikpunkt ist, dass das Buch sehr vom christlichen Glauben der Autorin geprägt ist und dies anhand des Klappentextes nicht unbedingt ersichtlich ist. Um die Schöpfung als Lobpreis Gottes zu sehen muss man zwar nicht unbedingt christlich sein, eine religiöse Weltanschauung ist hingegen schon erforderlich, um diese Sicht zu teilen. Daher sollte der Untertitel besser "Ein Lesebuch für gläubige Gartenliebhaber" lauten.

Bewertung vom 25.04.2022
Die Gemüsebäckerei
Wallentinson, Lina

Die Gemüsebäckerei


gut

Backen ist eine meiner großen Leidenschaften, und ich liebe Gemüse in den verschiedensten Varianten, daher klang "Die Gemüsebäckerei" nach dem perfekten Backbuch für mich.

Und meine Neugierde wurde durchaus belohnt, das Buch der schwedischen Autorin punktet mit vielen innovativen und wirklich leckeren Rezepten. Z. B. der Zucchinikuchen mit Mohn und Zitrone, fix gemacht und einfach traumhaft lecker! Auch die Bohnenmuffins mit Schokolade haben mich positiv überrascht: Pürierte Bohnen ersetzen hier das Mehl, treten geschmacklich überhaupt nicht in Erscheinung, geben den kleinen Kuchenhäppchen jedoch eine einzigartig feine Textur. Die herzhaften Backwaren überzeugen ebenfalls, sowohl geschmacklich wie auch optisch: Das (durch Spinat) grün gefärbte Baguette ist garantiert der Hingucker bei jeder Grillparty.

Doch leider kann ich das Buch nur eingeschränkt empfehlen, denn es beinhaltet einige Ungereimtheiten und sogar Fehler. Mal fehlt die Angabe, was bei getrennten Eiern mit dem Eigelb passieren soll, mal ist ein Rezept fälschlicherweise als glutenfrei gekennzeichnet, obwohl dafür Hartweizenmehl verwendet wird, das besonders viel Gluten enthält. Die Teigmasse ist oftmals viel zu wenig für die angegebene Form, so dass der fertige Kuchen bzw. das Brot viel zu flach ist.

Die Angaben zum Backvorgang sind recht knapp gehalten, meist findet sich nur Backtemperatur und -zeit, nicht aber, ob bei Ober- oder Unterhitze oder mit Heißluft und auf welcher Schiene gebacken werden soll. Versierte Bäcker*innen dürften damit gut klar kommen; Anfängern rate ich dazu, sich lieber Unterstützung zu holen.

Man merkt dem Buch seine skandinavische Herkunft an. Das ist bei der Auswahl der Rezepte erfrischend (Kuchen mit Lakritz, viel Knäckebrot), bei den verwendeten Mehlsorten vermisse ich eine Tabelle, die die in Schweden gängigen Mehle ("Weizenmehl spezial") in deutsche bzw. österreichische Typenangaben übersetzt.

Gut gefällt mir die Aufmachung mit rustikal gehaltenen, ganzseitigen Fotos und gleich zwei praktischen Registern (alphabetisch nach Rezept und nach verwendetem Gemüse). Last but not least: Durch die Fadenbindung bleibt das hochwertige Hardcover aufgeschlagen gut liegen.

Bewertung vom 21.04.2022
Engel des Todes / Paul Stainer Bd.3
Ziebula, Thomas

Engel des Todes / Paul Stainer Bd.3


ausgezeichnet

Für seinen dritten Fall muss Kriminalinspektor Paul Stainer ausgerechnet in den äußerst unruhigen Tagen des Kapp-Putsches ermitteln. Blut fließt diesmal nicht nur durch die Taten eines Serienmörders, sondern auch durch die politisch motivierten Kämpfe in den Straßen Leipzigs.

Zeitlich spielt dieser Roman also im März 1920 und knüpft somit nahezu nahtlos an den Vorgängerband an, und auch wenn seit meiner Lektüre von "Abels Auferstehung" ein gutes Jahr vergangen war, konnte ich mir die Protagonisten und Settings schnell wieder ins Gedächtnis rufen. Dabei hilft ohne Frage Ziebulas anschaulicher, detailverliebter Schreibstil - selbst den Gummibaum in Stainers Büro durfte ich erneut schmunzelnd vor meinem inneren Auge sehen.

Diesmal steht weniger die Suche nach dem Täter im Fokus, denn wer die Morde begeht, erschließt sich den Leser*innen relativ bald. Doch keine Sorge, darunter leidet die Spannung keineswegs. Denn erstens ist es dramatisch genug, mit zu fiebern wie lange der Serienmörder sein Unwesen treiben kann, bevor er endlich gefasst wird. Und zweitens ist Ziebula mit dieser Geschichte ein großartiges Psychogramm gelungen. Wie wird ein Mann zum mehrfachen Mörder, was bewegt ihn, wie denkt ein Psychopath? Diese und andere Fragen sorgen für einen hohen Spannungsbogen.

Das alles wäre schon genug für einen guten Kriminalroman, aber der Autor hat noch eine Schippe drauf gepackt: Nämlich indem er Ursachen und Verlauf des Kapp-Putsches gut verständlich schildert und dies perfekt in die Story einbettet. Die Zusammenhänge haben sich mir - fast ohne geschichtliches Vorwissen - gut erschlossen. Beeindruckt hat mich die Schilderung der Auswirkungen der Straßenkämpfe und des Generalstreiks auf die Bevölkerung. Die Erzählung hat zahlreiche Facetten, und doch fügen sich die verschiedenen Handlungsstränge am Ende zu einem stimmigen Ganzen zusammen.

Die Ausstattung ist gewohnt hochwertig, die historische Karte Leipzigs auf Vor- und Nachsatz gibt einen guten Überblick über die Sachsenmetropole.

Fazit: Ein echter Pageturner, ich bin Fan der Reihe und froh, dass der Autor bereits einen vierten Band angekündigt hat!

Bewertung vom 21.04.2022
Wu-Tang Forever
Ries, Eva

Wu-Tang Forever


sehr gut

Autorin und Musikmanagerin Eva Ries arbeitet seit 1994 für und mit dem Wu-Tang Clan. Im vorliegenden, prachtvoll ausgestatteten Bildband schildert sie unterhaltsam und kurzweilig, wie sie es - als weiße deutsche Frau - schaffte, das Vertrauen der neun Gangstarapper zu gewinnen und welche Herausforderungen das Tourleben mit den vorbestraften Jungs mit sich brachte.

Ries teilt ihr Hintergrundwissen großzügig mit den Leser*innen: Man erfährt, dass es eine FBI-Akte über den Clan gab oder dass es im Tourbus schon mal zu wildesten Sex-Orgien (ohne Eva!) kam. Aber nicht nur Ereignisse aus der Bandgeschichte, die bereits reichlich für Schlagzeilen gesorgt haben, werden beleuchtet, sondern auch der gesellschaftlich-religiöse Hintergrund der Clan-Members. So waren die in New Yorker Ghettos aufgewachsenen Hip-Hopper völlig baff, beim ersten Konzert in Europa vor WEISSEM Publikum zu spielen. Interessant ist auch die Einführung in die Lehre der "Nation of Gods and Earths", auch bekannt als "Five Percent Nation", zu deren Anhänger die Mitglieder des Wu-Tang Clan zählen. Mehr als einen kurzen Überblick samt Zahlen- und Buchstabenmystik dieser Bewegung darf man allerdings nicht erwarten. Hilfreich fürs Verständnis der Songtexte ist eine Liste mit knapp 40 Vokabeln aus dem bandinternen "Wu-Slang", und anhand der "Wu-map", einer groben Karte New York Citys mit wichtigen Stationen der Band kann man sich einen guten Überblick verschaffen.

Überhaupt ist das großartige Layout dieses hochwertigen Hardcovers ein wirkliches Highlight. Außergewöhnliche, ausdrucksstarke Fotos, verschiedene Papierqualitäten und die sehr kreative, moderne Optik laden zum Durchblättern ein. Die ausführliche Diskographie (samt Collaborations, Compilations und Soundtracks) ist sicher vor allem etwas für Fans; leider fehlen hier die Solo-Veröffentlichungen von Masta Killa.

Der Text kann nicht immer mit der erstklassigen Ausstattung mithalten. Die einzelnen Clan-Mitglieder werden zwar auf je einer Doppelseite porträtiert, dennoch bleiben sie für mich nicht greifbar. Außer RZA, dem "Kopf" der Truppe, und dem viel zu früh verstorbenen ODB könnte ich auch nach der Lektüre kaum etwas über die einzelnen Members wiedergeben. Dafür ist mir ein ganzes Kapitel im Gedächtnis geblieben, in dem die Autorin schildert, wie sie die Anschläge auf das World Trade Center 2001 erlebt hat. In einem Buch über den Wu-Tang Clan hätte ich mir stattdessen - oder zumindest auch - Informationen darüber gewünscht, wo die Members an diesem denkwürdigen Tag waren, wie sie sich gefühlt haben und welche Auswirkungen diese Katastrophe auf sie und ihre Familien hatte.

Dennoch: ein sehr lesenswertes Buch, nicht nur für WTC-Fans, sondern für alle, die etwas Einblick ins (Hip Hop-)Musikbusiness bekommen wollen.