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Circlestonesbooks.blog
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Lesebegeisterte Literaturbloggerin, https://www.circlestonesbooks.blog/

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Insgesamt 411 Bewertungen
Bewertung vom 19.11.2021
Schliemann und das Gold von Troja
Vorpahl, Frank

Schliemann und das Gold von Troja


ausgezeichnet

Ein interessantes Sachbuch, eine Biografie, spannend wie ein Abenteuerroman

„Erst aus dieser andauernden Teilnahme des Lesepublikums, das erfahren möchte, ob der Selfemademan aus Mecklenburg am Ende triumphiert oder untergeht, entsteht ein dramatischer Spannungsbogen. Und für Schliemann jene Popularität, die seinen atemberaubenden archäologischen Goldrausch im Frühjahr 1873 erst möglich macht.“ (Zitat Seite 175)

Thema und Inhalt
Am 4. Juli 1865 kommt der erfolgreiche Geschäftsmann Heinrich Schliemann, dreiundvierzig Jahre alt, nach zwanzig Monaten Weltreise nach Japan, wohin damals kaum Fremde gelangten. Die Rückreise erfolgt über New York und London, im Januar 1866 erreicht er Paris. Sein Buch über diese Reise wird in Paris verlegt, doch bleibt ein Ladenhüter. Denn 1867 beschäftigt ein völlig anderes Thema Paris: die Deutung der Ilias und die legendäre Stadt Troja, und auch Schliemann beginnt, sich mit Homer und Troja intensiv zu beschäftigen. Ein Thema, das ihn für den Rest seines Lebens nicht mehr loslassen wird. Nach mehr als einem Jahr Vorbereitung erfolgt am 9. April 1870 der erste Spatenstich in Hissarlik. Doch nicht nur die Grabungen begründeten seinen Ruhm und das öffentliche Interesse an seinen Interpretationen der Ilias und an seiner Person, sondern auch seine Berichte in insgesamt zweiundzwanzig Episoden, die er in einer Zeit verfasst, als Fortsetzungsromane in Zeitschriften sehr beliebt sind. Ob es tatsächlich die Ruinen von Troja waren, die er ausgegraben hat, bleibt ebenso ein umstrittenes, aber faszinierendes Geheimnis, wie es viele Jahre lang der Verbleib des 1945 aus Deutschland verschwundenen Goldschatzes aus Troja war, bevor bekannt wurde, dass das Gold von Troja nach Moskau gebracht worden war.

Umsetzung
Das intensive Quellenstudium, belegt durch umfassend zitierte Anmerkungen am Ende des Buches, gefolgt von einer ebenfalls umfangreichen Bibliografie, macht dieses biografische Sachbuch zu einer interessanten Lektüre auch für Lesende, dies schon viel über Schliemann und seine Suche nach Troja wissen. Der Autor schildert einerseits die Lebensgeschichte des erwachsenen Heinrich Schliemann ab dem Zeitpunkt, als auch er sich mit Homers Ilias beschäftigt und mit seiner Suche beginnt, andererseits erfahren wir auch die gegensätzlichen wissenschaftlichen Meinungen, es kommen immer wieder zustimmende und kritische Fachleute zu Wort, die über die Jahrzehnte Heinrich Schliemanns Tätigkeit, Funde und Veröffentlichungen verfolgten, teilweise mit ihm gemeinsam an den Ausgrabungen arbeiteten. Auch nach Schliemanns Tod geht die Geschichte weiter und führt direkt zum nach wie vor aktuellen Thema Beutekunst. Der Schreibstil berichtet sachlich, aber packend und lebhaft, was durch Originalzitate noch vertieft wird. Fotografien in der Buchmitte ergänzen den Text.

Fazit
Heinrich Schliemann selbst ist eine Legende, wie auch seine enthusiastische Suche nach der legendären Stadt Troja auf den Spuren Homers und seiner Helden. Dieses Sachbuch folgt seinem abenteuerlichen Leben mit Fakten, liest sich jedoch spannend wie ein Roman.

Bewertung vom 16.11.2021
Auf verlorenen Wegen
Hartung, Alexander

Auf verlorenen Wegen


ausgezeichnet

Spannung mit Inselfeeling

„Vor dem Verschwinden der Jugendlichen war der Wald ein schöner Ort gewesen, mit prachtvollen Buchen, deren Stämme weit in den Himmel zu wachsen schienen, das dichte Unterholz mit einer Vielfalt an Gräsern, Moosen und Beeren, unberührt vom Menschen.“ (Zitat Pos. 40)

Inhalt
Max Kornecker, der IT-Experte im Team von Jan Tommen, Kripo Berlin, fährt im Januar für einige Urlaubstage mit Freunden auf die Insel Rügen. Plötzlich wird deutschlandweit nach ihm gefahndet, er soll einen Raubüberfall verübt haben und die Beweislage ist eindeutig. Für Jan Tommen und sein Team ist klar, dass Max unschuldig ist. Irgendetwas stimmt hier nicht. Hängt es mit den zwei Cold Cases zusammen, die der IT-Spezialist und Hacker entdeckt hat, als ihm Escape Rooms zu langweilig wurden? Im Mai 1986 ist eine Frau verschwunden, vierzehn Tage später wurde nur ihr Arm gefunden. Im zweiten Fall geht es um vier Jugendliche, die 2002 im Wald unterwegs waren, einer wurde ermordet aufgefunden, die anderen drei sind seither spurlos verschwunden. In einem dieser beiden Max jemandem gefährlich nahe gekommen zu sein. Bis Max entlastet ist, recherchieren Jan, Zoe und Chandu heimlich auf Rügen, doch rasch ergibt sich eine offizielle Zusammenarbeit mit der Kripo Stralsund, denn es gibt aktuelle Entwicklungen.

Thema und Genre
Dieser Thriller spielt auf der Insel Rügen und es geht um bisher ungelöste Fälle, die plötzlich mit neuen Fakten und Ereignissen in der Gegenwart wieder aktuell werden.

Charaktere
Hier ermittelt ein spezielles Team, sehr unterschiedliche, schräge Charaktere mit jeweils anderen Stärken und Fähigkeiten, eigenwillig, schräg, unkonventionell. Es sind interessante, sympathische Figuren.

Handlung und Schreibstil
Die Handlung spielt in der Gegenwart auf der Insel Rügen. Die Ereignisse werden chronologisch erzählt, fehlende Details aus der Vergangenheit ergeben sich durch die Gespräche mit Beteiligten während der Ermittlungen. Die Sprache passt zum Genre, sie ist packend, nimmt sich jedoch Zeit für die Beschreibung des Umfeldes und der Örtlichkeiten auf der schönen Ostseeinsel Rügen. Die Detailgenauigkeit zeigt die hervorragende Ortskenntnis und Recherchen des Autors, was besonders Lesende wie mich, die selbst auf dieser Insel leben, freut, denn dies ist nicht bei allen Büchern mit Regionalbezug zu Rügen der Fall. In den Dialogen und Schilderungen kommt auch der Humor nicht zu kurz, was die Handlung auflockert, aber den Spannungsbogen mit einigen überraschenden Wendungen nicht unterbricht. Auch dieser achte Band der Serie ist in sich abgeschlossen und kann auch als Einstieg in die Jan-Tommen-Serie gelesen werden.

Fazit
Ein sympathisches Team von eigenwilligen Spezialisten, spannende Cold Cases, die plötzlich nicht mehr „cold“, sondern sehr aktuell sind, interessante Recherchen, dazu Ostsee- und Inselfeeling – perfekt für packende, unterhaltsame Lesestunden.

Bewertung vom 10.11.2021
Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


ausgezeichnet

Arbeitsmigration - ein nachdenklicher Familienroman

„Du verstehst deine Mutter nicht, weil sie dir erlaubt hat, eine andere Frau zu werden.“ (Zitat Seite 276)

Inhalt
Manuel wächst in Rădeni auf, einem rumänischen Dorf nahe der Grenze zu Moldawien. Er ist zwölf Jahre alt, als er eines Morgens erwacht und seine Mutter ist weg. Heimlich hat Daniela die Familie verlassen und ist jetzt auf dem Weg nach Italien, wo sie in Mailand eine Stelle als private Pflegerin angenommen hat. Zurück bleiben Manuel, seine acht Jahre ältere Schwester Angelica und sein arbeitsloser Vater. Angelica muss sich, gemeinsam mit den Großeltern, um die Familie kümmern. Daniela will mit dem Geld, das sie verdient, ihren beiden Kindern eine gute Ausbildung und damit eine bessere Zukunft finanzieren. Besonders Manuel leidet unter dieser Situation, die immer kürzer werdenden Besuche der Mutter, die doch wieder wegfährt. Dann stirbt Opa Mihai, sein einziger Halt. Es gibt Tage, da läuft es für Manuel besser, dieser eine Tag war vom Aufwachen an keiner dieser guten Tage.

Thema und Genre
Dieser Roman handelt von den Migrantinnen, die ihre Familien verlassen, um im Ausland als billige Arbeitskräfte tätig zu sein, meistens als Haushaltshilfen und im privaten Pflegebereich. Es geht um diese Mütter, doch vor allem geht es um das Leben der zurückgelassenen Kinder und Jugendlichen, in ihren Heimatländern „Eurowaisen“ genannt.

Charaktere
Daniela will ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten und ist enttäuscht, dass vor allem Manuel ihr Opfer nicht zu schätzen weiß, er fühlt sich von ihr im Stich gelassen, verraten. Manuel würde viel lieber die Landwirtschaftsschule besuchen, als das Gymnasium, das seine Mutter mit ihrer Arbeit in Italien finanziert. Angelica studiert, muss durch den Weggang der Mutter aber die Verantwortung für den Haushalt und den jüngeren Bruder übernehmen, was sie zornig macht und überfordert.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte wird in drei Abschnitten von jeweils einer der Hauptpersonen als Ich-Erzähler, teilweise rückblickend, geschildert. „Außerdem gibt es keine gemeinsamen Erinnerungen, jeder hat seine eigene und macht aus ihr, was er will.“ (Zitat Seite 230) Im ersten Teil beschreibt Manuel diese Jahre, beginnend mit dem Morgen, an dem seine Mutter ohne ein Wort abgereist ist. „Im Leben geht es nur darum, einander nah zu sein, wie bei den Kaninchen im Stall, wenn’s draußen friert.“ (Zitat Seite 30) Das denkt der junge Manuel, wünscht sich die Mutter zurück und ist ihr absolut nicht dankbar. Im zweiten Teil erzählt Daniela, die Mutter, von ihrer Arbeit als Pflegerin und Kindermädchen, von den Menschen, die sie in Mailand betreut hat, von ihrem Alltag und den Lebensumständen während dieser Zeit. Sie ist überzeugt, das Richtige getan zu haben, als sie, zu Hause arbeitslos geworden, ins Ausland arbeiten ging. Dieser zweite Teil verbindet die vergangenen Jahre mit der Gegenwart. Im dritten Teil erzählt die Tochter Angelica die Geschichte in der Gegenwart weiter, es ist zugleich auch ihre Geschichte. In diesem letzten Abschnitt geht es auch um die Frage, ob diese Familie noch einmal zusammenfinden kann. Die Sprache ist leise, klar und einfühlsam.

Fazit
Die Geschichte einer Familie, die plötzlich Tausende von Kilometern voneinander entfernt ist, weil die Mutter das abgelegene rumänische Dorf verlässt, überzeugt, keine andere Wahl zu haben. Dieser Roman beleuchtet vor allem die andere Seite, was macht diese Situation mit der Familie, mit den heranwachsenden Kindern, die in der Heimat zurückbleiben. Die Intention des Autors ist es, auf die Situation aufmerksam zu machen. Diese Geschichte verurteilt nicht, aber sie wirft viele Fragen auf, die zum Nachdenken anregen.

Bewertung vom 05.11.2021
Martin Hais - Generation Z (eBook, ePUB)
Kornblum, Dennis

Martin Hais - Generation Z (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Genre-Übergreifend, interessant und vielschichtig

„Heute, eine Woche später, war es so weit; endlich würde er ein Statement abgeben. Oft hatte er davon geträumt, in den letzten fünfzehn Jahren hatte er es sich unzählige Male ausgemalt.“ (Zitat Seite 12)

Inhalt
Generation Z, kurz “Z“ genannt, ist ein besonders bei Jugendlichen beliebter Club im Schäbenauer Stadtbezirk Quarrenberg, denn hier sieht man es mit den Alters- und auch anderen Kontrollen nicht so eng. Jetzt, am frühen Morgen, macht sich eine Gruppe auf den Heimweg Richtung U-Bahn, als vor ihnen eine maskierte Figur in einem weißen Schutzanzug auftaucht. Sie lachen, doch nur kurz, den Sekunden später sind die drei Jungen und das Mädchen tot, kaltblütig erschossen. Damit beginnt in dem bisher friedlichen Stadtbezirk Quarrenberg eine Mordserie an Jugendlichen. Die Polizei sucht fieberhaft nach dem oder den Tätern im Drogenmilieu. Die Zettel mit eigenartigen Zitaten, die am jeweiligen Tatort gefunden werden, nehmen sie, im Gegensatz zu Martin Hais, 47 Jahre alt, Psychologe und Fachlektor für Psychologie, nicht ernst. Denn er kennt diese Zitate. Nur die toughe Ina Ruiz, Inhaberin eines Kiosks, glaubt ihm, denn sie und ihre Tochter haben den letzten Anschlag überlebt. Nun muss sie Martin davon überzeugen, gemeinsam weiter zu ermitteln, was aus vielen Gründen ein Problem ist, denn Martin Hais führt ein sehr zurückgezogenes Leben, die Jagd auf Serienmörder, noch dazu in Begleitung einer lebhaften, sehr attraktiven Frau, passt absolut nicht in seinen präzise geordneten Tagesablauf.

Thema und Genre
In diesem psychologischen Thriller stehen nicht die Taten im Mittelpunkt, sondern es geht um die Auslöser, Erfahrungen und vielschichtigen Hintergründe, die Menschen zu Tätern machen können. Gleichzeitig erhalten wir Einblicke in den Alltag von Menschen mit Asperger-Autismus.

Charaktere
Martin Hais hat Psychologie und Germanistik studiert und arbeitet selbstständig als Fachlektor für Psychologie. Siebenundvierzig Jahre alt, hat er sein Leben als Asperger-Autist nach seinen Bedürfnissen eingerichtet. Soziale Interaktionen müssen genau geplant werden, plötzliche Veränderungen sind ein Problem.

Handlung und Schreibstil
Die Geschichte wird chronologisch erzählt und die personale Erzählform stellt abwechselnd die Hauptfiguren in den Mittelpunkt, wobei der Schwerpunkt im gesamten Handlungsverlauf auf Martin Hais liegt. Die genauen Schilderungen, die sich durch seine besonderen Wahrnehmungen, Beobachtungen und klar strukturierten Tagesabläufe ergeben, ergänzen den spannenden Handlungsbogen, ohne ihn zu unterbrechen. Die Gewalttaten sind aus Sicht und Gedanken der Tatperson beschrieben, präzise Momentaufnahmen. Auch hier geht es um die Gefühle, die in diesen Situationen entstehen, auf allzu blutige Details wird verzichtet. Im Laufe der Ereignisse wird aus Vermutungen Gewissheit, doch die Handlung bleibt weiterhin spannend, logisch und nachvollziehbar. Dies liegt auch an den komplexen und sehr breit gefächerten psychologischen Themen, die immer präsent sind.

Fazit
Ein psychologischer Thriller mit interessanten, unterschiedlichen Protagonisten, bei dem es um Serienmorde und deren Verhinderung geht, vor allem jedoch um die vielschichtigen menschlichen Beweggründe und Themen wie Ausgrenzung, Vorurteile, aber auch Freundschaft, Beziehung, Liebe.

Bewertung vom 31.10.2021
Der Zauberer
Tóibín, Colm

Der Zauberer


ausgezeichnet

Ein großartiger Künstler- und Familienroman

„Es gab zwei Männer, zu denen er nicht geworden war, und wenn es ihm gelänge, ihren jeweiligen Geist auf glaubhafte Weise zu beschwören, ließe sich ein Roman aus ihnen machten. (Zitat Seite 426)

Inhalt
Thomas Mann lebt schon als Heranwachsender tiefer in seiner eigenen Traumwelt und in seinen Phantasien, als sein Bruder Heinrich. Doch er zeigt es im Gegensatz zu Heinrich nicht. Nach dem frühen Tod des Vaters wird Heinrich als Ältester finanziell abgesichert und er kann sich dem Schreiben als Beruf widmen. Auch Thomas schreibt seit Jahren eigene Texte und will Schriftsteller werden, die Lehrstelle, die er auf Weisung seiner beiden Vormunde antreten muss, verlässt er bald wieder. Er ist erst einundzwanzig Jahre alt, als er beginnt, einen Roman über den Niedergang einer angesehenen Kaufmannsfamilie zu schreiben: Buddenbrooks. Anfang 1901 wird das Werk veröffentlicht. Das Schreiben wird immer einen wichtigen Stellenwert in seinem Leben einnehmen. Der Zauberer, diesen Namen findet seine Tochter Erika für ihn und das bleibt er auch für seine erwachsenen Kinder: ein Zauberer, oft unerreichbar in seiner Welt der Phantasie, zwischen Realität und Romanfiguren, neuen Ideen, Politik und Alltag.

Thema und Genre
Ein Künstlerroman, in dessen Mittelpunkt das Leben und die Werke des berühmten Schriftstellers Thomas Mann stehen und zugleich ein Roman der eigenwilligen, bekannten Mitglieder der Familie Mann. Sein Bruder Heinrich und vier seiner sechs Kinder sind ebenfalls Schriftsteller.

Charaktere
Thomas Mann, der Zauberer, der Zögerer, er geht oft den vorsichtigen Weg. Seine Tätigkeit als Schriftsteller übt er immer sehr ernst und diszipliniert aus, seine Stoffe formt er aus eigenen Erlebnissen und Gegebenheiten, auch seine Figuren entnimmt er der Realität. Für das Familienleben, für die Kinder ist seine Frau Katia zuständig, die auch dafür sorgt, dass er in seinem Arbeitszimmer die Ruhe hat, die er zum Schreiben braucht. Andererseits kümmert sich Thomas Mann immer um das Wohlergehen der Familie, er sorgt dafür, das die gesamte Familie emigrieren kann und sie alle sind auch im Exil aktiv.

Handlung und Schreibstil
Der Autor schildert das Leben von Thomas Mann in chronologischen Etappen, er stellt ihn in den Mittelpunkt dieses Künstlerromans. Doch dieser Roman ist auch ein Familienroman, ein Generationenroman, denn das Leben dieser berühmten Künstlerfamilie ist kein Einzelbild, sondern die Summe von eigenwilligen und kreativen Künstlern. So zieht sich auch seine Beziehung zu seinem Bruder Heinrich durch den Roman, die unterschiedlichen politischen Ansichten, der künstlerische Wettstreit der beiden Schriftsteller. Jedes der eigenwilligen, kreativen, oft auch schriftstellerisch tätigen Kinder Thomas Manns erhält mit der eigenen Lebensgeschichte einen entsprechenden Anteil an diesem Roman. Thomas Mann hat immer Tagebücher geschrieben, wo er besonders die Ideen und Hintergründe, das Entstehen seiner Romane genau notiert und so fließt vieles davon in die Handlung ein. Einfühlsam nähert sich der Autor dem Künstler, Familienvater und Menschen Thomas Mann, er erzählt, aber er wertet nicht. So entsteht ein auch sprachlich überzeugendes, lebendiges Bild der berühmten Familie.

Fazit
Ein Künstlerroman, der auch ein Familienroman ist. Colm Tóibín ist ein interessanter, packender, aber auch leiser, einfühlsamer Roman über diese prägende, berühmte Familie in einer Zeit der Umstürze und Kriege, zwischen Politik, Exil, Träumen, Hoffnung, Beziehungen, Aufbruch und Schicksal gelungen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2021
Gesammelte Werke
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


ausgezeichnet

Großartiges Lesevergnügen

„Das Leben führt einen von einer Weggabelung zur nächsten, und an jeder wählt man zwangsläufig eine Richtung. Man kann sich nie nicht entscheiden. Da auch das Nicht-Entscheiden eine Entscheidung ist.“ (Zitat Seite 768)

Inhalt
Cecilia Berg ist vierundzwanzig Jahre alt, als ihre Tochter Rakel zur Welt kommt, einunddreißig bei der Geburt von Sohn Elis. Dreiunddreißig Jahre ist sie alt, als sie im April 1997 ihre Doktorarbeit erfolgreich abschließt. Etwa zwei Wochen später, an einem Samstagmorgen, wecken die Kinder ihren Vater, Martin Berg, und fragen, wo die Mama sei. Auf ihrem leer geräumten Schreibtisch findet er einen Brief, in dem sie ihm mitteilt, dass sie ihre Familie verlassen hat. Inzwischen sind fünfzehn Jahre vergangen, der Göteborger Verlag Berg & Andrén bereitet die Fünfundzwanzigjahrfeier vor, der Verleger Martin Berg selbst wird demnächst fünfzig Jahre alt, trägt weiterhin seinen Ehering, doch Cecilia ist noch immer verschwunden. Eine deutsche Lektorin empfiehlt Martin den Roman „Ein Jahr der Liebe“, er solle ihn sich ansehen und überlegen, ob er die schwedische Übersetzung nicht in seinem Verlag herausbringen wolle. Martin bittet seine Tochter Rakel, die nach ihrer Studienzeit in Berlin sehr gut Deutsch spricht, den Roman zu lesen und ihm ihre Meinung dazu zu sagen. Rakel hat, obwohl sie sich für ein Psychologiestudium entschieden hat, eine große Begabung für Literatur und Sprachen. Zuerst desinteressiert, beginnt Rakel dann doch, das Buch zu lesen und plötzlich verändert sich ihr ganzes Leben.

Thema und Genre
In diesem Roman geht es um Literatur, Malerei, Künstlerleben, den Schreibprozess, Schriftsteller, um lebenslange Freundschaften, um Beziehungen, Familie und Liebe.

Charaktere
Martin Berg ist Verleger und der Wunsch, selbst ein Buch zu schreiben, zieht sich in Form von zahlreichen Entwürfen, Texten und Notizen dazu durch sein bisheriges Leben. Rakel studiert Psychologie und ihr Leben ist vom Verschwinden ihrer Mutter geprägt und der Frage nach dem Warum. Gustav Becker ist Martins bester Freund und Vertrauter seit Studienzeiten, Patenonkel von Rakel, doch ihre Lebenswege verlaufen seit Jahren völlig unterschiedlich. Gustav Becker ist ein erfolgreicher Maler und ein Künstler mit einem exzentrischen Lebenswandel.

Handlung und Schreibstil
Dieser Roman umfasst mehrere, abwechselnd erzählte Geschichten: die intensiv gelebte Studienzeit des jungen Martin Berg in der Künstlerszene der 1980er Jahre in Göteborg und Paris, zusammen mit seinen Freunden Gustav Becker und Per Andrén, mit dem er später den Verlag gegründet hat, die Zeit seiner Ehe und seine Versuche als Schriftsteller, sowie seine arbeitsintensive Tätigkeit als Verleger, die brillante, ehrgeizige Cecilia Berg als Studentin, junge Ehefrau und Mutter, der Verleger Martin Berg in der aktuellen Zeit, kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag und dem fünfundzwanzigjährigen Verlagsjubiläum, seine nun erwachsene Tochter Rakel, ihre Kindheitserinnerungen, ihr Leben als Studentin und die aktuellen Ereignisse. Innerhalb der einzelnen Erzählstränge erfolgen die Ereignisse nicht immer chronologisch, ergänzt werden sie durch Erinnerungen. Unvorhersehbare Wendungen, welche manche Ereignisse aus neuen Blickwinkeln zeigen, uns beim Lesen über mögliche Hintergründe nachdenken lassen, ergeben den packenden Spannungsbogen.
Die auch sprachlich überzeugend erzählte Handlung ist in drei übergeordnete Teile gegliedert und insgesamt siebenundvierzig fortlaufende Kapitel. Der zweite Teil ist nochmals unterteilt. Verbunden werden die einzelnen Kapitel durch Auszüge aus dem Interview, einem Gespräch, das Martin Becker aus Anlass des Verlagsjubiläums mit dem Svensk Bokhandel führt.

Fazit
874 Seite erzählen vom Leben von Martin Berg, von seiner großen Liebe Cecilia, von den gemeinsamen Kindern Rakel und Elis, von seinem besten Freund, dem bekannten Maler Gustav Becker: 874 Seiten, in die man eintaucht, gebannt versinkt, um irgendwann wiede

Bewertung vom 14.10.2021
So war's eben
Tergit, Gabriele

So war's eben


ausgezeichnet

Eindrücklicher Roman einer Zeitzeugin

„Der Bürger erlebte den Zusammenbruch seiner Ideale, Besitz und Bildung, und fand im Felde seinen Kameraden, den Arbeiter. Das Nationale löste sich aus seiner Verflechtung mit dem Kapitalismus, der Sozialismus entschied sich für die nationale Idee.“ (Zitat Seite 346)

Inhalt
Sie treffen einander zum Damentee, die Frauen der jüdischen Familien, die im Zentrum dieses Generationenromans stehen. Ende der 1890 Jahre sind dies die Gastgeberin Franziska Stern, geborene Kollmann, Roserl, die Frau von Amtsrichter Julius Mayer, Sabine Gutmann, die Schwester des Amtsrichters, Adelina Markus, die Frau des Fabrikanten Manfred Markus. Immer wieder treffen sie einander in diesen Jahren, später sind es ihre Kinder und Enkelkinder. Ihre Schicksale und Beziehungen verbinden sich mit weiteren Familien und Personen, mit der reichen Familie Jacoby und der Bankiersfamilie Beer, aber auch mit der Familie v. Rumke, die zur militärischen deutschen Oberschicht gehört, und mit überzeugten Kommunisten, Künstlern und Journalisten. Am 30. Januar 1933 treffen sie alle nochmals bei einer Wohnungseinweihungsfeier zusammen, dann trennen sich ihre Wege. Mehr als zwanzig Jahre später besucht Grete Jacoby, geborene Mayer, die nun in London lebt, die früheren Freunde und Bekannten in New York, nun ein sehr kleiner Kreis von Menschen, die überlebt haben. „ … und langsam würde dieser Kinderkreis von fünf Menschen aufhören.“ (Zitat Seite 558)

Thema und Genre
Dieser Generationenroman ist ein authentisches Zeitbild der Geschichte Deutschlands zwischen 1890 und den fünfziger Jahren, erzählt durch das Leben und Schicksal der Menschen, die damals gelebt haben.

Charaktere
Es sind die Personen mit ihren Eigenheiten, ihrer Zugehörigkeit, ihrer Erziehung, Tradition, Gefühlen, Träumen und Schicksalen, deren Geschichte erzählt wird, ihr Alltag in diesen für immer die Geschichte prägenden Jahren Deutschlands. Eine der wichtigsten Romanfiguren, Grete Jacoby, ist autobiografisch geprägt.

Handlung und Schreibstil
Die Handlung ist in fünf Abschnitte eingeteilt, die der Chronologie der geschichtlichen Abläufe entsprechen: Kaiserreich, Krieg, Weimarer Republik, Drittes Reich, Nachkrieg. Die Ereignisse werden nicht erzählt, sondern in langen Gesprächen zwischen den vielen unterschiedlichen Personen der Handlung geschildert. Ergänzt werden diese politischen, gesellschaftskritischen und tagesaktuellen Dialoge durch ausführliche Beschreibungen des Lebensumfeldes, des alltäglichen Lebens der verschiedenen Gesellschaftsschichten in einer Zeit der Kriege, politischen Umstürze, der Wohnungsnot, der Arbeitslosigkeit, des Hungers, der Verfolgung. Hilfreich ist die Aufstellung aller Personen als entnehmbare Liste in Form eines Lesezeichens, denn es sind insgesamt über siebzig Personen, die einander bei unterschiedlichen Ereignissen treffen bzw. familiär verbunden sind. Die Sprache der auktorialen Erzählform entspricht der Zeit, in der dieser Roman geschrieben wurde. Verlegt wurde nun die ursprüngliche, ungekürzte Fassung, wodurch der Text mit den langen Dialogen und sich wiederholenden Schilderungen der persönlichen Lebens- und Wohnumstände manchmal etwas langatmig wirkt. Andererseits ergibt sich gerade daraus ein lebendiges Bild dieser Zeit, lässt uns nachempfinden, wie es damals eben war.

Fazit
Dieses Buch ist ein umfassendes Zeitbild, geschrieben als Generationenroman, in dessen Mittelpunkt Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stehen und ihr Leben in Deutschland in den Jahren zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.

Bewertung vom 11.10.2021
Der Silberfuchs meiner Mutter
Hotschnig, Alois

Der Silberfuchs meiner Mutter


sehr gut

Ein Monolog über die Lücken im eigenen Leben

„Unsere gemeinsame Welt war aus ihrem Koffer gekommen, aus einem Buch und aus einer Geschichte über eine Mutter und ihren verlorenen Sohn. Diese Welt war von nun an unser Versteck, und eine ganze Welt als Versteck, das war schon nicht nichts.“ (Zitat Pos. 220)

Inhalt
Gerd Hörvold ist Norwegerin, verlobt mit dem deutschen Soldaten Anton Halbleben. Als sie schwanger wird, ist sie in ihrer Heimat nicht mehr sicher, sie ist die Nazi-Hure und muss Norwegen verlassen. Über Oslo und Berlin kommt sie nach Hohenems, wo sich Antons Familie um sie kümmern soll, so lange er noch im Krieg ist. Doch auch die Menschen hier lehnen sie ab, Anton behauptet, das Kind sein von einem unbekannten Russen und verbietet sich jeden Kontakt. Ende 1942 kommt ihr Sohn Heinz zur Welt, es folgen Kinderheim und Pflegefamilie. 1946 findet die Mutter Heinz durch das Rote Kreuz und sie ziehen nach Lustenau, immer wieder gibt es Unterbrüche durch die Epilepsie seiner Mutter. Die Frage, was damals wirklich geschehen ist, lässt Heinz nicht los, immer wieder begibt er sich auf der Suche nach Antworten auf die Frage, wer er wirklich ist, während er im Leben immer wieder ein eine neue Rolle gleitet. Als Kind und Jugendlicher flieht er in die Geschichten, die er selbst erfindet, später auf der Theaterbühne und im Film als Schauspieler.

Thema und Genre
Dieser Roman erzählt die Suche nach der Wahrheit über die eigenen Wurzeln, über die Geschichte seiner Mutter und die Frage, warum sein Vater und dessen Familie seine Mutter und ihn plötzlich ablehnen. Es geht um das Aufwachsen im ländlichen, engen Vorarlberg nach dem Krieg, um Armut und Vorurteile, um das beharrliche Schweigen einer Generation. Diese Geschichte handelt von den vielen möglichen Varianten von Erinnerung und Wahrheit.

Charaktere
Um von den Menschen, die ihn umgeben, Ruhe zu haben, hat Heinz schon früh gelernt, sich selbst als Rolle zu spielen.

Handlung und Schreibstil
Dieser Roman ist der Monolog eines nun alten Ich-Erzählers, seine Erinnerung in Verbindung mit den Erinnerungen anderer, die sie ihm erzählt haben. Es ist die Geschichte seiner Mutter und zugleich die Geschichte seines eigenen Lebens. Dies verbindet sich mit seinen Gedanken, Gefühlen, den Fragen, die er sich immer wieder stellt, warum er von seinem Vater und dessen Familie plötzlich verleugnet wurde. Seine Erfahrungen vernetzt er später mit den Rollen, die er im Theater und im Film spielt. Es sind harte, raue Bedingungen, unter denen er aufwächst und so ist es auch ein harter, rauer Text, in dem die schönen Erinnerungen und glücklichen Momente rasch von der Realität des Alltags überdeckt werden. Daran ändert sich für mich auch nichts, als gegen Ende noch ein Schwenk in eine mögliche, zweite Variante auftaucht, denn dies bleibt ein Fragment, lose Enden, offene Fragen zwischen Schein und Wirklichkeit. Auch die Sprache ist eine direkte und raue Umgangssprache, manchmal ausufernd, langatmig, wenn das erzählende Ich in den eigenen Gedanken und Geschichten versinkt.

Fazit
Die als Monolog geschilderte Suche nach der Wahrheit im Leben des 1942 geborenen Ich-Erzählers Heinz Fritz und seiner norwegischen Mutter Gerd. Eine tragische, harte Geschichte eines Lebens voller Lücken, die sich von Heinz trotz seiner intensiven Fragen nicht füllen lassen.

Bewertung vom 11.10.2021
Spook Street / Jackson Lamb Bd.4
Herron, Mick

Spook Street / Jackson Lamb Bd.4


ausgezeichnet

Ein spannender Spionagethriller mit britischem Humor

„Du meinst, er hat sich Sorgen gemacht, der Park hätte eine … wie war gleich der Ausdruck, den ich dafür mal gehört habe, eine ‚erweiterte Ruhestandsregelung‘?“ (Zitat Seite 141)

Inhalt
Was an einem sonnigen Januartag in London als fröhlicher Flashmob von Teenagern beginnt, endet in Chaos, Tod und Trauer, als die Bombe hochgeht. Auch die Slow Horses, die Lahmen Gäule von Jackson Lamb, Mitglieder des Geheimdienstes MI5 im geheimdienstlichen Abseits, die ihre Büros in Slough House haben, beginnen zu ermitteln. Doch River Cartwright hat noch weitere Sorgen. Es geht um die Frage, was eigentlich passiert, wenn ein ehemaliges führendes Mitglied eines Geheimdienstes alt wird und damit vergesslich und zunehmend verwirrt. Ist sein Großvater David Cartwright, ehemals die mächtige Nummer Zwei im britischen Geheimdienst, noch in der Lage, alle seine Geheimnisse zu bewahren, oder erzählt er bald jedem seine Lebensgeschichte? Wie wird der Service mit dieser Situation umgehen?

Thema und Genre
In diesem spannenden Spionagethriller geht es um Geheimdienste, Intrigen, Geheimnisse und Entscheidungen, die in der lange zurückliegenden Vergangenheit getroffen wurden und deren Auswirkungen nun die Gegenwart beherrschen.

Charaktere
Die Slow Horses sind ein Team aus sehr speziellen Einzelkämpfern, wobei das Wort Team meistens nicht zutrifft, schon gar nicht auf den schwierigen, exzentrischen Jackson Lamb, der diese Gruppe leitet. Doch wenn Gefahr droht, wird auch er aktiv und zieht die Fäden seiner weitreichenden Verbindungen im Hintergrund. Wer Jackson Lamb und die Slow Horses unterschätzt, macht einen großen Fehler und wer denkt, sie aufhalten zu können, ebenfalls.

Handlung und Schreibstil
Auch dieser vierte Band aus der Serie um Jackson Lamb und seine Slow Horses ist eine abgeschlossene Geschichte. Diesmal stellen die gluckernden Rohre der alten Heizung am Beginn der Handlung alle Mitglieder des Teams und auch die Neuzugänge im Slough House vor und durch diese originelle Art der Vorstellung erhält man alle notwendigen Informationen. Nach dem tödlichen Anschlag im Shoppingcenter Westacres recherchieren auch die Slow Horses intensiv und ehrgeizig, suchen nach der Herkunft und den Motiven für die Tat des Selbstmordattentäters. Doch es gibt einen zweiten Fall mit Ereignissen, die parallel verlaufen und abwechselnd geschildert werden, was die Geschichte zu einem sehr spannenden Pageturner macht.

Fazit
Ein packender, vielschichtiger Spionageroman. Action, elegant-fiese Intrigen, überraschende Wendungen, Humor, großartige Figuren und ebensolche Dialoge und Szenen garantieren spannende Lesestunden.