Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lesendes Federvieh
Wohnort: 
München
Über mich: 
Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 22.03.2021
Adas Raum
Otoo, Sharon Dodua

Adas Raum


ausgezeichnet

Sharon Dodua Otoo ist mit ihrem Debüt eine literarisch ganz spezielle, außergewöhnliche Lektüre gelungen. Nach den ersten Seiten war ich mir nicht sicher, ob mir dieser Stil gefallen würde. Doch ohne es gleich zu bemerken, war ich von dieser Art des Erzählens doch gepackt.

"Adas Raum" ist ein Buch, das man nicht so leicht konsumieren kann, man muss sich Zeit nehmen, um alle Feinheiten dieser Geschichte zu entdecken. Es ist eine mitreißende, intelligente, bewegende und in einigen Passagen humorvolle, jedoch auch rätselhafte Erzählung. Sie besteht aus unterschiedlichen Teilen, die gekonnt miteinander verbunden sind. Die ersten Schleifen spielen an drei Orten in der Vergangenheit, die zusammen in einer Person, Ada, vereint sind. Es sind Zeiten großer Umbrüche in der Geschichte: Kolonialismus, Industrialisierung und Nationalsozialismus. In den nächsten Schleifen, die in der Gegenwart spielen, erlebt man mit Ada, wie Diskriminierung immer noch funktioniert und was es bedeutet im Heute eine Frau zu sein.

Generell geht es im Buch um die Beziehung zwischen Menschen und der Gesellschaft, es geht um Frauen in verschiedenen Epochen, um Frauen, die gegen heftige Widerstände kämpfen müssen, sowohl in der Vergangenheit als auch in unserer heutigen Zeit. Und um Rassismus, der bis jetzt leider immer noch präsent ist.

Aus all diesen wichtigen und spannenden Themen formt die Autorin mit modernen, unkonventionellen und vielschichtigen Bausteinen Räume, die in ihrer Gesamtheit ein für mich beeindruckendes Leseerlebnis bieten. So lässt sie Gegenstände als Erzähler auftreten, ein Besen aus Palmwedel in Afrika, ein Löwenkopftürklopfer in England, ein Raum im KZ und schließlich in Berlin als britischer Reisepass. Alles Dinge, die sehr mitteilsam sind, die ihre Meinung und Gedanken ohne Umschweife formulieren. Sprachgewaltig, einfallsreich und faszinierend geschrieben, gibt es somit immer wieder Neues zu entdecken, sei es auf sprachlicher Ebene oder im Aufbau des Buches.

Dieses Buch war nach der letzten Seite für mich nicht zu Ende, denn es bleibt noch lange im Gedächtnis haften und bietet viel Stoff, um über unsere Gesellschaft im Allgemeinen zu diskutieren. Wer Freude an spielerischer und experimenteller Fabulierkunst verspürt, dem lege ich "Adas Raum" ans Herz.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.03.2021
Erdbeerversprechen / Kalifornische Träume Bd.4
Inusa, Manuela

Erdbeerversprechen / Kalifornische Träume Bd.4


ausgezeichnet

Bisher konnten mich alle drei Romane aus der "Kalifornische Träume"-Reihe begeistern. Deshalb war ich auf den neuesten Band "Erdbeerversprechen" schon sehr neugierig. Aber nicht umsonst ist Manuela Inusa eine meiner Lieblingsautorinnen, denn auch diese Geschichte hat mich wieder von der ersten Seite an fasziniert. Mit ihrem lockeren, angenehmen Schreibstil nimmt sie ihre Leser direkt mit auf die Erdbeerfarm im sonnigen Kalifornien zu ihren liebevoll und authentisch ausgearbeiteten Charakteren. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, ich kenne sie alle.

Diesmal hat sie sich das nicht einfache Thema Trauer ausgesucht. Mit ihrer einfühlsamen Art zu erzählen und ihrem feinen Gespür Stimmungen und Gefühle einzufangen, nimmt sie dem Ganzen die Schwere. Es ist berührend zu lesen, wie unterschiedlich Menschen mit Trauer umgehen. Vor allem wie unterschiedlich junge Menschen auf solch eine Ausnahmesituation reagieren. Manuela Inusa zeigt dies absolut beeindruckend durch die beiden jungen Mädchen Jane und Sam. Die eine verbirgt ihren Kummer unter Kratzbürstigkeit, die andere lächelt alles weg. Die Entwicklung gerade dieser beiden Figuren mitzuerleben, wie sie aus dem Dunkeln ins Licht treten und dem Neuen eine Chance geben, hat mir sehr gut gefallen.

Ich finde, dieses Buch ist ein richtiger Mutmacher, der zeigt, geduldig zu sein und immer nach vorne zu blicken. Es hat mir große Freude bereitet diese lebensbejahende, kurzweilige Geschichte zu lesen.

Bewertung vom 20.03.2021
Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019
Evaristo, Bernardine

Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019


ausgezeichnet

Welch beeindruckendes Buch! Bernardine Evaristo trifft genau den Zeitgeist, aktueller könnte ihr Themenspektrum nicht sein. Mühelos schafft sie es alle wichtigen Aspekte, wie Herkunft, Rassismus, Feminismus, Geschlechtsidentität und vieles mehr unterhaltsam zu Papier zu bringen.
Sie sieht genau hin, schreibt pointiert und schonungslos offen über Dinge, die ins Rampenlicht gehören. Über Dinge, die es wert sind, dass verkrustete Gedanken und Verhaltensweisen aufgeweicht werden.

Auf unglaublich lockere Art erzählt sie aus dem Leben von zwölf schwarzen Frauen und nimmt den Leser mit ins multikulturelle London. Geschickt verbindet sie die Lebensgeschichten dieser so unterschiedlichen Frauen zu einem großartigen Gesellschaftsportät. Hierbei gibt sie jedem Lebensentwurf ausreichend Raum, um präzise und detailliert in die jeweilige Situation der Frauen einzutauchen. Sie erzählt dabei so flott, manchmal geradezu flapsig, wodurch sich eine Lebendigkeit entwickelt, die niemals auch nur den Hauch von Langeweile aufkommen lässt.

Gerade ihr unkonventioneller Schreibstil und ganz besonders ihr Mut auf Punktsetzung komplett zu verzichten, lässt die Erzählung so flott und flüssig fließen. Es entsteht ein mitreißender Lesefluss, der durch nichts aufgehalten wird. Es fühlt sich so an, als ob man auf einer grandiosen Welle über die Seiten surft, ich konnte und wollte mich diesem Erlebnis nicht entziehen.

Bernardine Evaristo ist ein unglaublich facettenreiches Frauenporträt mit Tiefgang gelungen, welches ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe. Von der ersten Seite an lief mein Kopfkino auf Hochtouren. Durch den unglaublich kraftvollen und bildgewaltigen Schreibstil fügte sich ein bunter Bilderreigen nach dem anderen aneinander. Die "Mädchen, Frauen, etc." wurden lebendig, sie bekamen ein Gesicht und wurden zu Freundinnen, für die man sich wirklich interessiert. Besser kann man ein Miteinander in unserer Welt, in der jede*r seinen Platz finden sollte, nicht beschreiben.

Bewertung vom 14.03.2021
Balkan Blues
Mujcic, Elvira

Balkan Blues


sehr gut

„Balkan Blues“ ist ein klassischer, unterhaltsamer Roadtrip durch das ehemalige Jugoslawien. Sofort wird man in den Bann dieser (Familien)Geschichte gezogen und begleitet die sympathische Lania und ihre beiden Brüder auf ihrer ganz speziellen Reise. Alle Figuren sind mir sofort ans Herz gewachsen, denn sie sind so herrlich lebendig. Sie sind laut, sie reden viel, nehmen kein Blatt vor den Mund, es gibt absurd witzige Dialoge. Eben genau so, wie man sich eine quirlige Familie vorstellt. Dabei werden verschiedene Facetten dreier Generationen beleuchtet, Momente und kleine Beobachtungen eingefangen. All das zu Lesen hat mir nicht nur große Freude bereitet, sondern mir auch wieder ein Stückchen Balkan näher gebracht.

Locker und leicht beginnt die Geschichte, im Laufe ihrer Reise entfalten sich immer mehr Dinge, bei denen man ziemlich nachdenklich zurückbleibt. Dieses Buch scheint auf den ersten Blick ein reiner Unterhaltungsroman zu sein, in Wahrheit erzählt er dem Leser aber so viel mehr über das Schicksal der Menschen im Bosnienkrieg und danach. Flucht, Krieg, Verlust, prekäre wirtschaftliche Verhältnisse, all diese schmerzlichen Themen scheinen im Buch durch. Das Besondere ist dabei, dass Elvira Mujčić die Leichtigkeit ihrer Erzählweise beibehält und nicht in Schwermütigkeit abgleitet. Das ist für mich große Erzählkunst. Ich habe ihr Buch sehr gerne gelesen und bin mittlerweile ein richtiger Fan südosteuropäischer Literatur geworden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.03.2021
Das kleine Friesencafé Bd.1
Mommsen, Janne

Das kleine Friesencafé Bd.1


ausgezeichnet

Als großer Fan der Bücher von Janne Mommsen war ich natürlich auf den Auftakt seiner neuen Friesencafé-Reihe neugierig. Gerade in unseren schwierigen Zeiten ist es einfach erholsam den Alltag mit einem Buch hinter sich zu lassen, das Spaß macht. Für mich ist Janne Mommsen ein Garant für Gute-Laune. Von Anfang an war ich mit dabei auf der wunderschönen Insel Föhr inmitten der rauen Nordsee. Der Autor schildert die Insel in solch herrlichen Bildern, man spürt den Wind, schmeckt die salzige Luft und hört das Rauschen des Meeres.

Vor dieser traumhaften Kulisse kreiert Janne Mommsen eine lockere, fluffige Geschichte, die zu Herzen geht. Bei dieser neuen Reihe steht Julia im Mittelpunkt, die sich eine Auszeit nimmt und auf der Suche nach Orten auf der Insel ist, die ihrer vor langer Zeit verstorbenen Mutter so viel bedeuteten. Dabei sind gerade diese Momente in denen sie ihrer Mutter ganz nah ist, sensibel und berührend erzählt.

Aber nicht nur dabei begleitet man sie, sondern auch bei ihrem Ankommen in einem neuen Lebensabschnitt. Man spürt ganz intensiv, wie sich Julia immer stärker in ihrer neuen Welt verwurzelt. Dazu tragen auch die liebevoll und authentisch gezeichneten Figuren bei. Es sind echte Charakterköpfe, manchmal raubeinig und kauzig, aber mit dem Herz am rechten Fleck. Mein ganz besonderer Liebling ist dabei der frisch pensionierte Kapitän Hark Paulsen, der sich auch erst wieder einen neuen Alltag schaffen muss. Und wie er das tut, ist einfach nur wunderbar zu lesen.

Durch den lockeren, einnehmenden Schreibstil und den lebendigen Dialogen, bei denen ich oft lächeln musste, verbrachte nicht nur Julia, sondern auch ich eine herrliche Zeit auf Föhr. Die Geschichte fließt lässig dahin, man kann sich wunderbar über die Seiten treiben lassen und einfach nur genießen. Es war für mich wieder eine große Freude diese tolle Geschichte zu lesen und freue mich schon auf die Fortsetzung!

Bewertung vom 12.03.2021
Der kleine Gasthof an der Schlei
Bartels, Inken

Der kleine Gasthof an der Schlei


sehr gut

"Der kleine Gasthof an der Schlei" ist genau die richtige Lektüre, um für einige schöne Lesestunden aus dem Alltag abzutauchen und ein bisschen Urlaubsluft zu schnuppern. Die eindrucksvollen Landschaftsbeschreibungen der Gegend um die Schlei und Eckernförde bieten die perfekte Kulisse für diese unterhaltsame Geschichte. Einer Geschichte, die das wirkliche Leben herrlich lebendig widerspiegelt, denn es geht um familiäre Konflikte, finanzielle Sorgen, aber auch um Zusammenhalt und Freundschaft.

Die vielfältigen Charaktere sind authentisch gezeichnet und verleihen der Handlung eine wunderbare Lebendigkeit. Gerade auch die einzelnen Dorfbewohner sowie auch Isa und Jette, sind schon nicht ohne, haben aber das Herz auf dem rechten Fleck. Spritzig und locker geschrieben, ist man mittendrin in Nordernby und fühlt sich fast wie Zuhause.

Neben einer sehr gelungenen Familiengeschichte, gibt es noch ein paar liebevolle Details im Buch, die mir besondere Freude bereitet haben. Das ist zum einen die geniale Idee jedem einzelnen Kapitel Zitate zum Thema Kochen und Essen voranzustellen. Ich war wirklich überrascht, welche berühmten Persönlichkeiten sich dazu Gedanken gemacht haben. Etwa auf den Dalai Lama wäre ich sicher nicht gekommen. Ein weiteres Sahnestückchen sind die leckeren regionalen Rezepte, die im Anhang abgedruckt sind. Sie runden diese kurzweilige Lektüre harmonisch ab.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.03.2021
Die Verlorenen
Halls, Stacey

Die Verlorenen


sehr gut

Stacey Halls hat mit ihrem Roman „Die Verlorenen“ einen kraftvollen und absolut mitreißenden historischen Roman vorgelegt. Mit den bildgewaltigen und atmosphärisch dichten Beschreibungen katapultiert die Autorin den Leser mitten hinein ins London des ausgehenden 18. Jahrhunderts, das nicht nur schillernd war, sondern ebenso geprägt von bitterster Armut.

Bereits im ersten Teil nimmt man mit Bess die beengten Wohnverhältnisse wahr, die schäbigen Wohnblöcke mit den feuchten Wänden, in denen Millionen von Menschen in hygienisch desolaten Verhältnissen lebten. Man sieht die katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen förmlich vor sich. Es ist fast ein Kulturschock, wenn man dann im nächsten Kapitel zur zweiten Protagonistin Alexandra wechselt, die alle Privilegien der Oberschicht genießt. Gerade durch diese unterschiedliche Herkunft der beiden Hauptfiguren nimmt man die gravierende Diskrepanz zwischen Arm und Reich noch intensiver wahr.

Vor dieser fundiert recherchierten historischen Kulisse erzählt sie von der verzweifelten Suche einer Mutter nach ihrem Kind und von zwei starken Frauen, die ein Geheimnis wie ein unsichtbares Band miteinander verbindet.

Dabei ist eine Geschichte entstanden, die emotional berührt und sich gleichzeitig total spannend liest. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Flott, ungeschönt und locker geschrieben, besticht dieser historische Roman aber auch durch seine authentisch und bis ins kleinste Detail skizzierten Charaktere, die allesamt herrlich lebendig und zeitgemäß wirken. Komplettiert wird dieser absolut unterhaltsame Roman von einem für mich doch recht modernen Ende, welches perfekt passt und mir sehr gut gefällt. Allerdings bin ich noch am Grübeln, ob die strenge Gesellschaftsordnung diese Möglichkeit geboten hätte. Vielleicht waren die Menschen damals in manchen Dingen fortschrittlicher, als wir es uns heute vorstellen können.

Diese Überlegung hat mein Lesevergnügen jedoch in keinster Weise getrübt, ich war von der ersten Seite an eine begeisterte Leserin dieser atemberaubenden Reise in die Vergangenheit.

Bewertung vom 28.02.2021
Hexenjäger / Jessica Niemi Bd.1
Seeck, Max

Hexenjäger / Jessica Niemi Bd.1


sehr gut

Bei einigen Thrillern ist bereits nach den ersten Seiten klar, dass man sich im Folgenden auf jede Menge guten Nervenkitzel und rasante Unterhaltung gefasst machen kann. „Hexenjäger“ gehört zweifelsohne in diese Kategorie.

Von Beginn an haben mich die ungewöhnlich brutalen Morde in ihren Bann gezogen, die sich schon bald als detailgetreue Nachstellung einer Bestseller-Trilogie herausstellen. Alleine diese Idee finde ich grandios, doch Max Seeck hat sie meisterlich umgesetzt. Dank des rasanten Erzähltempos, der überraschenden Wendungen sowie des facettenreichen Ermittlerteams ist „Hexenjäger“ wie ein Hollywood Blockbuster vor meinem inneren Auge abgelaufen.

Dazu tragen auch die Perspektivwechsel bei, welche zwischen der aktuellen Ermittlung sowie Jessica Niemis Vergangenheit in Italien changieren. Nach und nach lichtet sich der Nebel um ihren vielschichtigen Charakter, denn Jessica hat selbst einiges vor ihren Kollegen zu verbergen.

Lediglich das Ende hatte für mich einen faden Beigeschmack, was weniger auf die Stimmigkeit der Ereignisse als vielmehr meinen persönlichen Geschmack bezüglich Obskuritäten zurückzuführen ist. Für Gänsehaut sorgte auch der letzte Satz, welcher meine Neugier auf weitere Bände der Reihe zusätzlich in die Höhe getrieben hat.

Max Seeck ist mit seinem Debüt „Hexenjäger“ ein unglaublich spannender Thriller gelungen, welcher bis zum Ende absolut undurchsichtig bleibt.

Bewertung vom 28.02.2021
Das gezeichnete Opfer / Cold Case Bd.2
Frennstedt, Tina

Das gezeichnete Opfer / Cold Case Bd.2


gut

Hierbei handelt es sich um den zweiten Band der Cold Case Reihe, wobei er sich auch vollkommen losgelöst lesen lässt.

Allerdings hatte ich damit zugegebenermaßen so meine Schwierigkeiten, da sich die Spannung einfach nicht einstellen wollte. Anfangs habe ich es auf das langsame Anrollen des Falles, wie es bei Cold Cases durchaus üblich ist, da sämtliche alte Notizen gesichtet und die Zeugen von damals ausfindig gemacht werden müssen, geschoben. Auch die undurchsichtigen Perspektivwechsel, die zugunsten des Spannungsaufbaus zunächst recht zusammenhanglos wirken, hätte ich als Argument akzeptiert.

Doch auch nach mehreren hundert Seiten plätschert die Handlung nur so dahin, stattdessen verbringt man wesentlich mehr Zeit mit den privaten Problemen von Tess Hjalmarsson sowie den Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Polizeidienststelle Malmös. Die einzelnen Puzzleteile des eigentlichen Falles finden nur sehr schleppend zueinander.

Gut gefallen haben mir jedoch die starken weiblichen Hauptfiguren, die sich trotz zahlreicher Widrigkeiten in einer Männerdomäne als unangefochtene Führungspersönlichkeiten beweisen.

„Cold Case – Das gezeichnete Opfer“ ist ein recht träge dahinfließender Kriminalroman, der an Spannung vermissen lässt, dafür aber mit starken weiblichen Charakteren punktet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2021
Meine dunkle Vanessa
Russell, Kate Elizabeth

Meine dunkle Vanessa


sehr gut

Kate Elizabeth Russel trifft damit mitten in den Kern der MeToo-Debatte und doch ist diese Geschichte, in deren Zentrum das Thema Missbrauch steht, anders. Anstelle der klaren Differenzierung zwischen Täter und Opfer sind die Grenzen hier unklar, denn Vanessa sieht sich auch Jahre später nicht als Letzteres, sondern beharrt vehement auf ihrer Liebe zu Jacob Strane. Doch vor allem dieser Umstand verleiht dieser Erzählung ihre geradezu mystische Einzigartigkeit. Denn Vanessa ist ein unglaublich vielschichtiger, schwer greifbarer Charakter, der sich jeder Logik entzieht und besonders aufgrund ihrer Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Verständnis der Opferrolle fasziniert.

Zwischen den Zeitebenen wechselnd findet man sich in einem ungewöhnlichen Beziehungskonstrukt wieder, das von Missbrauch, ungleichem Machtgefüge und Abhängigkeit gekennzeichnet ist. Schrittweise durchlebt man gemeinsam mit Vanessa die anfänglichen Komplimente zu ihrem ahornroten Haar, die schon bald in kleine Zuwendungen bis hin zu körperlichen Annäherungsversuchen übergehen. Man ist gleichermaßen mittendrin wie distanziert, während die Alarmglocken bei den ersten Anzeichen des Groomings lautstark zu schrillen beginnen. Ohnmachtsähnlich muss man mitansehen, wie ihr Englischlehrer eine Grenze nach der anderen überschreitet und die Einsamkeit einer jungen grüblerischen Einzelgängerin unter dem Deckmantel echter Zuneigung ausnutzt.

Neben dem offensichtlichen Missbrauch gelingt es Kate Elizabeth Russell obendrein differenzierte Sichtweisen sowie schonungslose Umgangsmöglichkeiten mit diesem eigentlich so sensiblen Thema erschreckend eindringlich vor Augen zu führen. Einige Szenen, wie etwa das Verhalten der Schule sowie das zweischneidige Schwert von Social Media, haben beinahe noch mehr Übelkeit hervorgerufen als der Missbrauch an sich und sich nachdrücklich in meinen Gedanken festgesetzt.

Wenngleich diese Geschichte sprachlich herausragend geschrieben ist, einen ungewöhnlichen Blickwinkel wählt und zahlreiche Gedankenanstöße liefert, so ist bei mir der letzte Funke dennoch nicht übergesprungen. Vielleicht waren meine Erwartungen aufgrund der großen positiven Resonanz unverhältnismäßig hoch, womöglich blieb mir Vanessa aber bis zum Ende schlicht zu undurchsichtig.

„Meine dunkle Vanessa“ ist voller anklagender Widersprüchlichkeiten, begeistert gleichermaßen durch sprachliche Raffinesse wie es durch explizite Szenen des Missbrauchs verstört und doch ist bei mir der letzte Funke nicht übergesprungen.