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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1899 Bewertungen
Bewertung vom 29.11.2023
Ich?
Flamm, Peter

Ich?


ausgezeichnet

Die Frage der Identität

Das Besondere an dem packenden Roman ist, dass man als Leser von Anfang an dicht an der Figur und seinen Gedanken ist. Seine Perspektive dominiert das ganze Buch.
Er ist ein Kriegsheimkehrer, der an der Front die Papiere eines Gefallenen nimmt und dessen Identität annimmt. Aber ist das wirklich so? Bei seiner Heimkehr wird er von Frau, Freunden und Mutter sofort akzeptiert. Es gibt keinen Zweifel an seiner Identität, nur der Hund erkennt ihn nicht.
Der Protagonist ist traumatisiert und hoch verwirrt. Als Leser ist man sich nicht sicher, was jetzt stimmt.Das ist das Spannungsfeld.

Der Roman ist 1926 geschrieben. Die psychologische Note und die Dichte lassen ihn aber modern erscheinen. An der Art wie geredet wird, erkennt man dann aber doch das zeitbezogene, aber auch das ist interessant.

Bewertung vom 25.11.2023
Der flüsternde Abgrund
Lando, Veronica

Der flüsternde Abgrund


sehr gut

Der wispernde Wind
Es handelt sich bei „Der flüsternde Abgrund“ um einen sehr atmosphärischen Roman, der auch sehr geheimnisvoll ist.
Der Protagonist heißt Callum. Aus Anlaß des Todes eines Mannes kehrt er nach 30 Jahren nach Granite Creek zurück. Hier ist er aufgewachsen und die Vergangenheit lässt ihn nicht los. Callum ist Journalist, aber hier ist er persönlich involviert.
Der Leser wird bei der Stange gehalten, indem nur häppchenweise berichtet wird, was vor 30 Jahren eigentlich passiert ist. In diesen Passagen wechselt die Perspektive in die erste Person, während sonst in der dritten Person erzählt wird. Das trägt dazu bei, den Plot noch intensiver zu machen und es folgen noch ein paar Überraschungen.
Das Buch hat mit der australischen Umgebung inklusive dem Regenwald einen reizvollen Schauplatz.
Veronica Lando ist eine Autorin, die man sich merken muss.

Bewertung vom 25.11.2023
Am Ende des Seils
Zimmermann, Birgit

Am Ende des Seils


gut

Am Ende des Seils verspricht ein Drama 1936, also in schweren Zeiten im Setting der Berge und der Bergsteiger, die die Eigernordwand erklimmen wollen.
Das hält der Roman auch weitgehend. Das erwartbare wird bedient.  Die Figurenkonstellation ist interessant gemacht. Doch die Figuren selbst sind etwas flach. Da hätte mehr Tiefe gutgetan. Die Sprache von Birgit Zimmermann bleibt auch mehr im belletristisch gemütlichen.
Was für das Buch spricht ist, dass die Befindlichkeiten der Menschen damals deutlich wird und wie schmal der Grat zur Mitläuferschaft war.
Ich hätte mir mehr und detailliertere Bergsteigerszenen gewünscht.
Es gibt bessere und schlechtere Romane . Ich bewerte mit 3,5 Sternen von 5.

Bewertung vom 16.11.2023
In Wahrheit war es schön
Spiller, Carlo Leone

In Wahrheit war es schön


gut

Ein freies Leben

Ein Buch über Kindheit und Jugend eines Schweizers.
Es geht gleich mit ordentlich Tempo los, ohne dass der Autor erklärt, warum man sich gerade für sein Leben interessieren sollte. Davon abgesehen sind einige Episoden ganz unterhaltsam.
Der Protagonist Carlo ist reichlich chaotisch.

Einen Bruch im Buch gibt es, wenn der Erzähler als junger Mann für einige Zeit nach Buenes Aires geht. Da gibt es einige gut gemachte Formulierungen.
Carlo hat ein paar zu viele Frauengeschichten, die doch letztlich belanglos bleiben. Das gibt ihm etwas oberflächliches.

Sprachlich war ich nicht sehr beeindruckt. Schlecht geschrieben ist es aber auch nicht.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.11.2023
Nebenan ist doch weit weg
Bones, Antje

Nebenan ist doch weit weg


ausgezeichnet

Veränderungen

Es ist ein Buch über Veränderungen. Für die 12jährige Edith ist es eine Herausforderung, mit ihren Eltern von Berlin nach Polen zu ziehen. Sie vermisst ihre Freundinnen und die polnische Sprache muss sie erst lernen. Sie ist anfangs voller Zweifel, doch mit der Zeit lebt sie sich ein, findet Freundinnen und lernt einiges über das nicht gerade einfache, durch die Vergangenheit belastete Verhältnis zwischen Deutschen und Polen.
Es gelingt der aus Berlin Kreuzberg stammenden Autorin Antje Boones gut, Ediths wechselnde Gefühlslage zu verdeutlichen. Man kann sich gut in sie hineinfühlen und viele Emotionen teilen.
Der Plot des Romans ist stark genug, dass die Autorin auf gekünsteltes Beiwerk verzichten kann. Das hat mich sehr überzeugt.
Unbedingt erwähnenswert sind auch noch die Illustrationen von Michael Szyszka, die das Buch begleiten und bereichern.

Bewertung vom 02.11.2023
Vom Leben und anderen Zumutungen
Di Lorenzo, Giovanni

Vom Leben und anderen Zumutungen


sehr gut

Interviews mit Substanz

Giovanni di Lorenzo ist bekannt durch 3nach9 und seine vielen Interviews. Ich schätze die Art seiner Gesprächsführung, die ihm auch bei schwierigen Zeitgenossen gelingt.
Dieses Interviewbuch hat eine interessante Auswahl an Interviewpartner. Da sind Politiker wie Merkel, Habeck, aber auch ein Diktator.
Es fehlen neben Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch die aus dem Showgeschäft nicht wie z.B. Udo Jürgens, Bully Herbig und dem Papst.

Das Erdogan-Interview ist wirklich bitter. Es wurde zu der geführt, als Deniz Yucel in der Türkei in Haft war und zeigt Erdogans Haltung unverhüllt.

Aufschlussreich die beiden sehr unterschiedlichen Interviews mit Robert Habeck, eins 2018, eins dieses Jahr.

Was mich an dem Buch begeistert ist, dass sehr viele der Gesprächspartner bereit sind, auch sehr persönliches zu schildern.
Zu den schönsten Interviews gehört dann schließlich eins, das nicht mit einem Prominenten, sondern mit einem 8jährigen Mädchen geführt wurde.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.10.2023
Kleine Probleme
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme


sehr gut

Die Liste

Ein kurzer Roman, komplett aus der gedanklichen Ichperspektive eines mittelalten Mannes erzählt.

Lars, ist alleine im Haus. Seine Frau Johann hat zur Zeit eine sechsmonatige Ehepause eingelegt, die Tochter Lina ist in England.
Und Lars hat eine lange Liste angelegt, was er heute noch alles erledigen will. Das geht über putzen, Steuererklärung machen und Linas Bett aufbauen bis hin zum Plan, sein Meisterwerk zu schreiben.
Irgendwie ist von Anfang an klar, das er niemals alles schaffen kann.

Seine Gedanken sind so philosophisch wie selbstironisch. Das lädt ein, sich mit dem Protagonisten, wenigsten teilweise, zu identifizieren.

Es ist ein sehr amüsanter Roman, das heißt aber nicht, dass nicht durchaus wichtige Themen behandelt werden. Die Meisterschaft der Autorin liegt darin, eine Leichtigkeit dafür zu schaffen. Es ist ein wirklich guter Roman.
Allerdings habe ich das Buch auch mit einigen Unterbrechungen von mehreren Tagen gelesen. Man wird also auch nicht unbedingt als Leser an das Buch gefesselt.

Bewertung vom 25.10.2023
Titan oder Die Gespenster der Vergangenheit
Lebedew, Sergej

Titan oder Die Gespenster der Vergangenheit


sehr gut

Es handelt sich um Erzählungen eines russischen Schriftstellers.

Erfreulicherweise erfüllt dieses Buch das angekündigte Thema der nicht aufgearbeiteten Schuld der Vergangenheit, die dadurch auch auf die Gegenwart ausstrahlt.
Das zeigt exemplarisch schon die erste Erzählung Abend eines Richters. Das Winseln eines Hundes bewirkt bei einem korrupten Richter einen Flasback. Er erinnert sich an eine Schandtat seiner Jugend.

Es sind düstere Geschichten. Das verwundert bei dem Thema nicht.
Oft wird das Gefühl der Bedrohung transportiert.

Nicht jede Erzählung hat mir zugesagt, unbedingt erwähnenswert ist aber die brillante Titelgeschichte Titan. Darin bewundert der Icherzähler, ein junger Mann, einen Schriftsteller, der im Gulag war. Der Eindruck einer allumfassenden Verfolgung durch die Diktatur wird beklemmend vermittelt.

Für mich ist Sergej Lebedew eine Entdeckung.

Bewertung vom 25.10.2023
Rauch und Schall (eBook, ePUB)
Lewinsky, Charles

Rauch und Schall (eBook, ePUB)


sehr gut

Goethe und sein Schwager

Jetzt hat auch Charles Lewinsky wie vor ihm viele, z.B. Martin Walser, einen Goethe-Roman vorgelegt. Das ist mehr oder weniger risikolos.
Sein Goethe steckt permanent in einer Schreibkrise. Sein Schwager Christian August Vulpius, ein Vielschreiber von Trivialromanen, hilft ihm, aus der Patsche. Vuloius ist für mich sogar die interessantere Figur in diesem Roman, den eine gewisse Ironie begleitet.
Lewinsky ist diesmal vielleicht näher an Vulpius als an Goethe.
Doch dafür wartet er am Ende mit einem ziemlich originellen Einfall auf, der an dieser Stelle aber noch nicht verraten werden darf.

Bewertung vom 21.10.2023
A Quiet Man. Ein schweigsamer Mann ist ein gefährlicher Mann.
Wood, Tom

A Quiet Man. Ein schweigsamer Mann ist ein gefährlicher Mann.


sehr gut

In der Kriminalliteratur gibt es einige großartige Reihen mit Berufsverbrecher in der Hauptrolle, z.B. Wyatt von Garry Disher oder die Parker-Romane von Richard Stark.
Tom Woods Victor-Romane passern dazu und sind sogar ein ganz spezieller Fall.
Tom Woods hat schon einige Bücher um Victor gechrieben. Der neue heißt A quiet Man.
Victor, der Berufskiller, befindet sich in Kanada und lernt den jungen Joshua und seine Mutter kennen. Als diese plötzlich verschwinden, macht Victor sich entschlossen auf die Suche. Ansatzweise erinnert er an Rambo.
Das Buch ist nicht realistisch, aber auf primitive Weise sehr unterhaltsam. Tom Woods versteht es, packende Szenen zu schaffen und eine Handlung richtig abgehen zu lassen.