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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 02.03.2021
Die vier Gezeiten
Prettin, Anne

Die vier Gezeiten


gut

Im Hotel de Tiden auf Juist herrscht Hektik. Dr. Eduard Kießling und seine Familie absolvieren die Generalprobe für seine Ehrung. Der Ministerpräsident persönlich will ihm für seine Verdienste um die Insel das Große Verdienstkreuz überreichen. Da platzt die junge Helen aus Neuseeland herein, sie ist auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter und hat als Anhaltspunkt ein Strandfoto ihrer Großmutter. Sofort erkennen alle Adda, Kießlings Ehefrau und Mutter von vier Töchtern. Die Aufregung ist groß, die Ähnlichkeit unverkennbar und die Frage bleibt, welche Tochter hat ein Kind zur Adoption freigegeben.

Wanda, die Älteste, ist im Wattenmeer ertrunken, der Prolog – ein Tagebucheintrag von Wanda – legt nahe, dass sie Suizid begangen hat.

Frauke lebt nach einer gescheiterten Ehe wieder allein auf der Insel und auch Theda ist nach einer unglücklichen Liebe wieder zurückkehrt. Die jüngste, Marijke ist die umtriebigste der Töchter. Als Fotografin hat sie große Bekanntheit erlangt und reist durch die Weltgeschichte. Aber allen ist gemeinsam, dass sie Helen mit großer Skepsis, gar Ablehnung begegnen. Vielleicht könnte Addas Mutter Johanne Licht ins Dunkel bringen. Doch seit 3 Jahren leidet sie an Demenz und ihre klaren Momente werden weniger. Adda ist entschlossen, diese Augenblicke zu nutzen. Bis zur ihrer Erkrankung war Johanne das unbestrittene Oberhaupt der Familie und alle hatten sie sich unterzuordnen.

Eine Familiensgechichte über drei Generationen, die fest mit der Insel Juist verknüpft ist, erzählt Anne Prettin aus wechselnden Perspektiven und wechselnden Zeitebenen Wobei die Gegenwart die Rahmenhandlung für Rückblenden bildet, bei denen vor allem Johannes und Addas Schicksal im Vordergrund stehen. Ich muss gestehen, mir sind die Frauen nicht recht nahe gekommen. Die Töchter blieben farblos und ihre Geschichte mochten mich nicht recht fesseln und bei Johanne schlug mein anfängliches Interesse bald in Abneigung um.

Der Roman spart nicht an Dramatik, alles was passieren kann, widerfährt dieser Familie. Unglückliche Lieben, Verrat und Betrug, gebrochene Versprechungen und unerfüllte Liebe, keine Tochter bleibt verschont.

Prettin schreibt unterhaltsam und ich fand das Buch durchaus spannend, aber mir fehlte der Zugang zu den Protagonisten. Das hat mein Lesevergnügen auch geschmälert. Ich meine, weniger Verwicklungen und weniger dramatische Zufälle hätten dem Buch gut getan.

Bewertung vom 27.02.2021
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


ausgezeichnet

Das Buch beginnt mit einem Kapitel, das auf gekonnte Weise Tragik und Komik vereint. Greta Monderath, die betagte Mutter des bekannten Kölner Nachrichtensprechers und Anchorman Tom strandet auf der Autobahn bei Würzburg. Als er sie abholt, merkt er bestürzt die Anzeichen einer Demenz. Aber das wollen weder er noch am wenigsten Greta wahrhaben. Beruflich überlastet und egoistisch gibt sich Tom erleichtert mit ihren Erklärungen zufrieden.

Doch während Greta sich immer mehr verliert, drängen Erinnerungen aus ihrer Kindheit unaufhaltsam an die Oberfläche und Tom muss sich dem Gehörten auseinandersetzen. Damit gerät sein Leben komplett aus den Fugen.

Die Autorin verflechtet zwei Zeitebenen miteinander. Gretas Leben in den Kriegs- und Nachkriegskriegen mit all dem Elend von Flucht, Vertreibung, Hunger und Entwurzelung. Diese Erinnerungen sind prägend, wurden aber konsequent tief vergraben und so erfährt Tom zum ersten Mal davon und muss schmerzhaft erkennen, dass auch die zweite und sogar die dritte Generation davon geprägt werden. Ein Thema, dem erst in der neueren Zeit Aufmerksamkeit gewidmet wurde und das doch so wichtig ist.
Auch habe ich zum ersten Mal von den „Brown Babies“ gehört. Ein dunkles Kapitel in unserer Geschichte, denn diese Kinder wurden von amerikanischer und deutscher Seite gleichermaßen diskriminiert. Die Mütter wurden oft zur Adoptionsfreigabe gezwungen und/oder unter Zwangsvormundschaft gestellt. Auch das ein Thema, über das gern geschwiegen wurde.

Diese Themen verbinden sich dem Roman zu einer anrührenden, höchst emotionalen Familiengeschichte, die mich gefesselt hat. Das war ein Pageturner, wie ich es mir anfangs nicht vorstellen konnte. Es gab Seiten, da reichte mir ein Taschentuch nicht aus. Und das alles ohne rührselig zu werden oder in Kitsch auszuarten. Das fand ich großartig geschrieben.

Die Autorin zieht Parallelen zur Flüchtlingswelle 2015, also 60 Jahre nach der Flüchtlingswelle, in der die Deutschen die Flüchtenden waren und das ist ein eindringlicher Appell.

Diesen Roman werde ich nicht so schnell aus dem Gedächtnis verlieren, eine emotionale Familiengeschichte, die sich so oder so ähnlich sicher häufiger zugetragen hat, wobei mir das Happy End, das Frau Abel ihrem Protagonisten Tom gönnt, unnötig erschien.

Bewertung vom 25.02.2021
Totentanz im Pulverschnee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.3
Fischler, Joe

Totentanz im Pulverschnee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.3


sehr gut

Dass sich Arno Bussi bei einer Liebschaft mit der Frau des Innenministers erwischen ließ, hat ihm eine Strafversetzung in die Statistikabteilung des Bundeskriminalamts eingetragen. Ein langweiliges Dasein, zwar langweilt er sich dort, aber ein Urlaub in Tirol ist dennoch fast eine Strafe für ihn. Aber die Mama hat ihn überredet und Nachgeben ist einfacher als Widerstand.

In Maria Schnee erwartet ihn Ballermann-Getöse. Das Dorf rüstet zum Eisfestival und sein Triathlontraining gerät ins Hintertreffen, als die Mama die Entführung der reizenden Hotelangestellten Rosa beobachtet haben will. Außerdem ist das Hotelschwimmbad gesperrt und ein heftiger unerwarteter Schneefall verhindert auch das Lauftraining. Also kann sich Arno Bussi genauso gut in Ermittlungen stürzen. Dann taucht eine Leiche auf und Arno steckt wieder mitten drin. Aber auf eigene Faust, denn die örtliche Polizeidienststelle will von Einmischungen aus Wien nichts wissen.

Joe Fischler hat ein Händchen für skurrile Fälle und ebensolche Figuren. Das macht aus dem dritten Band der Arno-Bussi-Reihe wieder ein gelungenes Lesevergnügen. Er schreibt einfach unterhaltsam und witzig. Die Bände sind immer in sich abgeschlossen und lassen sich auch ohne Vorkenntnisse genießen.

Arno ist eigentlich ein Frauenschwarm wider Willen, er verliebt sich ständig und sehr schnell und geht dann doch am Ende wieder leer aus. Seine Ermittlungen wirken unorthodox, aber er weiß sich zu helfen und wenn Frau Major Erna Katz aus Innsbruck eintrifft, kann eigentlich nichts schiefgehen.

Auch wenn Joe Fischler seinen Krimi sehr humorvoll angelegt hat, steckt doch ein ernsthafter und spannender Fall dahinter, dessen Plot sehr überzeugend ist. Auch die überraschende Auflösung hat mir sehr gut gefallen, weil sie sich schlüssig in die Spuren einfügt und nicht einfach ein Täter aus dem Hut gezogen wird.

Der Verlag hat mit einer gelungenen Covergestaltung und einem hübsch gezeichneten Ortsplan im Umschlag einen schönen Rahmen für das Taschenbuch geschaffen.

Bewertung vom 24.02.2021
Die Bücherfrauen
Tilghman, Romalyn

Die Bücherfrauen


gut

Prairie Hill und New Hope in Kansas sind, bzw waren kleine, unbedeutende Örtchen in Kansas. Prairie Hill hat nach einem Tornado aufgehört zu existieren und Gayle sucht in den wenigen Resten ihres früheren Heims nach Erinnerungsstücken.

Angelina will nach 10 Jahren Unterbrechung endlich ihre Doktorarbeit beenden. Sie plant eine Arbeit über die Bedeutung der von Carnegie gestifteten Büchereien für das kulturelle Leben auf dem platten Land. Als Kind verbrachte sie einmal einen unvergesslichen Monat auf der Farm ihrer Großmutter und die örtliche Carnegie Bibliothek legte den Grundstein für ihre Liebe zur Literatur.

Traci ist eine junge Künstlerin aus New York, die dringend einen Job braucht und möglichst weit weg von ihrem Vermieter und der verwanzten kleinen Wohnung. Das Angebot als Gastkünstlerin ein Jahr im Kulturzentrum von New Hope zu arbeiten, ist eine Chance für sie.

So begegnen sich drei unterschiedliche Frauen und müssen sich den Herausforderungen stellen. Das Leben in amerikanischen Kleinstädten kennt man in ihrer Gleichförmigkeit aus vielen Filmen und genau diese Bilder lässt die Autorin entstehen. Bibelfest und voller Gottvertrauen, konservativ und nach anfänglichem Misstrauen doch offen für Neues, so zeigen sich vor allem die Frauen. In denen scheint das Gen der Siedlerfrauen zu stecken. Jede Schwierigkeit wird angegangen und immer findet sich ein Weg, wenn man nur zusammenhält und aufeinander achtet.

Die Personenzeichnung von Romalyn Tilghman fand ich ziemlich stereotyp. Richtig nah kommt man den Frauen nicht und auch die Handlung hat etwas von der Landschaft: Gleichförmig und vorhersehbar. So ist auch die Erzählweise sehr konventionell, fast ein wenig hölzern, was möglicherweise der Übersetzung geschuldet sein könnte. Der Blickwechsel auf die drei Hauptpersonen brachte auch nicht viel Spannung in die Handlung, auch wenn ein paar Familiengeheimnisse dafür sorgen sollten. Stellenweise erinnerte mich die Erzählweise an den Stil der 50iger/60iger Jahren. Ich hatte mir nach der Verlagswerbung etwas Anspruchsvolleres, Literarisches erhofft, aber so bleibt es beim Eindruck eines nett zu lesenden, aber beliebigen Frauenromans, der so typisch den amerikanischen Mittelwesten beschreibt, Coca-Cola-Marshmallow-Torte inklusive.

Schade, dass das Thema der Carnegie-Büchereien dabei in den Hintergrund geriet.
Wohlwollende 3 Sterne

Bewertung vom 24.02.2021
Aus der Mitte des Sees
Heger, Moritz

Aus der Mitte des Sees


sehr gut

Als ein Mitbruder das Kloster verlässt und eine Familie gründet, gerät Lukas nach 16 Jahren als Benediktiner in eine Sinnkrise.

Benediktinermönch Bruder Lukas hat einen Freund und Mitbruder an die Welt verloren. Seit Andreas das Kloster verlassen hat und eine Familie gründete, ist Lukas im inneren Zwiespalt. Auf Nachrichten und Fotos von Andreas sucht er eine Antwort. Wie kann er unbeschwert schreiben, ihm Glück wünschen, wenn er sich doch alleingelassen, ja fast verraten fühlt?

Diesen inneren Monolog beschreibt dieses Buch. Ich spüre die Kränkung, die Lukas fühlt, aber auch das Verstehen von Andreas‘ Entscheidung und damit auch einen Zweifel an der eigenen Existenz als Mönch. Rückzugsort für Lukas, der im Kloster als Gästebetreuer fungiert, ist der See mit seinem Steg, Dort schwimmt er nun täglich allein seit Andreas nicht mehr Teil der Gemeinschaft ist. Im Wasser, das ihn trägt, wie die Liebe Gottes, wie er erkennt, ringt er mit sich. War seine Entscheidung für das Klosterleben richtig, ist da nicht auch bei ihm ein Wunsch nach Familie, nach weltlicher Liebe, nach Zweisamkeit?

Man taucht sehr intensiv in die Welt von Bruder Lukas ein, spürt sein Ringen mit Gott und das wirkt niemals aufgesetzt oder frömmlerisch. Es ist ein stilles Buch, das existenzielle Fragen zum Leben aufwirft, nie auf schnelle Erkenntnis setzt. Diesen Prozess, denn Lukas durchläuft, darf der Leser begleiten. Dazu kommen schöne, poetische Landschaftsbeschreibungen und Erinnerungen an Begegnungen mit Mitbrüdern und Weggefährten. Überhaupt hat mich die Sprache des Autors begeistert, da ist kein Wort, keine Beschreibung zu viel oder belanglos. In diese Geschichte kann man eintauchen.

Was ist Klosterleben in unserer Zeit, wo Lukas mit knapp 40 der jüngste der Brüder ist und die Zahl der Mönche von Jahr zu Jahr sinkt. Ist es noch Hingabe und Kontemplation oder ist man ein Teil eines – wenn auch besonderen – Wirtschaftsbetriebs, mit Gästeflügel und Klosterladen?

14 Tage lang begleitet der Roman Bruder Lukas und seine innere Kämpfe bis zu seiner Entscheidung. Eine stilles, lang nachwirkendes Buch, das viele Denkanstöße gibt.

Bewertung vom 23.02.2021
Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1
Wortberg, Christoph

Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1


sehr gut

„Trauma“ beginnt mit einem wirklich traumatischen Prolog. Aus der Sicht eines sehr kleinen Kindes erfährt man von Misshandlungen und Tyrannei der kleinen Familie durch den brutalen Vater.
Dann steigt der Leser gleich in eine spannende Kriminalgeschichte ein. Eine Wasserleiche wird geborgen, angespült auch das Schlauchboot, das der Tote wohl selbst zum Kentern brachte. Alle äußeren Umstände deuten auf Suizid, bestärkt wird das durch die Aussage eines Therapeuten, beim dem der Tote in Behandlung war. Trotzdem kann sich Ermittlerin Katja Sand nicht mit diesem Urteil anfreunden. Ein zweites Opfer – auch hier spricht alles für einen Suizid – bringt die Kommissarin und ihren Assistenten Rudi Dorfmüller zu einer gewagten Theorie. Da sie keinen offiziellen Ermittlungsansatz mehr haben, bewegen sie sich in einer gefährlichen Grauzone.
Ich empfand das als Thriller bezeichnete Buch eher als soliden Kriminalroman, was meinen Lesegewohnheiten durchaus entgegenkommt. Alle genretypischen Merkmale sind in diesem Buch enthalten und auf spannende Weise arrangiert. Die zweifelnde Ermittlerin mit einem nicht immer einfachen Privatleben, als alleinerziehende Mutter mit einer tief in der Pubertät steckenden Tochter kann man Beruf und Familie nicht gut unter einen Hut bringen. Dann gibt es noch den Vorgesetzten der nicht immer die Rückendeckung gibt, die man braucht. Aber aus diesen Schwierigkeiten entsteht auch eine Spannung über die Ermittlungen hinaus.
Christoph Wortberg ist für mich ein bisher unbekannter Autor, aber als Drehbuchautor kennt er die Kniffe für einen spannenden Handlungsbogen und für Wendungen, die den Leser immer wieder auf falsche Spuren bringen. So ist sein Romandebüt gelungen, auch wenn der Autor sich ganz auf bewährte Versatzstücke verlässt. Aber man kann das Rad ja nicht neu erfinden. Die Erzählweise ist genretypisch und gut lesbar und ich habe mich wirklich sehr gut unterhalten.
Das Buch ist der Auftakt einer Trilogie und so bleibt ein Handlungsstrang auch offen und macht auf die Fortsetzung neugierig.

Bewertung vom 22.02.2021
Lebenssekunden
Fuchs, Katharina

Lebenssekunden


ausgezeichnet

Ende der 50iger Jahre wachsen zwei fast gleichaltrige Mädchen den zwei Teilen Deutschlands auf, deren Lebensweg sich später auf dramatische Weise kreuzen wird.

Angelika Stein in Kassel, Tochter aus gutbürgerlichem Haus, hat die Schule satt, seit sie aus dem Lyzeum in normales Gymnasium wechseln musste. Sie möchte eine Lehre zur Fotografin machen, aber findet nur mit Schwierigkeiten eine Lehrstelle.

Christine Mangold wächst in Berlin auf, ihr Talent als Turnerin wird entdeckt und sie wird in einen Elite-Kader gesteckt. Anfangs noch voller Stolz für diese Auszeichnung, unterwirft sich Christine bedingungslos dem Drill, der mehrfach die Grenze zur Körperverletzung übersteigt. Vor allem Christines Mutter ist stolz, seit ihr Mann sie verlassen hat um in den Westen zu gehen, ist sie überzeugter vom Staatsmodell der jungen DDR als je zuvor. Zweifel erlaubt sie sich erst, als es fast zu spät ist.

Beide Mädchen müssen auf ihrem Weg zur Frau jede Menge Rückschläge einstecken und bittere Erfahrungen, bis sie ihren Lebensweg gehen können.

Ich habe die Autorin erst mit diesem Buch kennengelernt und sie hat mich gleich begeistert. Der farbige, bildreiche Stil hat mich sofort mitgenommen. Gerade in den Details hat mich die Geschichte überzeugt, die Autorin hat so ihren beiden jungen Hauptfiguren Leben eingehaucht. Gefallen hat mir auch die unterschiedliche Entwicklung der beiden deutschen Staaten, die ganz aus dem privaten Blickwinkel gezeigt werden und damit noch realer werden. Historische Figuren und Ereignisse geben dem Buch auch noch eine zeitgeschichtliche Dimension. Die Auftritte Willy Brandts als Berliner Bürgermeister haben mir sofort Bilder in Erinnerung gerufen.

Es ist ein eindrucksvoller Entwicklungsroman, der viele Erinnerungen weckte. Auch wenn meine Jugend ein gutes Jahrzehnt später war, habe ich vieles noch selbst so erlebt. Vielleicht hat mich das Buch auch deshalb so angesprochen und überzeugt.

Statt eines Epilogs gibt es eine „Nachlese“ am Ende des Romans, die für mich die ganze Geschichte abgerundet hat.

In der Menge der Romane mit den 50iger/60iger Jahren als zeitgeschichtlichem Hintergrund nehmen die „Lebenssekunden“ einen Platz ganz vorne ein.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2021
Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1 (eBook, ePUB)
Bennett, S. J.

Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Um Charles geschäftliche Ambitionen zu unterstützen, lädt die Queen einige ausgewählte russische Geschäftsleute zum Wochenende nach Schloss Windsor ein. Der Abend wird musikalisch von einem jungen Pianisten umrahmt, der leider seinen Auftritt nicht lange überlebt. Am nächsten Morgen wird er in seinem Zimmer tot aufgefunden. Nein, kein Suizid, wie der erste Eindruck nahelegt, sondern eine plumpe und kompromittierende Inszenierung. Natürlich schaltet sich sofort der MI5 ein, alles soll diskret aufgeklärt werden. Man will ja die alte Dame nicht aufregen.

Doch die Queen sieht und hört einiges, auch weiß sie, dass die Beamten dazu neigen, sie wegen ihres Alters zu unterschätzen, schließlich will sie in Kürze ihren 90. Geburtstag feiern.

Mit ihrer privaten Assistentin Rozie beginnt sie selbst zu ermitteln. Natürlich agiert sie im Hintergrund, aber ein diskreter Hinweis dort oder ein Nachfragen an anderer Stelle, bringt Bewegung in die Geschichte und für die anderen Aktionen wird Rozie, durchaus handfest, aktiv.

Diese Geschichte lebt von ihrem Hintergrund und dem Humor, der auf feine, ironische Art daher kommt. Very British eben! Dass es auch einen Kriminalfall gibt, gerät manchmal ein wenig in den Hintergrund. Aber ich habe mich prächtig unterhalten. Die Autorin flicht Begebenheiten, die man aus der Presse kennt in ihre Geschichte ein und der Leser bekommt so ein Gefühl der Authentizität.

Die kleinen Gastauftritte Prinz Philips sind immer besondere Highlights, denn man weiß ja, er nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Wenn er Lilibeth fragt, ob er aus Schottland Toffees oder den Kopf von Nicola Sturgeon mitbringen soll, klingt das so ganz nach ihm

Der unterhaltsame Stil der Autorin hat mir viel Spaß gemacht, ich habe die Geschichte sehr genossen, allerdings besonders im weiteren Verlauf die Krimihandlung vermisst. Die kleinen Bemerkungen, die die Queen so ganz nebenbei fallen lässt, sollte man jedenfalls beachten, sonst geht der Faden in der zunehmend verwickelten Handlung mit einigen Nebensträngen verloren.

Es ist der erste Band der Autorin, ein zweiter wird per Leseprobe im Buch schon angekündigt.Auf die Entwicklung bin ich sehr gespannt, denn ich glaube, die Autorin hat ihr Potential hier noch nicht ganz ausgeschöpft.

Bewertung vom 16.02.2021
Glückskinder
Simon, Teresa

Glückskinder


ausgezeichnet

Wenn ich mich mit einem gut recherchierten historischen Roman unterhalten möchte, ist Teresa Simon für mich inzwischen immer die erste Wahl! Sie verbindet immer sehr gelungen packende Frauenschicksale mit einem genau und lebendig wiedergegebenen Zeitbild.

Ihr neuester Roman „Glückskinder“ ist in München unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkriegs angesiedelt. Die Versorgungslage ist schwierig und Toni versucht so viel wie möglich auf dem Schwarzmarkt zu organisieren. Zusammen mit der Mutter und der Schwester lebt sie bei Tante Vev, genau wie eine weitere Tante und ihr Sohn. Man rückt eben zusammen weil die eigenen Wohnungen schon längst den Bomben zum Opfer fielen.

Griet van Mook hat als Zwangsarbeiterin den Krieg überstanden und auch den letzten Marsch aus dem Gefangenenlager überlebt. Entwurzelt strandet auch sie München und wird bei Tante Vev einquartiert. Es ist eine Zwangsgemeinschaft, Griet und Toni stehen sich sehr ablehnend gegenüber.

Ich bin immer wieder auf’s Neue erstaunt, wie lebendig Teresa Simon den geschichtlichen Hintergrund ihrer Romane gestaltet. Das setzt nicht nur Kopfkino in Gang, Immer wenn ich das Buch aufgeschlagen habe, bin ich auf einer Zeitreise gewesen und ganz in der Geschichte aufgegangen. Das setzt natürlich eine sorgfältige Recherche voraus und bei der Autorin, eine studierte Historikerin, kann man sich darauf verlassen. Dass dieses Buch in ihrer Heimatstadt München spielt, merkt man an den vielen kleinen Anekdoten, die diesen Frauenroman bereichern.

Die Geschichte ist emotional und aufwühlend erzählt, den Protagonisten und ihrem Schicksal konnte ich mich nicht entziehen, ich habe mit ihnen gehofft und gebangt. „Glückskinder“ bleiben sie trotz aller Schicksalsschläge, denn sie haben den Krieg überlebt und die Hoffnung auf einen Neuanfang nicht aufgegeben.

Teresa Simon hat ein Gespür dafür, ein Zeitbild zu entwickeln und die Leserinnen mitzunehmen, ihnen eine Welt nahezubringen, wie es einem reinen historischen Bericht nie gelingen kann. Das macht den verdienten Erfolg ihrer Bücher aus.

Der Verlag hat durch seine schöne Umschlaggestaltung dem Buch auch noch den passenden Rahmen mitgegeben.

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1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.02.2021
Ankermord / Romy Beccare Bd.10 (eBook, ePUB)
Peters, Katharina

Ankermord / Romy Beccare Bd.10 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Bei Arbeiten an der Binzer Seebrücke wird ein Leichnam entdeckt, der mit einer schweren Ankerkette am Pfeiler befestigt wurde. Die Identität ist nach den Wochen im Wasser nicht leicht zu klären. Erst als Kommissarin Romy Beccare den Namen gefunden hat, können die Ermittlungen beginnen. Der Tote arbeitete bis zu seiner Entlassung bei einem Bootsbauer. Eine gutgehende Werft, die für luxuriöse Einbauten in teuren Yachten bekannt war. Im Besitz des Toten findet Romy eine Bauzeichnung, die zeigt, dass dabei Hohlräume eingeplant wurden.
Doch sowohl auf der Werft, wie auch bei der Besitzerin der Yacht, kommen Romy und ihr Team keinen Schritt weiter. Marion Scharf ist schon länger im Visier der Kriminalpolizei, aber man konnte ihr nie Drogenschmuggel nachweisen.
Die Ermittlungen werden schwierig, als Romy ganz offiziell zurückgepfiffen wird, sie ist einer verdeckten Mission des LKA zu nahe gekommen.
Katharina Peters schreibt immer überaus spannende Krimis, die sich mit einem sehr intelligent ausgedachten Plot auszeichnen. Ihre Geschichten sind realitätsnah, immer schlüssig und halten für den Leser trotzdem jede Menge Überraschungen bereit.
Ich mag Romy Beccare, die den Spagat zwischen Beruf und Privatleben meistern muss, was nicht einfach ist, wenn der Ehemann ein ranghöherer Beamter der übergeordneten Dienststelle ist. Die pensionierte Beamtin Ruth, die bei schwierigen Fällen einspringt ist für mich ein außerordentlich interessanter Charakter. Stets ruhig ist sie dabei auch ein Gegengewicht zur temperamentvollen Romy.
So treibt dieser spannende Krimi auf ein sehr überraschendes Finale hin und ich mochte ihn dabei kaum aus der Hand legen.