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Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1115 Bewertungen
Bewertung vom 17.06.2023
Wenn schon tot, dann unter Palmen
Kruse, Tatjana

Wenn schon tot, dann unter Palmen


ausgezeichnet

Lösegeld für meine Frau?

„Just in dem Moment, als ich mich auf dem Parkplatz des Golfclubs zu meinem Porsche hinunterbeugte, hielt hinter mir ein Lieferwagen.“ (S. 7)
Was, wenn der Ehemann kein Lösegeld für seine entführte Frau zahlen will, weil ihre Nachfolgerin eh schon in den Startlöchern steht? Wer die Krimis von Tatjana Kruse kennt, kann sich vielleicht denken, wie die Geschichte weiter- bzw. ausgehen wird. Mit gewohnt bissigem wunderbar schwarzen Humor nimmt die Handlung ihren Lauf.

Die Ausgangsidee erinnert an den großartigen Film „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“, aber Tatjana Kruses Variante ist mindestens genauso unterhaltsam. Das liegt auch an der ungewöhnlichen graphischen Gestaltung der Bücher der Viertelstundenbibliothek, die mir ausnehmend gut gefällt.

Wenn ihr auf der Suche nach Büchern für Nicht-Leser, Kaum-Leser oder Gern-Leser seid, die schon alles von Tatjana Kruse gelesen haben, möchte ich Euch diesen Kurzkrimi ans Herz legen.

Bewertung vom 16.06.2023
Das Beste kommt zum Kuss
James, Molly

Das Beste kommt zum Kuss


ausgezeichnet

Der perfekte erste Kuss

„Im Grunde ist es also ein Riesen–Spoiler–Alarm für die Beziehung. Und ich soll dann auf Basis diesen kurzen Blicks auf das Ende entscheiden, ob ich den ganzen Film sehen will?“ (S. 23) Seit Amy 14 ist, weiß sie von ihrem Familienerbe: Wenn sie einen Mann zum ersten Mal küsst, sieht sie das Ende der Beziehung. Bisher hat ihr jeder erste Kuss schlechte Visionen beschert, also hat sie die Suche irgendwann aufgegeben. Doch inzwischen sind ihre FreundInnen fast alle in festen Händen oder glückliche Singles mit Affären, und Amy sehnt sich nach einem Partner, zu dem sie nach Hause kommen und mit dem sie ihr Leben teilen kann. Also lässt sie sich auf der Hochzeit ihrer besten Freundin auf einen Deal ein. Sie wird alle Männer küssen, die ihr gefallen, vielleicht ist Mr. Right ja dabei. Am nächsten Tag hat sie einen üblen Filmriss und die undeutliche Erinnerung an drei Küsse, einen davon mit dem Mann ihres Lebens. Sie weiß nur leider nicht mehr, wen sie geküsst hat. Also muss sie mithilfe ihrer Freunde die drei möglichen Kandidaten ermitteln und sich mit ihnen treffen.

„Das Beste kommt zum Kuss“ ist eine herrlich schräge, zuckersüße RomCom, die ich kaum aus der Hand legen konnte und mir sehr gut als Film vorstellen kann.
Amys Freunde sind ein kleines bisschen crazy und unterstützen sie bei ihrer Suche und den Dates mit den verrücktesten Ideen – und Kostümen. Dabei kommt es zu einigen amüsanten Missverständnissen und sehr unterhaltsame Situationen („Ich bin auch nur ein Mädchen, das auf einem Bett liegt und einen Jungen fragt, ob er ihm einen Matratze verkaufen will.“ (S. 8)).
Doch die Geschichte hat auch ernste Seiten. Da ist zum einen Amys Sehnsucht nach einer eigenen Familie. Ihre Mutter hat sich damals auf ihren Mann eingelassen, obwohl sie von vornherein wusste, dass die Beziehung nicht halten würde. Diesen Kompromiss möchte Amy nicht eingehen. Außerdem ist ihre Mutter dement und lebt im Pflegeheim. Die Tage, an denen sie ihre Tochter erkennt, werden weniger und Amys Sorgen größer. Diese Schwierigkeiten erzählt Molly James aber mit genau der richtigen Portion Gefühl und Leichtigkeit und ohne falschen Pathos.

„Du suchst in diesen Männern die Antwort auf alles, aber eigentlich musst du dich nur selber prüfen. Wenn du mit ihnen zusammen bist, dann frage dich: Wie fühle ich mich mit diesem Menschen?“ (S. 234) Am Ende hört Amy auf das, was ihre Freunde raten. Aber ob sie ihren Traummann damit wirklich findet, verrate ich natürlich nicht. Viel Spaß beim Selberlesen!

Bewertung vom 14.06.2023
Die Buchverliebten
Baumheier, Anja

Die Buchverliebten


ausgezeichnet

Angst vor der Liebe

„… letztendlich haben die Bücher mir das Liebste in meinem Leben genommen.“ (S. 216) Seit 20 Jahren trauert Gesa um ihre große Liebe, den finnischen Schriftsteller Onni. Sein Tod hat ihr die Freude am Lesen genommen, trotzdem verkauft sie seit über 40 Jahren Buchversicherungen. Doch auch damit könnte es bald vorbei sein, denn „Bücher sind tot … Leider.“ (S. 23). Wenn sie nicht ganz schnell neue Kunden akquiriert, muss sie gehen, sagt ihr Chef. Ihr Zwillingsbruder bringt sie mit Ole Oevermann zusammen, der eine Buchhandlung mit Antiquariat betreibt und auch zu wenig Kunden hat. Zusammen entwickeln sie neuen Mut und eine Idee, um Gesas Kündigung abzuwenden und Oles Laden zu retten.

Gesa ist überzeugt, nicht für die Liebe gemacht zu sein. Zwei Partner haben sie betrogen, Onni ist früh gestorben. Sie tröstet sich mit ihrer Arbeit und der Liebe zu Marzipankartoffeln. Wenn sie sich das Herz ausschütten muss, sind ihre Eltern und ihr Zwillingsbruder für sie da, der in der Liebe ebenfalls kein Glück hat. Außerdem redet sie mit einem ausgestopften Kuukkeli (einem finnischen Unglückshäher, der eigentlich ein Glücksbringer ist), den Onnis Familie ihr zum Trost geschenkt hatte. Aber dann lernt sie Ole kennen, der auch ein Trauma und fast zur gleichen Zeit wie sie seine Frau verloren hat. Erst durch ihren Verlust er zum Lesen gekommen. „Mir bedeuten Bücher alles, Literatur ist mein Lebenssinn.“ (S. 55) Ole ist hilfsbereit, rücksichtsvoll und fürsorglich und scheint ernsthaft an Gesas Dilemma interessiert zu sein und daran, eine Lösung für sie beide zu finden. Sie könnte sich in ihn verlieben, wenn sie nicht solche Angst vor der Liebe hätte, vor einer neuerlichen Enttäuschung. Ole sucht nicht nach der Liebe, die zu seiner Frau war genug für ein ganzes Leben. Doch irgendetwas an Gesa bringt sein Herz zum Schwingen. Er sieht sie nicht nur als Zweckgemeinschaft, sondern erhofft sich mindestens eine tiefe Freundschaft, vielleicht auch mehr. Wenn er seine Gefühle nur begreifen und in Worte fassen könnte. Und außerdem: „Liebe gibt es auch in der Freundschaft, oder nicht?“ (S. 325)

„Die Buchverliebten“ ist ein leiser Roman, getragen von Gesas und Oles Trauer um ihre Liebsten, aber auch mit einem immer wieder durchschimmernden Quäntchen Hoffnung auf Heilung und Veränderung. Mir gefiel die Vorstellung, dass ein ganz ähnlicher Schicksalsschlag sich so verschieden auswirken kann. Gesa hat er von der Literatur entfernt, Ole ihn zu ihr hingeführt.
Es ist ein Buch über die Liebe zu Büchern und zur Literatur das nachhallt und zum Nachdenken anregt. Anja Baumheier hat mit Gesa und Ole zwei ganz besondere Antihelden geschaffen, deren Geschichte einem sofort ans Herz gehen und zu dem ihr poetischer Schreibstil ganz wunderbar passt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.06.2023
Das Glück ist nur eine Insel entfernt
Jacobson , Jette

Das Glück ist nur eine Insel entfernt


sehr gut

Minijob mit Meerblick

„Also willst du dir damit Deine Jugend zurückholen?“ (S. 110) Rosalies Ex-Mann ist pikiert, als die über 50jährige den Studentenjob auf Amrum übernimmt, den eigentlich ihre Tochter bekommen hatte, die dann aber lieber nach Australien gereist ist. Doch da Rosalie nach ihrer Scheidung eh noch in der (Selbst-)Findungsphase ist und nicht weiß, was sie in Zukunft machen will, wird sie für die nächsten 4 Wochen als Gesellschafterin dem blinden Theo die Zeit vertreiben, während sein Partner verreist ist. Dumm nur, dass Theo gar keine Hilfe will und sie sofort zurückschicken will. Aber da hat sich Rosalie schon in die Insel verliebt und will unbedingt bleiben. „Von hier sollte sie sich nicht so einfach vertreiben lassen.“ (S. 41)

„Das Glück ist nur eine Insel entfernt“ ist ein sommerleichter Frauenroman für entspannte und gleichzeitig pickelnde Stunden, denn Rosalie friert nicht nur leicht, auch Insulaner Justus macht ihr wohlige Gänsehaut. Doch erst einmal muss sie Theo dazu bringen, dass sie bleiben darf. Der Mittdreißiger kommt nämlich bestens allein zurecht, hat eine Haushalthilfe und seinen Hund Marwin – was soll er da noch mit einer „Zeitvertreiberin“?! Zum Glück ist Rosalie ziemlich taff und kann sich durchsetzen. Bald fühlt sie sich in Amrum heimisch und knüpft neue Freundschaften. Außerdem entdeckt sie ihre Kreativität wieder. Kann und will sie sich auf Amrum den Jugendtraum einer eigenen Accessoire-Linie erfüllen?

Hinter den Pseudonym Jette Jacobson steckt die österreichische Autorin Isabella Archan, die mit den beiden skurrilen Ladenbesitzern Irmi und Lorenz ein bisschen Heimat auf die Insel verpflanzt hat. Davon abgesehen dreht sich alles um Rosalie und Amrum. Die hat neben ihrem Minijob ausreichend Zeit, sich in die Nordseeinsel und den charmanten Justus zu verlieben. Aber ihre Vergangenheit lässt sie nicht ganz los und 30 Jahre Ehe lassen sich nicht einfach abstreifen, auch wenn man sich auseinander gelebt hatte. Zumal ihr Ex das Talent hat, sich in den ungünstigsten Momenten zu melden. Aber was wäre eine neue Liebe ohne Hindernisse?

Ein schönes Buch für den Strand, mit Wellenrauschen im Ohr, Sand unter den Füßen und einem Krabbenbrötchen und Kaffee in Reichweite – oder lieber Tote Tante und Friesentorte?

Bewertung vom 11.06.2023
Hörst du das Meer rauschen
Martens, Merle

Hörst du das Meer rauschen


ausgezeichnet

Oma Hanni haut ab

Ausgerechnet am 4. Jahrestag findet Fee heraus, dass ihr Freund sie betrügt, dabei reden sie schon länger über eine Hochzeit und Kinder. Während sie die Trennung plant, verschwindet ihre Oma Hanni. Sie hat nach fast 50 Jahren endlich ihren Mann verlassen. In Hannis Sachen entdeckt Fee eine Telefonnummer von Juist, und obwohl ihr Opa der festen Überzeugung ist, dass seine Frau ganz schnell von allein zurückkommt, fährt Hanni auf gut Glück auf die Insel. Dort findet sie nicht nur Hanni, sondern auch ein altes Geheimnis und vielleicht sogar eine neue Liebe …

Fee ist enttäuscht, als sie den Betrug ihres Freundes entdeckt, hat aber zum Glück eine Familie und eine beste Freundin, die sie auffangen, und mit der Suche nach Hanni auch eine Aufgabe, die sie von ihrem Kummer ablenkt. Und Töwerland, Zauberland, macht seinem Namen alle Ehre. Sie ist sofort von der Insel und seinen Bewohnern fasziniert.
Fee und ihre Eltern hatten schon viel früher damit gerechnet, dass sich Hanni von Opa Siggi trennt, der in den letzten Jahren immer mürrischer und herrischer geworden ist. Er ist ein Mann alter Schule und der Überzeugung, dass seine Frau ohne ihn nicht lebensfähig ist. Doch Hanni beweist allen das Gegenteil und es hat auch einen Grund, dass sie ausgerechnet nach Juist abgehauen ist.

„Hörst Du das Meer rauschen“ ist ein wunderbar stimmungsvoller, romantischer Sommerroman mit einer klitzekleinen Prise Magie, der Lust auf Juist und Urlaub an der Nordsee macht. Ich habe mich sofort in der Geschichte wohlgefühlt und bin mit Hanni und Fee auf Juist angekommen, hatte Appetit auf dicken, ofenwarmen Rosinenstuten und frisch gebackene Madeleines.

Ich mochte Fee und ihre Familie sehr, aber Hanni hat mich nachhaltig beeindruckt. Mit über 70 gesteht sie sich ein, dass ihre Ehe gescheitert ist, gibt ihr eingefahrenes Leben auf und wagt einen Neuanfang. Endlich soll es mal nur um sie und ihre Bedürfnisse gehen. Auch das über alte Liebesbriefe integrierte Geheimnis hat mir ausgesprochen gut gefallen. Ein Buch, dass Hoffnung und Mut für Neuanfänge macht und zeigt, dass es nie zu spät und man nie zu alt ist, um nach der wahren Liebe zu suchen.

Bewertung vom 08.06.2023
Vier Schafe und ein Todesfall / Cosy Cornwall Crime Bd.1
Chatwin, Thomas

Vier Schafe und ein Todesfall / Cosy Cornwall Crime Bd.1


ausgezeichnet

Chloes Geheimnis

„Wenn ihr wüsstet, wie nah ich euch die ganze Zeit war.“ (S. 69)
Kate feiert gerade mit der ganzen Familie Doyle Grandma Emilys 85. Geburtstag, als ein Anruf kommt. Vier Schafe aus der Herde von Kates Partner David fehlen, dafür ist überall Blut. Die Spuren führen zur Strandvilla eines ehemaligen Verlegers und seiner Leiche – und zu Kates Tante Chloe, die vor 30 Jahren nach London verschwunden ist und den Kontakt zur Familie abgebrochen hatte. Und obwohl die Doyles seitdem nie wieder von ihr gehört haben, traut ihr niemand einen Mord zu.

„Vier Schafe und ein Todesfall“ ist der Auftakt der neuen Cornwall-Krimi-Reihe von Thomas Chatwin und lebt vor allem von den eigenwilligen Familienmitgliedern der Doyles. Die sind nämlich nur auf den ersten Blick normal, auf den zweiten hat jeder von ihnen eine besondere Vergangenheit, einen außergewöhnlichen Beruf oder ein nicht alltägliches Hobby.
Emily führt ein strenges Matriarchat und hat die Familie fest im Griff. Ihr verstorbener Mann war Richter, von ihm hat sie die Leidenschaft für Kriminalfälle geerbt und die eine oder andere alte Akte, die sie heimlich immer wieder liest. Sie traut der ermittelnden Beamtin nicht viel zu und verlässt sich lieber auf ihre eigenen Nachforschungen, für die sie sämtliche Beziehungen spielen lässt, diverse Gefallen einfordert und alle Verwandten und Bekannten einspannt.
Kate ist Journalistin und hat nebenbei einen True-Crime-Podcast, David war vor seinem Leben als Schaffarmer Forensiker und ihr Vater ist Kunsthistoriker, hat nach seinem Studium aber 4 Jahre für dem MI5 gearbeitet. Damit sind sie doch geradezu prädestiniert, den wirklichen Mörder zu finden!

Der Fall ist sehr spannend und voller überraschender Wendungen. Die Doyles müssen ihre Erkenntnisse und Ansichten über Chloe mehrfach revidieren, denn nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.

Ich mag den Humor mit dem Thomas Chatwin seine Figuren ausgestattet hat, die kleinen Seitenhiebe und Sticheleien, mit denen sie sich necken. Sie sind eine tolle Familie, um deren Zusammenhalt ich sie ein bisschen beneidet habe.

Die kornische Küste und die Schaffarm als Schauplatz haben mir gut gefallen. Besonders die Schafe habe ich mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Eigenarten ins Herz geschlossen. Ich mochte, wie sie immer wieder Ruhe in Kates plötzlich so aufregendes Leben gebracht haben und hoffe, dass sie auch in den nächsten Bänden der Reihe wieder auftauchen.

Bewertung vom 03.06.2023
Die Revanche des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.2
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Die Revanche des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.2


sehr gut

Tragödie, Komödie oder Farce?

Weil das Leben an der Côte d’Azur teuer ist und die Unverbesserlichen gerne gut leben, haben sie den Gewinn von ihrem ersten Fall ein Jahr später fast alle schon durchgebracht. Ausgerechnet jetzt ermöglicht die von ihnen damals gefundene Urkunde der Familie Vicomte, weitreichende Veränderungen durchsetzen. Sie wollen aus Port Grimaud eine Residenz der Schönen und Reichen machen. Für das Fußvolk ist da kein Platz mehr. Wer sich die neuen Preise nicht leisten kann, soll (so schnell wie möglich) wegziehen. Das kann und will die Gruppe um Guillaume Lipaire nicht hinnehmen. Zum Glück gibt ihnen der geheimnisvolle Freund wieder hilfreiche Hinweise. „Vielleicht seid ihr die Unverbesserlichen, aber nicht die Unverzichtbaren. Ihr sollt zu den Untragbaren gemacht werden. Höchste Zeit also, die Unbesiegbaren zu werden!“ (S. 116) Aber wer ist er und woher weiß er so gut über sie und ihre Pläne Bescheid?!

Guillaumes Dreamteam ist zurück und muss sich ganz schön was einfallen lassen, um den Plan der Vicomtes zu vereiteln, aus Port Grimaud eine unabhängiges Fürstentum zu machen. „Wir sollten den Vicomtes noch mal ordentlich in die Suppe spucken, findet ihr nicht?“ (S. 79) Dazu besinnen sie sich auf ihre bewährten Fähigkeiten. Guillaume spielt den Anführer und schmiedet Masterpläne, anstatt sich die Hände schmutzig zu machen, aber dafür hat er ja seinen Zögling Karim. Ex-Legionär Paul kann endlich wieder seine militärischen Kenntnisse einsetzen. Delphine kümmert sich um das leibliche Wohl aller Beteiligten. Lizzy wickelt auch mit 85 noch die Männer um ihre Finger und Jaqueline empfiehlt die passenden Filmszenen zur Recherche für ihre Aktionen.

Volker Klüpfel und Michael Kobr haben ihre charmanten Gauner wieder auf Port Grimaud und die Vicomtes losgelassen und mich damit ziemlich gut unterhalten, auch wenn die Krimihandlung diesmal etwas sehr cosy ist (kleiner Spoiler, es gibt fast keinen Toten) und in der Mitte ein paar kleine Längen hat. Das Buch lebt von den skurrilen Figuren, ihren Kostümauftritten und aberwitzigen Plänen, die natürlich nicht immer aufgehen, auch wenn sie sehr ambitioniert und eigentlich recht ausgeklügelt sind. Aber die größte Fehlerquelle sind Kleinganoven nun mal selber. Dazu kommen die Streitigkeiten und das Misstrauen bezüglich der Identität des geheimnisvollen Tippgebers. Bei dem Insiderwissen kann das doch eigentlich nur einer von ihnen sein?! Das Autorenduo hält die Spannung auch hier bis zum Schluss.
Zum Charme der Reihe gehört auch, wie zwischen den Gruppenmitgliedern menschelt und dass sich neben Jacky und Karim noch ein Pärchen anbahnt. Zudem kann man sich beim Lesen mit einem gut gekühlten Rosé so wunderbar ans Mittelmeer träumen.

Bewertung vom 31.05.2023
Träume aus Eis
Winkler, Franziska

Träume aus Eis


ausgezeichnet

Eiszeit

„Wir brauchen etwas Originelles, etwas Neues und anderes. Etwas, das ganz München, ja die ganze Welt, noch nicht gesehen hat.“ (S. 90/91)
Erna und Josef Pankofer eröffnen 1929 ihren kleinen Eissalon, doch die Konkurrenz ist groß. Nur wenige Straßen weiter bietet ein großes Kaffeehaus als Spezialität jetzt auch Eiscreme an, hergestellt von einem echten Italiener. Josef ist klar, dass seine Versuche mit neuen Sorten sie nicht weiterbringen, etwas Revolutionäres muss her. In einer Zeitschrift liest er, dass es in Amerika bereits Eis am Stiel gibt, und bei einer Reise nach Berlin kann er es zum ersten Mal kosten. Das Konzept überzeugt ihn und er will damit in München ganz groß rauskommen, doch die Herstellung ist weder einfach noch günstig. Ein weiteres „Problem“ sind die Töchter der Familie. Frieda, die Ältere, verliebt sich ausgerechnet in den Sohn eines Wettbewerbers und Lotte, die Jüngere, weiß noch nicht, was sie im Leben machen will.

Erna und Josef wollen, dass es ihren Mädchen mal besser geht, darum wagen sie die Selbständigkeit mit dem Eissalon. Josef ist ein sympathischer Eigenbrötler, immer mit dem Kopf in den Wolken und schon bei der nächsten Idee, bevor er die erste richtig umgesetzt hat. Seinem Vater gehört eine Großwäschereien, aber er hat seinen Sohn verstoßen, als der die in seinen Augen nicht standesgemäße Erna geheiratet hat. Erna ist das ausgleichende Element in der Familie, sie vermittelt zwischen Josef und ihren Töchtern und hält auch den heimlichen Kontakt zu ihrer Schwiegermutter. Frieda ist schon erwachsen und geht eigene Wege. Sie arbeitet in einem Kaufhaus und unterstützt mit dem Geld ihre Familie, die von dem Eisladen noch nicht leben kann. Lotte will es ihr gleichtun, ist allerdings viel zu ungeduldig, will immer mit dem Kopf durch die Wand und rennt im wahrsten Sinne des Wortes in ihr eigenes Unglück. Außerdem gibt es noch Fanny, die Haushälterin und gute Seele des Ladens. Sie alle könnten eine große glückliche Familie sein, wenn nicht diverse persönliche Dramen alles überschatten würden.

Franziska Winkler ist das Pseudonym der Autorin Nicole Steyer, die auch als Linda Winterberg und Anke Petersen schreibt. Ich habe schon einige historische Romane von ihr gelesen und war sehr gespannt auf die Entwicklung des JOPA-Steckerl-Eises. Allerdings bildet die hier lediglich den Rahmen für eine dramatische Familiengeschichte vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, die mich nicht ganz überzeugen konnte. Einmal abgesehen von den wechselnden Namen und Altersangaben der Protagonisten oder Jahresangaben, sind auch andere Schnitzer drin, wie z.B. die unterschiedlichen Herkunfts- / Abstammungsangaben von Erna. Auch Josefs Konflikt mit seinem Konkurrenten in der Vergangenheit erschließt sich mir nicht so ganz. Und leider orientiert sich die Geschichte nur sehr grob an den historischen Fakten und Eckdaten zum Steckerl-Eis. Alles einzeln genommen, eigentlich kein Drama, aber in seiner Gesamtheit hat es mich beim Lesen leider dann doch gestört.

Bewertung vom 29.05.2023
Sonntags am Strand
Oetker, Alexander

Sonntags am Strand


ausgezeichnet

Der Strandphilosoph

„Das waren sie, seine sechs Quadratmeter.“ (S. 13) Seit 41 Jahren betreibt Enzo zwischen April und Oktober ein Bagno an der italienischen Küste. Früher hat seine Frau jeden Mittag vorzügliche Pasta für die Gäste gekocht, seit ihrem Tod kocht er in Gedenken an sie. An diesem 15. August, Ferragosto, macht er zum ersten Mal ihre Pasta Carbonara. Für die Stammgäste ist damit klar, dass er langsam über ihren Tod hinwegkommt.
Sein Tag am Strand folgt festen Abläufen, genau wie der seiner meisten Gäste, die er zum Teil schon seit Jahren oder Jahrzehnten kennt. Da ist der Fischer Signor Conte, der den ganzen Sonntag bei ihm an der Bar verbringt. Da sind Felice und Alberto, die sich sehr lieben, aber anscheinend zu verschiedene Ansichten haben. Da ist Giacopo, gerade 16, der heimlich in eine Mitschülerin verliebt ist und sich ganz toll um seine jüngeren Geschwister kümmert, während sich seine Eltern immer heftiger streiten und ihre Ehe zu zerbrechen droht.

Alexander Oetkers „Sonntags am Strand“ lässt sofort Urlaubsgefühle aufkommen. Man spürt die Hitze, den Sand unter den Füßen und hat das Wellenrauschen im Ohr. Er beschreibt sehr ruhig ganz alltägliche Szenen, wie man sie selber schon erlebt oder gesehen und für die man sich im Nachhinein vielleicht auch geschämt hat, denn der Strand ist voll und alle bekommen die Streitigkeiten mit.
Er zeigt aber auch, was hinter den Problemen der Paare steht und dass man sich manchmal gegenseitig nur richtig ansehen und hinhören muss, um seinen Partner zu verstehen. Es ist also nicht nur eine leichte Sommerlektüre, sondern auch ein kleiner Beziehungsratgeber.

Die Geschichten gehen zu Herzen, ganz besonders die von Enzo, der mich am Ende zum Strahlen gebracht hat.

Bewertung vom 28.05.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


ausgezeichnet

Der Mann ihrer Träume

„Meine Welt stand Kopf, mein Rhythmus wurde ein anderer. Ich ging früh schlafen, träumte von dir, stand auf, um das Erlebte festzuhalten. Nacht für Nacht. Tag für Tag.“ (S. 27) Im Urlaub auf Rügen stolpert ein Mann über Sophies Hundeleine und sie verschüttet ihren Kaffee auf seinem Hemd. Sie wechseln ein paar freundliche Worte und gehen auseinander. Wochen später beginnt sie von dem Fremden zu träumen, von ihrem Leben mit IHM. Doch sie ist verheiratet. Sie flüchtet immer öfter immer früher aus dem Schlafzimmer, um diesen Träume nachzuspüren und sie aufzuschreiben. Bald muss sie sich der Frage stellen, ob ihre Ehe gescheitert ist und macht sich dafür auf die Suche nach dem Mann aus ihren Träumen.

Anne Barns neues Buch „Wo Du mich findest“ ist anders als ihre bisherigen „Frauenromane“, obwohl auch er an der Ostsee spielt, es um Verluste und Neuanfänge, Freundschaft und Familie und die Suche nach der wahren Liebe geht. Sie schreibt sehr poetisch und ruhig, lässt ihren Figuren viel mehr Raum, um sich zu entfalten, geht noch tiefer in deren Gedanken und Gefühle.

Sophies hat erst vor kurzem ihren Vater und ihre beste Freundin verloren und kann den Verlust nicht verarbeiten, ihr Ehe scheint daran gescheitert zu sein. Einzig ihre Träume von IHM geben ihrem Leben noch einen Sinn. „Zu wissen, dass du in meinen Träumen wartetest, gab mir Halt. Nur noch schlafen, einfach nie wieder aufwachen.“ (S. 44)

Anne Barns hat einen ungewöhnlichen Erzählstil gewählt und lässt Sophie in der Rückschau erzählen. Es ist eine wahnsinnige tolle, extrem berührende Geschichte, die man, obwohl sie relativ kurz ist, nicht mal so nebenher lesen kann, dazu geht einem Sophies Traurigkeit zu nah. Diese Schwermut begleitet sie auch auf Rügen noch eine gewisse Zeit, wird zum Glück aber immer seltener, weil die Suche nach ihrem „Traummann“ Ablenkung bietet und sie dabei neue Freunde findet, zur Ruhe kommt und zu sich selber findet.

Und ohne zu viel verraten zu wollen, ich liebe das Ende, das so voller Hoffnung und Zuversicht ist, ohne kitschig zu sein. #herzensbuch #lieblingsbuch