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sleepwalker

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Insgesamt 467 Bewertungen
Bewertung vom 19.10.2021
Caravaggios Schatten / Kunstdetektei von Schleewitz Bd.2
Jaumann, Bernhard

Caravaggios Schatten / Kunstdetektei von Schleewitz Bd.2


sehr gut

Nachdem ich Bernhard Jaumanns „Der Turm der blauen Pferde“ gelesen hatte, habe ich mich auf die Fortsetzung dieser sehr speziellen Krimireihe gefreut. Mit „Caravaggios Schatten“ hat der Verfasser einen meiner Meinung nach zwar nicht ganz so guten und packenden Kunst-Krimi wie den Vorgänger abgeliefert, aber dennoch ein lesbares und unterhaltsames Buch.
Alban Posselt teilte sich vor 25 Jahren mit dem Kunstdetektiv Rupert von Schleewitz im Internat ein Zimmer. Plötzlich taucht er durch ein Ehemaligentreffen wieder in Ruperts Leben auf und lädt ihn zu einem Besuch der Gemäldegallerie von Schloss Sanssouci ein. Unvermittelt zieht Alban ein Messer und sticht auf Caravaggios Gemälde „Der ungläubige Thomas“ ein. Er wird verhaftet, das Bild soll restauriert werden. Aber noch auf dem Weg zum Restaurator wird es ge-„artnappt“, also gegen Lösegeld entführt. Bei den Ermittlungen, die Rupert in seine Jugend- und Internatszeit zurückführen, stehen ihm wie schon im ersten Band Klara und Max zur Seite. Und mit ihnen befindet sich die Leserschaft unversehens in einem Strudel aus Ereignissen rund um Kunst und Verbrechen. Was hat die Zeit im Internat mit der Tat zu tun? Und welche Rolle spielt eigentlich Klaras an Parkinson erkrankter Vater wieder?
Die Geschichte an sich fand ich etwas sehr konstruiert und die Handlung wechselte zwischen belanglos und hochspannend hin und her und auch sonst zeigt der Krimi ein paar Schwächen. Dennoch schaffte der Autor es, mich über lange Strecken zu fesseln und ich war wirklich gespannt auf die Auflösung. Die zahlreichen Ermittlungsansätze brachten mich auf jeden Fall zum Mitraten und Mitfiebern, vor allem durch das Katz-und-Maus-Spiel mit den Bilderdieben und der ständig aufflammenden Frage, was denn Albans und damit auch Ruperts Vergangenheit im Internat mit der Messer-Attacke auf das Bild zu tun hat.
Sprachlich ist das Buch bodenständig und eher schlicht, die Charaktere sind auch eher flach und oberflächlich beschrieben. Höchstens bei der Darstellung von Klaras Vater Ivanovic und des Detektei-Mitarbeiters Max konnte der Autor bei mir punkten, eigentlich schaffen es auch nur die beiden wenigstens ein bisschen dreidimensional zu wirken. Der Verfasser scheint den Fall und seine Lösung eher in den Mittelpunkt zu stellen als die Ermittler, was ich ziemlich schade finde, weil da meiner Meinung nach nicht das gesamte Potential ausgeschöpft wurde. Und irgendwie gerät Rupert von Schleewitz trotz seines direkten Bezugs zum Fall sehr an den Rand der Ermittlungen. Die Hauptrollen spielen in diesem Buch ganz eindeutige andere, nicht zuletzt das Gemälde von Caravaggio, über das der Leser sehr viel erfährt.
Ich habe das Buch auf jeden Fall gerne gelesen und war sehr gespannt auf die Auflösung, vor allem, weil ich über weite Strecken absolut keine Ahnung hatte, wohin die Geschichte führen würde. Von mir daher wegen der ab und zu langatmigen Beschreibungen und der im Großen und Ganzen eher unsympathischen Charaktere vier Sterne.

Bewertung vom 11.10.2021
Vati
Helfer, Monika

Vati


ausgezeichnet

„Vati“ heißt der neue Roman von Monika Helfer, mit dem sie ihre Familiengeschichte aus „Die Bagage“ fortsetzt. Zugegeben, ich kannte die Autorin vorher nicht, aber das muss sich ändern. Denn mit „Vati“ hat sie für mich ein wirklich lesenswertes, wenn auch nicht ganz einfaches Werk abgeliefert. In „Die Bagage“ schreibt sie über die Familie mütterlicherseits, in „Vati“ konzentriert sie sich, wer hätte es gedacht, auf ihren Vater. Aber so plump, wie sich dieser Satz von mir liest, ist das Buch natürlich nicht. Ist die Geschichte wahr oder erfunden? „Beides, aber mehr wahr als erfunden.“ – das Erfundene ist vermutlich wichtig für die Annäherung an den Vater, denn in Wirklichkeit weiß sie gar nichts über ihn. Und so versucht sie, sich autofiktional an den besessenen Büchersammler anzunähern und die Lebensgeschichte des Mannes zu rekonstruieren, der sie geprägt hat und der in den 1980ern mehr oder weniger durch seine Bücherleidenschaft mit 67 Jahren zu Tode kam.
Ihr Vater wollte von den Kindern „Vati“ genannt werden, weil er es moderner findet. Und nach dem Krieg waren neue Zeiten angebrochen, auch er will fortschrittlich sein, „einen Mann erfinden, der in die neue Zeit hineinpasste“. Dieses „Hineinpassen“ zog sich wohl durch sein ganzes Leben. Als uneheliches Kind einer Magd geboren, war er schon früh ein Außenseiter. Zwar durfte er auf Initiative eines Bauunternehmers und des örtlichen Pfarrers aufs Gymnasium, wurde aber kurz vor dem Abitur zum Kriegsdienst eingezogen. In Russland verlor er durch Erfrierungen ein Bein und verliebte sich im Lazarett in die Krankenschwester Grete, die (als uneheliches Kind) ebenfalls eine Außenseiterin war. Die beiden „Versehrten“ gründeten eine Familie, geprägt von Depressionen und den Traumata der Kriegsgeneration, die auch an den vier Kindern nicht spurlos vorbeigingen.
Neben dem Kriegsopfererholungsheim auf der Tschengla, das er leitete, waren Bücher die wahre Leidenschaft von Monika Helfers Vater. Mit einer Menge Bücher, die er vom dankbaren Vater eines Gastes erbte, richtete er eine Bibliothek ein. Als das Heim von den Besitzern in ein Hotel umgebaut wurde, verlor er, der nach dem Krieg so gerne die Matura gemacht und Chemie studiert hätte, mehr oder weniger alles: seine Existenzgrundlage, seine Bibliothek und beinahe sein Leben durch einen Suizidversuch. Als seine Frau verstarb, verteilte er die Kinder auf die Verwandtschaft. Auch nach seiner Neuvermählung fand die Familie nicht mehr zusammen.
Die Autorin hält ihre Leserschaft stets auf Distanz. Sie liebte es als Kind, wenn ihr Vater mit einem geliehenen Filmprojektor im Speisesaal des Erholungsheims „Kino spielte“ – ähnlich kam ich mir beim Lesen des Buchs vor: wie jemand, der das Leben von anderen auf einer Leinwand sieht. Die Charaktere sind allesamt nur in den Einzelheiten beschrieben, die für die Geschichte wichtig sind. Exakt und auf den Punkt, kein Wort zu viel. So schreibt sie weitgehend emotionslos und nie wertend, manchmal sogar in aller Tragik lustig und voller absurd anmutender Anekdoten. Kompliziert fand ich, da ich „Die Bagage“ nicht gelesen habe, die Zeitsprünge und die vielen Tanten und Onkel in der Geschichte, vor allem, weil jeder zweite Josef zu heißen scheint.
Das Buch ist ein Denkmal für ihren Vater, einen Typ Mann, den es nach dem Krieg zu Tausenden gab. Einen traumatisierten, versehrten Kriegsheimkehrer, der in seinem Trauma und in sich selbst durch Schweigen gefangen zu sein scheint, manchmal aber eine Leidenschaft findet, die ihn glücklich macht und ihm eine Basis für das Miteinander mit anderen bieten kann („Wir hatten ein spezielles Buch-Verhältnis miteinander“). Mich hat das Buch tief berührt und angesprochen. Die viele Distanz im Buch machte mich allerdings traurig, sowohl die Distanz der Charaktere zueinander und die Mauer, die die Autorin zwischen der Leserschaft und den Charakteren zieht, fand ich fast greifbar. Von mir 5 Sterne und eine klare Lese-Empfehlung.

Bewertung vom 05.10.2021
Greenlights
McConaughey, Matthew

Greenlights


weniger gut

„Greenlights oder die Kunst bergab zu rennen“ soll keine Autobiografie des Schauspielers und Oscar-Preisträgers Matthew McConaughey sein, eher ein Liebesbrief an das Leben, zusammengestellt aus seinen Tagebüchern der vergangenen 35 Jahre. So blickt er auf die bislang 50 Jahre seines Lebens zurück, mit allen Höhen und Tiefen. Herausgekommen ist ein Buch, das man durchaus lesen kann, aber meiner Meinung nach nicht unbedingt gelesen haben muss. Ohne den Schriftsteller Matthew McConaughey kann ich ganz gut leben und, wie ich bei der Durchsicht seiner Filmografie bemerkt habe, ohne den Schauspieler auch. Dennoch hat mich das Buch sehr interessiert, schlicht, weil ich gerne Lebenserinnerungen von anderen lese.
Wirklich beeindruckt hat mich die Geschichte des Schauspielers allerdings nicht. Vor allem die Beschreibung seiner Kindheit voller häuslicher Gewalt und größeren und kleineren Gaunereien hat mich eher abgestoßen. Wie kann er locker aus der Hüfte darüber schreiben, dass sein Vater seiner Mutter viermal den Mittelfinger gebrochen hat (seine Eltern hatten einander dreimal geheiratet und sich zweimal voneinander scheiden lassen)? Schläge in der Familie waren nicht selten, die Mutter brach dem Vater mit dem Telefonhörer die Nase und der Vater verprügelte ihn einmal, bis sein Hintern blutete. Schön, dass er selbst das als Mittel dazu sah, ein echter Mann zu werden und Resilienz zu lernen „und wie man Konsequenzen und Verantwortung trägt, ich lernte, hart zu arbeiten.“, aber ich hoffe inständig, dass er es bei seinen drei Kindern anders macht.
In seinem „Drachentöter-Training“ plante er, jede Nacht um Mitternacht schlafende Kühe umzuschubsen. Als jemand, der direkt neben wild lebenden Rindern wohnt, kann ich da nur den Kopf schütteln, und ich habe mich insgeheim gefreut, dass ihm einer der Bullen einen Kopfstoß und eine Gehirnerschütterung verpasst hat. Er schreibt außerdem mit zu viel über Alkohol, Drogen, feuchte Träume und Onanie und darüber, wie es ist, in einer Familie aufzuwachsen, in der man „keinen Ärger bekam, weil man ein Verbrechen begangen hatte, sondern weil man sich hatte erwischen lassen.“ Im Endeffekt landet er in jedem der acht großen Kapitel bei Binsenweisheiten, Kalendersprüchen, Autoaufklebern und manchmal (aber für mich zu selten) bei echten Lebensweisheiten. Geistige Ergüsse gepaart mit eher körperlichen Ergüssen. Beispiele gefällig? „Die beste Art zu lehren ist die Art, die am ehesten verstanden wird“ – das kann ich so unterschreiben. Ebenso „Ich bin gut in dem was ich liebe – ich liebe nicht alles, worin ich gut bin“. „Weißt du erstmal, dass es schwarz ist, ist es nur noch halb so dunkel“ – das verwirrt mich eher.
Sprachlich fand ich das Buch ganz nett, irgendwo zwischen leicht und seicht, mit ein paar wenigen inhaltlichen und sprachlichen Lichtblicken. Die Gedichte, die eingeflochten sind, fand ich eher uninspirierend und banal. Matthew McConaughey ist sicher ein begabter Schauspieler und ein intelligenter, reflektierter und nachdenklicher Mensch, der es im Leben trotz einiger Schwierigkeiten durch sehr viel Glück und harte Arbeit zu etwas gebracht hat. Sein „Liebesbrief an das Leben“ konnte mich aber nur mäßig erreichen und da seine Gedankengänge in der Hauptsache nicht wirklich neu sind, wird mir das Buch wohl nicht im Gedächtnis bleiben. Oder, um es mit seinen Worten zu sagen: „Es gibt einen Unterschied zwischen Kunst und Selbstausdruck
Alle Kunst IST Selbstausdruck.
Nicht aller Selbstausdruck ist Kunst.“ – und nicht jedes Buch ist Literatur und ganz sicher muss nicht jedes gelesen werden.
Von mir zwei Sterne.

Bewertung vom 28.09.2021
Der versperrte Weg
Goldschmidt, Georges-Arthur

Der versperrte Weg


sehr gut

„Der versperrte Weg“ von Georges-Arthur Goldschmidt lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits finde ich die autobiografische Geschichte von Erich und Jürgen-Arthur gut und berührend, andererseits fühle ich mich vom Autor stets auf Distanz gehalten und durch die sehr nüchterne, fast tabellarische Erzählung außen vor. Der Autor berichtet eher, als dass er erzählt, er schafft keine Bilder oder Emotionen, was mir das Lesen schwierig machte.
Als Jürgen-Arthur (später Georges-Arthur) 1928 geboren wird, ist die älteste Schwester schon 18. Das Leben seines Bruders Erich Leben verändert sich drastisch durch seine Ankunft („Mein Bruder war vier, als ich zur Welt kam und durch meine Erscheinung auf dieser Welt habe ich sein Leben zerstört“.). Er plante wohl sogar, dem Nachzügler die Augen auszustechen. Aber in ihrer Welt gibt es Schlimmeres als Eifersüchteleien zwischen Brüdern. Als 1933 die Nazi-Herrschaft beginnt, wird die protestantische Familie als jüdisch erklärt. Erich darf das Gymnasium nicht mehr besuchen und wird antisemitisch beschimpft und zur Hitlerjugend darf er, für den deutscher Nationalismus so wichtig ist, auch nicht.
Um sie zu schützen, schicken die Eltern die völlig unterschiedlichen Brüder 1938 ins Exil, erst nach Florenz, später nach Frankreich. Erich wird vom deutsch-Nationalisten („Alles Deutsche war Lebensinhalt für ihn.“) zum Widerstandskämpfer, schließt sich der Resistance an, später geht er zur Fremdenlegion. Die Brüder bleiben sich fremd, auch wenn sie im Exil als Schicksalsgemeinschaft lebten („Auf einmal war er dennoch gegenüber dem Bruder voller Zärtlichkeit gewesen, denn er war doch der Einzige, mit dem er ein Schicksal teilen würde. Weihnachten kam immer näher, ein Weihnachten ohne Schnee und Tannenbaum. Auf einmal fühlte er sich innigst mit dem kleinen Bruder verbunden, er war das, was noch von zu Hause geblieben war“). Die Eltern sehen die beiden nie wieder und einander nach dem Krieg nur wenige Male.
Kenner von Goldschmidt kennen dessen Geschichte vermutlich aus seinen anderen Werken, mir war der Autor vorher unbekannt. In diesem Buch schreibt er eine bekannte Geschichte aus einem anderen Blickwinkel erneut, um seinem Bruder ein Denkmal zu setzen. Das gelingt ihm durchaus, denn in diesem Buch scheint auch er eine andere Sicht auf den Bruder zu bekommen. Geschwister sind nun einmal spezielle Schicksalsgemeinschaften. Man ist miteinander verwandt, ob man will oder nicht. Und ab einem gewissen Alter kann man getrennter Wege gehen, wie die beiden es ab 1943 taten. Rund 80 Jahre später holt er mit dem Buch nach, was er zu Lebzeiten des Bruders versäumt zu haben glaubt. Denn „Es ist ein sonderbares Gefühl, so nahe aneinander gelebt zu haben und so wenig vom älteren Bruder zu wissen.“
Und so strickt der Autor eine Hommage an den Bruder aus Fakten und Gedanken. Grundlage sind wohl Erzählungen des Bruders bei einem Treffen in den 1970er Jahren. Und immer wieder taucht die Frage nach dem „was wäre gewesen, wenn…“ auf: „„Was wäre aus ihm geworden, wenn er ,Arier‘ gewesen wäre? Seiner Emigration verdankte er, nicht den falschen Weg eingeschlagen zu haben.“ – die Frage, ob der Dienst bei der Fremdenlegion denn der richtige Weg war, bleibt allerdings unausgesprochen. Auch andere Fragen bleiben unbeantwortet. Wie sehr prägt die Vergangenheit Gegenwart und Lebensweg? Wie ist es, wenn man sich selbst im Weg steht, keine Heimat findet, weil man sich entwurzelt und getrieben fühlt („Gerade in dem Augenblick, als für ihn einmal nichts mehr im Wege stehen sollte, war er selber zum Hindernis auf dem eigenen Weg geworden. Er war das einzige Instrument seines Unglücks.“)? Es ist ein Buch über ungleiche Menschen, die nur DNA und Schicksal vereinen, eine Geschichte über Schuldgefühle und Verlust. Vor dem ehemaligen Haus der Familie in Reinbek sind Stolpersteine für Georges-Arthurs Eltern. Das Buch ist eine Art Stolperstein für seinen Bruder. Ich fand es wichtig und gut, aber holprig und unbequem zu lesen. Von mir vier S

Bewertung vom 23.09.2021
Why We Matter
Roig, Emilia

Why We Matter


ausgezeichnet

Gleichberechtigung für alle, von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt, vielleicht weiter denn je. Emilia Roigs Buch „Why we matter. Das Ende der Unterdrückung“ ist ein viele Facetten von Unterdrückung umfassendes Werk. Die Aktivistin und promovierte Politologin beleuchtet aus eigener Erfahrung Themen wie Intoleranz, Vorurteile, Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und das Patriarchat. Das Buch ist kein reines Fachbuch, dazu ist es zu subjektiv. Aber es ist auch kein Roman, dazu ist es zu objektiv. Es ist meiner Meinung nach vielmehr eine gelungene, wenn auch anstrengende Mischung aus Biografie und Sachbuch.
Der Schwerpunkt des Buchs liegt ganz klar auf dem Thema Rassismus gegenüber PoC, aber auch andere Formen von Unterdrückung und Diskriminierung haben ihren Platz, denn sie finden immer und überall statt. Auf der Straße, in Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Gerichtssälen, in so gut wie allen Bereichen des täglichen Lebens. Und sie betreffen nicht nur PoC, sondern praktisch alle, die von anderen als „nicht normal“ angesehen werden. Menschen werden aufgrund von Hautfarbe, Gewichts, Geschlecht, sexueller Orientierung oder wegen unzähliger anderer Dinge diskriminiert oder gar getötet. Die Autorin, die ihre Leserschaft oft direkt anspricht, klärt minutiös auf und rüttelt auf. „Unterdrückung sichtbar machen“ ist eine ihrer Maximen, den Unterdrückten Stimme und Gesicht zu geben.
Sie räumt auf mit tatsächlichen und konstruierten Unterschieden, die nur existieren, um „Ungleichheiten in unseren Gesellschaften rechtfertigen“, oft flicht sie dabei historische Grundlagen ein. Sie benennt Privilegien und deren Fehlen, spricht von Glückhaben und dem „Wert“ des Menschen, der „von vielen willkürlichen Faktoren bestimmt wird: Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, Aussehen, Vermögen, Bildungsstand.“ Und nicht zuletzt geht sie darauf ein, dass alle Formen von Diskriminierung sich gegenseitig verstärken und erklärt damit den (mir bis dahin unbekannten) Ansatz der Intersektionalität. „Er bedeutet im Grunde: Diskriminierung innerhalb von Diskriminierung bekämpfen, Ungleichheiten innerhalb von Ungleichheiten sichtbar machen, und Minderheiten innerhalb von Minderheiten empowern. In anderen Worten: Leave no one behind.“
Dabei bleibt die Autorin in ihrer Kritik und trotz der vielen Erfahrungen, die sie beschreibt, im Tenor positiv. Sie hofft auf einen Wandel. „Die Welt sah 1950 anders aus als heute, und heute sieht sie anders aus, als sie 2080 aussehen wird. Die Grenzen der Normalität werden kontinuierlich neu verhandelt und neu definiert.“ In ihrem Buch regt sie mit jedem einzelnen ihrer wohlformulierten Sätze die Leserschaft zum Nachdenken und Hinterfragen an. „Lassen Sie uns mutig sein, und die bequeme Höhle verlassen.“ – Veränderung ist harte Arbeit, Ausdauer und Beharrlichkeit und setzt voraus, dass wir unsere Komfortzone aufgeben. Aber dann IST Wandel möglich. Und die Tatsache, dass „das schon immer so war und sich schon viel verbessert hat“, dass „nicht alle Männer/Weißen/usw.“ so sind oder gar „anderswo ist es noch viel schlimmer“, macht Diskriminierung und Unterdrückung nicht besser, sondern zeigt eher, dass wir auf einem guten Weg sind, aber noch ganz am Anfang stehen.
Es ist ein leidenschaftliches aber anstrengendes Buch und ganz sicher nichts für Nebenbei. Jeder Satz ist wichtig, jedes Wort ist präzise und jede Formulierung auf den Punkt. Manchmal wird das Thema für mich etwas zu stark seziert und durch ein Mikroskop betrachtet, manchmal fand ich das Buch trotz der vielen Erfahrungsberichte fast etwas „steril“. Dennoch ist es ein enorm wichtiges und gutes Buch aus dem ich viel mitnehmen und lernen konnte, vor allem über Kapitalismus, Sexarbeit, Bildungsgerechtigkeit und Wissen, da ich mir darüber aufgrund meiner privilegierten Stellung bislang kaum Gedanken gemacht hatte. Daher von mir aufgerüttelte fünf Sterne und eine klare Lese-Aufforderung.

Bewertung vom 17.09.2021
Schampus für alle
Knopp, Guido

Schampus für alle


ausgezeichnet

In Guido Knopps Buch „Schampus für alle. ALDI – eine deutsche Geschichte“ ist der Name Programm. Der Historiker nimmt (in Zusammenarbeit mit Mario Sporn) sein Publikum mit auf eine Zeitreise von den Anfängen des Discount-Riesen bis heute. Er erlaubt einen Blick hinter die Kulissen, obwohl die Besitzerfamilie schon immer großen Wert auf Privatsphäre und Verschwiegenheit legte. Herausgekommen ist ein sehr informatives Buch, das vermutlich fast jeden ansprechen wird, denn jeder kennt ALDI und die meisten haben schon einmal dort eingekauft.
Karl Albrecht sen., der Vater der Discounter-Gründer Theo und Karl war gelernter Bäcker und machte sich in Essen Schonnebeck als Brothändler selbstständig. Neben Brot und anderen Backwaren boten er und seine Frau Anna in ihrem Tante-Emma-Laden (der „Wiege des Aldi-Imperiums“) auch Kaffee, Tee und Konfitüren, Butter, Margarine und Kekse an. Die Söhne mussten im Geschäft helfen, sollten sie doch, wie damals allgemein üblich „beruflich in die Fußstapfen ihrer Eltern treten“. Und so lernte Theo Kaufmann im elterlichen Betrieb, Karl machte eine Lehre in einem noblen Feinkostladen. Der Rest der Aldi-Geschichte ab 1948 ist Geschichte. Oder Spekulation. Oder eine Mischung aus beidem. Guido Knopp kann zumindest auf ein paar verlässliche Quellen zurückgreifen, denn allgemein weiß man über Aldi nicht wirklich viel. So fußt dieses Buch hier in der Hauptsache auf Aussagen ehemaliger Aldi-Manager.
Fakt ist aber, dass die einzig wirkliche Unternehmensstrategie der Brüder aufging. „Mit gewagten Zukunftsprojekten haben wir uns seinerzeit nicht beschäftigt, sondern nur versucht, unseren Betrieb möglichst schnell zu vergrößern“, hat Theo Albrecht Anfang der 1970er gegenüber einem Journalisten erklärt. „Ihre einzige wirklich strategische Entscheidung war der Entschluss zum Aufbau und der Ausweitung ihres Filialnetzes.“ Und die Umstellung auf Selbstbedienung und dann das „Discount-Prinzip“.
Das Bild, das der Autor zeichnet ist ein interessantes, aber sehr ambivalentes. Es ist ein Bild voller Klischees von Geiz und Geheimnissen, Geschäftssinn und Verschwiegenheit, Lockangeboten und Rabattschlachten, von radikaler Preispolitik, die Lieferanten manchmal in den Konkurs trieb. Es ist ein Bild von einer von Druck und Kontrolle geprägten Mitarbeiterführung und von Müllbergen aus Einwegverpackungen („Der Anteil der Getränke-Einwegpackungen am Hausmüll erhöhte sich von 1970 bis 1981 um 73 Prozent.“) –bequem, aber trotz Recycling eine Katastrophe für die Umwelt.
In aller Ausführlichkeit und sehr packend beschreibt Guido Knopp die Entführung von Theo Albrecht 1971. Im Nachgang versuchte Albrecht 1979, die sieben Millionen Mark Lösegeld als Betriebsausgabe anzusetzen, vor Gericht scheiterte er damit aber. Geiz mag geil sein, aber das ging dem Gericht zu weit. Mit der Aufspaltung des Konzerns in zig Regionalgesellschaften, um die Pflicht zur Offenlegung von Geschäftszahlen zu umgehen, hatten die Brüder in den 1960er Jahren allerdings Erfolg. Und natürlich beleuchtet der Autor auch die Teilung des Konzerns entlang des „Aldi-Äquators“.
„Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt.“ – in wie weit dieses Bismarck-Zitat auf die Albrecht-Familie zutrifft, kann ich nicht sagen. Aber es scheint, dass Gedanke und Geist von Theo und Karl Albrecht nicht so ganz in den Nachkommen weiterleben. Nicht nur mit der „Affäre Achenbach“ kam Aldi in die eher negativen Schlagzeilen, die Familien sind wohl zerstritten („Mit den guten Sitten in der Familie Albrecht war es endgültig vorbei“).
Für mich war es ein sehr informatives, unterhaltsames, kurzweiliges und höchst aktuelles Buch. Selbst auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie fehlen nicht. Der Autor schreibt flott und flüssig, sein Stil ist bodenständig und so macht er aus einem eigentlichen Sachbuch eine Romanbiografie eines Konzerns, eingeordnet in Zeitgeschichte und Zeitgeist. Von mir daher fünf

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2021
Finnische Tage
Koch, Herman

Finnische Tage


sehr gut

Der niederländische Schriftsteller Herman Koch war mir bis zur Lektüre seines Romans „Finnische Tage“ unbekannt und das Buch eine Überraschung für mich. Es ist ein Roman über das Erwachsenwerden, aber kein klassischer Coming-of-Age-Roman, sondern eine autofiktionale Erzählung. Für mich war das Buch interessant, es hat mich gleichermaßen berührt wie verwirrt und lässt mich zwiegespalten zurück.
Kurz vor seinem 18. Geburtstag verliert Herman seine Mutter. Nach dem knapp bestandenen Abitur fährt der dann gerade 19-Jährige 1973 für ein halbes Jahr nach Finnland. Er hat keine Ahnung, was er mit seinem Leben anfangen möchte („Das heißt, ich wusste schon, was ich werden wollte (Schriftsteller nämlich), aber so was hören Väter nicht unbedingt gerne.“), die Reise nach Finnland verschaffte ihm einen Aufschub. Er lernt zwischen der Arbeit auf dem Bauernhof und im Sägewerk die Sprache und viel über sich selbst und das Leben. Fast ein halbes Jahrhundert später fährt er zu einer Buchmesse in Turku und seine Erinnerungen holen ihn ein. An die verstorbene Mutter, die ihn als einzige verstanden hat und den Vater und dessen Freundin, die er schon während der Ehe hatte („Mehr als mein Vater war es meine Mutter gewesen, die immer meine Partei ergriffen hatte. Mein Vater hatte offen an mir gezweifelt, meine Mutter nicht.“).
Obwohl das Buch zweifellos gut geschrieben ist und mich an vielen Stellen berührt hat, war es für mich etwas zu konfus. Aber irgendwie passt es zu den Gedankengängen des Protagonisten, der auch ab und an den roten Faden zu verlieren scheint. („Offenbar hatte ich laut geredet, ohne es zu merken. In den letzten Jahren vergaß ich nicht nur, Rasierer und Unterhosen einzupacken, ich führte auch immer öfter Selbstgespräche.“) Der Autor reiht scheinbar willkürlich Erlebnisse wie auf einer Perlenschnur aneinander. Bei der Einordnung ist er dem keine Hilfe, obwohl er selbst sein Leben erst aus der Distanz des Alters richtig zu verstehen scheint.
Er schreibt sehr bildhaft, ich fühlte mich sowohl in die finnische Einöde mitgenommen („Auf dem Bahnhof von Lieksa fielen die Schneeflocken mit der Geschwindigkeit von Backsteinen. Es waren ihrer sehr viele, und es war ihnen egal, wo sie landeten, sie kannten ihre Aufgabe, sie waren gekommen, die Welt unter einer unerbittlichen weißen Schicht zu begraben.“), wie auch in die Straßen von Baltimore oder Turku. Hauptdarsteller gibt es nur einen: den literarischen Herman. Der Macho, der sich hinter „äußerer Gleichmütigkeit“ und seiner großen Klappe versteckt und viel zu viel trinkt.. Andere Personen werden nicht beschrieben, haben meist keine Namen und werden auf ein paar wenige prägnante Dinge reduziert.
Es ist ein Buch über Verlust, die Suche nach sich selbst und dem Sinn des eigenen Lebens, die persönliche Sturm-und-Drang-Zeit („Es gab keine Gefahr oder besser gesagt: Es gab sie, aber sie war mein Freund – vielleicht der beste Freund, den ich anno 1973 hatte.“) und darüber, wie aus dem schmächtigen Jungen der Schriftsteller wurde, der er immer sein wollte. Ein Buch über einen mit der Zeit schrullig gewordenen Menschen. Aus dem um die Mutter trauernden Jungen („Ich war zwar traurig, meine Welt war zusammengebrochen, aber ich war nicht untröstlich.“) wurde im Laufe der Jahre eine Art Schauspieler („Im Flugzeug hatte ich mich noch mehr oder weniger verhalten wie derjenige, der ich glaubte sein zu müssen.“). Und es ist ein Buch über jemanden, der kein Problem mit Alkohol hat, sehr wohl aber ohne. Der Autor schreibt über literweise Bier und Hochprozentiges, die er im Lauf des Tages konsumiert.
Der Autor schreibt über die Freiheit, Dinge zu erfinden. Wie viel Autobiografisches also im Buch verarbeitet ist, wird wohl ein Geheimnis bleiben. „Alles in allem, wenn ich zurückblicke, habe ich eigentlich eine sehr glückliche Jugend gehabt“, konstatiert der Protagonist. Und wenn ich zurückblicke, hat mich das Buch gut unterhalten und ich vergebe vier Sterne.

Bewertung vom 07.09.2021
Wie gut ist Ihr Deutsch? 3
Sick, Bastian

Wie gut ist Ihr Deutsch? 3


ausgezeichnet

„Wie gut ist Ihr Deutsch Teil 3“ von Bastian Sick ist „Dem großen Test sein dritter Teil“, aber der erste, den ich gelesen habe. Bislang war ich ja der Meinung, ich könnte berufsbedingt ganz gut mit der Sprache umgehen, aber ich wollte mich natürlich gerne mal auf die Probe stellen, vor allem, da ich die Reformen der Rechtschreibung nur so am Rande mitbekommen und die Änderungen nie wirklich gelernt habe. Da wollte ich doch mal sehen, wie viel ich von dem Ganzen verinnerlicht hatte. Aber natürlich ist Rechtschreibung nur ein kleiner Teil der Fragen im Quiz, außerdem werden Sprachlehre, Wortschatz, Zeichensetzung, Fremdwörter, Literatur, Redewendungen und Sprachgeschichte „abgefragt“.
Die Fragen sind gut ausgewählt und clever gestellt, die Antworten sind im EBook verlinkt und man kann einfach hin- und herblättern. Was ich da besonders toll fand: die Verlinkung ist so programmiert, dass man auch immer nur Antwort zur jeweiligen Frage lesen kann. Die Fragen selbst sind von sehr unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad, manche haben selbst mich alten Hasen herausgefordert, andere eher unterhalten. Die Einleitungen zu den verschiedenen Abschnitten sind launig gedichtet, auch ein paar Bilder/Zeichnungen lockern das Quiz auf.
Ich fand das Buch daher ebenso unterhaltsam wie informativ und lehrreich und vergebe daher gern fünf Sterne. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich gehe Zeichensetzung pauken.

Bewertung vom 06.09.2021
Vater und ich
Güngör, Dilek

Vater und ich


ausgezeichnet

Erwachsenwerden ist, wenn die Eltern beginnen, einem peinlich zu werden. Aber Ipek, der Hauptfigur in Dilek Güngörs Roman „Vater und ich“ waren ihre Eltern und ihre Herkunft schon viel früher unangenehm. Sie wuchs in den 1970er-Jahren als Kind einer Gastarbeiterfamilie in Schwaben auf. Inzwischen ist sie erwachsen, lebt als Radiojournalistin in Berlin und verbringt drei Tage mit ihrem Vater im elterlichen Haus, da ihre Mutter Wellness-Urlaub macht. So weit, so gut. Aber Vater und Tochter, die sich früher so nahegestanden hatten, haben sich seit Jahren nichts zu sagen.
Das Schweigen heißt aber nicht, dass es zwischen ihnen still ist. Manchmal wird geredet, aber nichts gesagt. Und doch viel ausgedrückt. In Rückblenden erinnert sich Ipek an ihre Kindheit und Jugend, ihre Schulzeit und an die Zeit, in der zwischen ihr und dem Vater alles anders wurde. Wurde vorher miteinander gebalgt und gekuschelt, wurde später nur noch die Hand geschüttelt und Luftküsse gegeben. Weil sie heranwuchs, eine Frau wurde und ihr Vater nicht die Liebe und Zuneigung zu ihr verlor, sondern seine Unbefangenheit.
Er liebt seine Tochter, das kann man zwischen den Zeilen herauslesen. Aber er kann es ihr aus einer gewissen väterlichen Unbeholfenheit heraus nicht sagen, nur zeigen. Kleine Gesten statt großer Worte. „Ein einziges Mal habe ich gesagt, wie sehr ich die Brezeln vom Bäcker Weidemann vermisse. Seither gibt es, wenn ich bei euch bin, Frühstücksbrezeln.“ Als er auf dem Gartenstuhl einschläft, bringt sie ihm ein Kissen, um es ihm zwischen Kopf und Schulter zu schieben („Du sollst nicht ohne Kissen schlafen“). Und wäre er vor dem Fernseher eingenickt, hätte sie ihm eine Decke gebracht.
Aber sie schreibt auch über Reibereien, Streit in der Familie übers Ausgehen und Wegbleiben. Über Rassismus, Unsicherheit, Unsichtbarkeit und Anpassung. Ipeks Eltern waren nach Deutschland gekommen, um zu bleiben. Über die Gründe weiß sie selbst wenig, das meiste musste sie sich zusammenreimen. Sie weiß von Armut, Pistazienanbau und Prügel, die ihr Vater als Kind bezogen hat. Und dass er lieber weiter zur Schule gegangen wäre, als Pistazienbauer zu werden. Im Endeffekt arbeitete er in Deutschland 20 Jahre bei derselben Firma als Polsterer. Als Kind hatte Ipek versucht, ihre Eltern zur Anpassung zu zwingen. Sich eine andere Unterschrift anzugewöhnen, zum Beispiel. Und sie selbst verleugnete zum Teil ihre Herkunft („Und in der Schule behauptete ich, ich verstünde überhaupt kein Türkisch, das machte sich besser.“)
Mit ihrem Heranwachsen wuchs auch eine Kluft zwischen ihr und dem Vater. Ein Generationenkonflikt, aber auch der Konflikt Mann/Frau, Vater/Tochter und zwischen seinem von Armut und Arbeit geprägten Leben und ihrem sorgenfreien. „Und weißt es nicht einmal, weißt es nicht zu schätzen. Das sagte er nicht, ich verstand auch so. Wie es dir als Kind im Dorf ergangen war, erzähltest du nie, aber anscheinend lebte ich im Vergleich dazu das Leben jener Prinzessin, deren Hochzeit wir uns im Fernsehen angesehen hatten.“ Und ihr Vater findet, ihr fehle die Demut. Sie sind sich fremd und fern und doch tief im Inneren nah. Eine Beziehung mit Konfliktpotential, vor allem aber mit Potential. Wenn beide Seiten aufeinander zugehen. Das Buch endet nach drei Tagen und knapp 100 Seiten für mich viel zu früh mit Ipeks Heimreise nach Berlin. Sie sind sich näher gekommen, aber nicht nahe. „Wir sagen nicht du, nicht Papa, nicht Vater, nicht Baba und du nicht Ipek. Wir sprechen miteinander ohne Ansprache“ – denkt Ipek am Anfang. Gegen Ende nennt er sie „kızım“- Tochter und sie ihn baba.
Sprachlich ist das Buch unfassbar intensiv und gut geschrieben. Ich konnte mich hervorragend einfühlen, die Hauptfigur und mich verbindet offensichtlich sehr vieles, nicht nur die schwäbische Herkunft. Wie viel von der Autorin in ihrer Protagonistin steckt, vermag ich nicht zu sagen, ich kannte sie vorher nicht. Es ist ein kleines Büchlein, aber für mich ein ganz großes Buch. Daher von mir fünf St