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Benutzername: 
Nina
Wohnort: 
Sankt Augustin
Über mich: 
www.eseloehrchen.de

Bewertungen

Insgesamt 185 Bewertungen
Bewertung vom 08.05.2014
Korallenfeuer
Beto, Isabel

Korallenfeuer


sehr gut

Spannende Abenteuer im indischen Ozean!

Ich muss zugeben, der Klappentext klingt etwas kitschig, aber dadurch ließ ich mich nicht davon abhalten, dieses Buch zu lesen. Und ich habe es nicht bereut. Nach einem kurzen Prolog finde ich mich in England um 1790 wieder. Dort treffe ich den 10-jährigen Seth, der sich als Gehilfe eines Steinschneiders verdingt. Da musste ich heftig schlucken, denn Isabel Beto schildert doch sehr anschaulich, wie dieses Männerleiden behoben wird. Es wird auch da schon sehr dramatisch, denn Seth und der Doktor werden zwangsrekrutiert und müssen von nun an zur See fahren. Dann gibt es einen Zeitsprung von ca. 20 Jahren. Seth nennt sich mittlerweile Thierry und lernt auf der Seychellen-Insel Mahé das Sklavenmädchen Noëlle kennen. Und schon überschlagen sich die Ereignisse. Denn auch dieses Paradies hat seine Schattenseiten, die ich sehr bald kennen lerne.

Isabel Beto hat mich von Anfang an mit ihrem anschaulichen und spannenden Schreibstil gefesselt. Sie hat mir viel über Land und Leute erzählt und manchmal war es so intensiv, dass ich die exotischen Düfte in der Nase hatte und das Meeresrauschen in den Ohren. Mit Noëlle und Seth hat sie zwei faszinierende Charaktere geschaffen und es hat einfach Spaß gemacht, die Beiden zu beobachten. Isabel Beto legt ihnen viele Steine in den Weg und beide müssen einiges aushalten. Und das hat die Geschichte für mich sehr interessant gemacht. Die historischen Hintergründe waren für mich das I-Tüpfelchen. Denn neben Noëlle und Seth lerne ich einige Personen kennen, die tatsächlich damals auf Mahé gelebt haben und einiges zur Dramatik beigetragen haben. Das große Geheimnis von Seth wird am Ende gelüftet und auch bei Noëlle ist nicht alles so, wie es scheint. Isabel Beto hat der Geschichte bis zum Ende immer neue Wendungen gegeben.

Fazit: Ein spannendes historisches Abenteuer auf einer paradiesisch anmutenden Insel im indischen Ozean!

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2014
Ab morgen ein Leben lang
Sherl, Gregory

Ab morgen ein Leben lang


gut

Eine Liebesgeschichte der völlig anderen Art

„Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“ fällt mir spontan zu diesem Buch ein. Schon das Vorwort des Autors hatte mich so erfreut, dass ich ganz hingerissen und sicher war, dass ich ein ganz besonderes Buch lesen würde. Besonders ist tatsächlich die Sprache, in der Gregory Sherl seine Geschichte verfasst hat. Viele schöne Sätze und Redewendungen, ja ich habe mich spontan verliebt in das Buch mit seinem trockenen Humor zwischen den Zeilen und seinen beiden skurrilen Hauptfiguren.

Aber je mehr ich über Evelyn und Godfrey erfahre, umso verwirrter bin ich. Gregory Sherl lässt beide abwechselnd aus der Ich-Perspekive erzählen, jedes Kapitel trägt eine passende Überschrift - hier ist Gregory Sherl wirklich sehr kreativ - und den Hinweis, wer gerade an der Reihe ist. Dabei erfahre ich wichtige Dinge, aber auch viele belanglose Dinge, mit denen ich auch im Nachhinein nicht viel anfangen kann. Gregory Sherl lässt sich wirklich viel Zeit … zu viel Zeit, mir Evelyn und Godfrey vorzustellen. Evelyn mag ich auf Anhieb. Die etwas schrullige Bücherliebhaberin kommt auf die kuriosesten Ideen und hat ein sehr großes Herz. Auf der anderen Seite ist sie schon fast süchtig nach der perfekten Zukunft mit dem perfekten Mann. Da blieb mir zeitweise das Grinsen im Hals stecken.

Godfrey wird auch sehr gut charakterisiert und er war mir sehr schnell suspekt. Genau so skurril wie Evelyn, aber das typische männliche Weichei, das mich im Verlauf der Geschichte doch sehr nervte. Überhaupt kommen die Männer in diesem Buch nicht gut weg und die meisten Frauen auch nicht. Die „Nebenrollen“ besetzt Gregory Sherl mit ebenso skurrilen Persönlichkeiten, allen voran Evelyns kleptomanische Freundin Dot, deren Humor allerdings vom allerfeinsten ist. Ich habe schallend gelacht, als sie Evelyn auf einem Picknicktisch im Park das Schwimmen beigebracht hat. Ja, es gab immer wieder wunderschöne und auch sehr lustige Szenen.

Und dennoch konnte mich das Buch nicht vollends überzeugen. Das lag zu einem großen Teil an vielen unlogischen Details. Mir war eine lange Zeit nicht klar, in welcher Zeit diese Geschichte angesiedelt ist. Ich bin zunächst von der nahen Zukunft ausgegangen, denn eine Vergegenwärtigungsmaschine existiert nicht. Aber dann liefen Songs, die ich in den Achtzigern gehört habe. Das war für mich so unlogisch. Die Idee von dieser Vergegenwärtigungsapparatur fand ich zunächst sehr faszinierend. Aber dann wurde die ganze Prozedur so laienhaft beschrieben, dass ich mich in nostalgische Science Fiction Filme der 50er Jahre versetzt fühlte und das alles nicht mehr so recht ernst nehmen konnte. Und die eigentliche Liebesgeschichte von Evelyn und Godfrey blieb dabei leider auf der Strecke. Zwischen den Beiden geschah einfach zu wenig, es war zu viel Drumherum, was mich langweilte und verwirrte. Und so lässt mich dieses Buch mit sehr gemischten Gefühlen zurück.

Skurril, verwirrend und utopisch präsentiert sich diese Geschichte als eine Liebesgeschichte der völlig anderen Art!

9 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2014
Fünf Kopeken
Stricker, Sarah

Fünf Kopeken


weniger gut

Hässlich ...

Es gibt Bücher, mit denen werde ich einfach nicht warm und „Fünf Kopeken“ gehört leider dazu. Aufgrund der vielen positiven Bewertungen wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Zunächst war ich sehr angetan von einem Schreibstil, der viele tolle Sätze hervorbringt und ein wenig ausgefallen ist. Aber … dauerhaft konnte der Stil mich nicht fesseln, im Gegenteil, ich fand ihn sehr anstrengend und ich musste das Buch immer wieder zur Seite legen.

Ich mag Familiengeschichten, vor allem, wenn sie etwas außergewöhnlich sind. Aber hier war sie mir einfach zu lieblos und zu deprimierend. Das Buch beginnt mit: „Meine Mutter war sehr hässlich“. Und diese Mutter liegt mit nur 49 Jahren im Sterben und erzählt ihrer Tochter aus ihrem Leben. Die Chronologie bleibt hierbei etwas auf der Strecke und Emotionen sowieso. Einige Wiederholungen (ich weiß nicht, wie oft die Hässlichkeit der Mutter betont wurde) und Dialoge in einem mir unbekannten Dialekt schmälerten den Lesegenuss noch mehr. Was mir anfangs sehr gefiel, kam mir im Laufe der Geschichte sehr bemüht vor. Die Erzählerin hat die Geschichte ihrer Mutter sehr emotionslos wieder gegeben und selbst als eben diese hässliche Mutter sich verliebte, kam noch nicht einmal ein Hauch von Romantik auf.

Vielleicht ist es die falsche Jahreszeit für dieses Buch. Mir hat es schlechte Laune gemacht und ich musste mich oft zwingen, weiter zu lesen. Auch das Ende hat mich nicht versöhnt, es passt zu dem Rest des Buches, das mich unzufrieden zurück lässt.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2014
Die Rebellin von Shanghai
Vanek, Tereza

Die Rebellin von Shanghai


ausgezeichnet

Die fremden Teufel
Historische Romane zeichnen sich oft durch eine wunderschöne Aufmachung aus und die finde ich in diesem Buch sehr gelungen. Neben einem Verzeichnis der wichtigsten Personen gibt es auch noch einen Stadtplan des Gesandtschaftsviertels in Peking. Und nach ein paar wenigen Zeilen war ich schon fasziniert von der Geschichte, die mich in eine mir völlig fremde Welt katapultierte.

Tereza Vaneks spannender und gefühlvoller Schreibstil ließ sofort Bilder vor meinem inneren Auge entstehen. Alle wichtigen Ereignisse aus dem Vorgängerbuch „Das Geheimnis der Jaderinge“ wurden kurz erwähnt. Und sie gibt mir Zeit, ihre Hauptpersonen nacheinander kennen zu lernen. Besonders angetan war ich von der Hamburgerin Elsa, die mich durch ihre pragmatische und unkonventionelle Art sofort für sich eingenommen hat. Charlotte war für mich anfangs das verzogene und verwöhnte Töchterchen, aber das sollte sich im Laufe der Geschichte ändern. Die Ereignisse bringen viele Veränderungen hervor und die schmerzhafteste Veränderung muss Charlotte durchmachen.

Da Charlotte nach ihrer großen Enttäuschung ihr Elternhaus verlässt und sich bei der Suche nach ihren Wurzeln den Rebellen anschließt, bin auch ich mittendrin in diesem rebellischen Wahnsinn gegen die fremden Teufel – wie die Ausländer von den Aufständischen boshaft genannt werden. Die andere Seite erlebe ich durch Elsa, die sich im Gesandtschaftsviertel in Peking aufhält, als die Aufstände ihren Höhepunkt erreichen. Tereza Vanek hat die jeweilige Atmosphäre so gut eingefangen, ich konnte das Gewimmel und den Lärm in der chinesischen Hauptstadt so gut spüren. Sie ließ mich eintauchen in Situationen, die zum Greifen nah waren. Sie ließ mich Teil haben an den Emotionen ihrer Akteure … Liebe und Hoffnung, aber auch Hass und Verzweiflung. Ich wusste manchmal gar nicht, für wen ich mehr Verständnis aufbringen sollte und habe gelitten und gehofft. Ich war so gefesselt von dieser Geschichte, dass sie mir gar nicht mehr aus dem Kopf ging.

Ich liebe schöne Sprache und auch damit hat Tereza Vanek mich verwöhnt. Das Beisammensein von Mann und Frau nennt sie Kunst von Wolken und Regen (S. 251), sie preist das schlichte Glück in dem Gefühl von Sauberkeit (S. 99) und lässt das Mitleid in einer Kloake auch Gift ersterben (S. 525). Sie schreibt enorm fesselnd und legt dabei Wert auf historische Korrektheit, was die Geschichte sehr glaubhaft macht und für mich in einem historischen Roman sehr wichtig ist.

Nach Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman ist dieses nun das zweite Buch, mit dem Tereza Vanek mich überzeugt und begeistert hat. Ich freue mich schon auf die nächste Reise in die Vergangenheit mit ihr! Den Namen Tereza Vanek sollte sich jeder merken, der fesselnde und gut recherchierte historische Romane liebt.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2014
Am Horizont die Freiheit
Molist, Jorge

Am Horizont die Freiheit


sehr gut

„Versprich mir, dass du frei sein wirst“
Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, bei dem ich so hin und her gerissen war. Es fing so gut und so schön an. Jorge Molist schreibt sehr detailliert und genau, so dass viele Dinge vor meinem inneren Auge zum Leben erwacht sind. Dann aber schreibt er so detailverliebt, dass es mir an einigen Stellen zu viel war. So viele Einzelheiten möchte ich manchmal gar nicht wissen, egal ob es um das Binden eines Buches, das Gießen einer Glocke oder den Aufbau einer Galeere geht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Zu viel Ausführlichkeit kann schnell zur Langatmigkeit führen und das ist mir an einigen Stellen so ergangen. Dann wiederum habe ich mich über wunderschöne Szenen gefreut, die mir Jorge Molist eben durch seine eingehenden und emotionalen Schilderungen so nahe gebracht hat. Dabei hat er mich mit Sätzen verzaubert, die ich so schön fand, dass ich sie am liebsten genau wie seine Hauptperson Joan in ein kleines Buch geschrieben hätte. Anderes, sehr brutale Szenen hat er wiederum sehr zurückhaltend beschrieben und darüber war ich einfach nur froh.

Joan hat bei mir sehr gemischte Gefühle hervor gerufen. Ich habe ihn bewundert für seinen Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit. Ganz am Anfang sagt sein Vater zu ihm: „Versprich mir, dass du frei sein wirst“ und der Wunsch, dieses Versprechen zu erfüllen, zieht sich durch das ganze Buch. Aber ich lerne auch einen überheblichen und arroganten Joan kennen, der von Hass zerfressen ist und den mochte ich überhaupt nicht. Auf seinem Weg begegnen ihm sehr interessante Menschen, die seine positiven Eigenschaften zum Vorschein bringen und von denen er sehr viel lernt. Wunderschön fand ich die Idee, dass er ein ganz besonderes Tagebuch führt, in das er nur die für ihn wichtigen Erkenntnisse meistens in einem Satz fest hält. Seine Liebe zu den Büchern hat mich natürlich mit einigem wieder versöhnt.

Joan sucht seine verschleppte Familie und einen Weg, mit seiner großen Liebe Anna glücklich zu werden. Dabei verliert er sein Lebensziel, Buchhändler zu werden nicht aus den Augen. Jorge Molist legt ihm auf über 650 Seiten viele Steine in den Weg. Und während er sich immer wieder in Nebensächlichkeiten verliert, legt er gegen Ende so ein Tempo vor, dass ich fast das Gefühl hatte, dass hier ein anderer weiter geschrieben hat.

Jorge Molist hat sehr ausgiebig recherchiert und mich mit enorm vielen Informationen versorgt. Aber … dabei blieb sehr oft die Lebendigkeit auf der Strecke und ich war versucht, einige Abschnitte quer zu lesen. Ich finde nicht, dass man seinen Schreibstil mit Ken Follett vergleichen kann. Mich hat dieses Buch eher an „Die Brückenbauer“ von Jan Guillou erinnert.

Trotz aller Kritikpunkte ist es ein lesenswertes Buch, an manchen Stellen vielleicht ein „Männerbuch“, das mir einen guten und detaillierten Einblick in das spanische Mittelalter verschafft hat.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2014
Ashford Park
Willig, Lauren

Ashford Park


ausgezeichnet

Ein Fest für meine Ohren

Von Anfang an war ich hingerissen von dem wunderschönen Erzählstil, der durch die Stimme von Ulrike Hübschmann noch betont wird. Sie hat eine sehr angenehme Stimme, die sich der jeweiligen Situation sehr gut anpasst. Dabei verändert sie ihre Stimme nur ganz leicht um ein paar Nuancen. Das fand ich perfekt.

Ich konnte mich regelrecht fallen lassen in diese auf verschiedenen Zeitebenen erzählte Geschichte. Gleichzeitig mit Clemmie komme ich dem gut gehüteten Familiengeheimnis immer näher. Aus verschiedenen Perspektiven tauche ich ein in die Vergangenheit von Addie und Bea. Ich bin dabei, als die kleine Waise ihre Cousine Bea kennen lernt und von da an begleite ich die Beiden auf ihren Lebenswegen, die in Rückblenden erzählt werden. Lauren Willig schreibt poetisch und bildhaft und Ulrike Hübschmann hat das perfekt umgesetzt. Sie erzählt die Geschichte der unterschiedlichen Cousinen so behutsam und so gefühlvoll. Es sind so viele Bilder in meinem Kopf entstanden und ich habe mich beim Hören oft zurück gelehnt, die Augen geschlossen und die Poesie von Ashford Park genossen.

Durch die häufigen Zeitsprünge hält sich der leichte Spannungsbogen kontinuierlich und zieht sich wie ein seidener Faden durch die Ereignisse. Vor jedem Kapitel werde ich informiert, ob ich gerade in London, New York oder Kenia bin. Manchmal sind die Übergänge fließend und manchmal sind sie einfach genial. Oft endet ein Kapitel mit einem leichten Cliffhanger und bis zum Schluss war ich sehr gespannt auf die Enthüllung des Geheimnisses.

Ich bin mir gerade gar nicht sicher, ob mir das Buch auch so gut gefallen hätte, wenn ich es selbst gelesen hätte. Denn die Stimme von Ulrike Hübschmann verleiht diesem Hörbuch das gewisse Etwas und machte Ashford Park zu einem besonderen Genuss für meine Ohren!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2014
Im Schatten des Krans
Rath, Jürgen

Im Schatten des Krans


sehr gut

Stimmungsvolle Milieustudie

Ich muss zugeben, dass der Klappentext viel spannender klingt als es dann in der Geschichte umgesetzt wurde. Was hier nach einem fesselnden Kriminalfall aussieht, ist eher eine sehr atmosphärische Milieustudie aus Hamburg um 1845. Das Buch ist zwar nicht in der Ich-Form verfasst, aber aus der Sicht von Moritz erzählt, einem 15-jährigen Jungen aus der Arbeiterklasse, der seine Lehre auf Wunsch seines Vaters in einem Kontor absolviert. Und so erlebe ich die Ereignisse durch die Augen des jungen Mannes, genieße seinen jugendlichen Charme der damaligen Zeit. Er versucht natürlich seinem Freund Roger Stove zu helfen und drückt sich in den dunklen Ecken der Hafenstadt herum, wo ihm allerlei obskure Gestalten begegnen. Aber viel mehr beschäftigt ihn sein erster Kuss, der wirklich sehr bezaubernd dargestellt wird.

Ich bekomme sehr viel historischen Hamburger Lokalkolorit serviert und war froh über das Glossar am Ende des Buches. Denn Jürgen Rath benutzt viele Begriffe, die mir völlig unbekannt waren. Dadurch gab er seiner Erzählung, die in einer sehr angenehmen Sprache verfasst ist, noch mehr Atmosphäre. Eine sehr leichte Spannung liegt über diesem historischen Hamburg-Buch, aber in einem Kriminalroman erwarte ich einfach mehr davon. Der Kriminalfall rückt immer wieder in den Hintergrund und wird eher so nebenbei behandelt. Hauptsächlich geht es um Moritz, seine Träume, seine Ängste und die „spannende“ Frage, für welches Mädel er sich denn nun entscheiden soll. All das hat mir sehr gut gefallen. Moritz ist einfach liebenswert, über seine Gedanken musste ich sehr oft schmunzeln. Ein weiterer Liebling war der „Klabautermann“ Westphalen, ein bärbeißiger Seemann, der einen Narren an Moritz gefressen hat. Die Beschreibung des damaligen Lebens in der Hansestadt hat mir als Fan von historischen Romanen sehr viel Spaß gemacht. Ich mag es sehr, in eine andere Zeit versetzt zu werden mit allem drum und dran und das ist Jürgen Rath sehr gut gelungen.

Fazit: Kein spannender Kriminalroman, aber eine sehr stimmungsvolle Milieustudie, in deren Mittelpunkt ein überaus sympathischer junger Mann steht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2014
Weil ich Layken liebe / Will und Layken Bd.1
Hoover, Colleen

Weil ich Layken liebe / Will und Layken Bd.1


sehr gut

„Keine gute Idee“
Ich bin immer etwas irritiert, wenn ich so gehypte Bücher lese und schon beim Lesen merke, dass ich die allgemeine Begeisterung nicht in dem Maß teilen kann. Das Buch hat mir gut gefallen, aber ein Highlight ist es für mich einfach nicht. Es gibt wunderschöne Momentaufnahmen, die mich dahinschmelzen ließen. Aber es waren eben nur Momente. Einiges fand ich sehr übertrieben, anderes schon tausendmal gelesen. Nach der ersten Hälfte wollte die Autorin die Geschichte mit noch mehr Dramatik puschen und ab da ging es für meinen Lesegenuss eher bergab. Das war mir einfach zu viel.

Anfangs war ich noch angetan. Layken erzählt in der Ich-Form in einer angenehmen und nicht übertrieben „jungen“ Sprache. So wirkt es für mich glaubhaft. Die erste Begegnung mit Will, die ersten zaghaften Gefühle, die emotionale Achterbahn, all das wird mir sehr einfühlsam und überhaupt nicht kitschig beschrieben und ich fand es zum Seufzen schön. Richtig umgehauen hat mich der erste Poetry-Slam – „Der blaue Pullover“. Da dachte ich nur „Wow“, das will ich auch mal erleben. Die Beiträge der Slammer waren für mich die Highlights in diesem Buch und ich habe sie in vollen Zügen genossen, ich bekam Gänsehaut und weiche Knie. Sehr gut gefallen haben mir die Auszüge aus den Songtexten von Laykens Lieblingsband „The Avett Brothers“. Eine schöne Idee, um mich auf die jeweiligen Kapitel einzustimmen.

Aber die Geschichte drumherum hat mich nur teilweise überzeugt. Das Drama „Schülerin liebt Lehrer“ ist nicht wirklich neu und das Familiendrama wirkte für mich im zweiten Teil sehr aufgesetzt. Die Charaktere waren schon liebenswert, vor allem Laykens kleinen Bruder und seine Rückwärtstage fand ich so knuffig. Aber Layken und Will sind mir nicht dauerhaft nah gekommen. Manches war schön, manches war traurig und manches fand ich überzogen und unglaubwürdig.

Was zunächst aussah wie eine emotionale Achterbahnfahrt, war dann letztendlich eine nette Geschichte, die mich zwar bewegt aber nicht wirklich berührt hat.

1 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2014
Zweiundzwanzig
Blondel, Jean-Philippe

Zweiundzwanzig


ausgezeichnet

Totale Freiheit?
Ich entscheide oft nach einer Leseprobe, ob ich ein Buch lesen möchte oder nicht. Die ersten Seiten dieses Buches haben mich so umgehauen, dass ich es unbedingt lesen wollte. Ich hatte schon nach wenigen Sätzen Tränen in den Augen. Aber nicht, weil der Autor auf die Tränendrüse gedrückt hat, sondern weil er mit wenigen Worten das Gefühlschaos beschrieben hat, das in ihm getobt haben muss. Sehr direkt, teilweise wirr und in seiner Nüchternheit wunderschön. Dazu ein unterschwelliger Galgenhumor, bei dem ich nicht wusste ob ich lachen oder den Kloß in meinem Hals weg schlucken sollte.

Der Autor beschreibt seine eigenen Erlebnisse mit einem Abstand von über zwanzig Jahren. Und er benutzt extrem kurze Sätze: "Totale Freiheit. Ist selten. Und teuer erkauft. Furchtbar teuer." (S.40) Solche Sätze sind Standard in diesem Buch und das ist nicht jedermanns Sache. Ich liebe es, wenn man mit wenigen Worten so viel ausdrücken kann. Das ist hier wirklich perfekt gelungen.

Und gerade weil der Autor seine Erlebnisse so distanziert beschreibt, ging es mir so sehr unter die Haut. Er gibt mir Einblicke in seine wunde Seele, lässt mich Teil haben an seiner Verwirrtheit, seiner Unentschlossenheit, an seinem Grau in Grau. Aber er macht nur Andeutungen, überlässt es mir, wie sehr ich mich darauf einlassen möchte. Auf dem Weg zu seinem „Ziel“ kommen immer wieder Erinnerungen hoch, Bruchstücke seines Lebens mit seiner Familie. Er ist der Hüter ihrer unvollendeten Geschichten … das ging mir durch und durch und die Last, die der junge Mann zu tragen hat, wird so deutlich.

Durch den kurzen und knappen Schreibstil habe ich viel Raum für meine eigenen Gedanken, Ideen und Emotionen. Der Autor kaut mir nicht alles bis ins kleinste Detail vor, sondern überlässt es mir, wie weit ich ins Detail gehen möchte. Ich bin nicht sicher, ob er das Buch für sich selbst geschrieben hat, um diese schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten oder ob er es auch ein bisschen für mich geschrieben hat, um mich zum Nachdenken anzuregen. Das hat er geschafft, denn es ist nicht unbedingt die tragische Geschichte, die der Autor erleben musste, die mich so berührt hat, sondern die knappen Aussagen, die mich nicht mehr los ließen.

Emotional, sprachgewaltig und in seiner Nüchternheit wunderschön, hat mich dieses Buch sehr berührt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.