Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lunamonique
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 413 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2019
Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9
Buchholz, Simone

Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9


sehr gut

„Hotel Cartagena“ ist Band 9 der Chastity-Riley-Krimireihe von Simone Buchholz. Für Band 8 „Mexikoring“ wurde sie 2019 in der Kategorie „National“ mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet.

Kollege Faller feiert seinen 65. Geburtstag in einer Hotelbar am Hamburger Hafen. Zwölf bewaffnete Männer stürmen die Bar und nehmen Gäste und Personal als Geiseln. Staatsanwältin Chastity („Chas“) Riley ist mitten im Geschehen und versucht einen Kontakt zu dem Anführer aufzubauen.

Anfangs verwirren Prolog, Rückblick und Handlungsstränge. Mit Ivo Stepanovic und einer zögerlichen, skurrilen Entscheidung kommt Humor ins Spiel. Im Laufe der Geschichte wird der eigenwillige Erzählstil von Autorin Simone Buchholz immer deutlicher und überzeugt mehr und mehr. Wie hängen die zwei Handlungsstränge zusammen? Rückblicke führen an verschiedene Handlungsorte wie St.Pauli, Cartagena in Kolumbien und Curacao. Hauptfigur Henning lässt sich auf ein gefährliches Spiel ein. Derweil bleibt das Motiv der Geiselnahme in Hamburg rätselhaft. Es werden keine Forderungen gestellt. Kapitelüberschriften wie „Den Kopf in der Kreissäge“ und „Ein Mann, eine Wurst“ fassen die Geschehnisse auf schräge, humorvolle Art zusammen. Der Fokus liegt auf den unterhaltsamen, hartgesottenen Dialogen. Auch in gefährlich angespannter Lage kommt viel Situationskomik auf. Informationen werden auf skurrile, unterhaltsame Weise verschlüsselt. In beiden Handlungssträngen läuft es auf Eskalationen hinaus. Die Frage ist wie und wann? Schicksale sind geschickt miteinander verflochten. Stetig ansteigende Spannung und eine Dramatik, die schockierend bis ungewöhnlich in Szene gesetzt wird. Kurz vorm Showdown wird es noch einmal sehr skurril. Ein bisschen lässt das Ende offen.

Das Cover hat Seriencharakter. Der Titel erinnert mit Schrift und Kreativität an Kriminalfilme. Auch wer die vorherigen Bände nicht kennt, findet sich in Band 9 zurecht. Auf den Erzählstil lässt sich nicht vorbereiten. „Hotel Cartagena“ wirkt wie eine Mischung aus „Ocean’s Eleven“ und „Pulp Fiction“. Schräg, kurios und drastisch.

Bewertung vom 30.09.2019
Meine wunderbare Frau
Downing, Samantha

Meine wunderbare Frau


gut

„Meine wunderbare Frau“ ist der Debütroman von Samantha Downing. Ein Ehepaar hat ein dunkles Geheimnis.

Der Einstieg mit einer Täuschung ist gelungen. Die Geschichte wird aus Sicht des Ehemanns erzählt. Tennislehrer und Immobilien-Maklerin, Sohn Rory 14 Jahre, Jenna 13 Jahre, nach außen hin eine ganz normale Familie. Ehefrau Millicent ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Sie ist kaltblütig, böse und kennt keine Skrupel. Der erste Gedanke, dass der Ehemann unter ihrem Pantoffel steht, erweist sich als falsch. „Tobias“ hat die gleichen Vorlieben und beteiligt sich aktiv an einem perfiden Spiel. Beweggründe und Motive sind unglaubwürdig. Langweile und Anerkennung durch den Partner reichen nicht aus. Beide Hauptfiguren wirken oberflächlich. Es kommt über lange Strecken keine Spannung auf. Die Geschichte plätschert dahin. Mit einer ungeahnten Zwickmühle wird es interessanter. Die Fassade bröckelt in Zeitlupe. Ein Plan geht nicht auf. Es lässt sich erahnen, worauf alles hinaus läuft. Trotzdem fesselt eine entscheidende Wendung. Der Boden wird unter den Füßen weggerissen. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Das letzte Buchdrittel reißt das Ruder herum. Reichlich spät, aber effektvoll. Es bleibt offen, was passiert. Wer ist zu was fähig? Hier offenbart der Thriller seine Trümpfe. Spekulationen werden in Gang gesetzt. Der Showdown ist dramatisch und erinnert entfernt an einen Kinofilm.

Der Titel wirkt wenig kreativ. Gelungen ist die Perspektive auf eine geheimnisvolle Frau. Gesichtsausdruck und Farben unterstreichen das Gefährliche. „Meine wunderbare Frau“ ist kein Pageturner wie erwartet, schafft es aber am Ende doch noch auf gewisse Weise den Leser zu packen.

Bewertung vom 27.09.2019
Das Versprechen des Bienenhüters
Lefteri, Christy

Das Versprechen des Bienenhüters


ausgezeichnet

„Das Versprechen des Bienenhüters“ ist der Debütroman von Autorin Christy Lefteri. Nuris Heimat Syrien steht am Abgrund. Die Bedrohung für die Familie wächst. Ihnen bleibt nur die Flucht.

„Danke an alle, die mir ihre Geschichte erzählt haben, die Geflüchteten, die mir die Augen geöffnet haben. Danke an all die wunderbaren Kinder in Faros, die mir gezeigt haben, was wahrer Mut bedeutet. Ich werde euch nie vergessen.“ (Danksagung Autorin Christy Lefteri am Ende des Buches)

„Ich fürchte mich vor den Augen meiner Frau. Sie sieht nicht heraus, und niemand kann durch sie hineinschauen.“ Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Nuri Ibrahim erzählt. Eine Idylle zerbricht. Bald ist nur noch Zerstörung und Gefahr übrig. In seinen Erinnerungen lebt Nuris Heimat Syrien wieder auf. Das zentrale Thema des Romans sind Kriegs-Traumata. Seelische und körperliche Verletzungen, der Verlust von Familienangehörigen, Heimat und Existenz. Nuri quälen Albträume. Er und seine Frau Afra sind sich aufgrund der vielen schlimmen Ereignisse fremd geworden. Sie kennen einander nicht wieder. Jeder trägt sein eigenes Päckchen aus Verlust, Trauer und Schuldgefühlen. Ihr einziger Hoffnungsschimmer sind enge Freunde, die die Flucht geschafft haben. Bienenzüchter Nuri erinnert sich an Zeiten mit Freunden und Familie, Unbeschwertheit und Lebensfreude. Die Bienen waren und sind ihr Rettungsanker. Mit ihnen fließt Poetisches in die Geschichte ein. Ein besonderes Stilmittel ist auch das fehlende Wort am Ende eines Kapitels, das den Titel des nächsten bildet. So entsteht eine ungewöhnliche Verbindung, die dem Roman zusätzliche Intensität verleiht. Nuris Erinnerungen bringen Erschütterndes und Schockierendes zu Tage. Tod und ein ungeklärtes Schicksal liegen ihm auf der Seele. Liebe, Freundschaft und Hoffnung verströmen eine herzergreifende Wärme. Kann es für Nuri und Afra wieder Glück geben? Trotz aller Zweifel und Mutlosigkeit bleibt auch das Fünkchen Hoffnung. Sehr gelungen ist das Bildnis mit der Hummel ohne Flügel, die trotzdem überlebt und die Welt entdeckt. Wie die ganze Geschichte geht auch das Ende sehr nahe und rührt zu Tränen.

Das Cover fängt die Schönheit eines Landes ein und den Jungen und die Bienen, um die sich alles dreht. Die warmen Farben sind sehr gut gewählt. Auch im Titel steckt ein Zauber. „Das Versprechen des Bienenhüters“ ist ein großartiger, feinsinniger und poetischer Roman zu den Themen „Krieg und Flucht“. Ein Buch, das die Augen öffnet und bescheiden macht.

Bewertung vom 24.09.2019
Green Witch
Russo, Andrea

Green Witch


sehr gut

Unter dem Pseudonym Anne Barns veröffentlicht Autorin Andrea Russo Urlaubsromane wie „Honigduft und Meeresbrise“, „Apfelträume am Meer“ und „Bratapfel am Meer“. Im Kinderbuch „Green Witch“ verläuft Lizzys Geburtstag anders als gedacht.

Mit 12 Jahren soll Lizzy ihre Ausbildung zur Junghexe beginnen. Ein Hexenkreis aus 13 Hexen bestimmt Lizzys Ausbilderin und somit auch, was für eine Art Hexe sie wird. Alle Spekulationen helfen nichts, denn an Lizzys Geburtstag geht es viel turbulenter zu als erwartet.

Der Hexenparagraf Nummer 683 hat es in sich. Er ist voll wichtiger Regeln zu Lizzys Junghexenausbildung. Die Idee zum Kinderbuch ist originell. Lizzy hat ganz eigene Vorstellungen von ihrer Hexenlehrzeit. Und sind alles andere als langweilig und verstaubt. Mit ihrem Geburtstag startet Lizzys ganz eigenes Abenteuer. Ein Geheimnis kommt ans Licht. Es geht um Familie, Freundschaft und eine große Herausforderung. Zusammen mit ihrer besten Freundin, Nichthexe Stina, muss Lizzy eine fast unmögliche Aufgabe lösen. Rätselhafte Ereignisse und eine Bedrohung, Lizzy hat noch nicht angefangen zu lernen, da wird es schon ernst und Improvisationstalent ist gefragt. Autorin Andrea Russo erzählt die Geschichte in kindgerechter Sprache. Eine harmonische Familie und beste Freundin, Lizzy hat viel Rückhalt. Die anfänglich eingesponnenen Hexenregeln machen es trotzdem spannend. Denn natürlich gibt es auch Verbote, die im wichtigen Moment hilfreiche Möglichkeiten ausschließen. Stina bringt mit Staunen, Eigenarten und Fröhlichkeit viel kindliche Lebensfreude in die Geschichte. Erst mit einer Entdeckung und Überraschung erhält Lizzys Leben den entscheidenden magischen Touch. Die kreativen und unterhaltsamen Details hierzu sind sehr gelungen. So richtig in Fahrt kommt das Kinderbuch im letzten Buchdrittel mit einem kniffeligen Fall. Gerne hätten es noch mehr originelle Einfälle und lustige Einzelheiten geben können, die für Atmosphäre sorgen. Das Ende kommt zu schnell.

Die kreative und farbenfrohe Cover-Illustration verzaubert. Ein Untertitel wäre schön gewesen. „Green Witch“ könnte der Auftakt zu einer Kinderbuchreihe fürs Lesealter ab 10 Jahren sein und spricht hauptsächlich Mädchen an. Eine unterhaltsame, abenteuerliche Geschichte, die zum Träumen anregt und die Phantasie beflügelt. Wer würde nicht gerne mal Hauptfigur Lizzy sein?

Bewertung vom 22.09.2019
Messer / Harry Hole Bd.12
Nesbø, Jo

Messer / Harry Hole Bd.12


ausgezeichnet

„Messer – Ein Fall für Harry Hole“ von Autor Jo Nesbø ist Band 12 der Harry Hole-Krimireihe. In seinem persönlichstem Fall gibt es ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten.

Harry kämpft mit seiner Alkoholsucht. Ein Blackout macht ihm zu schaffen. Was ist passiert? In drei Fällen ungelöster Morde fällt der Verdacht auf einen Sexualstraftäter und Serienmörder, den Harry schon mal hinter Gitter gebracht hat. Sein Wunsch, die Ermittlungen zu übernehmen, stößt auf eine Mauer des Widerstands.

Das erste Kapitel bietet einen filmreifen, originellen Einstieg mit einem ungewöhnlichen Zeugen. Im weiteren Verlauf der Geschichte lässt sich erahnen, was es mit der Szene auf sich hat. Lauernde Gefahren, Geheimnisse, Schuld, Täuschung, Paukenschläge, der Krimi fesselt von Seite zu Seite mehr. Erst ab Buchmitte wird die Raffinesse des Plots so richtig deutlich. Das Undurchsichtige sorgt für Spannung und Intensität. Immer wieder werden Spekulationen eingeheizt. Geschickte Winkelzüge lassen alles in neuem Licht erscheinen. Das Verwirrspiel nimmt immer mehr Fahrt auf. Taff und doch verletzlich, so wie Harry sind auch die Frauen in seinem engeren Umfeld. Verborgenes kommt ans Tageslicht. Harry muss seine Schwächen überwinden, Gefühle im Zaum halten, um Kontrolle und Überblick zurückzugewinnen. Der Feind agiert planvoll, gerissen und kaltblütig. Lässt er sich austricksen? Das Thema „Traumata“ bildet den Kern der Geschichte. Wer hat was zu verbergen? Welche Folgen haben die Ereignisse der Vergangenheit? Überraschende Wendungen sorgen für Tempo. Die Dramatik nimmt zu. Harry wird zur Schachfigur in einem durchtriebenen Spiel. Was ist Wahrheit, was Lüge? Lauernde Gefahren, Bedrohungen, Geheimnisse, schicksalhafte Eskalationen, Tod. Ein raffiniert inszenierter Thriller, der schockiert, berührt und sprachlos macht.

Das Cover mit dem riesigen Titel-Buchstaben zieht die Blicke aufs Buch. Der Autorenname weckt ebenfalls Interesse. Auch wer die vorherigen Bände nicht kennt findet sich in „Messer – Ein Fall für Harry Hole“ problemlos zurecht. Band 12 toppt die hohen Erwartungen. Die packende Story lässt kaum Atempause und wirkt wie ein Labyrinth aus Spuren und Tätern. Sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 16.09.2019
Cold Storage - Es tötet
Koepp, David

Cold Storage - Es tötet


ausgezeichnet

„Cold Storage – Es tötet“ ist das Debüt von David Koepp, Drehbuchautor der Filme „Jurassic-Park“, „Mission: Impossible“ und „Inferno“.

Dezember 1987, die US-Agenten Roberto Diaz und Trini Romano begleiten Mikrobiologin Dr. Hero Martins auf einen Einsatz nach Westaustralien. Das Trümmerteil einer Skylab mit einer mutierten Forschungsprobe sorgt im Wüstenorts Kiwirkurra für eine ungeahnte Bedrohung.

An einem abgelegenen Ort entsteht ein noch nie dagewesenes Schreckensszenario, das nicht besonders abwegig sondern sehr real wirkt. Über ihre Geheimmission erhalten die US-Agenten erst während des Fluges spärliche Details. Selbst Dr. Martins wird im Wüstendorf mit etwas konfrontiert, was über ihre Vorstellungskraft geht. Die Ereignisse 1987 bringen den Thriller schnell in Fahrt. Bei allen gruseligen bis grauenhaften Entwicklungen kommt der Humor nicht zu kurz. Der Erzählstil ist originell, schräg und sehr unterhaltsam. Die Charaktere wirken sehr lebendig. Es fließt sehr viel Persönliches ein, so dass für alle Betroffenen ganz leicht Mitgefühl entsteht. Egal, ob sie Haupt- oder Nebenfiguren sind und was sie auf dem Kerbholz haben. Jahrzehnte später findet die Geschichte mit gealterten Agenten ihre Fortsetzung. Das eingespielte Team zeigt wieder was es kann und trifft nicht nur auf bürokratische Widrigkeiten. Es geht wieder um Leben und Tod, und die Zeit rennt ihnen davon. Überraschende Wendungen sind perfekt in Szene gesetzt. Der Plot ist filmreif inszeniert. Ein packender Alptraum an einem ungewöhnlichen Handlungsort mit einem schrägen Ex-Knacki, der sich gerne in die Scheiße hineinreden lässt. Der Humor lässt das Grauen fast nebensächlich erscheinen. Zum Schluss steigt die Dramatik. Wer wird überleben oder hat der Tod längst die Oberhand gewonnen?

Titel und Coverdetails passen perfekt zum Inhalt und stimmen auf einen fesselnden Thriller ein. „Cold Storage – Es tötet“ übertrifft die Erwartungen. Der Erzählstil punktet mit einem hohen Unterhaltungswert. David Koepp weiß den Leser nah an die gruseligen Geschehnisse heranzuführen. Fast entsteht der Eindruck, Morgen könnte etwas über den Killerpilz in der Zeitung stehen. Packend und sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 11.09.2019
Du bleibst mein Sieger, Tiger
Leo, Maxim;Gutsch, Jochen

Du bleibst mein Sieger, Tiger


gut

„Du bleibst mein Sieger, Tiger – Noch mehr Trost für Alterspubertierende“ vom Autorenduo Maxim Leo & Jochen Gutsch nimmt die alltäglichen Krisenherde eines Ü40-Mannes aufs Korn.

„....Das führt uns zurück zur Alterspubertät. Trauern wir nicht gerade jetzt unserer kindlichen Unbekümmertheit nach, unserer vor Mut strotzenden Jugend? Empfinden wir nicht gerade in den mittleren Jahren die größte Langweile ob unserer ständigen Vernunft und Kontrolle?...“

Die Ich-Figur, Vater einer Tochter und Ehemann, schlägt sich mit Jugendneid und Alterspubertät herum. Kein leichtes Unterfangen, sich den Herausforderungen des Alltags zu stellen. Mit 18 Jahren ist die eigene Tochter gerade den Kinderschuhen entwachsen und hat tatsächlich ein reges Sexualleben. Wie konnte die Zeit so schnell vergehen? Kurze Kapitel und viel Witz, aber auch ein paar altbackene Themen. Die Problematiken sind bekannt. Von plötzlicher Kurswut der Frauen über die Änderungen der Ernährungsgewohnheiten bis zu Erektionsschwächen ist alles dabei. Originell ist das Gespräch mit Gott, der so ganz anders aussieht als erwartet und die Finger liebend gerne in frische Alterspubertier-Wunden legt. Nicht die einzige Standpauke. Bei der Zweiten geht es mächtig skurril, aber auch aufmunternd zu. Unterhaltsam ist auch die Bodhi-Kur für die spirituell angehauchte Ehefrau. In Tipps & Tricks für die Alterspubertät geht es ans Eingemachte. Nostalgie ist das Stichwort. Freude bereiten oft Highlights, die man von früher kennt. So manche Selbsterkenntnis wird zum Aha-Erlebnis. Anscheinend kennen wir unsere Männer schon in und auswendig, denn echte Überraschungen bleiben aus. Trotzdem gut, dass es ein Autorenduo auf den Punkt bringt. Was ist mit den Alterspubertieren mit Jugend im Herzen? Den Alters-Hippies, den junggebliebenen Ü40-Jährigen? Hoffentlich ist das Buch kein Hinweis auf eine aussterbende Art.

Titel und Cover sind voller Ironie. Ein bisschen irritiert die Platzierung auf dem „Siegertreppchen“ aber doch. Sehr gut gewählt ist das Herren-Handtaschenformat! „Du bleibst Sieger, Tiger - Noch mehr Trost für Alterspubertierende“ ist das Geburtstagsgeschenk für den Mann, der schon alles hat und mal einen Wink mit dem Zaunpfahl braucht, um ihn auf Alterspubertät-Macken hinzuweisen.

Bewertung vom 10.09.2019
Miroloi
Köhler, Karen

Miroloi


weniger gut

„Miroloi“ ist das Romandebüt von Schriftstellerin, Dramatikerin und Schauspielerin Karen Köhler. Ein Findling bleibt eine Fremde in der Gemeinschaft.

Als Baby ausgesetzt, wird die Namenlose auf einer Insel in einer abgeschirmten Gemeinschaft groß. Mit 16 Jahren ist sie immer noch Hohn und Spott der Einheimischen ausgeliefert. Die Gesetze erlauben kaum Freiheiten. In der Aussichtslosigkeit wird eine Zufallsbegegnung zum Hoffnungsschimmer.

Die Geschichte ist nicht in Kapiteln sondern in Strophen aufgeteilt. „Miroloi“ bedeutet Totenlied. Keinen Besitz, Namen, keine Anerkennung trotz aller Schufterei. Die Ich-Figur hat ein schweres Schicksal zu tragen, ist nicht nur Außenseiterin, sondern wird für alles Schlimme verantwortlich gemacht. Sie erlebt nicht nur Ausgrenzung und Kälte, sondern wird ausgenutzt und missbraucht, misshandelt und an den Pranger gestellt. Eine Existenz, der die Chance genommen wird aufzublühen und in Freiheit zu leben. Es gibt nur sehr wenige Lichtblicke, eine zu begrenzte Anzahl von Menschen mit Herz, die sie schützen wollen und zu ihr stehen. Mit einer Begegnung kommt die Veränderung. Es gibt ein paar kreative Bezeichnungen bezüglich Überkopfwelt, und die Wandlung der Ich-Figur ist interessant. Leider fehlt es an Identifikationsfiguren, an einer guten Lesestimmung, mitreißenden Atmosphäre. Das geballte Negative, Kälte und Hass sind schwer zu ertragen. Handlungsort, Gesellschaft, Gesetze, das Verhalten der Dorfbewohner, Strafen, Alltag, irgendwie passt nichts zusammen. Es entsteht kein glaubwürdiges Bild. Normalerweise ist eine Gesellschaft ohne technischen Fortschritt interessant. Fragen bleiben unbeantwortet. Es fällt schwer, bis zum Ende durchzuhalten und das Schicksal der Hauptfigur weiter zu verfolgen. Zu bestimmend ist die Aussichtslosigkeit. Eskalationen lassen sich erahnen. Manche Entwicklung überrascht. Aus dem Schockierenden kommt die Story auch auf den letzten Seiten nicht heraus, aber es entsteht zeitweise mehr Atmosphäre. Liebe, Erniedrigung, Hass, Mut, Stärke, das Emotionale gewinnt in den Schlusskapiteln an Ausdruck und Kraft.

Titel, Covergestaltung und die ungewöhnliche Buchschnittabdeckung erregen Aufmerksamkeit. Sehr gut gewählt sind die Farben Blau und Weiß. „Miroloi“ nimmt sich den Themen „Stellung der Frau in der Gesellschaft, Kampf um Gleichberechtigung, Menschenwürde“ auf ungewöhnliche, aber auch sehr drastische Weise an. Auf Erzählstil und Inhalt lässt sich schwer vorbereiten. Der Roman spaltet die Gemüter und drückt mit seiner Stimmung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.09.2019
Dead Lions / Jackson Lamb Bd.2
Herron, Mick

Dead Lions / Jackson Lamb Bd.2


ausgezeichnet

„Dead Lions: Ein Fall für Jackson Lamb“ ist nach „Slow Horses: Ein Fall für Jackson Lamb“ Band 2 der Jackson Lamb-Krimireihe von Autor Mick Herron. Ein Todesfall weckt Misstrauen.

Ein Chiffrierfachmann stirbt an einem ungewöhnlichen Ort angeblich an einem Herzanfall. Obwohl der ehemalige Spion aus kalten Kriegszeiten nie eine große Rolle spielte, ist sein Ableben für Jackson Lamb verdächtig. James Webb von der MI5-Zentrale Regent's Park beordert zwei von Jacksons Leuten für Security-Jobs ab. Sie sollen einen russischen Oligarchen beschützen. Die Slow Horses ahnen eine falsches Spiel.

Eine überraschende Begegnung und ihre Folgen sind gut inszeniert. Der direkte Einstieg entführt in eine abenteuerliche Agentenwelt mit zahlreichen Fallstricken. Auf sehr kreative und unterhaltsame Art gibt es ein Wiedersehen mit den Slow Horses. Wer Band 1 nicht kennt wird auf besondere Weise in die Geschichte eingeführt und findet sich schnell zurecht. Was hat es mit den Neuzugängen bei Slow Horses auf sich? Hoffnung auf die Rückkehr in die MI5-Zentrale ist bei allen abgeschobenen Agenten unter Jackson Lambs harter Führung die Antriebsfeder. Jede Chance wird ergriffen, auch wenn sie von Ekelpaket James Webb kommt. Nicht nur Webb bringt zwei Slow Horses wieder ins Spiel, auch Jackson Lamb hat seine eigenen Pläne. Seltsame Ereignisse und ein rätselhafter Gegner bringen den Krimi schnell in Fahrt. Spannung und Unterhaltungswert bleiben auf einem hohen Niveau. Autor Mick Herron erzählt die Geschichte auf unnachahmlich schalkhafte und gewiefte Weise. Details und Dialoge sind treffsicher. Das Geplänkel zwischen den Slow Horses und Jackson Lambs spezielle Eigenarten im Umgang mit Verbündeten und Gegnern haben viel Witz. Die Lage ist ernst und Zusammenhalt gefragt. Überraschende Wendungen und eine schockierende Entwicklung, Band 2 trumpft mit einem raffinierten Plot auf, bringt zum Schmunzeln, entsetzt und lässt dem Leser keine Atempause. Im letzten Buchdrittel steigert sich die Spannung noch. Ein Zickzackkurs mit rasantem Tempo. „James Bond“ ist dagegen eine lahme Maus. Perfekte Unterhaltung und ein passend ungewöhnlicher Ausklang.

Das Cover hat Seriencharakter. Der Titel weckt die Neugierde. Was hat es mit den „Dead Lions“ auf sich? War Band 1 schon spannend und unterhaltsam, setzt Band 2 noch einen drauf. „Dead Lions: Ein Fall für Jackson Lamb“ toppt die Erwartungen. Autor Mick Herron ist eine ganz eigene Liga. Band 3 wird mit latenter Ungeduld und drängender Neugierde erwartet.

Bewertung vom 28.08.2019
Aus der Dunkelheit strahlendes Licht
Gappah, Petina

Aus der Dunkelheit strahlendes Licht


gut

Von Autorin Petina Gappah stammen unter anderem der Roman „Die Farben des Nachtfalters“ und die Erzählungen „Die Schuldigen von Rotten Row“. In ihrem zweiten Roman „Aus der Dunkelheit strahlendes Licht“ nimmt eine Expedition eine ungeahnte Wendung.

„Seit ihrer Jugend ist Petina Gappah von der Geschichte um David Livingstone besessen - dem berühmten schottischen Missionar und Afrikaforscher, der sich des großen geografischen Rätsels seiner Zeit verschrieben hatte, der Entdeckung der Nilquellen. Aus Faszination wurde ein Roman: Als Livingstone 1873 auf der Suche stirbt, will seine treue Gefolgschaft seinen Leichnam in seine Heimat zurückbringen. So machen sich 69 Gefährten auf den wagemutigen Weg, ihn quer durch Afrika zu tragen, angeführt von einer jungen Frau - Halima, Livingstones scharfzüngiger Köchin.“

Der Prolog stimmt auf eine abenteuerliche Geschichte ein. David Livingstone, von seinen Reisegefährten Bwana Daudi genannt, wird sein Ziel nie erreichen. Der Roman stützt sich auf zwei Perspektiven. Sehr unterhaltsam sind Halimas Erinnerungen an den Doktor und die Ereignisse. Die eigenwillige, kluge und scharfzüngige Köchin weiß sich zu wehren, Dinge anzusprechen und zu lenken. Sie lässt sich auch von ihrem Mann Amoda kaum aufhalten. Der Einstieg zur Geschichte wirkt feierlich, wenn auch dramatisch. David Livingstone hat Sklaven gerettet und sie aufgenommen, stand aber auch oft genug den kaltblütigen Sklavenhändlern hilflos gegenüber. Er bildet das Zentrum der Geschichte. Mit seinem Tod stehen seine Begleiter vor einer Herausforderung. Was ist zu tun? Die nachfolgende Reise mit dem Leichnam wird aus Sicht des angehenden Missionars Jacob Wainwright erzählt. Er versucht alles, so viele Menschen wie möglich zum Christentum zu bekehren, gerät aber an seine Grenzen. Gegensätzlicher können zwei Reiseberichterstatter nicht sein. Jacob leidet an religiöser Selbstüberschätzung. Das macht ihn fast sympathisch. Seine stoische, arrogante Art lässt Halimas Mut und Direktheit vermissen. Rätselhaft bleibt ein Außenseiter. Welchen Plan verfolgt er? Oder will er nur Zwietracht säen? Mysteriöse Vorkommnisse häufen sich. Die Auflösung überrascht nicht. Bewundernswert sind die Recherchen, die für diesen Roman nötig waren und die jahrelange Arbeit. Herausgekommen ist ein Abenteuer, das durch Jacobs Tagebuch zeitweise etwas langatmig und überkandidelt wirkt, aber durch Halima und eine paar andere Nebenfiguren, Frauen wie Männer, gewinnt.

Der Titel hat etwas Melancholisches und beschreibt das Schicksalhafte und die Hoffnung aufs Glück. „Aus der Dunkelheit strahlendes Licht“ befasst sich nicht nur mit einer riskanten und gefährlichen Expedition sondern auch mit dem Thema „Sklaverei“. Der Wunsch nach Freiheit berührt. Die Fragen zu offenen Schicksalen werden am Ende geklärt. Eine Namensverwechslung fällt auf, ansonsten eine runde Geschichte mit Entdecker-Flair und vielen Herausforderungen.