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Magnolia
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Bayern

Bewertungen

Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 27.12.2023
Der süße Duft der Reben
Haigh, Tara

Der süße Duft der Reben


sehr gut

Anfang des 20. Jahrhunderts war die Rolle der Frau eine ganz andere. Sie hatte den Wünschen des Vaters zu folgen und wenn sie erst den für sie ausgewählten Mann geehelicht hat, ist er es, dessen Wünsche sie zu erfüllen hat. Isabel ergeht es nicht viel besser. Hinter Vaters Rücken hat sie sich bei der Londoner Kunstakademie beworben und nun die Zusage erhalten, hier ihre künstlerischen Fähigkeiten zu verfeinern. Vater jedoch hat andere Pläne für sie, er will sie mit dem Sohn eines spanischen Rosinenbarons verheiraten. Die Schiffspassage ist gebucht, sie muss sich fügen.

Schon die Schiffsfahrt gestaltet sich äußerst schwierig, Isabel sinnt auf Auswege, sie setzt alles daran, dem Ziel ihrer Reise – der Heirat – doch noch zu entkommen. Ein Aufpasser, den ihr Vater kurzerhand als Reisebegleiter mitschickt, folgt ihr mit Argusaugen.

Dénia ist eine Stadt an Spaniens Ostküste - hier hat Isabel ihre ersten Lebensjahre verbracht. Aus dieser Zeit kennt sie ihren zukünftigen Ehemann, ihn verabscheut sie seit jeher. Auch Fernando, ihr Freund aus Kindertagen, lebt hier und ihn will sie wiedersehen, er war schon damals ihre große Liebe und ist es bis heute geblieben.

Vor herrlicher Kulisse spielt sich ein Drama ab, geprägt von Liebe und Schmerz, von Verlust und Hinterhältigkeit. Im Mittelpunkt eine junge Frau, die ein selbstbestimmtes Leben führen will, die gesellschaftlichen und familiären Zwänge lassen dies jedoch nicht zu.

Isabel war mir sofort nahe. Sie verkörpert eine zupackende Frau, die sich nicht so leicht einschüchtern lässt und sich doch bestimmten Gepflogenheiten nicht entziehen kann. Nicht so ganz nachvollziehen konnte ich, dass sie sich ausgerechnet in dem Ort niederlässt, in dem ihr verhasster Zukünftiger lebt. So sind Verwicklungen vorprogrammiert. Auch waren mir einige Passagen, wie etwa ihr unfreiwilliger Abstecher ins Bordell, des Guten zu viel.

Nichtsdestotrotz habe ich mich durchweg gut unterhalten gefühlt, Tara Haighs lockeren, gut lesbaren Schreibstil kenne ich bereits aus anderen Büchern. Es geht um viel Gefühl, um bittere Enttäuschungen und Ungerechtigkeiten, aber auch um Zusammenhalt und wahre Liebe. In die Welt der Rosinenbarone mitsamt ihrer Habgier bin ich tief eingetaucht, hatte Einblick in ein sehr dunkles Kapitel einer Familie und wie nebenbei wurden mir die Tücken der Monokultur nähergebracht.

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Bewertung vom 27.12.2023
Schneesturm (eBook, ePUB)
Walsh, Tríona

Schneesturm (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Frostig, spannend, düster

Sie sind älter geworden, erwachsener. Cillians zehnter Todestag rückt näher – Anlass genug, Zeit mit den Freunden von damals zu verbringen. Also treffen sie sich auf Inishmore, der windumtosten Insel im Atlantik. Hier lebt und arbeitet die gebürtige Insulanerin Cara Folan als Inselpolizistin. Aufgewachsen ist sie nicht hier, auch spricht sie kein Gälisch und somit ist sie für die Inselbewohner eher Außenseiterin.

Schon der Prolog mit dem Klippenspringer lässt einen frösteln und auch die Außentemperaturen und der einsetzende Schneesturm sorgen für eine zunehmend eisige Atmosphäre. Zunächst schein alles okay zu sein, das Wiedersehen der sechs Freunde wird aber bald getrübt durch die Nachricht, dass eine Leiche in der Serpent´s Lair, unterhalb der Steilklippen, gefunden wurde. Spuren an der Leiche machen deutlich, dass es kein Unglück war, der Mörder ist unter ihnen. Durch die ungünstigen Witterungsverhältnisse ist es Caras Kollegen vom Festland nicht möglich, auf die Insel zu gelangen. Der Fährbetrieb ist eingestellt, sie haben weder Strom noch Telefon, sie sind auf sich alleine gestellt. Cara setzt alles dran, diesen Klippensturz nicht öffentlich zu machen und doch bleibt es nicht aus, dass die Gerüchteküche brodelt. Die Insel ist klein, sie hat gerade mal 900 Einwohner. Hier kennt jeder jeden – ein auffälliges Verhalten wird sofort zur Kenntnis genommen.

Die Fassade bröckelt zunehmend. Da ist Seamus, der jüngere Bruder von Cillian. Beide waren sie in dieser Nacht draußen, als Cillian umgekommen ist. Seamus hatte sein Tod arg zugesetzt, er hat die Insel verlassen, hat in Hollywood Fuß gefasst. Ferdy und Sorcha leben in London, auch sie gehören zur alten Clique. Daithi betreibt das örtliche Pub, auch Maura ist nie fortgegangen und Cara durch ihre Heirat mit Cillian zurückgekehrt.

Tríona Walsh verbreitet mit ihrem „Schneesturm“ eine zunehmend düstere Atmosphäre. Die raue Landschaft und die unwirtliche Wetterlage sorgen für Eiseskälte, die gut gezeichneten Charaktere sind durchweg lebensnah und somit gut nachvollziehbar. Die zunächst lockere Stimmung weicht Zweifeln und schlägt in Feindseligkeit um. Mit den Jahren haben sie sich auseinandergelebt, sie beäugen sich kritisch.

Der Autorin ist ein durchweg spannender Thriller gelungen. Die Mördersuche wird akribisch vorangetrieben, es kristallisieren sich so einige finstere Gestalten heraus, auch scheint ein dunkles Geheimnis über allem zu schweben. Cara ist in erster Linie Polizistin, sie agiert besonnen, beobachtet, nimmt ihre Umgebung mit allen Sinnen wahr. So einige kommen als Täter infrage, das Ende hat Überraschendes zu bieten.

Bewertung vom 22.12.2023
Eine halbe Ewigkeit
Kürthy, Ildikó von

Eine halbe Ewigkeit


ausgezeichnet

Wie das Leben eben ist

Kinder, wie die Zeit vergeht! Coras Leben steht Kopf, die Kinder haben sich schon lange abgenabelt, auch das letzte Kind geht nun seiner eigenen Wege. Zurück bleibt sie, auch ihre Ehe hat schon bessere Tage gesehen. Entrümpeln ist angesagt. Blöd nur, dass der Container voll ist und der mittlerweile vierundfünfzigdreiviertel Jahre alten Cora Hübsch ausgerechnet ihr altes Tagebuch in die Hände fällt.

„Eine halbe Ewigkeit“ ist es her, genauer gesagt fünfundzwanzig Jahre, also ein viertel Jahrhundert, dass sie die Seiten dieses Tagebuches gefüllt hat. Sie blättert darin und lässt ihr Leben Revue passieren. Die Themen eines Lebens – jeder durchlebt sie, bleibt bei dem einen länger haften, während anderes sich schnell wieder verabschiedet. Loslassen ist gar nicht so einfach, wie man es sich hinlänglich vorstellt, denn wenn die eigenen Babys (man könnte sie auch erwachsene Kinder nennen) sich abnabeln, heißt das noch lange nicht, dass auch die Mutter für diesen schmerzhaften Prozess bereit ist. Und der Partner erst – wo sind sie hin, die romantischen Tage und Wochen. Die Beziehung fährt längst nicht mehr so rasant, die eingefahrenen Bahnen ermüden zusehends. Da ist es schon verführerisch, wenn ganz plötzlich der Ex auftaucht. Sie erinnert sich an ihre Freundin Johanna, an eine Schuld, die bis heute an Cora nagt.

Altes verlassen, Neues zulassen. Davon und vom Leben überhaupt erzählt Ildikó vion Kürthy. Und das Beste überhaupt: Die Autorin schlüpft im Hörbuch in die Rolle der Cora Hübsch. Wer, wenn nicht sie, kann sich in ihre Romanfigur besser einfühlen, schließlich und endlich kennen sie sich schon seit dem „Mondscheintarif“.

Bewertung vom 22.12.2023
Dieses schöne Leben (eBook, ePUB)
Brammer, Mikki

Dieses schöne Leben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine lebenskluge Geschichte

Auch wenn wir es gerne verdrängen, so gehört der Tod doch zum Leben, denn jeder von uns wird sterben. Die einen erwartet ein langes Leben, für andere ist ihr Lebensweg eher kurz. Clovers Großvater erklärt es der 6jährigen anhand von Streichhölzern. Auch, wenn alle gleich lang sind, so zündet das eine gar nicht erst, ein anderes brennt nur halb herunter, auch brechen manche schon beim Anzünden ab. Äußere Einflüsse spielen eine Rolle – das Beispiel mit den Streichhölzern und dem Vergleich zum Leben und Sterben versteht Clover sofort.

Als Clovers Eltern verunglücken, holt sie ihr Großvater nach New York und als dieser dann stirbt, ist sie zwar erwachsen, aber sie ist alleine. Freunde hat sie keine, sie ist den Mitmenschen gegenüber eher scheu, viel lieber vergräbt sie sich in ihren Büchern, guckt Filme und ist mit ihrem Hund und den Katzen zufrieden. Nach Großvater Tod sieht sie ihre Berufung als Sterbebegleiterin, denn keiner sollte alleine aus dem Leben scheiden. Was leider viel zu oft geschieht. Sie nimmt sich Zeit, geht irgendwann dazu über, die letzten Worte der Sterbenden aufzuschreiben. Sie lässt sich all das erzählen, was noch wichtig scheint. Aus diesen so unterschiedlichen Leben zieht auch sie Kraft, es ist ein Geben und Nehmen. Sie sieht, dass sie als letzte Begleiterin wertvolle Hilfe bietet, Trost spendet, einfach zuhört.

Der wunderbare Erzählstil nimmt diesem gerne verdrängten Thema seine Schwere. Clover ist gut darin, wenn es um die Sterbebegleitung geht - sie ist einfühlsam und geduldig. Ihr Privatleben dagegen sieht vollkommen anders aus. Sie vergräbt sich und lässt sich erst mal widerwillig auf die quirlige Nachbarin ein, die sie einfach mitzieht, sie aus ihrem Schneckenhaus herausholt. Und auch wenn es dauern mag, so passiert im Clovers Leben doch so einiges.

Es ist eine gefühlvolle Geschichte, die Mikki Brammer erzählt. Ein kluges Buch mit einer Protagonistin, der man gerne folgt, die langsam auftaut, die den Weg, ihren Weg in ein erfülltes Leben findet. Selbst das Cover stimmt froh, es zeigt die Fülle des Lebens in den schönsten Farben.

Bewertung vom 22.12.2023
Die Wolkengucker (eBook, ePUB)
Fritz, Kristina

Die Wolkengucker (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Um drei. In der Sonnenstraße dreiundzwanzig.

In ihrer kleinen Wohnung können sie nur dann in den Himmel sehen, wenn sie sich auf den Boden legen. Mia und ihre Mutter haben das oft gemacht, sie haben in die Wolken geguckt und so manche Traumgebilde entdeckt. Nur jetzt ist sie mit ihrem Vater alleine, ihre Mutter ist tot und Matt, Mias Vater, sieht eher viele kleine Wassertröpfchen denn wunderschöne, vorüberziehende, sich immer neu formatierende Wolkenbilder.

„Herzliche Einladung zum 1. offiziellen Treffen der Wolkengucker! Am Sonntag um 15:00 Uhr in der Sonnenstraße 23!“

Das Plakat finden Mia und ihr Vater auf dem Heimweg - wenn das kein Fingerzeit des Schicksals ist. Natürlich müssen sie da hin, Mia lässt nicht locker. Und so lernen sie Wilma kennen. Auch sie ist eine Wolkenguckerin, zusammen mit ihrer verstorbenen Freundin Margarete hat sie oft in den Himmel voller Wolken geschaut. „Meine liebe Wilma... Heb mal den Blick zum Horizont, dann winke ich dir zu…“ Wilma liest Margaretes Brief, diese vermacht ihr nicht nur ihr Schultertuch, auch übernimmt sie Margaretes Putzfrau Ayla - eine Kümmerin mit einem riesengroßen Herzen.

Gegenseitig haben sich die beiden Freundinnen versprochen, eine Wolkengucker-Gesellschaft zu gründen und nun setzt Wilma dieses Versprechen mit dem Plakat in die Tat um. Wer wohl kommen mag? Sie ist gespannt und schon ein wenig enttäuscht, dass nur Matt und seine Tochter Mia den Weg hierher gefunden haben. Was solls, sie setzen sich in den Garten, Mia und Wilma verstehen sich sofort super, die beiden sind in ihrem Element.

Aus Fremden werden Freunde, so möchte ich die so feinfühlig erzählte Geschichte in aller Kürze zusammenfassen. Letztendlich hat der Tod geliebter Menschen sie zusammengeführt, die kleine Gruppe wird größer, alle zwei Wochen treffen sie sich zu ihren Wolkengucker-Stunden in der Sonnenstraße 23. Ayla, die in ihrem Zweitjob nachts Bürogebäude putzt, verschläft meist diese Nachmittage und auch Matt sitzt ein Abgabetermin im Nacken, für Wolken – und seien sie noch so schön – hat er nichts übrig. Auch stört ein ständig mäkelnder Nachbar mit gelegentlichen Brüllattacken die Idylle.

„Die Wolkenguckerin“ ist ein warmherziges Buch, einfühlsam und so federleicht, wie man sich die Wolken vorstellt. Sie sind ständig in Bewegung, verharren nie an einer Stelle. Auch das Leben fließt, es verändert sich, man begegnet Fremden, an denen man vorübergeht oder deren Fäden sich mit den unseren verknüpfen, bis ein festes Band entsteht. Diese Stationen hat Kristina Fritz ineinander verflochten - schon ein wenig märchenhaft, aber doch wunderschön. Zum Schluss noch ein Satz von Astrid Lindgren, den einst Margarete kurz vor ihrem Tod an Wilma geschrieben hat: „Wie schön muss es erst im Himmel sein, wenn er von außen schon so schön aussieht.“

Bewertung vom 18.12.2023
Der Spurenfinder Bd.1 (6 Audio-CDs)
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder Bd.1 (6 Audio-CDs)


sehr gut

Eine Fantasy-Kriminal-Geschichte

Nein, nicht Spurensucher ist Elos von Bergen. Spurenfinder ist er, darauf legt er Wert. Denn das Aufspüren der Spuren ist doch ganz was anderes, es verlangt Fingerspitzengefühl und ein Gespür für alles Unsichtbare. Und genau das hat er, der Spurenfinder.

Schon vor längerer Zeit hat er sich zur Ruhe gesetzt, sich mit seinen beiden Kindern, den Zwillingen Ada und Naru, einen Ort der absoluten Stille ausgesucht. In Friedhofen leben sie nun, was weder Ada noch Naru glücklich macht. Es passiert einfach nichts, sie langweilen sich Tag für Tag, bis ein Mord geschieht und ihr Vater als Experte auf dem Gebiet des Spurenfindens ein gefragter Mann ist. Dieser will seine Kinder möglichst aus allem heraushalten, sie aber schleichen ihm heimlich nach. Schließlich und endlich haben sie viel von ihm gelernt.

Es hat Spaß gemacht, Marc-Uwe Kling zuzuhören. Er hat mir die Fantasywelt des Elos von Bergen, seines Zeichens Spurenfinder, näher gebracht. Fantasy ist nicht unbedingt mein bevorzugtes Genre, eine gute Kriminalgeschichte schon eher. Zunächst bin ich am Cover hängen geblieben, es hat mich neugierig auf die Geschichte dahinter werden lassen. Es ist witzig gemacht, zeigt ein Beil mitsamt dem Detektiv und seinem detektivischen Nachwuchs. Marc-Uwe Kling war mir bis dato kein Begriff, nun aber werde ich hellhörig im wahrsten Sinne des Wortes, denn sein Vorlesen war und ist exzellent. Ich bin gut in Friedhofen angekommen und hab mich – in Gegensatz zu den Zwillingen – keine Minute gelangweilt.

Das Hörbuch ist nicht nur spannend, es sprüht nur so vor komischen Momenten mit unvorhergesehenen Wendungen und dass der Autor seiner Fantasygeschichte mit seiner wandelbaren Stimme seinen unverwechselbaren Charakter gibt, ist ein zusätzlicher Pluspunkt, dem „Spurenfinder“ näher zu kommen - beste Unterhaltung nicht nur für Kinder mit einem verblüffenden Ende, das nach einer Fortsetzung verlangt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.12.2023
White Zero (eBook, ePUB)
Falk, Thilo

White Zero (eBook, ePUB)


gut

Steuern wir auf eine Eiszeit zu?

Schnee en masse hatte ich vor kurzem direkt vor meiner Haustür, sodass ich mich direkt hautnah (und bibbernd) auf diesen Thriller einstimmen konnte, wenngleich die Minustemperaturen im niedrigen einstelligen Bereich angesiedelt waren.

Ganz anders hier. Mit „White Zero“ zeigt Thilo Falk ein eiskaltes, erschreckendes Szenario auf. Die Kältewelle zieht sich viel zu lange hin, denn der März sollte die ersten milden Tage mit sich bringen. Es wird eher kälter denn wärmer, am 2. März herrschen in Leipzig -28,2°C. Dr. Jana Hollmer, die Geophysikerin, ist gerade dabei, ihren Vortrag zu präzisieren, als nach einem Schlag auf die Außenwand diese plötzlich wegbricht. Das Gebäude wird evakuiert, es gibt Verletzte und auch einen Toten, mit dem Jana zuvor im Konferenzraum war. Materialermüdung heißt es. Aber ist dem wirklich so?

Schon „Dark Clouds“, das vorherige Buch des Autors, habe ich als bedrohlich, dramatisch und skrupellos empfunden, sein neuestes Werk reiht sich hier – mit Abstrichen - ein. Die klimatischen Veränderungen und die damit einhergehenden Maßnahmen sind Thema seines neuesten Thrillers. Die Reaktionen in Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt die Verschwörungstheorien, die allzu seltsame Blüten treiben, werden trefflich gezeichnet, zuweilen eher karikiert, aber doch so, dass man nur zu gut weiß, wie es gemeint ist.

Neben Jana und ihrem beruflichen und privaten Leben sind noch viele Storys um Familien und Singles in unterschiedlichen Konstellationen mit hineingepackt. Die Perspektiven wechseln von Leipzig und dem Geopolitischen Forschungszentrum, seit dessen Gründung vor 18 Monaten sie stellvertretende Leiterin ist, in etliche Städte Deutschlands, nach China, Frankreich und den Tschad. Hier werden die für unseren modernen Lebensstil dringend benötigten Rohstoffe – wie etwa Seltene Erden – abgebaut.

Innerhalb kürzester Zeit steht alles still, die Wohnungen sind kalt, das öffentliche Leben erlahmt, alles wird wegen des damit einhergehenden Logistikproblems extrem teuer, vieles gibt es gar nicht mehr zu kaufen. Dramatisch wird es, als Jana mit ihrem Team herausfindet, wer bzw. was die Ursache dieser Eiszeit sein könnte. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, sie versuchen, zu dem vermeintlich Schuldigen ans gefühlt andere Ende der Welt zu gelangen – ein abenteuerliches Unterfangen nimmt seinen Lauf. Es spitzt sich zu, das ganze Prozedere á la James Bond überzeichnet – ob Gut gegen Böse gewinnt?

Thilo Falk schreibt sehr unterhaltsam. Es ist ein Thriller zum Mitfiebern und Daumen drücken, dass alles gut gehen möge. Es ist Fiktion, die Dramatik schreibe ich der künstlerischen Freiheit des Autors zu. Im Nachwort klärt er über die drei Aspekte auf, die ihm wichtig waren. Unser luxuriöses Leben wird dank der miserablen Arbeitsverhältnisse – hier als mahnendes Beispiel in den Minen Afrikas – aufrecht erhalten, zudem schaden wir mit unserem oft unbedachten Handeln der Umwelt und als dritten Punkt nennt er die grenzenlose Macht der Superreichen zu diesem Thema.

Der Klimawandel ist nicht zu leugnen, der Thriller angenehm zu lesen. Laut gelacht habe ich, als er von den Deutschen und den Deutschinnen spricht und mich gefragt – vom Für und Wider des Genderns mal abgesehen - ob diese Sprachverschandelung wirklich sein muss. Ich wäre gut ohne diese Nebenschauplätze ausgekommen wie auch etwa ohne den immer wieder eingestreuten Sprüchen des Grußkartenhersteller und Janas Lebensgefährten, der alle möglichen und unmöglichen Texte druckt und die auch hier zum Besten gegeben werden. Vielleicht meint der Autor, dass dieses viele bedruckte Papier Ressourcenverschwendung ist. Dann wären wir wieder beim Thema Umwelt im Allgemeinen. Vieles wirkt zu bemüht, zu aufgesetzt und zu weit hergeholt. Die Lösung des Problems ist hart an der Realität vorbeigeschrammt, um es mal flapsig auszudrücken. Und doch darf ein Thriller übertreiben, muss sich nicht an knallharte Fakten halten. Und ja, er sollte aufrütteln - was in meinen Augen nur bedingt gelungen ist.

Bewertung vom 17.12.2023
Das einzige Kind
Lind, Hera

Das einzige Kind


gut

Djoko

„Das einzige Kind“ ist ein „Roman nach einer wahren Geschichte“. So ist es auf dem Cover abgedruckt, das eine in dem Buch beschriebenen Szene um den kleinen Djoko nachstellt. In der Vorbemerkung der Autorin lese ich, dass ich hier ein Buch vor mir liegen habe, das zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Es behandelt typisierte Personen, also standardisierte, vereinheitlichte Personen. Weiter lese ich, dass es einen Anspruch auf Faktizität nicht erhebt, die Wirklichkeit also nicht unbedingt abbildet. Der Text erschöpft sich nicht an der Abbildung realer Personen, es ist eher eine zweite Ebene, Wahrheit und Fiktion verschwimmen. Dies sollte einem schon klar sein, wenn man sich in die Leidensgeschichte um den zu Anfang vier- oder fünfjährigen Djoko einliest.

Und es ist eine Leidensgeschichte, die der kleine Mann schon in jungen Jahren über sich ergehen lassen musste. Die rasende Wut seiner Mutter legt sich über seine ersten Jahre und wäre sie nicht irgendwann erschöpft gewesen, hätte sie ihn halbtot geschlagen. Dies ist mein erster Eindruck und ich bin entsetzt. Ja, die Prügelstrafe war zu dieser Zeit – wir sind im ehemaligen Jugoslawien im Jahre 1940 – nicht verpönt, sie galt als erzieherische Maßnahme. Sein Leiden war aber beileibe nicht auf die unausgeglichene Mame, wie er seine Mutter nennt, begrenzt. Er wird durch die Kriegswirren, die auch seine Heimat nicht verschont, verletzt, schwer verletzt. Und kämpft und beißt sich durch, seine Eltern sind mittlerweile tot, er steht ganz alleine da. Und – bekommt immer wieder von Fremden Hilfe, er wird sogar in einem Regiment als „kleiner Soldat“ ausstaffiert und jeder sieht dies als selbstverständlich an.

Die Welt um Djoko ist grausam. Ja, Krieg ist grausam und das bildet die Autorin schon ab, immer Djoko im Mittelpunkt. Da geht es beispielsweise um eine Vergewaltigung, die den Kameraden angezeigt wird und alle sind sie empört, mutieren zu Gutmenschen. Auch trifft Djoko nur auf mitfühlende, wohlmeinende Menschen, die in allesamt adoptieren wollen. Sofort klappt es reibungslos – ohne jegliche Papiere und fernab der Heimat. Hier habe ich nicht das erste Mal mit dem Kopf geschüttelt, mich in einer Märchenstunde gewähnt. Auch ist es wenig glaubhaft, dass man sich nach achtzig Jahren so detailliert erinnern kann, was einen als Vierjährigen und einige Jahre danach passiert ist. Sicher bleibt einiges hängen, vor allem dann, wenn das Leben so hart war und man fürs Überleben ständig kämpfen musste. Und Djoko war eine Kämpfernatur.

Hera Lind hat einen sehr einnehmenden, gut zu lesenden, unterhaltsamen Erzählstil. Auch wenn sie von den Grausamkeiten rund um den Zweiten Weltkrieg berichtet, so habe ich ihren Roman als kurzweilig empfunden. Habe mich über so manche Figur echauffiert, andere ins Herz geschlossen und sehe dieses Buch eher als Zeitzeugnis. Denn dass Kinder, Erwachsene, Alte, unter dieser schrecklichen Zeit unendlich gelitten haben, ist unbenommen. Und dass beileibe nicht alle Männer in den Krieg gezogen sind und "hurra, endlich darf ich für meinen Führer kämpfen" gejubelt haben, ist auch klar. Und dennoch bleibt der fade Beigeschmack, dass dieser eher fiktive Roman als „wahre Geschichte des kleinen Djoko“ vermarktet wird.

Bewertung vom 17.12.2023
Tote Mädchen schweigen ewig (Thriller)
Schwarz, Gunnar

Tote Mädchen schweigen ewig (Thriller)


ausgezeichnet

Warum schweigen sie alle?

Was passiert da? Wer verfolgt hier wen? Schon die ersten Szenen haben es in sich. Mit „Tote Mädchen schweigen ewig“ hat Gunnar Schwarz eine neue Serienkiller-Reihe begonnen, in dessen Mittelpunkt die beiden Ermittlerinnen Charlotte (Charlie) Bekker und Stella Meislow stehen.

Sie finden eine weibliche Leiche in einem Auto, das aus dem Fluss gezogen wurde. Bald stellt sich heraus, dass es sich hier um einen brutalen Mord handelt. Nachdem der Ehemann erfahren hat, was ihr zugestoßen ist, gesteht er, sie getötet zu haben. Sie wurde erwürgt, an beiden Armen sind tiefe Schnitte und nicht genug damit, auch wurde ihr die Zunge herausgeschnitten.

Charlie und Stella sind zwei ganz und gar unterschiedliche Charaktere. Stella ist neu im Team und im Gegensatz zu der eher burschikosen Charlie betont sie ihre Weiblichkeit. Schon allein deswegen wird sie als Barbie belächelt, sie aber lässt sich nicht unterkriegen, wird in ihrem Auftreten zunehmend sicherer. Jede hat so ihre ganz eigenen Methoden und zusammen kommen sie Schritt für Schritt vorwärts. Dem geständigen Ehemann nehmen sie nicht ab, etwas mit dem Mord zu tun zu haben, wenngleich er darauf beharrt, der Täter zu sein. Er bleibt in Haft, seine Todesangst sieht man ihm direkt an. Eine zweite Leiche wird gefunden, auch ihr fehlt die Zunge, die Schnitte an ihren Armen sind identisch denen der ersten Toten, auch sie wurde erwürgt.

Gunnar Schwarz bürgt für Spannung pur, so auch hier. Ich werde direkt in die Handlung gezogen und auch wenn Charlie eher ruppig agiert, so mag ich ihre Art, den Dingen auf den Grund zu gehen. Neben der Ermittlungsarbeit wird auch Stellas privater Hintergrund sichtbarer. Das „Püppchen“ entpuppt sich als kluge und durchaus feinfühlige Polizistin. Die beiden Frauen inmitten männlicher Kollegen erweisen sich als scharfsinnig und durchsetzungsstark. Beide testen sie gerne ihre Grenzen aus, zusammen sind sie ein starkes Team, das sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten doch ganz gut ergänzt.

Wie sich herausstellt, sind nicht nur die beiden Morde aufzuklären, es geht um sehr viel mehr. Eine Spur führt ins Darknet, auch sind sie sich ziemlich sicher, dass sie einen Maulwurf im Team haben. Sie graben immer tiefer, die Ermittlungsarbeit wird immer komplexer…

…und wenn man glaubt, es ist vorbei, dann ist es das noch lange nicht, der wendungsreiche Schluss rundet den ersten Fall für das Team rund um Charlie und Stella bestens ab, die Folgebände werde ich mir nicht entgehen lassen.

Bewertung vom 14.12.2023
Zauber des Neuen
Carsta, Ellin

Zauber des Neuen


ausgezeichnet

Mit den Kindern der Hansens in eine neue Zeit

„Die Kinder der Hansens“ haben große Pläne. Sie wollen mit dem schon lange leer stehenden Kontor ganz neue Wege wagen. Amala will zusammen mit Auguste und Eduard den Hamburgern ein Haus mit Theater und Kino, mit einem Tanzsaal, Restaurant und Café anbieten. Auguste plant mit ihrem Mann den Umbau, Amala will sich mit ihrem Wissen als Schauspielerin einbringen und natürlich sind auch Eduards Kontakte in Berlin äußerst hilfreich. Georg steht ihnen nicht nur mit Rat und Tat zur Seite, er unterstützt ihr Vorhaben auch finanziell. Trotzdem ist viel zu beachten, die Risiken sind nicht zu unterschätzen. Sie wagen den Aufbruch in Neues, ihnen Unbekanntes. Der „Zauber des Neuen“ fasziniert sie zunehmend.

In diesem vierten Band der „Kinder der Hansen-Reihe“ ist viel passiert. Ellin Carsta setzt ihre Hansen-Saga nahtlos fort, was mich sehr froh stimmt, denn mit Luise Hansen habe ich gelebt, geliebt und gelitten und es fühlt sich gut an, die nächste Generation zu begleiten. Nun sind wir im Jahr 1926 angekommen, die Leute wollen leben, sich vergnügen, es schimmert aber auch die politische und wirtschaftliche Lage durch. Die damaligen Verhältnisse werden durch die fiktive Familie Hansen gut wiedergegeben, der Zeitgeist dieser Jahre ist deutlich spürbar.

Es herrscht Aufbruchstimmung und Neuorientierung. Amala hat es schwer getroffen, ihr Unfall, der eher ein hinterhältiger Racheakt war, zwingt sie dazu, ihre einstigen Pläne zu ändern. Sie wäre keine Hansen, wenn sie sich dadurch unterkriegen lassen würde. Eduard, der immer ein wenig ins Verruchte abdriftet, steht ihr zur Seite und läuft zu Hochform auf. Ihm traue ich alles zu, er ist sowas wie ein Genie des Zwischenmenschlichen. Und dies meine ich auch ein ganz klein wenig sarkastisch.

Die Hansen-Familie ist weit verstreut und natürlich machen wir einen Abstecher nach Wien zu Therese, zu ihren Kindern und Enkeln und auch zu ihrem Bruder. Dass ich ihn wieder treffe, hat mich ganz besonders gefreut. Auch Therese will sich verändern, auch sie wagt einen Neubeginn.

Nicht genug damit, Helene scheint endlich angekommen zu sein. Doch auch sie muss unendlich viel ertragen, ihr Leben scheint in eine unerwartete Richtung zu gehen. Es ist noch sehr viel mehr passiert, der „Zauber des Neuen“ ist nicht immer zauberhaft. Sie alle wären nicht die Hansens, würden sie die Hürden, die das Leben mit sich bringt, nicht meistern wollen.

Ellin Carsta versteht es, ihre Leser gut zu unterhalten. Ihr einnehmender Schreibstil macht neugierig auf die Fortsetzung der Geschichte, man will immer mehr, immer weiter, man kriegt nie genug. Ihre Charaktere haben für mich schon lange nicht nur ein Gesicht, sie sind charmant und sympathisch, sind liebenswert und sehr angenehm in ihrer Art. Aber so manchen möchte ich lieber nicht begegnen, wenn diese arrogant und selbstgefällig daherkommen, hinterlistige Ränke schmieden, sie ihre Umgebung regelrecht mit Worten vergiften. Ja, es geht bei den Hansens zu wie im richtigen Leben und auch darum bin ich immer wieder aufs Neue erfreut, wenn ich endlich das nächste Buch in Händen halte.