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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lymon
Wohnort: 
Werl

Bewertungen

Insgesamt 184 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2020
Bis wir uns wiedersehen
Bailey, Catherine

Bis wir uns wiedersehen


ausgezeichnet

„Bis wir uns Wiedersehen“ heißt der deutsche Titel dieser bewegenden Biographie Catherine Baileys über die junge Mutter Vey von Hassell, der im Zweiten Weltkrieg die zwei und drei Jahre alten Kinder geraubt werden, als Vergeltung für die gegen das Naziregime handelnden Angehörigen Feys, ihren Vater und ihren Ehemann.
Im Roman werden zum einen die lebensgeschichtlichen Hintergründe beleuchtet, das trotz mehrerer Kriegsjahre noch sehr beschauliche Leben der Familie in einem idyllischen Dorf nicht weit von Venedig. Um so dramatischer liest sich dann die Odyssee dieser starken Frau, der dann erst die beiden kleinen Kinder genommen werden, und die daraufhin eine ungewisse monatelange Reise in Gefangenschaft durch Ostpreußen, über Königsberg, das KZ Sutthoff, über Berlin, die KZs Buchenwald und Dachau unternehmen muss, immer mit der Ungewissheit, was der Plan hinter dem Ganzen sei und ohne zu wissen, ob ihr Mann noch lebt und wie es ihren Kindern gehen mag. Feys Odyssee ist verwoben mit dem Schicksal vieler weiterer Angehöriger prominenter Widerstandskämpfer gegen Hitler, die in diesem packenden Werk ebenso zu Wort kommen. Die Lektüre dieses Buches wird noch lange nachwirken.

Bewertung vom 05.09.2020
Madame Curie und die Kraft zu träumen / Ikonen ihrer Zeit Bd.1
Leonard, Susanna

Madame Curie und die Kraft zu träumen / Ikonen ihrer Zeit Bd.1


ausgezeichnet

Der Roman „Marie Curie und die Kraft zu träumen“ ist ein packender biografischer Roman um die kämpferische und wissenschaftlich brilliante Physikerin Marie Curie. Ihr Lebensweg wird in diesem Roman in Rückblicken von ihr erzählt. Die Autorin Susanna Leonard konzentriert sich in ihrer Darstellung des Lebens dieser starken Frau auf die Kindheit und familiäre Prägung, die Erfahrungen von Unterdrückung durch die russischen Besatzer, die frühen Verluste von Marie nahestehenden Menschen, dann auf ihren Erfolgsweg als Schülerin und Studentin, bis hin zu ihrem Zusammentreffen mit Pierre, ihrem Ehemann. Auch die Arbeit mit diesem, wie sie in einer Hinterhofbaracke schwerste körperliche Arbeit leisten, jahrelang wie besessen Säcke voll Pechblende waschen, was nicht ohne Folgen für ihre Gesundheit bleibt, wird sehr anschaulich erzählt. Diese großartige Frau ersteht recht lebendig vor dem Auge des Lesers, mit all ihrer unbeugsamen Kraft in der Frauen noch nicht sehr aufgeschlossenen Gesellschaft um die Jahrhundertwende. Der Roman ist sehr gut zu lesen, es wird eine gute Mischung zwischen wissenschaftlichen Details ihrer Arbeit, einer großen Liebesgeschichte und auch einem gesellschaftlichen Zeitzeugnis gefunden. Unbedingt lesenswert!

Bewertung vom 28.08.2020
Die Liebenden von der Piazza Oberdan
Klinger, Christian

Die Liebenden von der Piazza Oberdan


ausgezeichnet

„Die Liebenden von der Piazza Oberdan“ ist ein bewegendes Zeitzeugnis aus der ersten Hälfte des 20. Jharhunderts, welches den Leser am persönlichen Familienschicksal der Familie Robusti teilhaben lässt. Zu Beginn erlebt der Leser vor allem den jungen Vittorio, der auf Seiten der Italiener für seine Heimat kämpfen möchte. Der Leser begleitet Vittorio durch die Jahrzehnte. Auch der Kommilitone und Gefährte im Schützengraben Jacopo kreuzt immer wieder schicksalhaft seine Wege, wobei die Beziehung sehr zwiespältig bleibt.
Zunehmend rückt dann auch das Leben seines Sohnes Pino in den Mittelpunkt, der in dem vom Faschismus geprägten Alltag seinen eigenen Weg finden muss.
Sehr gut gefällt mir die Anlage des Romans, in dem sich ständig Passagen aus unterschiedlichen Zeitabschnitten abwechseln; mal spielt die Handlung 1943, dann wieder in den 20er Jahren, dann versetzt es den Leser wieder in das Jahr 1938. So ergibt sich nach und nach ein lebhaftes Bild darüber, wie das Leben mit seinen Höhen und Tiefen in einer politisch unruhigen Zeit, die vom Faschismus Mussolinis und dann der Nazis, aber auch mutigen Widerstandsgruppen geprägt ist, ausgesehen hat. Mit großer Wärme und Einfühlungskraft stellt dieser Roman auch ein Plädoyer dar für die Liebe, familiären Zusammenhalt und Geborgenheit, für gegenseitigen Einsatz und Mut, der allen Widerständen trotzt. Unbedingt lesenswert!

Bewertung vom 16.08.2020
Schwarzer Jasmin
Rumpl, Manfred

Schwarzer Jasmin


ausgezeichnet

„Schwarzer Jasmin“ von Manfred Rumpl ist ein vielschichtiger Thriller, der den Leser in seinen Bann zieht. Seine Dynamik entwickelt der Roman durch die wechselnden Räume, Zeiten und Erzählperspektiven, die geschickt ineinander verwoben werden. Die unterschiedlichen Protagonisten sind jeweils mit ihren individuellen Fragen und Problemen rund um Beziehung, Lebensentwürfen, Wünschen und Hoffnungen ganz unterschiedlicher Art beschäftigt. Durch Zufall begegnen sich diese unterschiedlichen Protagonisten und es entstehen neue Beziehungen, die auch das spannende Finale unwissentlich mit beeinflussen. Gut gefällt mir, wie es dem Autor gelingt, die Spannung sich immer mehr zuspitzen zu lassen. Bis zum Ende bleibt in der Schwebe, wie sich Eymen endgültig entscheiden wird. Wird die Einsicht, Vernunft und die Hoffnung auf eine persönlich erfüllte Zukunft siegen, oder die verblendete Wut, die von Schamgefühl über enttäuschte Liebe, Schuld und Resignation gespeist wird? Sehr gelungen ist auch, dass dieser Thriller auf exzessive Gewaltdarstellungen verzichtet, sondern seine Kraft durch die sensible Figurenzeichnung bezieht, die sehr gute Einblicke in die seelische Verfasstheit der Protagonisten gewährt.

Bewertung vom 15.08.2020
Die Sommer
Othmann, Ronya

Die Sommer


ausgezeichnet

„Die Sommer“ von Ronya Othmann ist ein Roman, der den Leser sehr bewegt, der noch lange nachklingt und traurig stimmt. Das Thema der inneren Zerrissenheit des jungen Mädchens Leyla, die seit ihrem vierten Lebensjahr ihre Sommer im Dorf ihres Vaters in Kurdistan, in Nordsyrien verbringt, wo sie im Haus ihrer Großeltern, umgeben von den zahlreichen Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen mit ihren jesidischen Wurzeln vertraut gemacht wird, was sie daheim in Deutschland mit ihren Schulfreunden nicht teilen kann, wird dem Leser sehr eindrücklich beschrieben. Besonders gut haben mir während der Lektüre die gewährten Einblicke in eine mir bis dahin wirklich nur ganz rudimentär bekannte Welt dieses immer wieder und immer weiter abgelehnten, schikanierten und unterjochten Volkes mit seinen Gebräuchen, seinem Zusammenhalt, seiner Frömmigkeit und einfachen Lebensweise gefallen.
Sehr bewegend dann auch die bewusstere Auseinandersetzung mit ihren Wurzeln, als Leyla anfängt zu studieren und fast daran zu zerbrechen droht, als der Bürgerkrieg im fernen Syrien ihre zahlreiche Verwandtschaft bedroht.
Die sprachliche Gestaltung hat mir erst nicht so gut gefallen, da sie oft sehr emotionslos und einfach wirkt. Auf der anderen Seite passt dies jedoch wieder gut zu dem inneren Empfinden von Zerrissenheit, der Suche nach sich selbst und dem eigenen Lebensweg zwischen den Kulturen. Das Ende, das hier nicht verraten werden soll, zeigt, dass Leyla nach einem längeren Gärungsprozess ihren ganz persönlichen Weg schließlich findet.
Fazit: ein unbedingt lesenswertes Buch, das tiefe Einblicke in das Leiden der verfolgten Jesiden bietet.

Bewertung vom 02.08.2020
Denn Geister vergessen nie
Koch, Jessica

Denn Geister vergessen nie


ausgezeichnet

„Denn Geister vergessen nie“ ist ein sehr mitreißender Roman für Jugendliche und junge Erwachsene. Aus verschiedenen Erzählperspektiven zusammengesetzt ergibt sich nach und nach ein umfassendes Bild der verschiedenen Charaktere. Sehr interessant ist die Darstellung des Erlebens von Amy und Mian. Seine Begabung die innere Gefühlslage seiner Mitmenschen wahrzunehmen und sein Bemühen, die Menschen bei negativen Gefühlen in eine bessere Richtung zu lenken, ist faszinierend. Der Leser erfährt immer mehr Details des schweren Schicksals, das Amy, aber auch Collin und seine Schwester Marie mit sich herumtragen. Verwirrend ist der Anfang, den man längere Zeit nicht mit der folgenden Romanhandlung verknüpft bekommt, woraus ein zusätzlicher Leseanreiz erwächst.

Bewertung vom 02.08.2020
City of Girls
Gilbert, Elizabeth

City of Girls


sehr gut

„City of Girls“ heißt dieser Roman von Elizabeth Gilbert, der von der neunzehnjährigen Vivian handelt, die anfangs erschreckend gelangweilt von allem und jedem wirkt und sich nur um ihr Aussehen zu kreisen scheint. Von daher fragt man sich anfangs, was mit diesem Mädchen nicht stimmt, da es scheint, als habe sie keine Interessen und Ambitionen. Dann stellt sich heraus, dass der Tod ihrer Großmutter sie quasi so betäubt hatte, dass Vivian in diese Lethargie versank. Denn eines kann sie richtig gut, und das hat ihr ihre Großmutter beigebracht: Nähen.
Nun kommt sie nach New York, genau zur richtigen Zeit für diese junge Frau. Denn mit ihrem Talent gelingt es ihr, endlich ihre Bestimmung zu entdecken.
Ein toller Roman über das Leben in dieser pulsierenden Metropole zur Mitte des letzten Jahrhunderts!

Bewertung vom 02.08.2020
Die Perlenfarm
Marklund, Liza

Die Perlenfarm


sehr gut

Dieser Roman lässt den Leser in eine ihm fremde Welt eintauchen. Sowohl das Leben der Perlentaucher, als auch die Bräuche und Gepflogenheiten der Bevölkerung muten dem Leser eigenartig an. So verwundert es zum Beispiel, dass der Mann der verstorbenen Schwester der Protagonistin ganz selbstverständlich sexuelle Handlungen an seiner Schwägerin vornehmen darf, was diese erstaunlicherweise sogar nicht ablehnt, da so die Verbindung zu ihrer Schwester aufrecht gehalten werden kann. Der Leser ist gespannt darauf, wie es mit dem geretteten Patienten weiter gehen wird. Wer ist er eigentlich und warum segelte er da, wo ihn sein Schiffbruch ereilte. Wie wird es mit der Protagonistin weitergehen? Ob sie sich in den schwedischen Patienten verlieben wird?

Bewertung vom 02.08.2020
Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6
Roslund, Anders

Geburtstagskind / Ewert Grens ermittelt Bd.6


ausgezeichnet

„Geburtstagskind“ heißt dieser so gruselig beginnende Roman um das Geburtstagskind Zana, das seinen fünften Geburtstag mit seiner zum ewigen Schweigen verdammten Familie verbringt, und das für mehrere Tage, ohne recht zu begreifen, was eigentlich los ist. Auch der Leser versteht nicht von Anfang an, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Nach diesem packenden Start möchte der Leser natürlich unbedingt mehr erfahren über die Hintergründe und Abgründe, die sich da auftun. Mehr als ein Jahrzehnt vergehen, bis der ermittelnde Kommissar wieder in der Wohnung des damaligen Geburtstagskindes steht. Es hat einen Diebstahl gegeben. Aber damit ergibt sich auch die Notwendigkeit Zana, die längst eine neue Identität bekommen hat, da sie ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde, noch stärker zu schützen.

Bewertung vom 02.08.2020
Die Topeka Schule
Lerner, Ben

Die Topeka Schule


ausgezeichnet

Die Lektüre von Ben Lerners Roman „Die Topeka Schule“ hat einen sehr ambivalenten Eindruck bei mir hinterlassen.
Zu Beginn muss sich der Leser erst gedulden, bis aus den zum Teil sehr verworrenen Wahrnehmungen Adams sich ein Verständnis über seine psychische Situation entwickelt. Der Schreibstil mit einer Vielzahl von psychologischen Fachbegriffen, von Begriffen und Zusammenhängen, die in den USA vielleicht sofort verständlich sind, für die Leser in Deutschland aber zum Teil erläuterungsbedürftig sind, sorgen streckenweise für eine unnötige Sperrigkeit. Um einige Beispiele zu nennen: Mir war am Anfang nicht bewusst, welche Bedeutung die Wannen haben, die die debattierenden Schüler mit sich schleppen, wenn sie zu Debattier-Duellen an andere Highschools fahren. Was ist ein Homburg (S. 90)? Auch die Vorliebe für sehr ungebräuchliche, zum Teil veraltete Fremdwörter wie das Verb „insultiert“ (S. 189) erscheinen mir völlig überflüssig, und wirken deplatziert. In den Zusammenhang einer intellektuellen, jedoch auch verstörend krankmachenden Welt passen sie jedoch gut hinein. Die eindrücklichen Passagen, die den Verlauf der diversen Arten von Debattier-Wettkämpfen mit ihren eigentümlichen Gesetzen von Schnellsen und einstudierten Choreografien in den Werte-Debatten und Extempt-Rededuellen, in denen die Jugendlichen lernen, wie Politiker den Schein von Wissen zu vermitteln, während das Sein, die Essenz, irrelevant bleibt, zeigen in der Tat sehr deutlich auf, dass in diesem Gesellschaftssystem etwas schief läuft.
Adam ist als Sohn von Eltern, die beide in einer psychiatrischen Einrichtung arbeiten, und die Privates und Berufliches kaum trennen können, nicht zu beneiden. Ihr ganzes Leben wird gemäß dem psychiatrischen Habitus ständig analysiert und hinterfragt. Eine gesunde Entwicklung zu nehmen, einfach „normal“ heranwachsen zu können, setzt voraus, dass Jugendlichen zugetraut wird, auch mal von den Eltern unbeobachtet zu sein, so dass sie nicht von deren überängstlichem helikoterhaften Verhalten erdrückt werden. Der Roman zeigt eindrücklich, wie der Schatten der nicht verarbeiteten traumatischen Kindheitserlebnisse der Elterngeneration auch auf die eigenen Kinder fällt und in ihnen weiterwirkt. Um diese Komplexe kreist der Roman sehr intensiv, um eine Neuorientierung zwischen den Geschlechtern, um ein Suchen und Austarieren von sozialen und gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten.
In wechselnden Perspektiven zwischen Adams Vater Jonathan, Adams Mutter Jane und Adam selbst entsteht zuerst aus einzelnen Puzzleteilen nach und nach ein sich immer klarer und dichter entwickelndes Gesamtbild auf diese Familie, in die auch die Großelterngeneration und die Folgegeneration mit hineingezogen wird. Der Erzählstil hält streckenweise auch Schwierigkeiten bereit, da phasenweise im Erzählen der Figuren zwischen der ersten und dritten Person gewechselt wird und nicht immer der Adressat klar zu erkennen ist. (Meint Jane, wenn sie von Dad spricht, mal ihren eigenen Vater, so kann sie im nächsten Moment mit Dad ihren Mann meinen, da sie zu Adam spricht.)
Eine Vielzahl von Leerstellen und nicht wieder aufgenommenen Erzählsträngen ist zudem festzustellen, was mir nicht so gut gefallen hat (vor allem im Zusammenhang mit Darren, aber auch Sima und Natalia).
Von der angeblichen Freundschaft zu Darren kann ich eigentlich nicht viel feststellen, abgesehen von der kurzen Episode im Kindergarten.
Ich habe beim Lesen vor allem mit Adam Mitleid empfunden. Zwar gibt es auch berührende Momente im Buch, die jedoch von der Übermacht der psychologisch-psychiatrischen Perspektive und dem intellektuellen Gewicht überfrachtet werden.