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Books of Tigerlily
Wohnort: 
Saarbrücken

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 26.07.2020
American Spy
Wilkinson, Lauren

American Spy


sehr gut

Bereits die ersten Seiten verraten die ungewöhnliche Erzählperspektive, bei der Protagonistin Marie ihre Kinder direkt anspricht und ihre Geschichte erzählt. Nach und nach wird klar, wie sich die Story weiter entwickelt und wieso sie dies tut. Mir hat dieses Perspektive unglaublich gut gefallen, kann man sich als Leser doch gut in Marie hineinversetzten - gleichzeitig bleibt sie aber immer ein Stück weit distanziert und geheimnisvoll.

Durch verschiedene Zeitschienen verflechten sich Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu einem wilden Mix aus Familiengeschichte und Agententhriller, der sehr persönlich wird. Geschickt baut die Autorin dabei große Themen ein, etwa die Erfahrungen von Alltagsrassismus und Sexismus sowie die heutzutage unwirklich erscheinende Bedrohung durch den Kalten Krieg und der Kampf der Ideologien. Diese sind dabei immer passend in die Story eingebaut und verleihen entsprechende Tiefe. Das hat mir besonders gut gefallen.

Ebenfalls von Seite 1 an wird die Spannung stark hoch geschossen, danach flaut sie etwas ab und die Spannung besteht daraus, dass der Leser herauszufinden versucht, was genau zur ersten Szene geführt hat. Bei mir hat es funktioniert und ich bin am Ball geblieben, eben weil die Autorin einen authentischen Einblick in Maries Story und den geschichtlichen Hintergrund schafft. Ebenfalls starker Pluspunkt - American Spy ist ein Own Voices Buch, dass auch genau das sein möchte - ein Buch, dass nicht nur die Thematiken einer Schwarzen in Amerika darstellen möchte, sondern dazu noch die teilweise doppelte Diskriminierung, die sie auch als Frau erfährt. Ganz stark auch der Kontrast der hinzutritt, wenn sie als schwarze Amerikanerin in Afrika unterwegs ist und auch hier heraussticht.

American Spy kann mit einigen guten Überraschungen aufwarten und Marie kommt in einen heftigen Gewissenskonflikt, der gut nachvollziehbar dargestellt wird. Auch kommen beim Leser einige Fragen auf, etwa wer die Guten und wer die Bösen sind und wieviel Einfluss auf innere Angelegenheiten durch äußere Mächte genommen werden und welche Ereignisse manipuliert sind. Ein glaubhafter Einblick in politische Verstrickungen, die ebenfalls dazu beigetragen haben, dass das Buch gelungen ist.

Allerdings wird das Ende sicherlich die Gemüter spalten - einigen wird es sicherlich zu unfertig auserzählt sein, für andere ist diese Art von offenem Ende genau passend zum Buch und zum Erzählstil. Mich hat es überrascht, gleichzeitig hat es mir aber gefallen und ich vermisse am Buch nichts, denn es passt einfach. Für mich war American Spy etwas völlig neues, das mich überzeugen konnte und das ich sicherlich auch an meine Mutter zum Lesen weiterreichen werde.

Bewertung vom 28.06.2020
Im Sturm der Echos / Die Spiegelreisende Bd.4
Dabos, Christelle

Im Sturm der Echos / Die Spiegelreisende Bd.4


ausgezeichnet

Endlich ist es da, das Finale der Spiegelreisenden! Diese Reihe habe ich letztes Jahr für mich entdeckt, obwohl ich ihr aufgrund des Hypes zuerst skeptisch gegenüber gestanden habe. Dann doch neugierig geworden, wurde es ganz schnell die große Liebe.

Nachdem auch der dritte Teil Das Gedächtnis von Babel sowohl das hohe Niveau der ersten beiden Bände halten konnte als auch noch so viele Fragen offen ließ, war ich gespannt wie die Autorin es auf 600 Seiten schaffen wird, ein rundes Ende abzuliefern. Für meinen Geschmack hätten wir ruhig können noch einige Bücher länger den Abenteuern von Ophelia und Thorn folgen können, hält doch ihre Welt der Archen sovieles an neuen Ideen bereit.

Genau dieser Ideenreichtum und das faszinierende, außergewöhnliche Worldbuiding ist eine der großen Stärken der Spiegelreisenden, die die Reihe für mich auf eine Ebene mit den ganz großen des Genres hebt. Der detailreiche und bildhafte Schreibstil tut sein übriges, dass die Welt der Archen vor dem inneren Auge des Lesers so farbenfroh entstehen kann. Auch im letzten Teil treffen wir auf bekannte Ideen der Reihe wie auch auf völlig neues.

Thorns und Ophelias Beziehung ist ebenso einzigartig wie ihre verschrobenen Charaktere - ich liebe ihre Liebesgeschichte einfach. Sie zeigt eine erfrischend andere Art von Lovestory im Fantasygenre, bei der zwei Charaktere eben nicht glattgebügelt perfektioniert sind und sie keine Love at first Sight-Geschichte durchlaufen. Sie sind beide so menschliche und herzerwärmende Charaktere, wie man sie selten liest und ich denke beide sind nicht nur mir sehr ans Herz gewachsen.

Dabei wird Ophelias und Thorns Jagd nach dem "Anderen" dicht gewoben erzählt, gefühlt auf jeder Seite bekommen sowohl die Protagonisten als auch der Leser neue Informationen, die ins Gesamtgefüge einsortiert werden müssen. Dadurch erfordert das Lesen druchaus einiges an Konzentration, ich wollte jedes noch so kleine Detail aufsaugen, um endlich der Lösung des Ganzen auf die Spur zu kommen. Christelle Dabos ist es dabei gelungen, die Auflösung wirklich bis zur letzten Seite überhaupt nicht vorhersehbar zu gestalten.Es bleibt durchgehend spannend, sodass der Leser schnell durch die 600 Seiten fliegen kann.

Und so kommt es zum finalen Showdown, bei dem auf einmal alles anders ist als vermutet. Mir hat das Finale fast das Herz zerrissen und genau deswegen ist es einfach wunderbar perfekt als Abschluss dieser grandiosen Reihe.

Wer bisher die Spiegelreisende noch nicht kennt, sollte spätestens jetzt zum Buch greifen - egal ob groß oder klein, Fantasyliebhaber oder nicht - diese Reihe wird jedes Bücherregal bereichern.

Bewertung vom 28.06.2020
American Dirt
Cummins, Jeanine

American Dirt


ausgezeichnet

American Dirt weiß direkt auf der ersten Seite voll zu fesseln, steigt man doch mitten im Geschehen des grausamen Massakers an Lydias Familie ein. Dadurch, dass auf den ersten Seiten Lucas kindliche Perspektive gewählt wird, ist die Bedrohung durch die Sicarios noch intensiver und im krassen Gegensatz zur eigentlich stattfindenden Familienfeier umso surrealer.

Direkt durch die ersten Szenen wissen wir als Leser auch, was für eine rationale und umsichtige Frau Lydia ist, die in solch einer Situation nicht in Panik oder Hysterie verfällt, sondern mit kühlem Kopf das Geschehen einschätzt und die Dinge in die Hand nimmt.

Natürlich kann man einige Dinge als zu "glatt" bezeichnen, etwa wenn Lydia in der Lage ist, trotz Schock und Verlust direkt alles notwendige zusammenzusuchen oder wenn sie und Luca im Grunde auf genug Geld für die Reise zurückgreifen können. Insofern sind sie im Hinblick auf die Situation der vielen Migranten sicher als privilegiert anzusehen.

Dennoch sind das für mich minimale Kritikpunkte, denn ihre Flucht vor den Kartellen ist für mich authentisch und spannend dargestellt. Lydias und Lucas Möglichkeiten sind begrenzt, und so müssen sie sich auf ihrem Weg nach Norden immer wieder neu orientieren und diversen Gefahren und Bedrohungen entgehen.

Durch die sich leise und fließend abwechselnden Erzählperspektiven, die hauptsächlich zwischen Lydia und Luca wechseln, erhält die Geschichte eine ganz eigene Dynamik. Es wird ein starker Gegensatz erzählt zwischen dem kindlichen Empfinden und dem erlebten Trauma von Luca sowie von Lydia, die für Luca Stärke, Hoffnung und Verlässlichkeit ausstrahlen muss. Durch einige Rückblenden wird die Geschichte vertieft und der Verlust von Lydia und Luca umso eindringlicher.

Ergänzt wird ihre Geschichte durch starke Nebencharaktere, die einem direkt ans Herz wachsen und die weitere Migrationsgeschichten aufgreifen und erzählen. Am Beispiel der Schwestern etwa werden weitere Fluchtgründe aufgezeigt sowie die Gräuel, die vor allem Frauen auf der Flucht wiederfahren. Diese Story ist ganz und gar nicht weichgespült!

American Dirt gehört sicher zu den spannendensten und emotionalsten, was ich jemals gelesen habe. Allein aufgrund des unglaublichen Sogs, das dieses Buch auslöst, würde ich es wirklich jedem empfehlen. Ich habe teilweise sogar von American Dirt geträumt und habe direkt nach Beenden des Buches das Bedürfnis, es zu rereaden. Eins der besten Bücher 2020!

Bewertung vom 28.06.2020
City of Girls
Gilbert, Elizabeth

City of Girls


sehr gut

Ich liebe New York, die pulsierende Metropole ist immer ein Setting, das mich in Büchern reizt. Vor allem New York auf der Schwelle zum zweiten Weltkrieg war für mich eine neue Idee und ich muss sagen dass die Autorin den Zeitgeist und den Puls der Stadt für mich wundervoll eingefangen hat. Das illustre Treiben des Broadway und das beschwippste Nachtleben bilden einen starken Kontrast zu dem Zwischenmenschlichen, welches das Buch abildet.

Bereits die Eröffnungsszene lässt uns Protagonistin Vivian im Kern kennenlernen, eine junge Frau, die sich durchs Leben treiben lässt und die - im Zwiespalt mit den gesellschaftlichen Erwartungen an eine junge heiratsfähige Frau und ihrem eigenen Vergnügen - auf der Suche nach ihrer eigenen Lebensidee ist. Trotz ihrer quirligen und unbedarften Art merkt man, dass sie einiges an Tiefgang zu bieten hat und so lässt man sich gern ein auf Vivians Abenteuer in der großen Stadt.

Dabei kommt man nicht umhin, trotz all der Sympathie für ihren Charakter über ihre oft naiven und kopflosen Entscheidungen den Kopf zu schütteln, lässt sie sich doch arg beeinflussen vom Leben der Showgirls, die doch einen ganz anderen, auch finanziellen Background haben als sie selbst. Doch all ihre kleinen und größeren Fehltritte begeht Vivian mit so viel Charme, dass man sich als Leser nicht von ihr abwendet.

Dass sie es schafft, sich vom absoluten Tiefpunkt ihres Lebens wieder aufzurappeln und ihren eigenen Weg zu gehen, macht Mut und ist inspirierend. Sie schafft es dabei, selbständig zu werden und auch in Sachen Liebe und Sexualität sich keiner Konvention zu fügen. In dieser Hinsicht ist das Buch absolut aktuell und modern, besteht doch für Frauen auch heute noch genügend gesellschaftlicher und sozialer Druck im Hinblick auf ihre eigene Sexualität.

Für mich vereint das Buch viele Qualitäten in sich - es ist kurzweilig und dennoch tiefgründig, es macht Spaß und regt dabei zum Nachdenken an. Mit Witz und Charme werden die großen Themen des Erwachenwerdens aus Frauensicht angerissen, in denen man sich sicher selbst wiederfinden kann.