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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 548 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2022
Das Marterl
Laubmeier, Johannes

Das Marterl


gut

"Erinnern ist eine komplizierte Angelegenheit" konstatiert Journalist und Reporter Johannes Laubmeier im Dank seines Erstlingsromans. Ich muss leider feststellen, auch sein autobiografisch geprägtes Debüt "Das Marterl" zu lesen, ist reichlich kompliziert.

Ich scheue keineswegs anspruchsvolle Literatur, im Gegenteil, ich schätze es, bei der Lektüre nicht nur unterhalten, sondern auch gefordert zu werden. Und sprachlich hat Laubmeiers Heimkehr in sein Heimatdorf, bei dem er sich auf Spurensuche nach dem vor langer Zeit tödlich verunfallten Vater begibt, durchaus etwas zu bieten. Schon der erste Satz regt zu philosophischen Betrachtungen an: "Die Zeit ist eine zähe, langsam aushärtende Masse." Großartig! Doch leider hält dieses Niveau nicht an, teils ist die Sprache recht simpel, bestenfalls unaufgeregt. Anfangs wollte ich darin noch eine geschickte Methode sehen, das einfache Sprachniveau des kindlichen Protagonisten abzubilden. Denn Laubmeiers Erzählung wechselt zwischen Kapiteln, in denen er als Ich-Erzähler spricht und denjenigen, die er über seine Kindheit verfasst hat, in denen vom kleinen Johannes stets als "der Junge" die Rede ist. Diese Distanzierung von seinem Alter Ego ist ein interessanter Kunstgriff, der Autor nähert sich seinen Figuren nach und nach. Sich einander nähern, sich erkennen ist - neben der Zeit und dem Erinnern - ein großes Thema des Romans. Doch irgendwo verliert sich die Erzählung, sie wird unscharf und zäh.

Besonders von den vielen Originalzitaten aus Gedichten des US-Amerikaners Charles Olson war ich überfordert. Ich spreche durchaus passabel Englisch, aber Lyrik in einer Fremdsprache zu verstehen ist doch noch einmal eine Herausforderung. Wieso nur wurde hier auf eine Übersetzung ins Deutsche verzichtet? So häuften sich bei mir leider die Fragen, was Laubmeier mit diesen Passagen zum Ausdruck bringen wollte.

Hingegen ist der Autor ein scharfer Beobachter, und viele seiner Figuren, ebenso wie die Gesellschaft in seinem niederbayrischen Heimatdorf sind äußerst treffsicher skizziert. Auch den immer wieder aufblitzenden Humor mochte ich.

Doch für ein wirklich gutes Leseerlebnis reicht das leider nicht, zu kompliziert und langatmig war diese Annäherung an den verstorbenen Vater.

Bewertung vom 17.07.2022
Dienstmädel in Bella Italia
Peer, Sabine

Dienstmädel in Bella Italia


ausgezeichnet

Autorin Sabine Peer lässt anhand fünf junger Südtirolerinnen, die sich in den 1950er und 1960er Jahren als Dienstmädchen bei reichen italienischen Familien verdingten, ein Stück Zeitgeschichte lebendig werden.

Ihre Kindheit in den heimatlichen Bergdörfern hatten die Mädchen inmitten unfassbarer Armut verbracht. Säuglinge mussten sterben, weil die Feldarbeit Vorrang vor der Fürsorge für die Kleinsten hatte. Die Grundschulbildung bestand - neben Religion als wichtigstem Fach - vor allem aus dem Erlernen von Mussolini bzw. Hitler verherrlichenden Propagandaliedern. Durch das Aufkommen des Tourismus ab den 1950ern besserten sich strukturelle und finanzielle Bedingungen nach und nach, doch in den entlegenen Dörfern war die Lage noch bis in die 70er Jahre prekär. Und so entließen die Eltern ihre noch minderjährigen Töchter meist nur zu gerne in eine Anstellung als Dienstmädchen nach Rom, Mailand oder Genua, auch es wenn große Vorbehalte gegen die italienischen Dienstherren gab.

Die Teenagerinnen selbst erhofften sich ein besseres Leben fern der Heimat, sie wollten Italienisch lernen und vor allem Geld verdienen. Ihre Erfahrungen waren dann höchst unterschiedlich. Manche wurden von ihren Herrschaften äußerst gut behandelt, erhielten einen fairen Lohn, einen freien Tag pro Woche und sogar ein eigenes Zimmer mit Bad - ein Luxus, der zu Hause unvorstellbar gewesen war. Andere wurden hingegen als Dienstmädchen brutalst ausgenutzt, sie mussten ohne Unterlass schwerste Hausarbeiten verrichten.

Peer bediente sich für die Recherche zu diesem Buch der sogenannten "Oral History", d.h. sie traf ihre Protagonistinnen bzw. deren Angehörige und ließ sich von früher erzählen. Beim Schreiben nahm sie sich auch die Freiheit, das persönliche Erleben in historischen Hintergrund einzubetten und - maßvoll - Erfundenes dazu zu dichten. Dabei sind sehr lesenswerte Einblicke in die Lebensabschnitte der jungen "Dienstmädel" entstanden. Die Geschichten wirken sehr authentisch und nah, nicht zuletzt durch die einfache Sprache, die mit zahlreichen südtiroler und italienischen Ausdrücken gespickt ist. (Keine Sorge, das Verständnis ist durch ein Glossar gesichert.)

Einige Schwarz-weiß-Fotos aus dem Privatbesitz der Protagonistinnen runden dieses hübsche und kurzweilige kleine Lesebuch ab.

Bewertung vom 12.07.2022
Drei Worte weiter
Matthaei, Silke;Schließer, Johanna;Wälz, Sabine

Drei Worte weiter


gut

Die Entstehungsgeschichte der in dieser Anthologie versammelten Kurzgeschichten klang für mich kreativ, witzig und sehr interessant: Das Autorinnenkollektiv gab sich einige wenige Wörter vor, aus denen dann jede eine Geschichte entwickeln musste, die ebendiese Schlagworte enthält. Oftmals waren es - wie der Titel andeutet - drei Worte, aber da die Autorinnengruppe wuchs, gibt es auch Stories mit vier oder sogar fünf eingebauten Worten.

Und in der Tat ist es erstaunlich, wie unterschiedlich die Geschichten sind, die bei diesem inoffiziellen Wettbewerb entstanden. Die Sammlung enthält Überraschendes, aber auch Vorhersehbares, manche Erzählungen haben mich zum Schmunzeln gebracht, andere boten Stoff zum Nachdenken, wieder andere haben mich bedauerlicherweise einfach gelangweilt.

Ja, leider bietet diese Zusammenstellung nicht nur eine große Bandbreite an Themen und Schreibstilen, sondern auch die Qualität der Geschichten ist höchst unterschiedlich; von toll bis trivial ist alles vertreten. Bei zwei Weihnachtsgeschichten habe ich mich sogar gefragt, wieso sie in diese Anthologie aufgenommen wurden. Denn hier gab es keine Wortvorgaben; offenbar hat man mal eben das eigentliche Konzept des Buchs ignoriert.

Wer keine allzu großen Erwartungen an durchgängig hohe literarische Qualität stellt, sondern einfach gerne kurze, bunt zusammengewürfelte Lesehäppchen mag, wird gut unterhalten werden.

Bewertung vom 08.07.2022
Schmalz und Rebellion
Balzer, Jens

Schmalz und Rebellion


sehr gut

Jens Balzer ist Autor und Kolumnist, unter anderem für die ZEIT, Rolling Stone und den Deutschlandfunk, Sprache ist sein Werkzeug und seit langem ist Pop sein Thema. Nun hat der Duden-Verlag seine äußerst unterhaltsame Betrachtung zur Sprachgeschichte der deutschen Pop-Musik veröffentlicht.

Balzer rauscht auf gut 200 Seiten durch gut 70 Jahre, vom kitschig-exotischen Fernweh-Schlager der Nachkriegszeit über den Krautrock der 1970er bis hin zu aktuellem Rap, Elektropop oder dem Revival des Shanties. Gekonnt zeigt er auf, welche Entwicklungen in der Musik sich durch gesellschaftliche und kulturelle Besonderheiten erklären lassen. Nicht jeder seiner Thesen stimme ich dabei zu, aber interessant sind sie allemal.

Ich habe viel Unbekanntes entdeckt; als Kind der 1960er in Bayern sind sowohl die Musik der DDR als auch norddeutsche Shantys bislang fast spurlos an mir vorübergegangen. Krautrock war mir zwar ein Begriff, nicht aber dessen große internationale Wahrnehmung.

Natürlich muss bei einem so schmalen Buch, das mehrere Jahrzehnte Musikgeschichte behandelt eine strikte Auswahl getroffen werden, unweigerlich werden wichtige Künstler fehlen. Doch ist Balzers Zusammenstellung in manchen Kaptiteln sehr subjektiv und für mich nicht immer nachvollziehbar. Ausgerechnet die gecastete Hip-Hop-Girl-Group Tic Tac Toe hat es zum Beispiel ins Buch geschafft, während Sabrina Setlur oder Nina (MC) unerwähnt bleiben.

Ein großes Plus bietet dafür die Spotify-Playlist, die der Autor aus einigen im Buch erwähnten Songs zusammengestellt hat. So kann man parallel zur Lektüre auch noch akustisch in die jeweilige Zeit eintauchen.

Meine Empfehlung für alle, die Pop nicht nur gerne hören, sondern sich darüber hinaus auch mit den Texten und Entwicklungen auseinander setzen wollen.

Bewertung vom 30.06.2022
Reisehandbuch Europa mit dem Zug
Ruch, Cindy

Reisehandbuch Europa mit dem Zug


ausgezeichnet

Mein Hauptkritikpunkt an diesem, ansonsten außerordentlich gelungenen, Reisehandbuch gilt dem Cover: Es kommt doch recht bieder daher und wirkt etwas wie ein Bilderbuch für Kleinkinder. Dabei verbirgt sich auf den knapp 200 Seiten ein sehr praxisnaher Ratgeber, der voller aktueller Tipps für Zugreisen durch Europa steckt.

Zu jedem Land gibt es zunächst (knapp und übersichtlich) grundlegende Fakten, etwa die Währung, Amtsprachen und Mobilfunknetz. Besonders gefällt mir, dass am Ende jedes Kapitels länderbezogene Lektüreempfehlungen für die Zugfahrt gegeben werden. Und selbst ein Spotify-Code für den Zugreise-Soundtrack ist enthalten.

Kurze, unterhaltsame redaktionelle Beiträge wecken die Reiselust und geben ungewöhnliche Einblicke. Dabei profitiert man als Leser*in davon, dass Reisejournalistin Cindy Ruch gleich von zwölf Co-Autorinnen und -Autoren unterstützt wurde, die allesamt ein Faible fürs Reisen mit der Bahn haben.

Wirklich bemerkenswert ist die Informationsdichte: Obwohl rund 40 europäische Länder behandelt werden, umfasst die praktische Klappenbroschur gerade einmal 200 Seiten und bleibt somit ein leichtgewichtiger Reisebegleiter. Und trotz des geringen Umfangs eignet sich das Buch bestens zur Reisevorbereitung und -planung. Wichtige Informationen über das Streckennetz, Fahrtzeiten, Preise und verschiedene Fahrkarten fehlen ebenso wenig wie Tipps zur Anreise und hilfreiche Webseiten. Im Anhang schließlich sind Direktverbindungen von deutschen, österreichischen und schweizerischen Großstädten in andere europäische Städte aufgelistet.

Das Layout ist farbenfroh, modern und übersichtlich, praktische Übersichtskarten und stimmungsvolle Fotos geben eine schöne Optik. Lediglich die Schriftgröße bei den Länderfakten ist etwas arg klein geraten.

Dafür habe ich mich über so manche Insider-Info köstlich amüsiert oder ich habe baff gestaunt: In schwedischen Speisewagen kann man Rentiergerichte bestellen, auf manchen Strecken gibt es sogar Kinoabteile und Tschechien hat das weltweit dichteste Eisenbahnnetz!

Das Reisehandbuch wird mir eine wertvolle Hilfe bei der Planung meiner nächsten länderübergreifenden Zugreisen sein, und ich werde es auch an Travelerfreunde verschenken.

Bewertung vom 30.06.2022
Rolling Stones - Alle Songs
Margotin, Philippe;Jean-Michel Guesdon

Rolling Stones - Alle Songs


sehr gut

Anlässlich des 60jährigen Bandjubiläums touren die Rolling Stones ja gerade durch Europa - Grund genug für mich, anhand des vorliegenden bemerkenswerten Kompendiums tiefer in die Geschichte der wohl bekanntesten Rockband der Welt einzutauchen.

Beeindruckend ist zunächst der schiere Umfang der stabilen Klappenbroschur: Auf gut 750 (!) Seiten hat das Autorenduo Margotin / Guesdon erstaunliche Details zu sämtlichen Songs der Stones zusammengetragen. Die Lieder sind nach Erscheinungsdatum geordnet, so dass sich bei chronologischer Lektüre auch die musikalische Entwicklung der Band nachvollziehen lässt. Neben den jeweils beteiligten Musikern, dem Aufnahmestudio und dem technischen Team erfährt man etwas zur Vorgeschichte und Aufnahme des Tracks. Während ich erstere mit großem Interesse gelesen habe, sind die Absätze zur Aufnahme für mich dann doch zu detailliert: Wer wann welche Gitarre gespielt hat oder womit der Wah-Wah-Effekt erzeugt wurde dürfte doch eher für Musiker oder Toningenieure von Interesse sein als für Leser*innen wie mich, die Musik lediglich konsumieren.

Das Layout hingegen ist top - viele Fotos, kurze Hintergrundinfos, die wie Zeitungsausschnitte gestaltet sind, alles wirkt frech und unterhaltsam. Und auch so manche Geschichte rund um die Band und ihre Wegbegleiter*innen ist sehr kurzweilig, etwa die große Bedeutung des (vielen unbekannten) "sechsten Stones" Ian Stewart oder der Fast-Rausschmiss von Frontmann Mick Jagger aus der Band. Das Buch zeichnet sich durch eine Fülle an Details aus, sei es zu Coverversionen oder Hinweisen auf interessante Szenen in Videos zu den Songs.

Ein Muss für Stones-Fans, und eine Empfehlung für alle, die ein Faible für Rockmusik haben!

Bewertung vom 26.06.2022
Die hundert Jahre von Lenni und Margot
Cronin, Marianne

Die hundert Jahre von Lenni und Margot


sehr gut

Die britische Autorin Marianne Cronin ist promovierte Sprachwissenschaftlerin, und fraglos ist sie keine ausschließliche Theoretikerin, sondern weiß auch praktisch gut mit Worten umzugehen.

Doch mehr als durch die Sprache überzeugt Cronins Romandebüt, an dem sie neben ihrem Studium nahezu sieben Jahre lang schrieb, durch die ihm zugrunde liegende Idee: Zwei schwerstkranke Frauen, eine noch Teenager, die andere hochbetagt, erzählen einander ihre Leben, ausgehend von je einem Bild, das sie für jedes Ihrer Lebensjahre malen.

Die Romanfiguren sind unterschiedlich gut ausgearbeitet. Die jugendliche Protagonistin Lenni schwankt nachvollziehbar zwischen Trotz, Verzweiflung und altkluger Schnoddrigkeit. ("Ich bin nicht mutig, ich bin nur noch nicht tot.) Hingegen enttäuscht der Klinikpater sehr - er bietet den Kranken weder Trost noch Stütze, ja er scheint selbst mit seinem Glauben zu hadern. Leider erfährt man nichts über mögliche Ursachen seiner Zweifel.

Die Geschichte glänzt vor allem dann, wenn die zweite Hauptfigur, Seniorin Margot, in Rückblenden von ihrem Leben erzählt. Das ist berührend, witzig, immer wieder überraschend und lädt dazu ein, das eigene Leben zu hinterfragen. Insgesamt ist der Roman leider etwas überfrachtet, etliche Handlungsstränge sind nicht auserzählt, und ich bleibe mit der Frage zurück, wieso sie überhaupt in die Story aufgenommen wurden. Auch die Freundschaft zwischen Lenni und Margot wird kaum greifbar, den Dialogen fehlt hier echter Austausch, die Nachfrage, eine reflektierte, interessierte Reaktion auf das Gesagte.

Davon abgesehen ist Cronin ein anerkennenswerter Erstling mit Tiefgang und Humor gelungen, der auf Weiteres aus ihrer Feder hoffen lässt.

Bewertung vom 17.05.2022
111 Alltagsabenteuer, die glücklich machen
Morlock, Tatiana

111 Alltagsabenteuer, die glücklich machen


ausgezeichnet

Mal ehrlich: Wann hast du zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht? Etwas Neues entdeckt, ein Abenteuer erlebt? Wenn die Antwort "schon lange nicht mehr" lautet, dann kann ich dieses großartige Buch nur rundum empfehlen.

Es steckt voller Ideen für alltagstaugliche Mini-Abenteuer. Die Autorin stellt eine wirklich vielfältige und kreative Auswahl ungewöhnlicher Erlebnisse vor: Es gibt Sachen, die man mit Freunden oder alleine entdecken kann, Abenteuer für drinnen oder draußen, Abwechslungsreiches für den Feierabend oder längere Erlebnisse fürs Wochenende. Nicht alle vorgestellten Abenteuer machen einen gleich zum Indiana Jones, aber gerade die große Bandbreite macht Spaß, hier ist wirklich für alle etwas dabei. Wem die Wanderung im Fluss zu gefährlich erscheint, der begibt sich vielleicht auf Urban Art Tour in die nächstgelegene Großstadt, lernt einen Obdachlosen besser kennen oder erprobt seinen grünen Daumen beim Regrowing.

Die Abenteuer sind auch dadurch alltagstauglich, dass sie wenig oder nichts kosten und meist ohne große Vorbereitung umgesetzt werden können.

Das handliche Taschenbuch wurde von Anita Ortega wunderschön illustriert. Sie bildet unsere Welt so bunt und vielfältig ab, wie sie ist - schön, dass auch hier auf Diversität geachtet wurde.

Der rundum gelungene Ratgeber, vertreibt Langeweile und erweitert den Horizont - ein tolles Geschenk für Freunde, Kollegen oder für sich selbst!

Bewertung vom 17.05.2022
Inselwandern in Kroatien
Gruber, Eva

Inselwandern in Kroatien


gut

Auf den ersten Blick scheint "Inselwandern in Kroatien" ein Wanderführer wie viele andere zu sein: die Ausführung als praktische Klappenbroschur, viele Farbfotos, grundlegende Wandertipps zu Beginn, kompakt und verständlich gehalten. Danach werden je fünf Touren auf sieben kroatischen Inseln vorgestellt, darunter Bergwanderungen ins Innere des Eilands oder Touren entlang der Küste, anspruchsvolle Routen, die Trittsicherheit und gute Kondition erfordern oder gemütliche Spaziergänge, dich auch familien- und seniorentauglich sind. Tourenskizzen und übersichtliche Angaben zu Dauer, Länge, Höhenmetern u.v.m. erleichtern die Auswahl einer geeigneten Wanderung.

So weit, so gut - aber wie gesagt: Das alles kennt und erwartet man von einem Wanderratgeber. Völlig überrascht hat mich hingegen der Stil Eva Grubers. Ihre Tourbeschreibungen aus der Ich-Perspektive sind unerwartet blumig, geradezu poetisch. ("Steine ..., die wie Flammen aus der Erde zu züngeln scheinen.") Anfangs fand ich dies noch erfrischend anders, im weiteren Verlauf wird der Stil immer enthusiastischer, geradezu verzückt, und die Sprachbilder gleiten ins Schwülstige ab: Vor einer Höhle spürt sie nicht etwa einen kühlen Luftzug, sondern "den kalten Odem des Berges" und blühende Bäume stehen "im bräutlichen Blütenkleid". Das kann man mögen, mir war es etwas zu viel an Begeisterung, auch finde ich es etwas unpraktisch, wenn man den Text beim Wandern als praktische Wegbeschreibung nutzen möchte.

Einige organisatorische Hinweise fehlen auch, etwa zu Anreise, Unterkünften oder Auto- bzw. Fahrradvermietungen. Die vielen Farbfotos sind leider etwas unscharf.

Fazit: Die Tourbeschreibungen wecken die Wanderlust, als Urlaubsvorbereitung sind die enthaltenen Tipps und Informationen jedoch nicht ausreichend.

Bewertung vom 10.05.2022
Die Rebellion der Alfonsina Strada
Baldelli, Simona

Die Rebellion der Alfonsina Strada


ausgezeichnet

Lange hat mich kein Schicksal so berührt wie das der Radrennfahrerin Alfonsina Strada. Nicht nur, aber auch, weil diese großartige Romanbiografie aufzeigt, dass Alfonsina - die einzige Frau, die je den weltberühmten Giro d´Italia fuhr - zeitlebens nach Anerkennung für ihre Leistungen suchte. Es war ihr so wichtig, wahrgenommen zu werden, und ich hatte noch nie von ihr gehört. Nun hat ihr Simona Baldelli ein verdientes literarisches Denkmal gesetzt.

Die kleine Alfonsina wuchs Ende des 19. Jahrhunderts in ärmlichsten Verhältnissen in einem norditalienischen Dorf auf. Mit nur zwei Jahren Schulbildung schlug sie sich als Näherin durch, doch ihre große Leidenschaft gilt dem Rennrad. Und um diese Leidenschaft ausleben zu können, musst Alfonsina unglaubliche Hürden überwinden, Hürden, die heutzutage schier unvorstellbar sind. Eine Frau auf dem Fahrrad? Als Irre, ja sogar als Teufelin auf Rädern wurde sie verunglimpft. Doch egal, was oder wer sich ihr in den Weg stellte, Alfonsina ließ sich nicht von ihrem Traum abbringen, sie wurde eine erfolgreiche Radsportlerin. Und doch war ihr Leben von Schicksalsschlägen geprägt. Ihre beiden Ehemänner starben vor ihr; die Pflege des ersten, psychisch erkrankten, zehrte all ihre Preisgelder auf.

Der Roman ist fesselnd und berührend und er ist ein großes Lehrstück darüber, dass man nie aufgeben darf, egal welche Widrigkeiten das Leben einem in den Weg legt. Alfonsina hat keine Grenzen akzeptiert, die andere ihr setzen wollten. In dieser Hinsicht ist sie mir ein Vorbild und macht Mut.