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bücherfreund

Bewertungen

Insgesamt 175 Bewertungen
Bewertung vom 24.05.2015
Sie konnten mich nicht töten
Alekozei, Soraya

Sie konnten mich nicht töten


sehr gut

Die bewegende Geschichte einer starken Frau. Soraya Alekozei erzählt in diesem Buch ihre Lebensgeschichte. Der erste Teil des Buches behandelt ihre Kindheit und Jugend. Sie ist gut behütet in einer weltoffenen Familie in Kabul aufgewachsen, kennt den Zwang nicht, sich als Frau verhüllen zu müssen. Sie liebt ihr Land und das kann man in jeder Zeile spüren. Doch auch schon früh wird sie mit Krieg konfrontiert. Als die Russen in Afghanistan einmarschieren, flieht sie nach Deutschland. Dort kämpft sie hart, um sich hier zusammen mit ihrem Mann ein neues Leben aufzubauen. Ihren Kindern soll es gut gehen und dennoch spürt sie das schlechte Gewissen, wenn sie an ihre Familie denkt, die in Afghanistan zurückgeblieben ist.

Der zweite Teil des Buches befasst sich mit ihrem Einsatz für die deutsche Bundeswehr. Als Soldatin kehrt Soraya zurück nach Afghanistan, als Übersetzerin, um zwischen ihren Landsleuten und den deutschen Soldaten zu vermitteln. Sie wird für viele zur "Stimme der Freiheit". Das ist ihr Beitrag im Kampf gegen die Taliban und im Kampf um die Freiheit, weil sie ihrem Land etwas zurückgeben möchte. Dabei gibt sie die Hoffnung nie auf, dass Afghanistan irgendwann wieder zu dem Land werden kann, das sie aus ihrer Kindheit kennt. Bei ihrem letzten Einsatz wird Soraya bei einem Bombenattentat schwer verletzt. Es ist lange nicht sicher, ob Soraya überlebt, doch sie beweist ihre Kämpfernatur und kämpft sich zurück ins Leben.

Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefangen genommen. Es ist eine berührende Geschichte, die Soraya erzählt und sie vermittelt sehr viel über ihr Land und ihre Landsleute. Dinge, von denen niemand weiß, der Afghanistan nur von den Kriegsberichterstattungen aus dem Fernsehen kennt. Ich muss gestehen, dass ich mich vor der Lektüre des Buches selber nie besonders für das Land interessiert habe und nicht viel darüber wusste. Doch Sorayas Faszination und Liebe für das Land ist ansteckend. Ich konnte mich sehr gut in sie hinein versetzen, weil das Buch sehr persönlich geschrieben ist. Sie ist eine mutige Frau und ich bin froh, das Buch gelesen zu haben, da sie mir auf einige Sachen eine neue Sichtweise aufzeigen konnte.

Bewertung vom 24.05.2015
Aufstieg und Fall großer Mächte
Rachman, Tom

Aufstieg und Fall großer Mächte


ausgezeichnet

Nach der Leseprobe hatte ich einen leichte Roman erwartet, den man an gemütlichen Herbstabenden lesen kann, nicht besonders spannend, aber trotzdem liebenswürdig. Ich hätte nicht gedacht, dass mich das Buch so begeistern würde.

Es geht um Tooly Zylberberg, Anfang 30, die einen Buchladen in einem kleinen Ort in Wales betreibt. Eines Tages bekommt sie eine Nachricht von einem alten Freund, der ihr mitteilt, dass ihr Vater Humphrey überfallen wurde und ihre Unterstützung braucht. Daraufhin reist Tooly nach Connecticut, um sich ein Bild von dem Zustand Humphreys zu machen und sich um den mittlerweile über 80-Jährigen zu kümmern. Genau so wenig wie der Leser hat Tooly dabei wohl erwartet, ihre ganze Vergangenheit in Frage stellen zu müssen und herauszufinden, dass eigentlich nichts in ihrem Leben so war, wie es bis dahin den Anschein hatte. Tooly beginnt eine Reise in ihre Kindheit und versucht dabei die Rätsel ihres eigenen Lebens als auch die von Humphrey zu lösen, der dazu selber nicht mehr in der Lage ist.

Der Roman wird in drei Etappen erzählt: die Gegenwart im Jahr 2011, Toolys Kindheit 1988 und ihre Jugendzeit 1999/2000. Zwischen diesen Lebensabschnitten wird hin und her gesprungen, was ich persönlich sehr spannend finde. Anders würde es auch nicht funktionieren, da aus der Sicht von Tooly erzählt wird, die selber erst einmal herausfinden und verstehen muss, was wirklich in der Vergangenheit vorgefallen ist.
Erst ganz zum Schluss wird deutlich, dass ihr ganzes Leben eigentlich auf einer Illusion aufbaut, die nicht der Wahrheit entspricht. Den Titel "Aufstieg und Fall großer Mächte" interpretiere ich so, dass er das Verhältnis zwischen Tooly und den ihr nahestehenden Personen beschreibt. In ihrem ganzen Leben gab es eine Person, die Tooly idealisiert hat, der sie alles verdankte, die eine große Macht auf ihr Leben ausgeübt hat, nur um ganz zum Schluss herauszufinden, dass alles ganz anders war. Ich habe mich beim Lesen lange gefragt, was der Titel eigentlich mit der Geschichte zu tun hat, doch spätestens am Schluss wird alles klar. Und dies im doppelten Sinne, denn es geht nicht nur um die eine für Tooly wichtige Person, sondern auch um die großen Mächte der Welt, denn Tooly hat auch eine politische Leidenschaft.

Tooly Zylberberg hat mich fasziniert. Zuerst, weil ich mir nach den ersten Seiten eine ältere Dame vorgestellt hätte, wäre ihr Alter nicht erwähnt worden. Für mich klingt Tooly deutlich älter als 30. Und auch in ihrer Kindheit ist sie ihren Altersgenossen aufgrund ihres Umfeldes intellektuell weit voraus. Doch gleichzeitig ist sie manchmal noch so herrlich kindlich und fasziniert von allem um sie herum. Ein sehr sympathischer Charakter, der mir bestimmt noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung vom 24.05.2015
Die Rache der Hurenkönigin / Frankfurter Hurenkönigin Bd.3
Neeb, Ursula

Die Rache der Hurenkönigin / Frankfurter Hurenkönigin Bd.3


gut

Wir schreiben das Jahr 1522. Die Frankfurter Buchmesse ist in vollem Gang und mittendrin passieren schreckliche Morde. Schnell werden die Marienverehrer verdächtigt, die diese Morde aus Rache an den Reformisten begangen haben sollen. Die Hurenkönigin, die schon in der Vergangenheit bei der Aufklärung von Morden in der Stadt geholfen hat und dafür sogar ausgezeichnet wurde, wird hier auch wieder zu Rate gezogen. Während sich der Großteil der Bevölkerung schon auf einen Täter eingeschossen hat, hegt sie einen ganz anderen Verdacht, den sie selber kaum auszusprechen wagt.

Ich mag historische Romane, die einem einen Einblick in vergangene Zeiten ermöglichen und einen in die Historie eintauchen lassen. Hier ist es die Reformationszeit. Lutheraner und Katholiken stehen sich gegenüber und kämpfen einen Glaubenskrieg. Es ist interessant darüber zu lesen. Doch mir kommt dieser Aspekt fast schon ein wenig zu kurz, da er nur oberflächlich behandelt wird und kein tiefergehender Eindruck entsteht. Wen also besonders der geschichtliche Hintergrund interessiert, wird hier enttäuscht werden.

Das Buch lässt sich leicht lesen, auch wenn mir manchmal die Gefühlsausbrüche einiger Charaktere ein wenig zu übertrieben erschienen. Es ist ein Buch, das man gut mal nebenbei lesen kann. Die Kriminalgeschichte fand ich persönlich nicht sehr spannend, da man schon früh einen Eindruck dafür bekommt, wer der wahre Mörder ist. Es gibt zwar eine falsche Fährte, auf die der Leser geleitet wird, doch genau so schnell kann diese von dem Leser auch als solche enttarnt werden. Mir war jedenfalls schon ziemlich früh klar, wer der Mörder letztendlich sein wird. Daher zieht sich die Auflösung zum Schluss meiner Meinung auch ziemlich, da der Leser eigentlich schon viel mehr weiß als die Hurenkönigin, die erst noch die Schlüsse ziehen muss, die der aufmerksame Leser schon viel früher gezogen hat.

Bewertung vom 24.05.2015
Asphaltengel
Holmström, Johanna

Asphaltengel


sehr gut

Eine Familie in Finnland: der Vater ein Moslem aus dem Maghreb, die Mutter eine Finnin, die zum Islam konvertiert ist und zwei Kinder, Leila und Samira. Das Buch erzählt die Geschichte von Leila und Samira, die zwischen den Fronten ihrer Eltern stehen. Die Mutter, strenge Muslimin und ihr Vater, der die Religion nicht ganz so ernst nimmt. Als Mädchen hat man es nicht so leicht, wenn man alle Regeln des Islams streng einhalten möchte. Samira bricht aus, beginnt ein neues Leben getrennt von ihren Eltern und Leila bleibt zurück mit all den Problemen einer Heranwachsenden, die aufgrund ihrer Hautfarbe und Religion von der Gesellschaft oft ausgegrenzt wird und sogar Anfeindungen erfährt. Und dann ist da noch Samiras "Unfall", den es aufzuklären gilt.

Das Buch greift ein wichtiges und interessantes Thema auf. Es übermittelt gut die Konflikte, in denen Leila und Samira, aber auch ihre Mutter stecken. Man lernt einiges über den Islam und kann am Ende des Buches die Handlungsweise der einzelnen Protagonisten nachvollziehen, auch wenn man am Anfang dem vielleicht noch skeptisch gegenüber stand. Ich fand das Buch authentisch geschrieben. Man konnte sich gut in die Charaktere hinein versetzen, was unter anderem auch durch den Gebrauch der Sprache erreicht wird. Die Dialoge sind gespickt mit arabischen und finnischen Wörtern, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Am Ende des Buches gibt es ein Glossar mit Übersetzungen. Es ist aber nicht nötig, ständig nachzuschauen, da sich die Wörter meistens selbst erklären. Aber mir hat's Spaß gemacht, nebenbei noch ein paar finnische und arabische Wörter zu lernen.

Bewertung vom 24.05.2015
Länger als sonst ist nicht für immer
Ziefle, Pia

Länger als sonst ist nicht für immer


ausgezeichnet

Ich hab mich sehr auf das Buch gefreut. Schon die Leseprobe fand ich beeindruckend, obwohl nicht viel passiert ist und viele verschiedene Figuren auftauchten, mit denen ich mich am Anfang noch überhaupt nicht identifizieren konnte. Normalerweise ein Grund für mich ein Buch nicht weiter zu lesen, doch diese Geschichte hat eine ganz besondere Stimmung, die mich gefangen genommen hat. Eine melancholische, sehnsüchtige Grundstimmung liegt allen Charakteren zu Grunde und man möchte unbedingt wissen, was in den Leben der Figuren passiert ist, dass sie zu dem geworden sind, was sie sind. Und wie passt alles zusammen?

Die Geschichte wird abwechselnd aus Iras und Lews Perspektive geschrieben, zwei Charaktere, deren Leben nichts Gemeinsames hat, so denkt man. Ira als alleinerziehende Mutter, die ihre Tage schon seit ihrer Kindheit in der Backstube an der Ecke verbringt und sich abends noch um ihren langsam sterbenden Vater kümmert. Und Lew, der mit seinem Bruder in Ostdeutschland bei Pflegeeltern aufwächst, nachdem seine Eltern in den Westen geflohen sind. Oder so sieht es zumindest zuerst aus. Nachdem Lew vom Tod seiner Mutter erfährt, versucht er das Rätsel, was wirklich mit seinen Eltern passiert ist, aufzulösen. Die Charaktere sind tiefgründig gezeichnet mit vielen Emotionen, die sie in ihrem Leben durchlaufen, wobei die Liebe und der Verlust in zahlreichen Facetten im Vordergrund stehen. Die Figuren sind der Grund, warum man das Buch nicht zur Seite legt, weil sie einem ans Herz wachsen und man unbedingt wissen möchte, wie es ihnen weiter ergangen ist und wie am Schluss alles zusammen hängt. Denn das tut es, auch wenn es zunächst nicht den Anschein danach hat. Den Wendepunkt gegen Schluss der Geschichte finde ich großartig.

Das Buch ist eine Reise in die Vergangenheit der beiden Figuren, in der viel verborgen liegt. Es sind viele kleine Puzzleteile, die irgendwann ein Gesamtbild ergeben. Doch nicht alle Fragen werden am Ende auch beantwortet. Ein paar Puzzleteile fehlen, was sehr viel Spielraum für eigene Gedanken lässt. Ich finde das sehr gelungen, denn das regt zum Nachdenken an. Ich bin froh darüber, dass ich die Charaktere auf ihrem Weg begleiten durfte.