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LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 250 Bewertungen
Bewertung vom 21.03.2023
Ginsterhöhe
Caspari, Anna-Maria

Ginsterhöhe


ausgezeichnet

Wenn nach zwei Weltkriegen die eigentliche Vernichtung erst beginnt, dann sind wir in der Eifel, in dem kleinen Ort Wollseifen. Er liegt ganz in der Nähe der NS Ordensburg Vogelsang, heute ein Museum.

Die Geschichte beginnt mit dem schwer verwundeten Kriegsheimkehrer Albert. Er hat den ersten Weltkrieg überlebt und versucht, seinen Bauernhof in Wollseifen wieder in Schwung zu bringen. Wir erleben die Zeit der 20er, 30er und 40er Jahre anhand seiner Familie und vieler Freunde mit.

Die Spannung schäumt nie über, wir werden Betrachter von eher stillen, schlechten und schönen Momenten, das ganz normale menschliche Leben auf dem Land, immer mit großer Hoffnung durchzogen.

Wie verzweifelt müssen Eltern sein, wenn ihre Kinder gerne in die Hitlerjugend gehen und begeistert in den Krieg ziehen? Oder eine Mutter, deren einziges Kind von einem fanatischen Vater und NS-Anhänger indoktriniert wird?

Man ist auf dem Land normalerweise sicherer als in der Stadt, nicht aber durch die Nähe einer NS-Ordensburg. Die Menschen in Wollseifen fallen im zweiten Weltkrieg von einem Drama in das nächste. Am Ende müssen sie innerhalb von 3 Wochen ihr Hab und Gut verlassen und sich neu ansiedeln.

Ein Buch, das Geschichte live vermittelt und die persönlichen Beziehungen zu einem Flickenteppich verwebt, in dem die Historie direkt erfahrbar wird. Die Autorin war mir durch das Buch "Bühlerhöhe" bekannt. Sie entwickelt in diesem neuen Buch eine ähnlich starke Sogwirkung, eine wirklich gekonnte Verbindung zwischen Geschichten und Geschichte.

Wollseifen ist heute eine sogenannte Wüstung, man kann immerhin wieder dorthin gehen, zu Fuß, um der Bewohner und ihrer Leiden zu gedenken. Nach dem Ende des Truppenübungsplatzes 2006 ist der Ort ein eingetragenes Bodendenkmal.

Bewertung vom 21.03.2023
Kreuzfahrt durch die Republik
Meyer, Lorenz

Kreuzfahrt durch die Republik


ausgezeichnet

Es könnte sich so zugetragen haben. Der Autor trifft den Ton und die Schieflachlagen seiner Interviewpartner, besonders die erste Geschichte mit Markus Lanz hat mir gut gefallen. Die Lieblingsaussagen des ewigen Talkers sind gut getroffen und in den Alltag übertragen worden. Lorenz Meyer ist ein süffisanter, genauer Beobachter mit der Fähigkeit zur humor-, durchaus auch liebevollen Zuspitzung.

Gabor Steingart formuliert eine politische Stellungnahme mit dem Wort Blumenvase: "Die Mitglieder der aktuellen Regierung sind in der letzten Legislaturperiode verwelkt wie die Blumen eines Fleurop-Straußes, der vor der falschen Tür abgelegt und nie hereingeholt wurde. Die Koalition ist wie eine leere Blumenvase!"

Sehr gelungene, witzige, oft absurde Unterhaltungen bzw. Situationen. Armin Laschet ist bspw. Vorsitzender/Präsident einer Garten-Kolonie und Initiator einer Wiedervereinigung zerstrittener Parteien.

Bewertung vom 08.03.2023
Konservatives Manifest
Peterson, Jordan B.

Konservatives Manifest


ausgezeichnet

Konservative unterwerfen die Menschheit nicht einer universalen Moral und Kultur. Die permanente Beschwörung des Sozialen, Solidarischen und Gemeinschaftlichen liegt ihnen nicht. Konservative wollen diesem auch für sie Erstrebenswerten die Kraft des Realen und die des Individuums mitgeben. Sie bündeln alle Erfahrungen, die uns heute an die Spitze von Fortschritt und Technik gebracht haben. Ihr Skeptizismus ist nicht unsolidarisch oder unmenschlich, sondern innovativ und fortschrittsgetrieben, mit dem andauernden Wissen und Gewissen, dass man falsch liegen kann.

Die Bezeichnung "Konservativ" als Gegenpol zu linken Sichtweisen polarisiert heute mehr denn je, sachliche Debatten finden kaum noch statt. Schade, denn es lohnt sich darüber nachzudenken, welche Eigenschaften notwendig sind, um der Welt ein lebenswertes Antlitz zu geben, sie ebenso zu bewahren wie vorsichtig interessenausgleichend nach vorne zu bringen.

Peterson umfasst die Dimensionen des Konservativen mit folgenden Kennzeichnungen: Demut, Freiheit, Autonomie, Wahrheit, Handlungsfähigkeit, Identität. Leistung, Verantwortung, Gemeinschaft, Schöpfungsverantwortung, Gerechtigkeit, Tradition und Einigkeit.

"Demut ist das Gegenteil jener hochmütigen, autoritären Arroganz, die für sich beansprucht, über umfassende und endgültige Fähigkeiten und Kenntnisse zu verfügen." Wenn man so wirklich versucht, anderen zuzuhören, ihre Ideen zu begreifen, grenzt man niemanden aus, sondern ist der sachlichen Vernunft verpflichtet, immer im Interesse einer guten, nicht ideologischen Lösung.

Freiheit wird von Konservativen nicht hedonistisch verstanden, sondern ist eine Grundlage des Erschaffens. „Freiheit ist kostbar, weil sie allen freien und einzigartigen Menschen die Möglichkeit gibt, sich dem Potenzial der Zukunft bestmöglich zu stellen.“ Für Konservative sollte der einzelne Mensch gut sein, nicht aber die ganze Menschheit. Diese Erwartung ist völlig unrealistisch, weil zu viele, oft widersprüchliche Interessen aufeinander prallen.

Nach der Abhandlung der wesentlichen Kriterien für Konservatismus vermittelt Peterson seine Sichtweise zur Armut bzw. dem Abfedern derselben (Anhang 1) und die konservativ-bürgerliche Lebensweise in ihren Ausprägungen, Anhang 2: „Über persönliche Veranwortung“.

Der gut lesbare, nicht mit Fremdwörtern überfrachtete Text von Peterson wird von drei anderen Autoren aus Deutschland (Norbert Bolz, Birgit Kelle, Alexander Grau) besprochen bzw. diskutiert, höchst spannend und genau so wie man vorgehen sollte, um neue Lösungen zu erhalten. Man erkennt, konservatives Denken ist vor allem das Infragestellen anderer Einstellungen, immer mit dem Ziel, das Gemeinsame weiterzuentwickeln.

Möglicherweise erleben wir wir soeben einen Niedergang der nivellierenden Kraft globaler Märkte und eine Renaissance jener Werte, die uns notwendig erscheinen: "In einer heterogenen Welt, die die Vielfalt der Kulturen und Traditionen bewahren und vor einer universellen Buntheit schützen möchte, benötigen wir mehr Kontroversen, mehr Dissens und mehr Mut zum Eigenen." (A. Grau, S. 81)

Das Buch könnte ein Auftakt sein zum Diskurs zwischen allen politischen Fronten, alleine mir fehlt der Glaube. Die aktuelle, bunt-grüne Richtung scheint viel zu sehr von sich und ihren hehren moralischen Zielen überzeugt als dass sie erkennen könnte, wie sehr man das hinterfragen bzw. einem konservativen Prozess unterziehen müsste. Schade, denn die Innovationskraft des Konservativen wäre jene Korrektur, die der vermutete, universelle, globale Heilsglaube so dringend nötig hat.

Bewahrend nach vorne gehen bei harmonischem Ausgleich aller Interessen und wissend, was wirklich trägt, abseits überforderter Moral, das war und bleibt der unspektakuläre Weg zum Besseren. Viele nennen es soziale Marktwirtschaft und umschreiben damit den Kern eines sich gegenseitig erhaltenden gesellschaftlichen, solidarischen Zusammenlebens bei größtmöglichen Freiheiten des Einzelnen.

Der gescheiterte Sozialismus oder Kommunismus, alles kollektiv Einengende bedarf schon lange einer Korrektur durch ein schlüssiges Gegen-Konzept. Der Begriff konservativ ist m.E. missverständlich, die Abgrenzung zu Liberalismus zudem diffus. Die problematische Aufladung des Begriffes erhält jeder, wenn er im Netz danach sucht. Längst wäre es Zeit für ein eigenes Konzept, auch einen neuen Namen.

Im Englischen habe ich dazu das Wort „Innovism“ gefunden. Tatsächlich ist die konservative Denkweise heute fortschrittlicher als z.B. grüne Sichtweisen, die uns eher zurück führen wollen in eine Zeit, die mit Fahrrad und Pferden gekennzeichnet war. In jedem Fall ist konservativ-bürgerlich das Gegenteil von radikalen Umbrüchen oder Revolutionen, ihr Kern ist nahe am menschlich-eigenen Gefühl.

„Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.“ (A. von Humboldt) Es sind meist jene, die Italo Svevo so umschreibt: „Ideologen sind Leute, die glauben, dass die Menschheit besser ist als der Mensch.“

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.03.2023
Der mühsame Weg in die Freiheit
Nirumand, Bahman

Der mühsame Weg in die Freiheit


ausgezeichnet

Umfassende Hintergründe zur Geschichte des Iran und Bezug zu den aktuellen Entwicklungen.

Bis zur Zeit von Kohmeini 1979 waren alle stolz auf eine reiche 3000 - jährige Geschichte mit Dichtern wie Firdowski, Hafis und Saadi u.v.m. Der Iran war ein säkularer Staat.

Danach kam eine kulturell-religiöse Revolution. Sie räumte mit allem auf, was zur Grundlage einer zivilen Gesellschaft gehörte. Dem Bürger wurde alles per Scharia und den übrigen Regeln in Koran und Hadith vorgeschrieben.

Betroffen davon waren vor allem die Frauen, deren Auftreten in der Öffentlichkeit und im Privaten streng durch die Moral des Islam definiert wurde. Schon damals wehrten sich die Frauen wie auch in 2023 wieder. Damals wie heute wurden die Aufstände brutal niedergeschlagen.

Wie es weitergehen wird? Die Antwort mag jeder selbst im Koran oder den Hadith nachlesen. Der Autor lässt es offen bzw. formuliert, dass beides möglich ist, die Niederschlagung der Interessen oder deren Umsetzung in einen neuen Staat mit mehr Rechten für Frauen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Buch von Ilhan Arsel; Frauen sind Eure Äcker

Bewertung vom 23.02.2023
Das glückliche Geheimnis
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


ausgezeichnet

Ich liebe Bücher, die das Schreiben und Leiden eines Schriftstellers zum Thema haben. Arno Geiger gelingt es, seinen Weg des Textens deutlich zu machen und mir die Herangehensweise bzw. Umsetzung seiner Ideen zu vermitteln.

Dieses Buch ist darüber hinaus eine Art Biografie, die Hinwendung zu K., seiner Partnerin skizzierend, auch in Jahren des Leidens bei Trennungen und beim Sterben seiner Eltern, bei der Entgegennahme von Preisen etc.

Zu Beginn dachte ich, er hat meine größte Sorge beim Wegwerfen von Schriftlichem umgesetzt: dass diese beerdigten Papiere noch von jemandem gelesen werden, obwohl ich es nicht will.

Das dafür notwendige Geschäft hat einen Namen: professionelle Schreddermaschinen, vor allem auf Geschäftsunterlagen gerichtet. Und für viele auch im privaten Bereich notwendig.

AG aber wühlt in Papiercontainern mit noch nicht geschredderten Papieren und fischt das Besondere heraus. Was es mit ihm macht, ist wesentlicher Teil des Buches. Je länger es andauerte, umso spannender und nachvollziehbarer wurde es für mich. Er hat das Ganze mit Stil und Anstand bewerkstelligt, sein von ihm selbst zugewiesenes Abenteuer und die tägliche Bewegung an der frischen Luft.

Insgesamt ein wirklich lesenswertes Buch, vor allem für mein Primärinteresse: aus welchem Fundus schreiben Autoren, was regt sie an und auf? Warum, wie und wann halten sie das Gefundene fest?

Dass er seinen Lifestyle (kein Auto, Bewunderung von Greta Tunberg) zum Thema macht, wirkte auf mich eher negativ. Auch das eingebaute Selbstlob (Denis Schek sagte über ihn, er sei ein Empathie-Monster) befremdete mich eher.

Seine Selbstkritik (zu lange am Schreibtisch sitzend, ohne soziale Kontakte, Müll-Briefe als Ersatz dafür) wiederum machte seine Handlungsweise nachvollziehbar. Dass er im kleinen Mann und der Frau von nebenan das Leben erkennt, ihre Sorgen und Nöte, es macht auch seine eigenen erträglicher. Wir alle ticken irgendwie gleich. Er setzt der Maria Normalverbraucher mithin irgendwie ein Denkmal. Man spürt das in der einfach normalen, verständlichen Sprache.

Ein Buch, das jeder von uns geschrieben haben könnte, es dringt druch, ohne zu weite Höhen, der überdurchschnittlichste Durchschnitt. Das wollte AG vermutlich erreichen. Es hört sich leichter an als so etwas in Sätze zu bringen.

Dass man Ähnliches entwickeln könnte, wenn man nach Emmendingen ins deutsche TagebuchArchiv.de ginge, es wäre eine Vermutung von mir. Mehrere Kilometer noch nicht gelesener Gedanken und Seiten ganz normaler Menschen warten dort. (2/2023)

Bewertung vom 18.02.2023
Der alte weiße Mann
Bolz, Norbert

Der alte weiße Mann


ausgezeichnet

Der ideale Sündenbock für alle(s).

Norbert Bolz zeigt, warum der Erfolg von gestern heute nichts mehr wert ist und von wem der alte, weiße Mann unter Druck gesetzt wird. Es ist eine Mischung aus Misserfolg und Quote, aus vorgeschobenem ideologischem Moralismus, der dekonstruiert statt aufzubauen.

Das Buch zeigt neben einer erschreckenden Analyse vor allem, wie man sich gegen diesen intellektuellen Tiefgang wehren kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.02.2023
Die Familien der anderen
Westermann, Christine

Die Familien der anderen


ausgezeichnet

Noch mehr als im gedruckten Buch wird in der Hörfassung ein melancholischer Grundton sichtbar, der Frau Westermanns Büchervorlieben steuert. Sie ist auf der Suche nach einem intakten Familienleben und schätzt Bücher, die dies im weitesten Sinne problematisieren und lösen. Sie blickt gerne in andere Leben - wer würde dieser Leidenschaft nicht ebenso frönen?

Mein Konsum des ÖRR tendiert schon seit Jahrzehnten gegen null. Frau Westermann hatte ich ab und an beim Lit. Quartett gesehen. Mit Hans-Joachim Friedrichs beendete ich die ZDF Nachrichten und der WDR war und ist für mich schwer erträglich.

Hans-Joachim Friedrichs war der letzte Journalist, der verstand, um was es ging. Mir neutrale Informationen geben, so dass ich selbst ein Urteil bilden kann.

Christine Westermann lernte wohl bei Herrn Friedrichs bzw. schätzte ihn. Genau das merkt man diesem Buch an. Sie setzt ihre Meinung nicht als absolut, sondern erzählt, warum sie ein Buch gut findet, ganz entspannt. Ich habe es mit großem Gewinn gehört und war besonders angetan von der Idee des Zauberberg. Sie wollte ihn endlich lesen und lässt es bis zum Schluss offen, ob sie es geschafft hat.

Frau Westermann will keine negativen Bewertungen abgeben, sondern gute Bücher an den Mann, die Frau bringen. Ich kann das gut verstehen. Keine Zeit für negative Kritik, sondern Förderung der guten. Die Menge lässt nicht nach, im Gegenteil.

Besonders in Erinnerung bleibt mir die Stelle, als sie vom ZDF endlich einen Tisch fordert - für das Literarische Quartett. Ohne Tisch müsse man auf die Beine und andere Dinge blicken, die aber niemand sehen will. Wie Recht sie hat. Ich meide alle Talkshows, in denen die Teilnehmer angestrengt top down einsehbar auf Stühlen sitzen.

Bewertung vom 11.02.2023
Generation Gleichschritt
Schuler, Ralf

Generation Gleichschritt


ausgezeichnet

Vorteil von Ralf Schuler ist, dass er gelernt hat, sich gut verständlich auszudrücken. Auch schwierige soziologische Sachverhalte benennt er in diesem Buch treffend und schildert höchst spannend, wie sich die Koordinaten in unserem Staat verschoben haben, und zwar in Richtung einer Einstellung, die er aus seiner Sozialisation in der DDR kennt. Man war getrimmt darauf, nur das zu sagen, was dem kollektiven sozialistischen Geist entsprach. 70% der Bevölkerung haben heute in Deutschland das Gefühl, nicht mehr sagen zu können, was sie denken, ohne dafür von anderen verurteilt zu werden.

Ralf Schuler erklärt in diesem Buch die Verstrickungen einer Generation anschaulich, die z.B. von Martina Weisband ideologisch gefestigt wird. Symptomatisch war dafür lt. Schuler die Konferenz der Grünen „Bedrohte Mächte oder mächtige Bedrohung“, abgehalten im Bundestag am 21. November 2022. „Wirklich Sorgen machen mussten sich die Zuschauer des Livestreams über den Geisteszustand der Grünen-Politikerin Martina Weisband. „Weisband übertrug ein Konzept des Völkermordforschers Gregory H. Stanton kritiklos von den Roten Khmer auf die Zustände in Deutschland. „Eine stumpfe Übertragung jener extremer Kontext auf unsere Situation in Europa ist schlicht unseriös.“

Ralf Schuler war nahe an den Mächtigen, er reiste oft im Tross der Kanzlerin mit und schildert seine Eindrücke anschaulich, z.B. 2018 bei einer Reise nach Jordanien, als zuhause Horst Seehofer Druck machte auf die Schließung der Grenzen. Merkel stand damals vor dem Aus und hat erkennbar gerudert, wollte gar die europäischen Partner für ihre Agenda einspannen - ohne Erfolg. Sie hielt sich nach Ralf Schuler durch eine konsensorientierte, viele Problem verleugnende Politik (Sie kennen mich ) an der Macht. Ihr Wahlkampf bzw. die Inhalte werden von Schuler sachlich analysiert.

Alternativloses Durchregieren ging wohl über auf eine linksgrüne Stimmung der Klimarettung, zu der wir alle keine Wahl haben. Wer dagegen ist, ist ein Leugner, Querdenker und Demokratiezerstörer. Die Stimmung skizziert Ralf Schuler so: „Die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR sind noch nicht ganz aufgearbeitet, da geht eine neue Generation forsch-fröhlich ans Werk, eine vermeintlich gerechte und diskriminierungsfreie Gesellschaft mit den gleichen Methoden anzustreben, die schon den letzten beiden Diktaturen gute Dienste geleistet hat: Anschwärzen, Melden, Vermerken.“

Heute sind Plattformen und Aufforderungen der Regierenden zur Meldung anderer an der Tagesordnung, auch wenn Aussagen nicht strafwürdig sind. „Dinge, die nicht strafbar sind, zu registrieren, ist rechtsstaatlich nicht nur fragwürdig, sondern ein Skandal.“ Dabei sehen wir immer mehr Lobby-Vereine, deren Arbeit von Zuwendungen der Regierenden abhängt. Das Denunziantentum ist heute in fast allen gesellschaftlichen Bereichen zu finden, es arbeitet höchst effektiv. Migrationskritische Bürger sind für viele untragbar und werden subtil vom öffentlichen Verlautbaren ferngehalten.

Ausgrenzung findet heute durch eine Vielzahl von Schlag-Worten statt, die in einer emotionalen, bewusst unscharfen Grauzone arbeiten: „neu-rechts, rechtsradikal, umstrittener Autor, AfD-Umfeld, strukturelle Fremdenfeindlichkeit u.v.m“. „All diesen Anwürfen gemein ist der Umstand, dass man sich nur schwer gegen sie wehren kann.“ Höchst einfach hat man heute in einer Partei jenen Sündenbock gefunden, der für alles herhalten darf, was nicht alternativlos links-grün ist.

Das Ziel einer kollektivistischen, einheitlichen Meinung und korrespondierendem Verhalten sei heute weitgehend erfolgreich erreicht, auch dank eines Journalisten-Standes, der in überwältigender Mehrheit rotgrün denkt und schreibt. Sie alle formulieren dabei ab und zu, von vermeintlichen Wahrheiten, die heute wenige noch bereit sind zu hinterfragen. Das Konzept eines Journalisten wie Hans-Joachim Friedrichs, sachlich zu berichten und dem Leser die Meinungsfindung zu überlassen, ist von gestern.

Wer in die Zukunft blicken will, lese das Buch von René Pfister (Ein falsches Wort), in dem von einem Spiegel-Journalisten die entsprechenden Zustände in den USA geschildert werden. Ralf Schuler zitiert in seinem Buch des öfteren daraus, erläutert die Gleichklänge und möglichen Entwicklungen auch bei uns. In der Tat muss jeder mit größter Sorge erfüllt sein, wenn der öffentliche Wettbewerb von Meinungen behindert wird und nur noch Gleich-Schritte möglich sind.

Die Vermeidung von kognitiven Dissonanzen war das Werbe-Konzept der Altkanzlerin und heute wird damit die freie Meinungsäußerung blockiert. Der neue Mensch soll verzichten lernen im Dienst einer ganz großen Sache (Rettung der Welt), die leider abgekoppelt ist von christlichen Werten und dafür das goldene Kalb der Vielfalt postuliert. Ralf Schuler beschreibt treffend, wie unbewiesen und fehlerhaft dieses Konzept arbeitet, aber trotzdem als das gemeinsame Band des neuen Menschen gesehen wird inkl. Regenbogen-Fahnen vor öffentlichen Institutionen.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2023
Der Rufer aus der Wüste
Noll, Chaim

Der Rufer aus der Wüste


ausgezeichnet

Niemand hat Merkel so hellsichtig analysiert wie Chaim Noll, ein Mann, der die DDR ebenso wie die alte Bundesrepublik von innen her kennt. Er hat sich immer wieder kritisch mit dieser Frau beschäftigt, zusammengefasst in diesem Buch.

Sie lohnen sich wie wenig andere zum Immer Wieder Lesen.

Ich möchte hier nur eine Entwicklung aufzeigen, die CN treffend beschreibt: Die zur Schau gestellte Empfindlichkeit – vor allem bei Grünen und Sozialdemokraten – wenn es um den Antisemitismus geht. Betonung liegt auf der Schau oder Schau her, bei Antisemismus ist bei mir Schluss, fini, fertig, das geht gar nicht.

Längst ist aber nach Chaim Noll der offene Judenhass nach Deutschland zurück gekehrt, aus einer Richtung, die für jene nicht überraschend kommt, die noch zu lesen verstehen. Und zwar die Grundlagenwerke von Religionen. „Wer hätte sich vor zwanzig Jahren der Mühe unterzogen, den Koran zu studieren, die Hadith oder die Charta der Hamas? Wer kannte die zahllosen Stellen im religiösen Schrifttum des Islam, die zur Verachtung, Verfolgung oder Vernichtung der Juden aufrufen?“

Seit 2015 ist zunehmender Antisemitismus festzustellen, schreibt Chaim Noll. „Inzwischen hat sich in tausend Moscheen und Koran-Schulen ungehindert verbreitet, was sich Deutsche seit Jahrzehnten gegenseitig bei schweren Strafen verboten.“ Strafen oder Anklagen dafür in einem Land, das Auschwitz hinter sich hat? Fehlanzeige!

Die neuen Antisemiten kommen ohne Strafen davon, auch wenn sie Ungehöriges brüllen, Fahnen verbrennen oder beim Al Quds Marsch teilnehmen. Im Gegenteil, diese werden noch vom ZDF eingestellt.  „Merkel hat durch demonstratives Abstrafen von Islamkritikern in Deutschland eine Atmosphäre angstvollen Schweigens geschaffen.“

Nicht nur in diesem Bereich, der erst die AfD ermöglichte, operierte Merkel zeitgeistig an der Beliebtheit und einem imaginären Weltenrettertum zugeneigt, ihre Strategie der Fernstenliebe und der Ausverkauf deutscher Interessen wird von Noll gekonnt analysiert - für mich schon jetzt ein Standardwerk zu einer Kanzlerin, die leider auch auf dem Ticket einer Quotenfrau in Amt und Würden kam.

Bewertung vom 01.02.2023
Zeitreise
Aust, Stefan

Zeitreise


ausgezeichnet

Ein wirklich bewegende Reise durch die Bundesrepublik ab Mitte der 60er bis heute. Stefan Aust ist ein Meister seines Fachs, ein unbestechlicher Könner und Macher. Diese Biografie hat es wirklich in sich, sie ist mehr als lesenswert. Dabei beginnt er schon vorher mit der Geschichte seiner Familie.

Er sei überdurchschnittlich durchschnittlich, so die Selbstbewertung, und genau deshalb könne er auch Informationen so darbieten, wie sie der Durchschnitt wolle. Das ist natürlich völlig untertrieben, alleine die Beschreibung der Titelgestaltung inkl. Textfindung ist meisterhaft. Darauf konzentrierte er sich am Anfang beim Spiegel (ab 94) und hatte nicht nur deshalb Erfolg.

Stefan Aust bleibt immer sachlich und aus diesem Kern des Erzählten erfährt man Dinge, die so sensationell sind, dass einem der Atem stockt. Sein Herangehen an ein Medium entspricht jenem Nicht-Haltungs-Journalismus, der mir erlaubt, mein eigenes Urteil zu bilden. Ich brauche keine Journalisten-Prediger, sondern abwägende Informationen.

Ich finde in diesem Buch auch eines meiner Lieblingszitate von Franz Werfel, geschrieben 1946: „Zwischen Weltkrieg II und Weltkrieg III drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. Und sie nahmen das, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Und Humanität schien ihnen jetzt der bessere Weg zu diesem Ziel. Sie fanden diesen Weg sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenwahn. So wurden die Deutschen die Erfinder der Ethik der selbstlosen Zudringlichkeit.“

Dass 2005 ein Artikel von Enzensberger (Der radikale Verlierer) im Spiegel erschien, ist Aust noch heute hoch anzurechnen. Die Probleme des Islam werden dort auf wenigen Seiten verdichtet und bestens erklärt.

Wer das Buch dieses bescheidenen, hartnäckigen Hanseaten gehört oder gelesen hat, liest alles, was dieser außergewöhnliche Mann geschrieben oder veröffentlicht hat.