Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
marakkaram
Wohnort: 
Lingen

Bewertungen

Insgesamt 564 Bewertungen
Bewertung vom 29.06.2019
Für immer Rabbit Hayes
McPartlin, Anna

Für immer Rabbit Hayes


sehr gut

** Sie schob ihren Stuhl zurück. "Nenn mich nicht Bunny", sagte sie. "Rabbit ist tot. Ich bin nicht mehr ihr Häschen." **

Nachdem Rabbit ihrem Krebsleiden erlegen ist, versuchen ihre Familie und Freunde irgendwie klarzukommen... weiterzuleben. Allein schon für Rabbits Tochter Juliet, die seit dem Tag X nicht mehr Bunny genannt werden will.
Sie sind eine Familie, aber jeder geht anders mit dem Schmerz und dem Verlust um. Während Davey wieder auf Tour geht und Juliet mit sich nach Amerika nimmt, verliert Mama Molly ihren Glauben an Gott und muss sich irgendwann eingestehen, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch steht und ihr Mann keine große Hilfe ist, denn Jack verzieht sich auf den Dachboden um in Erinnerungen zu schwelgen und mit seiner toten Tochter zu sprechen. Und Grace... Grace hat sich nach dem Tod ihrer Schwester testen lassen und erfahren, dass auch in ihr das Gen schlummert. Das stellt sie vor die schwerste Entscheidung ihres Lebens.

Ja, die Hayes sind schon eine ganz spezielle irische Familie.
"Für immer Rabbit Hayes" ist der Nachfolger von "Die letzten Tage von Rabbit Hayes", kann aber unabhängig vom ersten Teil, in dem es um Rabbits Erkrankung geht, gelesen werden. Im Prolog, am Sterbebett werden alle Personen vorgestellt und man hat sofort einen recht guten Eindruck und ein sehr klares Bild von ihnen.

Es ist keine einfache Geschichte, die Anna McPartlin da erzählt und trotzdem schafft sie es mit einer relativen Leichtigkeit und dem der Familie so eigenem Humor. Sie bringt einen zum Lachen und gleichzeitig zum Weinen und sie berührt etwas ganz tief in dir.

Der Schreibstil ist toll - sie erzählt jedes Kapitel aus unterschiedlicher Sicht. Molly, Grace, Jack, Davey, Juliet und Marjorie... alle kommen zu Wort und da jeder seine ganz eigene Art und vor allem auch sein ganz eigenes Päckchen zu tragen hat, macht es das sehr interessant und abwechslungsreich.

Mich hat Graces Schicksal sehr mitgenommen, ich glaube, jede Frau kann sich recht gut mit ihr identifizieren. Sie war die erste der Hayes, deren Emotionen mich sofort erreicht haben. Bei einigen anderen hat es ein wenig länger gedauert und vor allem von Juliet hätte ich gern mehr gelesem. Aber irgendwann hatten sie mich alle und zum Schluss habe ich mit den Tränen gekämpft.

Fazit: Eine sehr berührende Familiengeschichte, über den viel zu frühen Tod ihrer Tochter, Schwester, Mutter, Freundin und dem Versuch jedes Einzelnen wieder ins Leben zurückzufinden.
Und eines kann ich versichern, die Hayes lassen einen so schnell nicht wieder los.

Bewertung vom 28.06.2019
Die Mondschein-Lagune
Deutsch, Dorette

Die Mondschein-Lagune


gut

Eine Liebeserklärung an die Lagunenstadt - doch der Klappentext weckt ganz andere Erwartungen!

** "Venedig schweigt nie, noch nicht einmal nachts. Die Möwen, das Wasser, die Boote, die Glocken: Es ist wie ein Klangmantel, der die Stadt umhüllt. Wenn ich nachts nicht schlafe, sind es diese Geräusche, die mir Gesellschaft leisten. Venedig erzählt uns immer etwas, auf seine Weise. Man muss genau hinhören, dann versteht man es." **

Die junge Antonia aus Berlin steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben und nimmt deswegen begeistert einen Forschungsauftrag an, der sie nach Venedig führt. Sie hofft, dort etwas Abstand zu gewinnen und den Kopf freizukriegen. Untergebracht ist sie im Palazzo der alten Contessa Ada Foscarini, wo sie auch den Venezianer Dario kennenlernt, der ihr bereits bei der Ankunft begegnet und aufgefallen war. Für Ada ist die junge Deutsche wie ein Lebenselexier, das ihr neue Kraft schenkt. Sie, die ihren Palazzo jahrelang nicht mehr verlassen hat, begibt sich plötzlich wieder raus in die Lagunenstadt und nimmt ihre Nachforschungen über die Geschichte ihres Urgroßvaters wieder auf....

Eines muss man dem Roman wirklich lassen, er transportiert ein wunderbar greifbares Venedig Flair und man erfährt sehr viel über die Lagunenstadt. Über die Vergangenheit, den Aufbau und Funktion mit ihren vorgelagerten Inseln, bis hin zu ihren heftigen Problemen in der heutigen Zeit. Und das ist schon ein sehr ernstes Thema, welches grad vor ein paar Tagen wieder in den Nachrichten war, die Touristenströme, die schnellen Motorboote und riesigen Kreuzfahrtschiffe, deren Sog die Substanz der Häuser angreift. Und das ist auch der eigentliche Schwerpunkt dieses Romans. Darios Kampf und Protest (obwohl er selber ein Motorboot fährt).
Vom Prinzip her finde ich das total klasse. Aber die Autorin wiederholt sich ungeschickt. Es sind immer dieselben Sätze in gut gemeintem, leicht anklagenden Ton. Und wo ich anfangs noch dachte: wow, tolles Thema, wenn auch unerwartet - war ich doch später relativ genervt, weil es irgendwie zu plump wurde.

Und Adas Familiengeheimnis geriet dadurch immer wieder in den Hintergrund. Antonias Forschungsauftrag erst Recht, zudem er ziemlich konstruiert und unglaubwürdig wirkte. Auch ihre Liebesgeschichte konnte nicht unbedingt überzeugen. So richtig warm bin ich eigentlich mit keinem der Charaktere geworden.

Aber, und das ist der Charme dieses Buches, man spürt die Liebe der Autorin zu Venedig in jedem Satz. Es ist eine wirklich tolle Hommage an die Lagunenstadt und mit einem anderen Klappentext würden auch die richtigen Erwartungen geschürt. Denn jeder, der hier ein spannendes Familiengeheimnis (ja, es ist sogar von einem uralten Fluch, der auf der Familie lastet, die Rede) erwartet und damit eine interessante Geschichte aus der Vergangenheit, wird enttäuscht sein - weil der Roman dem einfach nicht gerecht wird und eigentlich auch ganz anders ausgerichtet ist.

Fazit: Eine Geschichte, die auf die akuten Probleme Venedigs aufmerksam macht und vielleicht dem ein oder anderen die Augen öffnet und zugleich eine wunderschöne Liebeserklärung an die Lagunenstadt.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.06.2019
Hannah und ihre Brüder
Balson, Ronald H.

Hannah und ihre Brüder


ausgezeichnet

** "Wie um alles in der Welt kommen sie darauf, dass er ein Nazi war? Und wer soll bereit sein, ihnen zu glauben? Er gehört zu den großzügigsten Sponsoren unserer Stadt." **

Ben rüstet sich für seinen großen Auftritt. Bei der Eröffnungsgala der Oper bedroht er den angesehenen Juden Elliot Rosenzweig mit einer alten Kriegswaffe und wirft ihm vor, der SS-Offizier Otto Piontek zu sein, auch bekannt als "Der Schlächter von Zamosc".
Obwohl jeder sofort von einer Verwechslung ausgeht, ist Ben überzeugt in ihm seinen ehemaligen Ziehbruder erkannt zu haben. Er engagiert die junge Anwältin Catherine Lockhart und beginnt ihr seine Geschichte zu erzahlen.

Und die geht tief unter die Haut.

Ronald H. Balson hat schon mit "Karolinas Töchter" (der in Deutschland zuerst übersetzt wurde) einen sehr bewegenden Roman über Polen in der Zeit des Nazi-Regimes geschrieben, dem "Hannah und ihre Brüder" in nichts nachsteht.

Der Aufbau ist relativ gleich, er lässt seinen Hauptprota, Ben, in Rückblicken seine Lebensgeschichte erzählen. Hier, die einer jüdischen Familie in Polen, mit einem deutschen Ziehsohn, der irgendwann die Seiten wechselt. Eine Geschichte über Freundschaft, Macht, Hass und Liebe.

Das Stilmittel ist perfekt gewählt, denn durch Ben erlebt man alles hautnah mit. Und das ist manchmal nur in kleinen Dosen zu ertragen. Deswegen fand ich es auch ganz angenehm, dass die Erzählung immer wieder durch Catherine unterbrochen wird.
Anders als in "Karolinas Töchter" trägt sie hier nicht unbedingt viel bei, sondern fungiert tatsächlich eher als Verschnaufpause und bleibt ein wenig Randfigur. Was absolut okay ist, denn Bens Schilderungen wirken allein schon sehr authentisch und fesselnd. Der Erzählstil trägt dazu bei, dass man den Charakteren sehr nahe kommt und das macht es noch um einiges greifbarer und emotionaler.

Ronald H. Balson setzt seine Akzente ganz geschickt, man bleibt bis fast zum Schluss im Unklaren, ob Rosenzweig wirklich der Kriegsverbrecher Otto Piontek ist oder ob es sich um eine verhängnisvolle Verwechslung handelt. Die Auflösung überzeugt und hat Hand und Fuss.

Fazit: Ronald H. Balson erzählt mit "Hannah und ihre Brüder" eine großartige, bewegende Geschichte, die fesselt und mitreisst und gibt tiefe Einblicke in ein sehr, sehr dunkles Kapitel.

** Ich bin sicher, sie wissen nicht einmal im Ansatz, was Wahnsinn bedeutet. Ich aber habe ihn erlebt. Und ich weiß, dass er wiederkehren kann. Dann, wenn das moralische Gewebe der Menschheit reißt. Dann kriechen die Abgesandten des Bösen - des wahrhaft Bösen - durch den Riss, und wir erleben ein Auschwitz, Kambodscha, Bosnien oder Darfur. **

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.06.2019
Das Tal der Orangen
Courtot, Béatrice

Das Tal der Orangen


sehr gut

** Die berühmten Ensaimadas, die meine Kunden so gern genossen, waren zu Schnecken gerollt, so golden gebacken, dass sie die Sonne verblassen ließen, und nur von einem ganz leichten Schleier aus Puderzucker überhaucht. **

Mallorca, 1935: Die junge Bäckerin Magdalena lernt den charmanten Jaime kennen und lieben. Doch kurz nach ihrer Hochzeit bricht der Bürgerkrieg aus....

Paris, 2017: Das Cafe von Anais ist berühmt für ihre spanische Spezialität, ihre Ensaimadas. Als bei Bauarbeiten in Marseille eine Blechdose mit persönlichen Gegenständen ihrer Urgroßmutter gefunden wird, ist sie verblüfft und muss sich die Frage stellen, was genau sie eigentlich über diese Frau weiß. Sie hat ihr das Backen der Ensaimadas beigebracht, aber über ihre Jugend auf Mallorca und den Umständen unter denen sie nach Frankreich kam, hat sie nie gesprochen.
Anais begibt sich auf Spurensuche....

"Das Tal der Orangen" ist ein schöner Urlaubsroman mit ganz viel Mallorca-Flair, der allerdings in der Vergangenheit manchmal ein wenig Tiefe vermissen lässt.

Anais ist eine starke, unabhängige Frau und es hat mir unheimlich gut gefallen, wie Beatrice Courtot sie auf akribische Spurensuche gehen lässt. Dabei reist sie nicht nur nach Marseille, sondern auch nach Mallorca. Sie sucht und spricht mit Menschen, die Magdalena kannten, die den Bürgerkrieg überlebt haben. Dadurch war sie mir nicht nur sehr sympathisch, sondern ihr Erzählstrang, ihre Zeitebene hat mir auch die Gräuel des Krieges und Magdalenas Geschichte emotional sehr viel näher gebracht, als es Magdalena selbst vermochte.

Die historische Ebene um 1935/38 verlief mir oftmals zu distanziert. Es gab wenig Gedanken oder Gefühle die Magdalena preisgab, vieles wurde nur kurz angerissen, grade auch was den Krieg betraf und so fehlte mir die Tiefe, die ich bei dieser Thematik grade in der Vergangenheit, erwartet hatte.

Abgesehen davon ist dieser Roman eine Liebeserklärung an Mallorca und perfekt für alle Mallorca-Liebhaber abseits des Ballermanns und die, die die Insel gerne einmal von ihrer landschaftlichen, dörflichen Seite kennenlernen möchten. Die Autorin beschreibt Mallorca, das Dörfchen Sóller, die Buchten und Früchte so lebendig, authentisch und bildhaft, dass ich den Duft der Orange in der Nase hatte, die Miquel grade aufschnitt. Das ist wirklich traumhaft.
Zudem gibt es auch eine handvoll mallorqinischer Rezepte, die den Kapiteln vorangestellt sind.

Fazit: "Das Tal der Orangen" ist eine schöne Familiengeschichte, die den Leser nicht nur nach Mallorca entführt, sondern auch seine dunkelste Geschichte enthüllt. Es war ein spannender und interessanter Kurztrip, der gerne noch ein paar Seiten mehr hätte haben dürfen.

Bewertung vom 23.06.2019
Das Handelshaus
Meyer, Axel S.

Das Handelshaus


ausgezeichnet

** Der Wächter beugte sich zu Stephan herunter. Er spürte den Atem des Mannes auf seiner Wange, als der leise aber bestimmt sagte: "Ich sag`s dir nur ein Mal im Guten, Bursche. Nimm dir ne Kammer in irgendeinem Gasthaus außerhalb der Stadt, wo man keine Fragen stellt, woher Galgenvögel wie du Geld haben. Kehr um und geh mir aus den Augen..." Da rief jemand: " Stephan? Stephan Loytz? Bei Gott, bist du das?"

Axel S. Meyer`s Roman ist eine Familien- und Handelsgeschichte zur Hansezeit. 3 Brüder, Liebe, Gier, Verrat und ein mächtiges Imperium vor dem Untergang.

1566: Nach dem frühen Tod des Vaters übernimmt der älteste Sohn, Michael die Führung des Handelshauses Loytz, eines der mächtigsten und reichsten in Nordeuropa. Um sich zu behaupten, schickt er seinen Bruder Stephan nach Italien. Der jüngste, Simon, der sich für den Tod des Vater verantwortlich fühlt, hat genug mit sich selbst zu kämpfen und stellt keine Gefahr für ihn dar.
Doch nach ein paar Jahren kehrt Stephan zurück um sich seinen Platz im Familienimperium zu erobern....

Ich liebe es, wenn mir historische Romane ein Gefühl der damaligen Zeit vermitteln und gekonnt recherchierte Fakten, Gebräuche etc. einfliessen lassen, ohne dass es trocken wird oder vor Fremdwörtern nur so strotzt. Und das ist Axel S. Meyer mit seinem Handelshaus hervorragend gelungen.

Ein sehr lebendiger, fesselnder, authentischer Roman, der den Leser ins 16. Jahrhundert katapultiert und fassungslos zum Zeugen einer Familientragödie macht. Mit einem Schreibstil der dabei so bildhaft ist, dass man die Salzheringe und den Hafen förmlich riechen kann. Auch die Umgebung und Menschen hat man glasklar vor Augen.

Ganz geschickt verwebt er die Geschichte der drei Brüder mit dem damaligen Zeitgeschehen, dem Dreikronenkrieg, dem Niedergang der Hanse, dem Kurfürsten Joachim von Brandenburg und all den vorherrschenden politischen Intrigen und Spielchen.

Ein gelungenes Nachwort trennt Fiktion von Realität und zeigt dabei auch den Grundstein für diese Geschichte.

Fazit: Ein unheimlich spannender und fesselnder historischer Roman über Gier, Hass und Verrat innerhalb einer Handelsfamilie und den politischen Machenschaften zur Zeit der Hanse.

Bewertung vom 16.06.2019
Die Zarin und der Philosoph / Sankt-Petersburg-Roman Bd.2
Sahler, Martina

Die Zarin und der Philosoph / Sankt-Petersburg-Roman Bd.2


gut

** Ihr Mitleid für Inna hielt sich in Grenzen. Aber wie rücksichtslos die Zarin über das Schicksal zweier Menschen entschied, das verursachte ihr Magendrücken. Ob sich diese Verhältnisse jemals ändern würden? **

"Die Zarin und der Philosoph" ist der zweite Band der St. Petersburg Reihe aus der Feder von Martina Sahler und kann völlig unabhängig vom ersten Teil gelesen werden.

Die Autorin konzentriert sich diesmal auf den Zeitraum 1762-75, die Zeit Katharina der Großen. Sie stellt ihr dabei fiktive sowie historisch belegte Personen an die Seite und verwebt sie geschickt miteinander. Trotz eines Personenregisters musste ich mich auf diese Vielzahl an Personen, auch Hauptpersonen und mehr oder weniger wichtige Handlungsstränge, erst einmal einstellen.

Genauso wie auf den Schreibstil, der die "russische Seele" hervorragend wiederspiegelt. Und der an sich auch recht angenehm zu lesen ist, aber hier und da auch etwas trocken und vor allem distanziert.

Ich hatte einen tieferen Einblick in das Leben Katharina der Großen erwartet, mehr private Gedanken und die persönliche Seite der Zarin. Aber die Geschichte wimmelt nur so von vielschichtigen Figuren und da kommt die Zarin tatsächlich irgendwie zu kurz. Martina Sahler beleuchtet sie sehr gut von aussen, über die Meinung anderer, aber sie bringt sie einem nicht wirklich näher. Das fand ich unheimlich schade. Sie ist definitv eine starke, polarisierende Persönlichkeit und als Leser schwankt man immer wieder zwischen Entsetzen und Bewunderung. Allein schon aus diesem Grund, hätte ich gern einen tieferen Zugang zu ihr gehabt.

Das betrifft auch ihre Ziehtochter Sonja. Es fehlte das Zwischenmenschliche, das ihren Hass wirklich greifbar macht.
Der Roman setzt sich einfach aus vielen Momentaufnahmen mit großen Zeitsprüngen zusammen. So werden Themen oft nur angeschnitten.

Die historischen Fakten sind gut recherchiert und man spürt die Liebe der Autorin zu St. Petersburg und dem Land. Mir persönlich war es leider ein wenig zu politisch und die Charaktere zu unnahbar. Wie immer ist alles Geschmackssache, aber ich hatte gehofft, dass mir der Roman Russland und seine Geschichte ein wenig näher bringt und in der Hinsicht hat er meine Erwartungen nicht so ganz erfüllt.

Bewertung vom 14.06.2019
New Beginnings / Green Valley Love Bd.1
Lucas, Lilly

New Beginnings / Green Valley Love Bd.1


ausgezeichnet

** "Ich seh mir noch die anderen Zimmer an", presste ich hervor und entfernte mich mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das so aufgesetzt war, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn es heruntergerutscht und auf dem Boden zerschellt wäre. **

Lena ist ein richtiges Berliner Großstadtgirl. Deswegen träumt sie von einer Au pair Stelle in New York oder Manhattan und landet in einem kleinen Kaff in den Rocky Mountains. Doch ihre Gastfamilie, die Coopers sind großartig und in der flippigen Izzy hat sie sofort eine Freundin gefunden. Lena fühlt sich in dem knapp 800 Seelen Dörfchen richtig wohl und fängt sogar an, sich mit der ganzen Natur rundherum anzufreunden. Wenn da nur nicht Ryan wäre, Jacks übellauniger jüngerer Bruder, der nach dem abrupten Ende seiner Profi-Karriere vorübergehend auch dort wohnt und mit dem sie gleich bei ihrer Ankunft eine unliebsame Begegnung hatte....

Lilly Lucas ist nicht nur ein neuer Stern am New Adult Himmel, sie sticht auch absolut aus der Masse heraus.
"New Beginnings" ist (m)ein Lesehighlight 2019!

Hier passt einfach alles.
Das Setting, ein Skigebiet in den Rocky Mountains ist traumhaft schön und unheimlich romantisch ohne verkitscht zu sein.
Man hat beim Lesen das Gefühl im Green Valley Urlaub zu machen und ich hätte im Anschluss am liebsten sofort meine Koffer gepackt - obwohl ich absolut kein Schneemensch bin und das heißt schon was.

Auch von den Personen hatte ich ein ganz klares Bild vor Augen. Ich habe jeden Einzelnen dieser unverwechselbaren Charakterköpfe geliebt. Sie haben Ecken und Kanten und menschliche Schwächen und sind deswegen so wunderbar authentisch. Die Coopers sind eine ganz normale Durchschnittsfamilie und auch Lena ist das sympathische Mädchen von nebenan, man kann sich wunderbar mit ihnen identifizieren.

Richtig begeistert hat mich auch das Tempo und die angenehmen Liebesszenen. Was soviel heißt, wie, die Geschichte entwickelt sich nicht ab einem bestimmten Punkt zu einem puren Erotikroman mit seitenweise detaillierten Beschreibungen. Und trotzdem knistert und funkt es gewaltig. Eine Achterbahn der Gefühle.

Lilly Lucas hat einen Schreibstil mit Suchtpotential und dazu so einen spritzig-sarkastischen Humor, der mich so manches Mal umgehauen hat. Zwischen den beiden fliegen nicht nur die Funken, sondern auch der ein oder andere geniale Schlagabtausch.

Ich kann mich nur wiederholen: Mein absolutes Lesehighlight und ich kann es kaum erwarten, bis der zweite Band der Green Valley-Reihe erscheint.

Lesen! Lesen! Lesen! Es lohnt sich!

Bewertung vom 13.06.2019
Love to share - Liebe ist die halbe Miete
O'Leary, Beth

Love to share - Liebe ist die halbe Miete


sehr gut

** Ich denke oft, wie anstrengend es sein muss, Tiffy zu sein, selbst ihre Nachrichten stecken voller Energie. **

Erst hat ihr On/Off Freund Justin die Beziehung endgültig beendet und dann setzt er Tiffy, die voller Hoffnung in der Wohnung geblieben ist, auch noch vor die Tür. Der absolute Albtraum, denn eine bezahlbare Bleibe ist in London nicht zu finden.
Leon hingegen braucht dringend Geld um den Anwalt für seinen Bruder zu bezahlen. Da er nur Nachts arbeitet, kommt ihm die Idee seine kleine Wohnung für diese Stunden zu vermieten. Die Sache hat allerdings einen klitzekleinen Haken, es gibt nur ein Bett.
Skeptisch, aber mangels jeglicher Alternative, lässt sich Tiffy auf diese ungewöhnliche WG ein.

Und das ist sie wirklich: ungewöhnlich. Die große, flippige, extrovertierte Tiffy, die voller Energie und DIY-Ideen steckt und der ruhige, wortkarge, eher introvertierte Paliativpfleger Leon.

Das spiegelt sich auch im Schreibstil wieder. Und ich geb zu, an den musste ich mich anfangs erst gewöhnen. Zum einen hat Beth O`Leary einen typisch englischen Schreibstil (a la Jojo Moyes), dann sind die Kapitel abwechselnd aus Tiffys und Leons Sicht geschrieben und der macht, im Gegensatz zur übersprudelnden Tiffy, nicht wirklich viele Worte. Das kommt oft sehr abgehackt und hart rüber, verleiht der Figur andererseits aber auch ihre Authenzität und später merkt man immer mehr, er wählt seine Worte mit Bedacht.

Anfangs kommunizieren die beiden ausschliesslich über Post its und ich fand es unheimlich interessant dabei zuzusehen, wie sie sich - ohne sich je begegnet zu sein - leise, ja fast schon schleichend, näherkommen, diese zwei so unterschiedlichen Menschen, die scheinbar nichts gemeinsam haben. Sie erkennen die Gefühlslage des anderen am Abstellplatz der Kaffeetasse oder Größe des Kuchens.

Was für mich überraschend kam, im Laufe der Zeit und mit ein wenig Abstand, beginnt Tiffy ihre Beziehung zu Justin zu reflektieren und die hatte es wirklich in sich. Das ist nicht nur ein spannendes Thema, es verleiht dem Roman auch eine unerwartete Tiefe, die mir sehr gefallen hat.

Der Schreibstil ist, wie gesagt, sehr englisch und langsam. Beth O`Leary gibt ihren Figuren Zeit und Raum sich zu entwickeln. Trotzdem wird es nie langweilig und es gibt viele tolle Momente. "Love to share" ist eine schöne Liebesgeschichte, mit eigensinnigen, authentischen Charakteren, die man gerne begleitet.

Bewertung vom 04.06.2019
Willkommen im Hotel der Herzen / Wild at Heart Bd.1
Sanders, Anne

Willkommen im Hotel der Herzen / Wild at Heart Bd.1


gut

"Ich frage mich", begann Nettie erneut, " ob es tatsächlich so leicht ist, jemanden zu verkuppeln. Ich meine, man kann doch nicht einfach bestimmen, in wen sich ein anderer verlieben soll. Zumal.... Wie du schon sagtest, Mum ist nicht grade gut auf Hamilton zu sprechen."

Ich habe "Sommerhaus ins Glück" gelesen und war einfach nur geflasht von den Charakteren, dem Setting und der Story. Und so habe ich "Wild at Heart" regelrecht entgegengefiebert. Ich liebe Geschichten die in Hotels spielen und Anne Sanders war mir ja bereits mit einer großartigen Geschichte in Erinnerung....

Seit ihr Mann bei einem Unfall gestorben ist, führt Gretchen das Hotel Wild at Heart, mit seinen schnuckeligen 5 Zimmern, an Cornwalls berühmtesten Herz-Felsen, ganz allein. Ihr Schwiegervater Theo und Tochter Nettie stehen ihr zwar so gut es geht zur Seite, aber das Geld reicht grade zum Leben und die Verantwortung wiegt schwer. Für eine neue Liebe bleibt da nur wenig Zeit; sie weiß auch gar nicht ob sie schon bereit dafür ist. Nettie sieht das ganz anders und hätte da auch schon den Richtigen im Gepäck. Und mit ein wenig Hilfestellung sollte da doch was zu machen sein. Dumm nur, dass Gretchen jemand ganz anderen im Auge hat....

Das hört sich doch nach Zutaten für eine großartige Story an.... nur leider schwächelt sie ein wenig an den Figuren.

Das Setting ist wie immer traumhaft! Nicht nur der Herz-Felsen in dem beschaulichen 70 Seelen Dorf Port Magdalen, auch das Romantik Hotel ist sehr detailliert und mit ganz viel Herzblut geschildert. Man fühlt sich wohl.

Auch der Schreibstil ist gewohnt angenehm - und trotzdem hat mir etwas gefehlt. Die Romantik.... Es gibt viele Hauptpersonen, viele Perspektiven und trotz über 400 Seiten wirkt alles irgendwie recht oberflächlich. Ich habe bis zum Schluss zu keinem der Charaktere Zugang gefunden und mir ist tatsächlich auch niemand (bis auf eine alte Dame) ans Herz gewachsen.

Nettie ist mit ihren 16 Jahren einfach noch sehr kindlich und die Verkuppelungsversuche eher plump und ohne Charme. Opa Theo ist da als verkappter Daniel Düsentrieb schon ein ganz anderes Kaliber, bleibt aber trotzdem relativ blass. Allein Gretchen lässt etwas tiefer in ihre Gefühlswelt blicken, doch sie ist eine eher distanzierte Person und man kommt nicht richtig an sie heran.
Ich habe leider absolut keinen Zugang zur Familie Wilde gefunden.

Was ich ja an Hotelgeschichten besonders liebe, sind die Gäste und die vielen kleinen Randgeschichten. Die gibt es hier auch, doch sie wirken etwas bemüht.

Die vielen Figuren tragen die Geschichte nur schwer und besonders der Mittelteil zieht sich ein wenig in die Länge - bis der Schluss auf einmal unerwartet richtig Fahrt aufnimmt. Es kommt Bewegung in die Familie, so dass der zweite Teil interessanter zu werden verspricht.

Fazit: Nette leichte Sommerlektüre - aber die Geschichte, grade auch um Gretchen, ihren Verlust und die Riesenverantwortung die sie nun alleine trägt, hätte definitiv mehr Tiefe vertragen können. So ist sie auf emotionaler Ebene oftmals versandet. Aber meine Erwartungshaltung war hoch und Geschmäcker ja bekanntlich verschieden....

Bewertung vom 03.06.2019
Zwielicht 12 (eBook, ePUB)
Hildebrand, Achim

Zwielicht 12 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

** In den ersten aufgewühlten Jahren nach meiner Ermordung trachtete ich nach Rache. ** (aus "Warum erlöst sie mich nicht, obwohl sie genau weiß, wo meine Knochen verrotten?")

Zwielicht zum 12!
Seit 2009 erscheint das Horrormagazin regelmässig als Taschenbuch, mit -im Gegensatz zur Zwielicht Classic Reihe - unveröffentlichten Geschichten aus allen Bereichen der dunklen Phantastik. Auch hier findet sich wieder eine bunte, abwechslungsreiche Mischung.

Die Bandbreite reicht von Altmeistern wie Algernon Blackwood, Tudor Jenks und Uwe Voehl bis hin zu den jungen Wilden wie Sascha Dinse, Ralf Kor und Max P. Becker, aber auch Karin Reddemann, Julia Annina Jorges und Vincent Voss sind wieder mit tollen Stories vertreten.

Ob kurz oder lang, ob mit Humor oder dunkelster Seelenqual, hier ist für jeden Fan des gepflegten Gruselns etwas dabei. Die Geschichten sind auf gleichbleibend hohem Niveau und atmosphärisch sehr dicht.

Ganz besonders freue ich mich darüber, dass Michael Schmidt und Achim Hildebrand auch regelmässig alte Schätze aus der Versenkung holen, wie z.B. "Phantomschmerz", eine Geistergeschichte aus dem Jahre 1899 oder "Drachental" (1918) von Anna Alice Chapin, die man heute fast schon als leicht angehauchte Dark Romance bezeichnen würde.
Eine meiner Lieblingsgeschichten "Die Albtraum-Beule" kommt in typischer Twilight Zone Manier daher und hat mich köstlich amüsiert. "Auge um Auge" von Uwe Voehl hingegen ist unheimlich beklemmend und genauso atmosphärisch dicht gestrickt wie "Das Geheimnis der alten Seemannskiste".

Ralf Steinberg bespricht in seinem Artikel Grusel-Klassiker und Matthias Kaether zeigt den Werdegang des Pulp Magazins "Amazing Stories" auf - akribisch recherchiert und so spannend erzählt, dass man sich liebsten gleich in eine Ausgabe vertiefen möchte.

Fazit: Der Inhalt hält, was das großartige Cover von Björn Ian Craig verspricht. Eine rundum gelungene Mischung alter und neuer bislang in Deutschland unveröffentlichter Geschichten und Artikel aus dem Bereich der dunklen Phantastik. Und diese ganz spezielle Mischung macht den Charme dieses Magazins aus, das bald sein 10-jähriges feiert! Ich hoffe, euch gehen die Geschichten niemals aus.