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Readaholic

Bewertungen

Insgesamt 381 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2021
Heimatsterben
Höflich, Sarah

Heimatsterben


ausgezeichnet

Denk ich an Deutschland in der Nacht...
Hannah Ahrens, die als Journalistin in New York lebt, erhält einen Anruf ihrer Schwester Trixie: ihre 97jährige Großmutter, bei der sie aufgewachsen ist, liegt im Sterben. Hannah schafft es gerade noch rechtzeitig zurück nach Deutschland, um sich von der Matriarchin Tilde verabschieden zu können.
Als junge Frau war Tilde in den Wirren des zweiten Weltkriegs aus dem Osten nach Niedersachsen geflohen, ihr Erstgeborener hatte die Flucht nur knapp überlebt. Dort heiratete sie einen verwitweten Gutsbesitzer und hatte mit ihm zwei weitere Kinder, eines davon Hannahs und Trixies Mutter Lou, der jedoch ihre Unabhängigkeit wichtiger war als ihre Kinder. Auf dem Sterbebett verspricht Hannah Tilde, auf ihre Schwester achtzugeben. Trixie ist mit dem Adligen Felix Graf von Altdorff verheiratet, der einer rechten Partei angehört und als Bundeskanzler kandidiert. Zu ihrem großen Erstaunen fragt Felix die liberal eingestellte Hannah, ob sie nicht für ihn arbeiten möchte. Die gegensätzlichen Einstellungen empfindet er als Herausforderung. Nach längerem Zögern willigt Hannah ein, zumal ihr Leben in New York gerade nicht so rund läuft.
Die weitverzweigte Verwandtschaft und Familiengeschichte der Hauptpersonen stellt eine Herausforderung dar, sehr hilfreich ist dabei der zu Anfang des Buchs eingefügte Familienstammbaum, ohne den man als Leser wahrscheinlich verloren wäre.
Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft und viele der beschriebenen Probleme und politischen Strömungen bestehen auch heute schon. Ein großes Thema ist beispielsweise Migration und Fremdenfeindlichkeit. Ein immer größerer Teil der Bevölkerung lehnt sich gegen die Überfremdung Deutschlands auf und ultrarechte Kräfte wehren sich durch die Gründung einer sogenannten Bürgerwehr. Obwohl Felix Graf von Altdorff selbst sehr konservativ ist, sind ihm diese Strömungen äußerst suspekt, doch manches geschieht, ohne dass er darauf Einfluss nehmen könnte. Hannah ist von der politischen Entwicklung in Deutschland zunehmend abgestoßen und beschließt, sich aus der Politik zurückzuziehen. Doch längst sind die Dinge nicht mehr zu kontrollieren, da sie den Alltag jedes Einzelnen bereits mitbestimmen...
Obwohl es sich bei diesem Roman um eine Dystopie handelt, ist es ein sehr realistisches Szenario, das sich abspielt und das jederzeit so oder so ähnlich stattfinden könnte. Dieser Gedanke macht Angst und erinnert an Heinrich Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
Sarah Höflich hat mit „Heimatsterben“ einen sehr eindringlichen und spannenden Debütroman geschrieben, der mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat. Absolute Leseempfehlung und 5 Sterne!

Bewertung vom 28.07.2021
Das letzte Bild
Jonuleit, Anja

Das letzte Bild


sehr gut

Geheimnisvolle Isdal-Frau
Die Schriftstellerin Eva glaubt ihren Augen nicht trauen zu können, als sie eines Morgens in der Zeitung mit den großen Buchstaben das Foto einer Frau entdeckt, die ihr und ihrer Mutter verblüffend ähnlich sieht. Wie sich herausstellt, handelt es sich um das Bild einer in den 1970er Jahren in Norwegen ermordeten Frau, deren Identität nie geklärt wurde. Neue wissenschaftliche Methoden machten es nun möglich festzustellen, dass diese Frau ihre Kindheit in der Nähe von Nürnberg verbracht haben muss, eine Gegend, in der Evas Urgroßeltern wohnten.
Als Eva ihrer Mutter das Bild zeigt, reagiert diese äußerst abweisend, doch es ist klar, dass sie etwas verheimlicht.
Eva beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen und fährt nach Norwegen. Ein DNA Test bringt Klarheit: Eva ist tatsächlich mit der Isdal-Frau verwandt. Vor Ort erhält sie die alten Ermittlungsunterlagen, die eine Menge Rätsel aufgeben.
Den Fall der Isdal-Frau gab es wirklich. Damals berichtete „die Zeit“ darüber. Ausschnitte aus dem Artikel sind den einzelnen Kapiteln vorangestellt.
Das Buch basiert also auf einem wahren Fall, den Anja Jonuleit ausgeschmückt und eine Geschichte darum konstruiert hat, wie es sich damals hätte zutragen können. In ihrem Buch wurde die Tote, Marguerite, als 6-Jährige in den Wirren der letzten Kriegstage von Mutter und Zwillingsschwester getrennt und versuchte Zeit ihres Lebens, ihre Familie wiederzufinden. Im Zuge ihrer Recherchen findet sie heraus, dass die Mutter als Ärztin in den „Lebensborn“-Heimen des Dritten Reichs tätig war. Marguerite lässt nichts unversucht, Zeitzeugen zu finden, die ihre Mutter gekannt haben und ihr den entscheidenden Hinweis darauf geben können, die Familie endlich wiederzufinden.
Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: in der Jetztzeit, in der Eva versucht, das Geheimnis der Isdal-Frau zu lüften, und in den 1970-er Jahren, als Marguerite auf der Suche nach ihrer Familie ist. Das Buch beginnt zunächst sehr spannend, doch dann fand ich die vielen Sackgassen und Erzählstränge etwas ermüdend und in die Länge gezogen. Dazu kommt, dass ich nicht wirklich Empathie mit den Personen empfinden konnte und mir manches nicht nachvollziehbar erschien. Warum hat nur Marguerite nach ihrer Familie gesucht, weshalb hat die Mutter nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt, die verlorene Tochter zu finden? Weshalb reagiert die Zwillingsschwester zunächst so abweisend? Dass Marguerite ihr Leben als Prostituierte und in Begleitung des unsympathischen Damiano finanziert, macht sie auch nicht wirklich sympathisch. Die Auflösung des Falls und die Enttarnung eines Nationalhelden erscheinen mir wenig glaubhaft. Alles in allem kein schlechtes Buch, aber nicht so spannend wie erwartet. 3,5 Sterne.

Bewertung vom 20.07.2021
Hundstage für Beck / Nick Beck Bd.1
Voss, Tom

Hundstage für Beck / Nick Beck Bd.1


sehr gut

Ein Ermittler mit einer Menge krimineller Energie
Nick Becks Leben scheint auf dem Tiefpunkt angelangt zu sein. Nachdem seine Kollegin und Freundin bei einem Einsatz ums Leben kam, lässt sich der ehemalige LKA Ermittler aufs Dorf versetzen, wo er seine Tage mit Wundenlecken und Saufen zubringt. Er wohnt in einer Absteige und das Einzige, was ihn noch zu interessieren scheint, ist sein Vintage-Mercedes.
Als er eines Abends betrunken nach Hause fährt, überfährt er eine junge Frau. Um seine Spuren zu verwischen, packt er die Leiche kurzerhand in den Kofferraum und lässt sie verschwinden. Dann landet der Fall einer verschwundenen jungen Frau auf seinem Schreibtisch und – wieder nüchtern – wird ihm klar, dass die auf der Straße liegende Frau zum Zeitpunkt des Unfalls wahrscheinlich schon tot war und die Leiche zur Klärung des Falls wieder auftauchen muss.
Seine Partnerin bei der Aufklärung des Verbrechens ist Cleo Torner vom LKA Hamburg, die, was die Ermittlung anbelangt, in diesem Fall eher blass rüberkommt. Von ihr erfahren wir lediglich, dass sie schwanger ist, sich aber in keinster Weise schont, und ihre geplante Hochzeit unter keinem guten Stern steht, da sie und ihr Partner offensichtlich sehr gegensätzliche Ansichten haben. Außerdem harmonieren Nick und sie gut als Team.
Wie es sich für einen Krimi gehört, gibt es jede Menge Verdächtige mit Motiv sowie eine ganze Reihe von falschen Fährten. Ein Krimi, der spannend anfängt, der mich gegen Ende aber mit gespaltenen Gefühlen zurücklässt, unter anderem, weil Nicks Rolle in dem Geschehen niemandem aufzufallen scheint, was mir nicht ganz glaubhaft erscheint. Alles in allem jedoch ein spannender Serienauftakt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.07.2021
Mohnblumentod / Charlie Lager Bd.3
Bengtsdotter, Lina

Mohnblumentod / Charlie Lager Bd.3


sehr gut

Wer hat Baby Beatrice entführt?
Das Baby eines reichen Unternehmerehepaars wird entführt, doch es geht keine Lösegeldforderung ein. Charlie Lager und ihr Kollege Greger fahren sollen vor Ort ermitteln und herausfinden, wer einen Grund hätte, die 9 Monate alte Beatrice zu entführen.
Es stellt sich heraus, dass der Ehemann es mit der ehelichen Treue nicht so genau nimmt und sich in seiner Karriere Feinde gemacht hat. Bald bekommt Charlie den Eindruck, dass weder das Ehepaar noch ein befreundetes Ehepaar der Polizei alles sagt, was für die Lösung des Falls wichtig sein könnte. Was verschweigen sie und warum?
Das Buch hat zwei Handlungsstränge: zum einen den Fall des entführten Mädchens, zum anderen ein Kinderheim und drei Teenagermädchen, die dort leben. Zunächst ist nicht klar, was diese Handlungsebenen miteinander zu tun haben.
Im Klappentext steht „Charlie ist gezwungen, sich nicht nur um Beatrice’ willen an ihre Grenzen zu treiben, sondern auch aus Angst um sich selbst.“ Ich wüsste gerne, was der Autor dieser Zeilen damit gemeint hat, denn Charlie befindet sich nicht in Gefahr, außer, dass sie sich ab und zu hemmungslos betrinkt und fremde Männer mit nach Hause nimmt, ganz so, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hat. Die Mutter, Betty Lager, wird auch in diesem Band extrem oft erwähnt und ich finde es allmählich ziemlich ermüdend, immer wieder von ihrem losen Lebenswandel und ihren Exzessen zu lesen. Auch dass bisher jeder Fall der Reihe auf die eine oder andere Art mit Charlie selbst zu tun hat, ist etwas seltsam. Abgesehen davon hat mir das Buch ganz gut gefallen, aber ich hoffe wirklich sehr, dass der nächste Fall der Reihe absolut gar nichts mit Charlie Lager und ihrer Familie zu tun hat.

Bewertung vom 06.07.2021
Betreff: Falls ich sterbe
Setterwall, Carolina

Betreff: Falls ich sterbe


sehr gut

Carolina und Aksel sind beide Anfang/Mitte 30, erfolgreich im Beruf, müssen nicht aufs Geld achten und leben zusammen mit ihrem Baby in einer Eigentumswohnung in Stockholm. Alles scheint perfekt, bis Carolina eines Morgens Aksel tot im Bett auffindet. Er starb mit 34 im Schlaf an Herzversagen.
Ihre heile Welt bricht völlig in sich zusammen. Sie versteht nicht, wie das passieren konnte, gibt sich selbst die Schuld, weil sie der Meinung ist, Aksel zu viel zugemutet zu haben und nie zufrieden gewesen zu sein.
Glücklicherweise hat Carolina einen riesigen Freundeskreis. Von Aksels Tod an wechseln sich Freunde und Familie monatelang ab, ständig ist jemand in Carolinas Nähe, die Freunde kaufen ein, kochen, kümmern sich um Baby Ivan. Diesen Teil des Buchs fand ich wirklich erstaunlich. Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die auf ein solches Netzwerk zurückgreifen können.
In diesem „autofiktionalen“ Roman – teils autobiographisch, teils Fiktion – beschreibt Carolina Setterwall minutiös ihre Gefühle und Gedanken, zunächst auf zwei Zeitebenen – Oktober 2014, die Zeit, als Aksel starb – und die Zeit des Kennenlernens sowie die Entwicklung der Beziehung von 2009 bis 2014. Dabei kommt sie vollkommen ohne wörtliche Rede aus, was mich zunächst ziemlich irritiert hat. Ich fand es äußerst gewöhnungsbedürftig, ein Buch von fast 500 Seiten zu lesen, in dem nur beschrieben wird und in dem keinerlei Dialoge vorkommen. Und doch hat mich Carolinas Geschichte fasziniert. Wir begleiten sie bis ins Jahr 2016, erleben mit, wie sie sich ihren Weg in den Alltag zurückerkämpft und sogar mit der Zeit Ausschau nach einem neuen Partner hält. Den Schluss fand ich dann nicht mehr ganz so interessant, denn sie geht eine fast schon symbiotische Beziehung mit einem Mann ein, der ebenfalls Witwer ist und eine kleine Tochter hat. Der Mann bleibt allerdings eine Randfigur, man erfährt nicht viel über ihn. In diesem letzten Teil wird klar, dass Carolina den mittlerweile über 2jährigen Ivan immer noch wie ein Baby behandelt und ihr ganzes Leben nur nach ihm ausrichtet. Wenn er weint oder sich langweilt, bespaßt sie ihn sofort, sie bringt es nicht fertig, ihm irgendetwas abzuschlagen. Konnte ich mich bisher gut in sie einfühlen, hat mich dieses Verhalten doch sehr gestört und befremdet. Bis auf die letzten 80 Seiten fand ich das Buch jedoch sehr interessant und lesenwert.

Bewertung vom 29.06.2021
Tiefer Fjord
Lillegraven, Ruth

Tiefer Fjord


ausgezeichnet

Der Arzt Haavard und seine Frau Clara, eine Politikerin, haben sich auseinander gelebt. Es gibt nur noch wenige Berührungspunkte. Als in der Klinik, in der Haavard arbeitet, ein kleiner pakistanischer Junge an den Folgen körperlicher Misshandlung stirbt, sind beide gleichermaßen betroffen, denn Clara hat in den letzten Monaten eine Gesetzesvorlage zum Schutz misshandelter Kinder erarbeitet, die allerdings soeben abgelehnt wurde.
Dann wird der Vater des misshandelten Kindes in der Klinik erschossen und der Verdacht fällt zunächst auf die Klinikmitarbeiter. Wenig später wird eine weitere Ermordete aufgefunden, ausgerechnet in dem Hotel, in dem sich Haavard und sein Team zu einem Meeting aufhalten. Auch dieses Mal handelt es sich um eine Einwanderin. Sind es rassistische Taten oder steckt etwas ganz Anderes dahinter?
Haavard gerät ins Visier der Ermittler, denn er hätte Gelegenheit zu beiden Morden gehabt. Er wird zur Befragung abgeholt und über Nacht in der Polizeistation festgehalten. Für Clara kommt dies zur Unzeit, denn sie wurde soeben zur Staatssekretärin ernannt und die Aufmerksamkeit der Presse liegt auf ihr. Doch dann geschieht ein dritter Mord und Haavard hat das beste Alibi von allen: er befand sich zum Tatzeitraum in Polizeigewahrsam.
Die Geschichte wird in kurzen Kapiteln aus der Sicht der einzelnen Personen geschildert. Dabei erfahren wir viel aus ihrer Vergangenheit, die vor allem für Clara nicht einfach war. Das Buch ist unglaublich spannend und mit überraschenden Wendungen, ich konnte es wirklich kaum aus der Hand legen. Für mich ist es der beste Krimi, den ich bisher in diesem Jahr gelesen habe. Ich freue mich jetzt schon auf den zweiten Band der Reihe!

Bewertung vom 26.06.2021
Heldinnen werden wir dennoch sein
Wünsche, Christiane

Heldinnen werden wir dennoch sein


sehr gut

Susi, Ellie, Helma und Ute sind Mitte 50, doch sie kennen sich schon seit ihrer Schulzeit, in der sich die Clique regelmäßig traf. Auch Marie gehörte dazu, doch sie starb vor Jahren bei einem Verkehrsunfall. Ein weiteres wichtiges Mitglied der Clique war der einfühlsame Frankie, den die Mädchen gern um sich hatten, weil er nicht so ein Macho war wie die anderen Jungs in der Klasse. Helma fühlte sich besonders zu Frankie hingezogen, doch es wurde nie mehr zwischen ihr und Frank, denn Frankie war schwul, was den Mädchen entweder nicht bewusst war oder deshalb nicht angesprochen wurde, weil Homosexualität zu der damaligen Zeit noch ein Tabuthema war. Nur Helmas Onkel, der Alkoholiker Jupp, der bei Helma und ihrer Familie lebte, bezeichnete Frankie im Suff als Memme, die endlich beweisen sollte, ein „richtiger Mann“ zu sein.
Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen, der Teenagerzeit der Clique in den 70er und 80er Jahren und der Gegenwart. Damals waren die Probleme, mit denen sich die Freundinnen herumschlugen, Fragen wie „wie finde ich einen Freund?“ oder „wie schaffe ich ein möglichst gutes Abitur?“, im Falle von Helma ging es allerdings um sehr viel tiefgründigere Dinge, denn sie pflegte ihre krebskranke Mutter und musste neben der Schule her noch den Haushalt schmeißen.
Heute sind die Probleme der Frauen ganz anderer Art: finanzielle Sorgen, Scheidung, Fremdgehen des Partners, gesundheitliche Probleme, das Abnabeln der Kinder, usw.
Während sich die Clique früher fast täglich getroffen hat, sind die Verbindungen heute lose und zu Frank, der nach Berlin gezogen ist, ist der Kontakt ganz abgebrochen. Erst mit der Zeit wird klar, dass in der Jugend ein einschneidendes Ereignis stattgefunden hat, das sie alle geprägt hat.
Das Buch befasst sich mit dem Thema was macht eigentlich Freundschaft aus? Wie wichtig sind Ehrlichkeit und Loyalität und führt das Fehlen derselben zwangsläufig zum Bruch? Was muss eine Freundschaft aushalten und was sind absolute no-gos?
Obwohl ich nicht alle Handlungen und Problemlösungen nachvollziehen konnte und mir manches zu glatt lief, hat mir das Buch als Ganzes gefallen. Es ist keine seichte Frauen-Wohlfühllektüre, sondern spricht durchaus ernste Themen und Konflikte an, die zum Nachdenken anregen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.06.2021
Tod in der Arktis / RAVNA Bd.1
Herrmann, Elisabeth

Tod in der Arktis / RAVNA Bd.1


ausgezeichnet

Verbrechen am Polarkreis
Die junge Samin Ravna möchte mit der jahrhundertealten Tradition ihrer Familie, Rentiere zu halten, brechen und stattdessen zur Polizei gehen. Sie sieht darin ihre einzige Chance, aus ihrem kleinen Heimatort Vadso fortzukommen und ein geregeltes Einkommen zu haben.
Zunächst muss sie ein Praktikum an der Polizeistation in Vadso absolvieren. Gleich an ihrem ersten Tag dort wird ein Toter gefunden. Alles deutet darauf hin, dass ein Same der Täter war. Doch als sich herausstellt, dass sich das Mordopfer mit einem Norweger getroffen hatte, der ihm Land abkaufen wollte, ist für die Polizisten schnell ein Schuldiger gefunden. Der hinzugerufene Kommissar aus Kirkenes, Rune Thor, ist froh, den Fall so schnell wie möglich abzuschließen und wieder abzureisen, doch Ravna gibt nicht auf. Woher hätte ein Norweger wissen sollen, dass man einem toten Samen Birkenrinde zusteckt und einen Strich auf den Boden macht? Als sie dann auch noch ein Opfertier findet, ist für sie die Sache klar. Ihre Kollegen sind alles andere als begeistert von Ravnas Alleingängen, doch Rune Thor gefällt ihre Hartnäckigkeit und akzeptiert sie als Partnerin. Gemeinsam versuchen sie, dem wahren Täter auf die Spur zu kommen. Dann geschieht ein zweiter Mord...
Elisabeth Herrmann gelingt es in „Ravna“ sehr gut, die Landschaft am Polarkreis und die ganz besondere Stimmung sowie das Misstrauen und die Konflikte zwischen den Samen und den Norwegern zu beschreiben. Ravna ist eine eigenwillige Protagonistin und auch Rune Thor, der durch eine persönliche Tragödie aus der Bahn geworfen wurde, entspricht ganz und gar nicht dem Bild, das man sich von einem Kommissar macht. Die Geschichte ist sehr vielschichtig und bringt dem Leser die Mythen und Riten der samischen Bevölkerungsgruppe nahe. Für mich war das Buch ein wahrer Pageturner. Ich hoffe sehr, dass es eine Fortsetzung der Geschichte um Ravna und Rune Thor geben wird! Klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 07.05.2021
Jaffa Road
Speck, Daniel

Jaffa Road


sehr gut

Die verschiedenen Leben des Moritz Reincke
Moritz Reincke alias Maurice Sarfati ist tot. Ein Schock für seine Tochter Noelle und seine Enkelin Nina, die von einem Notar davon in Kenntnis gesetzt werden. Beide wussten nicht, wo der Vater bzw. Großvater lebte, war er doch vor Langem aus ihrem Leben verschwunden. In seinem Haus in Sizilien erwartet sie der nächste Schock: sie treffen einen Mann, der nicht nur Moritz’ Arzt, sondern auch sein Sohn war, dessen Mutter in Haifa aufwuchs.

In diesem Episodenroman beschreibt Daniel Speck aus verschiedenen Blickwinkeln den Nahostkonflikt. Juden und Araber lebten als Nachbarn Seite an Seite, bis die Briten beschlossen, das Land willkürlich zu teilen, um den Juden die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Land, Israel, zu gründen. Aus Nachbarn werden Feinde, Menschen werden aus ihren Häusern und ihrer Heimat vertrieben, die Grausamkeit ist schwer zu ertragen. Obwohl mich die minutiöse Recherchearbeit des Autors beeindruckt, hat mich dieser Teil des Romans fast erschlagen angesichts der vielen vielen Details. „Die Husseini, Nashashibi und Khalidi stritten sich um Macht und Posten“ – so genau hätte es für meinen Geschmack nicht sein müssen. Auch die komplizierten Familienverhältnisse in den einzelnen Handlungssträngen – Berlin, Haifa und Jaffa – waren eine Herausforderung. Dass am Ende des Buchs eine Auflistung der wichtigsten Personen enthalten ist, habe ich leider erst relativ spät entdeckt. Wahrscheinlich hätte die Kenntnis von Specks zweitem Roman „Piccola Sicilia“ zum Verständnis beigetragen, dieses Buch habe ich allerdings nicht gelesen.

Die Geschichte ist spannend und gut erzählt, man ist als Leser gespannt, wie die einzelnen Handlungsstränge zusammenhängen. Um das Buch zu genießen, sollte man allerdings unbedingt ein Interesse am Nahostkonflikt und Politik mitbringen. Für meine Begriffe hätte Speck diesen Teil der Ereignisse allerdings etwas kürzen können.

Bewertung vom 03.05.2021
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


weniger gut

Die 33jährige Kim Jiyoung leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. Sie spricht und verhält sich wie ihre Mutter, dann wieder wie eine verstorbene Freundin, wobei sie von Ereignissen erzählt, die sie gar nicht miterlebt hat, ein Umstand, der nicht weiter erklärt wird.
Kim Jiyoung sucht daraufhin einen Psychiater auf, der Kims Werdegang in knappen und emotionslosen Worten schildert. Als mittlere von drei Geschwistern wächst sie in einer Familie auf, in der die Mutter die Fäden in der Hand hält und dafür sorgt, dass die Kinder ein gutes Leben führen können. Trotzdem ist es der wenig erfolgreiche Vater, der sich damit brüstet, wie weit sie es gebracht haben. Die Mutter, eine starke Frau, lässt dies jedoch so nicht stehen und bietet ihm Paroli.
Mit einer starken Mutterfigur vor Augen wundert es mich sehr, dass Kim Jiyoung so unterwürfig und duckmäuserisch durchs Leben geht. Ja, das Leben in Südkorea scheint ausgesprochen sexistisch und frauenfeindlich zu sein. Aber wenn man sich wie Kim Tag für Tag diesem Sexismus unterordnet und nie traut, den Mund aufzumachen und sich zu wehren, wie soll sich dann jemals etwas an der Situation ändern? Als Kim hochschwanger in der U-Bahn beleidigt wird, rennt sie beispielsweise tränenüberströmt davon und geht den restlichen langen Weg zu Fuß nach Hause, anstatt wütend zu werden und sich zu verteidigen. Dieses Verhalten ging mir unheimlich gegen den Strich. Vieles, was in diesem Buch geschildert wird, ist wirklich übel, aber Kims Verhalten ist es auch. Mimimi auf über 200 Seiten!
Es ist kaum vorstellbar, dass die geschilderten Zustände sich auf die jüngste Vergangenheit beziehen sollen. Ist Südkorea in gesellschaftlicher Hinsicht wirklich so rückständig? Zu gern würde ich eine südkoreanische Doktorandin befragen, die ich vor 2 Jahren kennenlernte, zu der ich aber leider den Kontakt verloren habe. Ihre Meinung würde mich wirklich sehr interessieren. Ich erinnere mich, dass sie auf jeden Fall von Deutschland nach Seoul zurückkehren wollte, weil sie sich dort gute Zukunftschancen ausrechnete. Das passt überhaupt nicht zu der im vorliegenden Roman propagierten Darstellung.
Ich hatte die Leseprobe sowie begeisterte Rezensionen gelesen, erwartete also ein interessantes Buch. Leider bin ich sehr enttäuscht. Der Sprachstil ist simpel und erinnert mich an den Schulaufsatz eines Drittklässlers, und leider konnte ich keine Empathie mit der Protagonistin empfinden, da ich mich so über ihre passive Opferrolle geärgert habe. Mir ist es ein Rätsel, wie es dieses Buch geschafft hat, zum „Weltbestseller“ zu werden!