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Benutzername: 
Ingrid von buchsichten.de
Wohnort: 
Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 324 Bewertungen
Bewertung vom 17.02.2022
Vogelgrab
Frasier, Anne

Vogelgrab


sehr gut

„Vogelgrab“ heißt der erste Band einer Dilogie von Anne Frasier, einem „Reni-Fisher-Thriller“. Reni Fisher ist eine von zwei Protagonisten der Geschichte. Sie ist eine FBI-Profilerin, die aber vor drei Jahren ihren Job quittiert hat und nun zurückgezogen am Rand der Mojave-Wüste lebt. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich inzwischen mit der Herstellung und dem Verkauf von Töpfereien.
Noch wichtiger für die Handlung ist allerdings die Tatsache, dass Reni die Tochter des Serienmörders Benjamin Fisher ist, der vor etwa dreißig Jahren gefasst wurde und seitdem im Gefängnis sitzt. In der Bevölkerung ist Benjamin unter dem Namen „Inland-Empire-Killer“ bekannt, weil er seine Taten in dem gleichnamigen Gebiet östlich von Los Angeles in Kalifornien begangen hat. Seine Opfer hat er in der Wüste vergraben, kaum eines der Gräber konnte aufgefunden werden.
Als Benjamin nach langen Jahren und mehreren Aufforderungen endlich bereit ist, mit der Kriminalpolizei zu kooperieren, ist es Detective Daniel Ellis von der Mordkommission San Bernardino der Kontakt aufnimmt, um sich von ihm zu den Grabstellen führen zu lassen. Der Titel spielt auf eine Markierung in Bezug auf einen dieser Orte an. Aber Benjamin stellt die Bedingung, dass seine Tochter Reni dabei sein soll.
Reni kämpft seit ihrer Kindheit mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, denn ihr Vater hat sie immer zum „Spiel“ mit den Frauen mitgenommen und sie diente ihm in ihrer Rolle als arglos wirkendes Mädchen als Köder. Sie leidet darunter, dass ihre Erinnerungen verschwommen sind. Nachdem sie sich auf Anfrage von Daniel dazu bereit erklärt hat, dem Wunsch ihres Vaters zu folgen, beginnt für sie die von ihr bereits erwartete Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit. Sie weiß bis dahin noch nicht, dass Daniel nicht uneigennützig an der Aufklärung der Morde handelt.
Die Inhaltsangabe spiegelt nur in Ansätzen wieder, was mich als Leserin im Thriller erwartete. Schon nach etwa einem Drittel der Geschichte kommt es zu einem vermeintlichen Abschluss, der sich dann aber als Beginn einer Suche herausstellte, die für die beiden Protagonisten eine entscheidende Wende im Fall darstellt. Immer wieder blendet Anne Frasier in Kapiteln auf die Vergangenheit von Reni und Daniel. Auf diese Weise wurde mir mehr und mehr bewusst gemacht, welche Motive die beiden in der Gegenwart bei ihren Ermittlungen antreiben.
Reni setzt sich mit Schuldgefühlen auseinander. Der Autorin gelingt es, ihren inneren Zwiespalt darzustellen, denn einerseits kann Reni ihre Mitwirkung an den Verbrechen nicht verwinden und andererseits hat sie als Kind ihren Vater sehr gern gehabt. Auch zu ihrer Mutter hat sie bis in die Gegenwart ein konfliktreiches Verhältnis. Während sie ihre Erinnerungen reflektiert und an das bisher Bewährte festhalten möchte, bekommt ihre Lebenswelt, die ihr in einem gewissen Rahmen Stabilität gegeben hat, mehr und mehr Risse.
Die Beschreibungen von Anne Frasier lassen das beklemmende Umfeld der Wüste aufleben. Durch die wandelbare Gestaltung ihrer Figuren ist es der Autorin möglich, der Erzählung immer wieder neue Wendungen zu geben. Die Spannung wurde von Beginn an gesteigert und konnte den Spannungsbogen halten. Mehrmals wurde ich überrascht durch die Richtungsänderungen der Handlung. Jedoch empfand ich den Schluss als überzogen und zu aufgesetzt. Hier wäre nach meiner Meinung, weniger mehr gewesen.
Anne Frasier hat mit „Vogelgrab“ einen Thriller mit steigender Spannung aufgrund interessanter Charaktere und unvorhersehbaren Geschehens geschrieben, wobei mir das Ende zu übertrieben war. Es bleiben einige Fragen offen, die vermutlich im zweiten Band der Dilogie geklärt werden. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende von Thrillern weiter.

Bewertung vom 14.02.2022
Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar / Mord ist Potts' Hobby Bd.1
Thorogood, Robert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar / Mord ist Potts' Hobby Bd.1


ausgezeichnet

Das Buch „Mrs Potts‘ Mordclub und der tote Nachbar“ von Robert Thorogood ist der erste Band einer Kriminalserie bei der es sich drei sehr unterschiedliche Frauen aus dem englischen Marlow zur Aufgabe gemacht haben, Verbrechen aufzuklären. Zu diesem Zweck gründen sie einen Club. Im vorliegenden Roman erfuhr ich wie es dazu gekommen ist. Alles begann mit dem Mord an einem Nachbarn von Judith Potts, die zu den drei selbsternannten Ermittlerinnen gehört.

Judith ist 77 Jahre alt und schon seit langer Zeit verwitwet. Sie hat von ihrer verstorbenen Großtante Betty ein altes Herrenhaus geerbt, das direkt an der Themse liegt. Immer noch fertigt sie für überregionale Zeitungen Kreuzworträtsel an bei denen man um die Ecke denken muss. Um sich körperlich fit zu halten nimmt sie jeden Tag ein Bad im Fluss. Dabei hört sie eines Tages vom gegenüberliegenden Grundstück einen verstörenden Ausruf. Es lässt ihr keine Ruhe dem Gehörten nachzugehen und tatsächlich findet sie ihren Nachbarn Stefan tot auf.
Weil die Kriminalpolizei nicht an einen Mord glaubt, begibt Judith sich selbst auf Spurensuche. Bei ihren Ermittlungen trifft sie zunächst auf Becks Starling, die Frau des Pfarrers und später dann auf Suzie Harris, die den Hund eines späteren ermordeten Opfers ausführt. Es scheint zwischen den Verbrechen keine Zusammenhänge zu geben. Die Getöteten kannten sich nicht und ein Motiv ist nicht auszumachen. Lediglich die Art und Weise und ein jeweils am Tatort aufgefundenes Medaillon deuten auf eine Verbindung hin.

Robert Thorogood gewann meine Aufmerksamkeit von der ersten Seite an. Judith Potts hat als Figur einige Marotten zu bieten. Während Becks einen aufgeräumten Haushalt liebt in dem sie es versteht köstliche Gerichte zuzubereiten, bemisst Judith Mahlzeiten keinen großen Wert bei, trinkt zur Anregung ihres Denkvermögens gern einen Scotch und räumt nur selten im Haus auf. Im Leben von Suzie nehmen Hunde, die sie für andere betreut, eine große Rolle ein sowohl zeitlich gesehen wie auch räumlich. Allen gemeinsam ist der Sinn für Gerechtigkeit und die Neugier daran, warum und wieso in ihrer Heimatstadt Menschen ermordet werden.

Von Beginn an habe ich mitgerätselt wie die Taten miteinander verknüpft sein könnten. Dazu legte der Autor Fährten aus, von denen sich einige als falsch erwiesen. Lange schien es so, als ob die perfekten Untaten geschehen wären, die nicht aufzuklären sind. Teils erinnerte mich der Handlungsablauf an die Kriminalromane von Agatha Christie mit Miss Marple als Ermittlerin. Allerdings stellt Robert Thorogood seine Geschichte in einen modernen Rahmen, denn der Mordclub bedient sich bei seiner Arbeit gerne den Sozialen Medien.

Auf dem Cover des Buchs ist idyllisch eine Straße mit Häusern abgebildet wie sie in England vorzufinden sind. Ich stellte mir vor, dass in einem von ihnen Judith Potts lebt. Überhaupt vermittelte mir der Autor ein anschauliches Bild des real existierenden kleinen hübschen Städtchens Marlow, das westlich von London liegt. Die Beschreibungen reizten mich dazu, mehr über den Ort im Internet zu recherchieren.

Entsprechend einem klassischen Kriminalroman brachte Robert Thorogood mich mit seiner Erzählung „Mrs Potts‘ Mordclub und der tote Nachbar“ dazu an der Seite der drei charakterlich verschiedenen Ermittlerinnen das spannende Rätsel zu lösen, wer die beschriebenen Morde ausgeführt hat, welches Motiv dabei eine Rolle spielte und wie der Hergang der Taten war. Er führt die kriminelle Geschichte zu einem Höhepunkt an dem die Ermittlerinnen in große Gefahr geraten. Mich konnten die Figuren bis in die Nebenrollen hinein überzeugen und ich fühlte mich bestens unterhalten. Darum empfehle ich das Buch gerne an Krimilesende weiter und freue mich auf die Fortsetzung.

Bewertung vom 08.02.2022
Grabesstern / Heloise Kaldan Bd.3
Hancock, Anne Mette

Grabesstern / Heloise Kaldan Bd.3


sehr gut

Der Thriller „Grabesstern“ der Dänin Anne Mette Hancock ist der dritte Band einer Serie, in der Kommissar Erik Schäfer von der Mordkommission Kopenhagen und die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan ermitteln. Für die Tageszeitung, bei der Heloise angestellt ist, recherchiert sie momentan zu einem Artikel über Sterbebegleitung. Um ihren Bericht authentisch zu gestalten, hat sie sich an eine Gruppe Sterbebegleiter gewendet, die sie im Fall Jan Fischhof nun unterstützt. Schon bald wird er zu den Sternen gehen.
Eines Tages äußert sich der Sterbenskranke ihr gegenüber mit rätselhaften Worten. Er scheint vor etwas Angst zu haben, das in seiner Vergangenheit begründet liegt. Ein Name fällt. Heloise setzt alle Hebel in Bewegung, um die Person zu finden, von der Jan gesprochen hat. Ihre Suche führt sie nach Jütland. Dort findet sie heraus, dass die genannte Person bei dem Brand eines Boots ums Leben gekommen ist.
Außerdem führt ihre Recherche sie zu einem mehr als zwanzig Jahre zurückliegenden Fall eines verschwundenen Mädchens. Doch bei Befragungen im Umfeld des Mädchens trifft Heloise in bestimmten Punkten auf eine Mauer des Schweigens. Lange rätselt sie, welche Rolle Jan im Entführungsfall spielt.
Heloise wendet sich an Erik Schäfer, um an kritische Daten zu kommen. Nur widerwillig folgt er ihrer Anfrage und bittet einen alten Bekannten um Hilfe. Der bevorstehende Tod von Jan Fischhof lässt Heloise unter Zeitdruck stehen. Die Aufklärung der Taten, denen die Journalistin nachgeht, eilt daher nur in Bezug darauf, ob Jan zu den Ermittlungen beitragen kann, denn sie liegen schon sehr lange zurück. Zwar erinnern die in Jütland Befragten sich noch ganz gut an die damaligen Geschehnisse, die betroffenen Familien haben auch weiterhin ein Interesse an der Aufklärung, aber allgemein hat man sich mit der Lage abgefunden. Heloise trifft auf Erstaunen darüber, dass jemand Erkundungen zu dem alten Fall anstellt.
Es gelingt Anne Mette Hancock wieder ein spannender Aufbau mit unterschwelliger Spannung von Beginn an. Auch diesmal konnte ich am Privatleben der beiden Protagonisten, bei dem Heloise eine frühere Liebe wiedertrifft, teilhaben. Die Autorin deutet immer wieder gefühlsmäßige Verletzungen an, die die Journalistin früher erfahren hat und über die ich in den ersten beiden Teilen lesen konnte. Es ist angenehm von der vertrauensvollen, von Respekt geprägten Zusammenarbeit des Ermittlergespanns zu lesen.
Anne Mette Hancock führt die Ermittlungen zu einer unverhofften Wende am Schluss, die mich zwar überrascht, aber auch verwundert hat. Heloise hat anscheinend aus einem alten Foto nicht das jetzige Aussehen der Person ableiten können. Ich finde es außerdem eher unwahrscheinlich, dass der tiefe Biss eines aggressiven Hunds nach der erfolgten Schilderung mit schwerem Schaden keine weiteren Auswirkungen auf die Bewegungsfähigkeit des Angegriffenen haben soll, was ich schon aufgrund einer Attacke auf eine Bekannte in der Folge anders erlebt habe.
„Grabesstern“ von Anne Mette Hancock ist mitreißend konstruiert und hält die Spannung durchgehend durch unvorhersehbare Wendungen und der Klärung der über allem stehenden Frage nach der Verwicklung in die lange zurückliegenden Verbrechen eines durch die Protagonistin beim Sterben Begleiteten, was mich aber nicht ganz überzeugen konnte. Gerne empfehle ich das Buch an alle Fans der Serie rund um Heloise Kaldan und Erik Schäfer und jeden Leser und jede Leserin von Thrillern weiter.

Bewertung vom 06.02.2022
Unser kostbares Leben
Fuchs, Katharina

Unser kostbares Leben


sehr gut

Der Roman „Unser kostbares Leben“ von Katharina Fuchs spielt in den 1970er und 1980er Jahren in Hessen in Mainheim. Der Name ist fiktiv, entspricht aber in der Realität einer ähnlichen Kleinstadt in der Nähe von Frankfurt am Main. Im Titel spiegelt sich wider wie wertvoll unsere Existenz ist und wie wichtig es daher ist, alles dafür zu tun, damit Menschen, Flora und Fauna so geringen Schaden wie möglich nehmen. Die drei jungen Frauen auf dem Cover versinnbildlichen die drei Protagonistinnen der Geschichte.

Caro und Minka sind zwei der Hauptfiguren. Im Jahr 1972 sind beide zehn Jahre alt und beste Freundinnen. Caro ist die Tochter des Direktors der Schokoladenfabrik vor Ort, während Minkas Vater Bürgermeister von Mainheim ist. Als einer ihrer Klassenkameraden im nahegelegenen Schwimmbad verunglückt wird das Geschehen zu einer gesellschaftspolitischen Angelegenheit, die weitreichende Auswirkungen auf die führenden Kräfte der Kleinstadt und den von ihnen geleiteten Institutionen und Unternehmen hat. Zur gleichen Zeit trifft das vietnamesische Flüchtlingskind Claire im städtischen Kinderheim ein. Sie ist die dritte Protagonistin, genauso alt wie Caro und Minka und wird zu einem späteren Zeitpunkt von Caros Eltern adoptiert.

Die Erzählung trägt autobiographische Züge, denn das Leben der Autorin hat Ähnlichkeiten mit dem von Caro. Dadurch wirkten die Schilderungen auf mich besonders realistisch und ich konnte spüren, wie sehr Katharina Fuchs die von ihr für den Roman gewählten Themen am Herzen liegen, die sie teilweise seit ihrer Jugend beschäftigen wie beispielsweise Umweltverschmutzung und Tierversuche. Des Weiteren thematisiert sie in der Geschichte auch Arzneimittelstudien am Menschen. Was uns heute als verwerflich vorkommt, wurde damals nicht angezweifelt und oft als notwendig für den Fortschritt angesehen. Während die Beschreibungen auf Fakten beruhen, nimmt die Autorin sich die Freiheit einige Ereignisse zeitlich anzupassen, was den Roman noch bewegender gestaltet.

In ihren Beschreibungen vermittelte die Autorin mir als Leserin ein umfassendes Bild der Landschaft im Umfeld von Mainheim sowie als Gegenpol dazu die zunehmende Versiegelung der Kleinstadt durch die Ansiedlung weiterer Industrie und dem durch die steigende Arbeitnehmerzahl bedingten Bau von Wohngebieten. Ohne den technischen Standards von heute konnte man die Windrichtung am wechselnden Geruch erkennen, der in der Luft hing. Der Roman ist geschickt so konstruiert, dass sie im weiteren Verlauf immer dringlicher den Handlungsbedarf der Verantwortlichen aufzeigt. Dazu benötigt die Geschichte eine Anlaufzeit mit einigen Längen bis sie sich entfaltet und sich letztlich die Begebenheiten verschärfen.

In den Kapiteln des Romans stellt Katharina Fuchs unterschiedliche Figuren in den Fokus. Dadurch entsteht ein größeres Meinungsbild zu den verschiedenen Themen als bei einer Beschränkung auf die drei Protagonistinnen möglich wäre, von denen vor allem Minka sich schon früh beginnt politisch zu engagieren. Den Auffassungen der jungen Frauen gegenüber stellt die Autorin althergebrachte Ansichten der älteren Generation. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich die Darstellung als realistisch bestätigen.

Katharina Fuchs hat mit „Unser kostbares Leben“ einen Coming-Of-Age-Roman geschrieben, der authentisch die Jugend und Adoleszenzzeit von drei Mädchen beschreibt, die in einem Umfeld in den 1970er und 1980er Jahren aufwachsen, das geprägt ist von Seilschaften, die im Rahmen des Goodwill für Umweltzerstörung, Tierleid und menschenverachtendes Verhalten sorgen. Gleichzeitig stellt sie das wachsende Aufbegehren in der Bevölkerung gegen die Mangelzustände mit Zusammenschlüssen in Aktionsgruppen und entsprechenden Handlungen dar. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 24.01.2022
Das Therapiezimmer
Molloy, Aimee

Das Therapiezimmer


sehr gut

„Das Therapiezimmer“ im gleichnamigen Thriller der US-Amerikanerin Aimee Molloy ist anders als nach dem Cover zu vermuten wäre, mit hochwertigen Möbeln eingerichtet. Weil der Psychotherapeut Dr. Sam Statler eine höhere Geldsumme erwartet, investiert er schon vorab in schöne, aber auch teure Dinge zu denen auch ein Sessel für seine Praxis gehört, die er vor kurzem erst neu angemietet hat. Er ahnt nicht, dass die Therapiestunden mit seinen Patienten von Jemandem belauscht werden, der nicht dazu berechtigt ist.

Um die Spannung von Beginn an aufzubauen, erzählt die Autorin im Prolog, dass Sam in einer Unwetternacht verschwunden ist. Danach folgt der erste von drei Buchabschnitten. Im Wechsel wird die Geschichte von einem allwissenden Erzählenden geschildert und einer unbenannten Figur, die aus der Ich-Perspektive heraus vom Geschehen berichtet.

Sam ist erst seit kurzem verheiratet und gemeinsam mit seiner Frau Annie in seine Heimat gezogen, die einige Kilometer entfernt von New York, wo die beiden bisher lebten, liegt. Dadurch ist er auch in der Nähe seiner dementen Mutter, die er dort im Pflegeheim untergebracht hat. In dem kleinen Ort hat er Praxisräume nach seiner Vorstellung gefunden. Die Anzahl seiner Patienten wächst und es bleibt dem jungen Glück genügend Zeit ihrem ganz persönlichen Spiel nachzukommen, bei der Annie sich eine Rolle mit amouröser Umsetzung ausdenkt. Dazu gibt Aimee Molloy im ersten Teil einige Beispiele.

Der Ich-Erzählende findet durch Zufall eine Möglichkeit, die Therapiegespräche zu belauschen. Während er zuhört bildet sich in seinen Gedanken jeweils ein Bild vom Patienten, den er nicht sehen kann. Bei mir bildete sich dagegen beim Lesen des ersten Buchabschnitts eine Vorstellung dieser Hauptfigur, was von der Autorin beabsichtigt ist, denn dadurch entsteht ein Katz- und Maus-Spiel mit dem Lesenden in Bezug auf die Identität der Person. Erst im zweiten und dritten Teil konnte ich mehr zu diesem Charakter erfahren und allmählich fügten sich wie bei einem Puzzle die erhaltenen Informationen zu einem Ganzen.

Obwohl der Einstieg in den Thriller verwirrend war, hat er mich doch bestens unterhalten. Die Spannungskurve blieb durch unerwartete Wendungen hoch, zunächst durch das Aufdecken der Persönlichkeit des Ich-Erzählenden und später aufgrund der Suche nach Sam, dessen Aufenthaltsort ich als Leserin früh erfuhr und daher mitfiebern konnte, ob er gefunden wird. Das Motiv für seine Entführung konnte mich allerdings nicht ganz überzeugen.

Aimee Molloy legt in ihrem Thriller „Das Therapiezimmer“ falsche Fähren aus, um den Lesenden in mehrfacher Sicht zu täuschen. Dank ihrer geschickten Konstruktion mit einigen überraschenden Handlungsabläufen blieb die Geschichte durchgehend auf einem hohen Spannungsniveau. Es war fesselnd der Entwicklung zu folgen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 20.01.2022
Die Stunde der Frauen / Fräulein Gold Bd.4
Stern, Anne

Die Stunde der Frauen / Fräulein Gold Bd.4


ausgezeichnet

Der vierte Band der Serie rund um die Hebamme Hulda Gold „Fräulein Gold – Die Stunde der Frauen“ von Anne Stern spielt im historischen Berlin im September und Oktober des Jahrs 1925. Wichtige politische und kulturelle Ereignisse arbeitet die Autorin in die Erzählung ein. Obwohl ich alle Teile kenne, denke ich, dass man das Buch problemlos auch ohne Vorkenntnisse der anderen Ausgaben lesen kann. Im Mittelpunkt stehen diesmal die Probleme von Frauen, die schwanger sind und über die Zukunft ihres Babys entscheiden müssen, denn nicht immer kommt die Schwangerschaft erwünscht oder zur passenden Zeit.
Hulda Gold ist inzwischen leitende Hebamme der Frauenklinik Mitte. In der vorderen Klappe des Buchs findet sich eine Karte von Berlin zur damaligen Zeit auf der einige Handlungsorten des Romans eingezeichnet sind. Die Karte enthält oben links eine Vergrößerung, die einen Ausschnitt Berlins zeigt. In diesem Gebiet wird sich eine Tragödie abspielen, die für die Protagonistin große Bedeutung hat.
Der Prolog wirft, wie bei allen Hulda Gold Romanen ein Rätsel auf. Er spielt 1869 und nimmt Bezug auf eine Liebesgeschichte, die später zu einem Verbrechen in betuchten Kreisen führt. In dieser gut situierten Schicht verkehrt Hulda neuerdings aufgrund ihrer Liaison mit dem jungen Arzt Johann Wenckow. Doch immer noch kann sie ihre langjährige Beziehung zu Karl nicht ganz vergessen. Als Leserin erfuhr ich, welchen Weg im Leben er inzwischen gewählt hat.
Zwar wird Johann von Hulda zu bestimmten Aktivitäten, zu seinen Eltern oder Freunden begleitet, doch ihr gefällt der Umgangston in der oberen Gesellschaftsschicht nicht. Stattdessen fühlt sie sich in Schöneberg wohl, wo sie seit vielen Jahren zur Untermiete wohnt. In ihrem Beruf ist es ihr gleich, aus welchen Kreisen die Frauen kommen, denen sie bei der Entbindung hilft. Die Hebamme erkennt, dass Geld allein nicht glücklich macht, wenn man sich stattdessen in einer Rolle voller Konventionen und Erwartungen zu bewegen hat.
Als leitende Angestellte hat Hulda sich einige Privilegien erarbeitet. Durch das Vertrauen, dass die Ärzte in sie haben, darf sie manchmal bestimmte Verrichtungen in Eigenverantwortung übernehmen. Sie ist immer auf dem neuesten Stand und probiert gerne mal Geburtstechniken aus von denen sie gehört oder in ihrer Ausbildung erfahren hat, natürlich immer zum Wohl der Frauen. Darauf ist sie stolz. Sie steht im Widerstreit ihrer Gefühle zwischen Liebe und Beruf, den sie in der Ehe mit Johann aufgeben muss, wenn er es so will.
Immer deutlicher wird ihr die Verzweiflung von Frauen, die aufgrund des § 218 BGB nicht selbst über ihre Schwangerschaft entscheiden können. Anne Stern zeigt beispielhaft auf, dass Frauen auch in anderen Bereich von Entscheidungen abhängig sind, die Männer für sie treffen. Wie im dritten Band tritt das Verbrechen, zu dessen Aufklärung Hulda beiträgt, im Vergleich zur täglichen Arbeit von ihr und den Schilderungen über die Beziehung zu Johann in den Hintergrund.
Im vierten Band der Romanreihe „Fräulein Gold“ von Anne Stern las ich über eine Protagonistin, die im Leben angekommen zu sein scheint, weil sie in ihrem Job Erfüllung findet und in einer festen Beziehung glücklich ist. Doch im Verborgenen ahnt Hulda, dass eine Verbindung zwischen Arbeit und Liebe schwierig sein wird, wenn es zu einer Ehe käme. Die Autorin schildert die Ereignisse realistisch und vorstellbar. Der Schluss wartet mit einer unerwarteten Wendung auf. Gerne empfehle ich auch diesen Teil der Serie an Lesende historischer Romane.

Bewertung vom 19.01.2022
Perfect Day
Hausmann, Romy

Perfect Day


ausgezeichnet

Im Thriller „Perfect Day“ von Romy Hausmann stehen in mehrfacher Hinsicht Gefühle im Mittelpunkt. Sie sind es auch die die Protagonistin Ann nicht ruhen lassen und antreiben, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Die Musik des Songs „Perfect Day“, gesungen von Lou Reed und veröffentlicht 1972, löst bei Ann Erinnerungen an einen schönen Sommertag vor 17 Jahren aus. Doch der Text sorgt bei ihr durch die letzten Liedzeilen für Furcht.
Es ist Heiligabend im Jahr 2017 als die Welt für Ann zusammenbricht. Wie aus dem Nichts steht ein Einsatzkommando der Polizei anstelle des erwarteten Pizzaboten vor der Tür und verhaftet ihren Vater, einen angesehenen Professor der Philosophie und Anthropologie. Er wird angeklagt, in den vergangenen Jahren fast jährlich ein kleines Mädchen ermordet zu haben, immer auf die gleiche Weise. Die 24-jährige Germanistikstudentin Ann, die in Berlin lebt, kann das nicht glauben, denn ihr Vater hat sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter immer gut um sie gekümmert. Bei ihm fühlt sie sich geborgen, er ist für sie ihr Zuhause.
In ihrem Thriller verarbeitet die Autorin die verschiedensten Emotionen, die Ann bei ihrer Suche nach Beweisen erfährt. Es ist ein Wechselbad der Gefühle für die Protagonistin. Neben der Liebe zu ihrem Vater vermischen sich Wut über seine Verhaftung, Trauer über ihre Hilflosigkeit und Angst vor der Wahrheit. In ihren Gedanken kehrt Ann häufiger zu schönen, aber auch manchen verstörenden Erinnerungen zurück.
Neben den von Ann erzählten Ereignissen im Jahr 2017 fügt Romy Hausmann Abschnitte ein, die mit „Wir“ überschrieben sind und von einer unbekannten Figur erzählt werden, die offensichtlich ein Kind in ihrer Gewalt hat. Eine zeitliche Einordnung ist schwierig. Diese Einfügungen steigern die Spannung nochmals. Für eine Anhebung der Spannungskurve sorgen außerdem Einschübe, die im Jahr 2021 spielen und offensichtlich ein Verhör des Täters darstellen. Beide Einschiebsel lassen völlig offen, ob Anns Unschuldsvermutung über ihren Vater richtig ist und sorgen für einen Lesesog.
Gelegentlich gaukelte die Autorin mir eine Scheinwelt vor, in die sich Ann aufgrund ihrer aufgewühlten Stimmung begibt. Ihre Vorstellungen waren erschreckend. Ich war erleichtert, darüber zu lesen, dass Ann bei ihren Ermittlungen nicht ganz auf sich allein gestellt ist. Denn als Tochter eines vermutlichen Mörders erfährt sie zunächst, dass sich Freunde und Bekannte von ihr abwenden. Bald stellt sich heraus, dass es gefährlich sein kann, Ann zu unterstützen. Romy Hausmann hat dazu einige überraschende Wendungen eingebunden.
Von Beginn an ist es schwierig zu entscheiden, ob man den Vater von Ann für schuldig hält oder nicht und das ist selbstverständlich ganz im Sinne der Autorin. „Perfect Day“ von Romy Hausmann baut zunehmend Spannung auf und hält sie bis zum Schluss, auch durch den besonderen Schreibstil und unerwartete Entwicklungen. Sehr gerne empfehle ich den Thriller weiter.

Bewertung vom 11.01.2022
Thirteen / Eddie Flynn Bd.4
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4


ausgezeichnet

Der Thriller „Th1rt3en“ von Steve Cavanagh ist Teil einer Serie rund um den Ermittler Eddie Flynn, einem in New York lebenden Strafverteidiger. Ich kannte bisher noch keinen Band der Reihe. An entsprechenden Stellen im Buch gab es kurze Hinweise auf das, was Flynn früher erlebt hat, so dass ich die Geschichte problemlos ohne Vorkenntnisse lesen konnte. Das Cover lädt den Lesenden dazu ein, auf einem der Jurystühle Platz zu nehmen und sich ein eigenes Urteil durch die Beweisführung der Anklage und der Verteidigung zu bilden. Gleichzeitig verdeutlicht der rote Sitz, dass der Täter in der Jury sitzt, wie es im Untertitel steht. Allerdings gehören zu einer Geschworenenjury in New York zwölf Personen. Der Mörder ist im vorliegenden Fall die Nummer 13 und dadurch titelgebend. Sein Motiv, warum er sich unbedingt einen Platz in der Jury verschafft und nicht nur zur Reserve, sondern unter den Urteilenden sein will, steht im Fokus des Thrillers.

Eddie Flynn erzählt seinen Alltag in der Ich-Perspektive. Mit einfallsreichen Methoden versucht er Verbrechen aufzuklären, die seinen Mandanten angehängt werden. Dabei widerlegt er oft die Aussagen der Polizisten, die die Tat vor Ort aufgenommen haben. Flynn weiß, dass einige von ihnen korrupt sind und sich durch ihre Angaben erhoffen, eigene Vorteile beim Straffälligen verschaffen zu können. Dadurch hat er sich bei einem Teil von ihnen unbeliebt gemacht, was sich auch auf seine aktuellen Ermittlungen auswirkt.

In die Rolle des Strafverteidigers im Fall des Angeklagten Robert Solomon gerät Flynn eher zufällig. Solomon ist ein bekannter Schauspieler und steht unter Verdacht, seine ebenfalls prominente Frau und deren Bodyguard ermordet zu haben. Als Flynns vertragliche Verpflichtung zur Mitwirkung beim Mandat aufgehoben wird, entscheidet er sich dennoch für die Weiterführung der Rechtsvertretung, denn zu seiner Maxime gehört es, einem Angeklagten beizustehen, wenn er von dessen Unschuld überzeugt ist.

Die Kapitel, die Flynn erzählt, wechseln sich mit solchen ab, in denen Joshua Kane im Mittelpunkt steht und die aus einer allwissenden Perspektive geschildert werden. Bereits im Prolog las ich vom zielgerichteten Vorgehen des Mörders, der ohne Bedenken grausige Verbrechen begeht. Wochen und Monate hat er mit der Umsetzung seiner raffinierten Planungen zugebracht, die ihm einen Platz in der Jury beim Prozess gegen Solomon einbringen sollen. Der Beweggrund für Kanes Handeln stand von Beginn an als großes Fragezeichen im Raum.

Als Leserin vermittelte Steve Cavanagh mir geschickt die Indizien zum Fall Solomon, indem er mich an die Seite seiner Serienfigur stellte, der erst kurz vor Prozessbeginn hinzugezogen wird und sich nun ein eigenes Bild der Faktenlage machen muss. Parallel dazu entstand für mich ein Bild von Joshua Kane als skrupelloser Täter, der unentdeckt bleiben will und dennoch eine blutige Spur hinterlässt. Die Beweislage spricht gegen Solomon, der ein Geheimnis zu hüten scheint. Dennoch war mir Kane suspekt, so dass ich eine Wende erwartete. Ich wurde nicht enttäuscht.

Die Spannung im Thriller „Th1rt3en“ von Steve Cavanagh nahm von Beginn an immer mehr an Fahrt auf und überraschte mich mit ständigen neuen Wendungen. Die Aufklärung des Verbrechens erfolgt durch das clevere, manchmal unkonventionelle Vorgehen des scharfsinnigen Strafverteidigers Eddi Flynn. Erst zum Ende hin wird das Motiv aufgedeckt und es zeigt sich das ganze Ausmaß der Taten des Mörders, was mich nach den bis dahin schon packenden Ereignissen noch einmal beeindruckte und zu einem glänzenden Abschluss führte. Das Buch ist aufgrund der durchgehend hohen Spannung ein Must-Read für jeden Thriller-Fan und daher empfehle ich es gerne weiter.

Bewertung vom 09.01.2022
Playlist
Fitzek, Sebastian

Playlist


sehr gut

Der Titel des Psychothrillers „Playlist“ von Sebastian Fitzek nimmt Bezug auf eine Liste mit Audiodateien, die das Opfer eines Entführers zusammengestellt hat. Sie spielt im weiteren Verlauf eine wichtige Rolle. Das Cover des Buchs ist dazu passend und ansprechend gestaltet, der Eyecatcher in der Mitte zieht Blicke auf sich. Die Inhaltsangabe wurde kurz und knapp gehalten und macht neugierig darauf, wie Text und Songs zusammenhängen.

Die 15-jährige Feline Jagow wurde vor einigen Wochen entführt. Ihre Mutter Emilia, die das Verhalten ihres Mannes in einer bestimmten Situation merkwürdig vorkommt, wendet sich an den privaten Ermittler und ehemaligen Polizeireporter Alexander Zorbach. Alina Gregoriev, die Physiotherapeutin ihrer Tochter, hat ihr Zorbach empfohlen. Fans des Autors erinnern sich spätestens bei der Kombination der Namen Zorbach und Gregoriev an die beiden Thriller „Der Augensammler“ und „Der Augenjäger“, bei denen die beiden gemeinsam ermittelt haben. Ich kenne die beiden Bücher auch, konnte mich aber kaum an deren Inhalt erinnern. Sebastian Fitzek lässt an geeigneten Stellen entsprechende Informationen über die vergangenen Ermittlungen einfließen, so dass das Lesen ohne Verständnisprobleme möglich ist.

Zorbach und Gregoriev erkennen im weiteren Verlauf der Geschichte ein ähnliches Muster im Vorgehen des Entführers wie sie der Augensammler damals angewendet hat. Es sind kaum Spuren vorhanden, die zu Feline führen könnten. Einzig eine Playlist bei einem Musikdienst könnte ein Hinweis sein, denn sie wurde noch vor Kurzem geändert. Die beiden klammern sich an die Hoffnung, dass Feline ihnen damit eine Nachricht zukommen lassen will. Ihnen ist klar, dass eventuell das Leben des jungen Mädchens davon abhängt, wie schnell sie die Liste gedeutet haben.

Sebastian Fitzek hat auf einzigartige Weise Songs, die eigens für seinen Thriller von namhaften Künstlern komponiert wurden, mit dem Inhalt verbunden. Man muss jedoch nicht unbedingt die Lieder hören, um dem Inhalt folgen zu können, denn der Autor zitiert die Auszüge aus den Texten, die für die Handlung relevant sind. Dennoch finde ich es eine großartige Idee, die beiden Medien miteinander unmittelbar zu verknüpfen und das Hören beim Lesen sorgt für eine gewisse Atmosphäre durch schnelle Beats oder ruhigere Klänge.

Die Entschlüsselung der Playlist ist stark konstruiert, bringt aber die Ermittlungen weiter. Es gelingt Sebastian Fitzek, Fährten zu Tatverdächtigen zu legen, die nicht nur Zorbach und Gregoriev sondern auch den Lesenden täuschen und für weitere Spannung sorgen. Während das Ermittlerduo kooperiert, obwohl Gregoriev sich nur widerwillig auf eine Zusammenarbeit einlässt, wählt Emilia eine alleinige, eigenwillige Vorgehensweise, um Feline näher zu kommen. Dabei greift der Autor zu Mitteln, die eher unrealistisch sind, aber die Spannung hochhalten und zu weiteren Verwicklungen führen. Es sind Beschreibungen von grausamen Taten beinhaltet, die meist schon geschehen sind, weswegen ich den Thriller nicht für empfindsame Lesende geeignet finde.

Mit „Playlist“ gelingt es Sebastian Fitzek erneut, den Lesenden spannend zu unterhalten. Von Beginn an baut er Spannung auf und hält sie bis zum Ende. Durch eine geschickte Konstruktion, die zwar manchmal an der Wirklichkeit vorbei geht, aber dennoch im Bereich des Möglichen liegt, kommt es zu zahlreichen Wendungen, die mich als Leserin überraschten. Im Vergleich gesehen halte ich „Playlist“ nicht für den besten Thriller des Autors, aber er hat mir besser als das Buch „Der Heimweg“ gefallen, das ich von ihm gelesen habe. Definitiv ein Must-Read für diejenigen, die den Fall des „Augensammlers“ verfolgt haben, ein Muss für Fitzek-Fans und eine Empfehlung an alle Thrillerfreunde.

Bewertung vom 03.01.2022
Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2


ausgezeichnet

Der Roman „Das Leben, ein großer Rausch“ von Helene Sommerfeld ist der zweite Teil der Trilogie „Polizeiärztin Magda Fuchs“. Es ist das Jahr 1922. Die 31 Jahre alte Magda lebt inzwischen seit zwei Jahren in Berlin. Sie hat die gynäkologische Praxis des verstorbenen Ehemanns ihrer Pensionswirtin übernommen. Allerdings muss sie die Sprechstunden stark beschränken, weil ihr auch noch ihrer Tätigkeit als Polizeiärztin beim Gesundheitsamt nachgeht

Eines Tages wird die ebenfalls in der Pension eingemietete Doris, die eine Karriere als Schauspielerin anstrebt, im Gewühle des Silvesterballs, von einem Messer schwer verletzt. Magdas Freund Kuno und seine Kollegen vom Kommissariat übernehmen die Ermittlungen und schnell stellt sich heraus, dass der Angriff leider kein Einzelfall war. Unterdessen intensiviert sich das Verhältnis von Celia, der Tochter der Pensionswirtin, zu ihrem betuchten Galan Edgar. Wie in Band eins konnte ich neben den vertrauten Figuren Magda, Doris und Celia ebenfalls über die in der Pension lebende Journalistin Erika, die manchmal eng mit Magda arbeitende Fürsorgerin Ina und die Anwältin Ruth lesen.

Anhand der Schicksale ihrer Figuren zeigt das Berliner Autorenehepaar Licht und Schattenseiten in der Hauptstadt zu Beginn der 1920er Jahre. Einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg freuen sich die Berliner, die es sich leisten können, über Theateraufführungen, Kinofilme und Besuche in Etablissements mit Musik und Tanz. Das Leben erscheint nach den entbehrungsreichen Jahren wie ein Rausch, den es zu genießen gilt. Vor allem Celia und Doris machen gerne davon Gebrauch, wobei sie dabei unterschiedliche Ziele verfolgen. Doris sucht bei den Gelegenheiten nach einem passenden Ehemann, während es für Celia ein Ausdruck ihrer Selbstständigkeit ist. Überhaupt hadert sie mit ihrer Beziehung zu Edgar, der gelegentlich eine schlechte Seite an ihm zeigt. Außerdem möchte sie sich keineswegs erneut in eine Ehe begeben, in der sie nur den Anweisungen ihres Manns zu folgen hat.

Neben dem damals allgemeinen Streben der Frauen nach Gleichberechtigung nimmt das Thema Verhütung im Roman großen Platz ein. Eine Aufklärung der Frauen ist nur in engem Rahmen möglich, weil man ansonsten gegen das Gesetz verstößt. Magda setzt sich vehement gegen Abtreibung ein. Mit ihrer Pensionswirtin, die ihr die Akten in der Praxis führt, gerät sie dabei in Streit. Helene Sommerfeld beleuchtet anhand mehrerer Schicksale verschiedene Seiten des Problems und sorgt jedes Mal bei Magda für eine Auseinandersetzung mit ihrem Gewissen. Es zeigt sich, dass ungewollte Schwangerschaften sowohl bei reichen wie auch armen Familien eine große Sorge sind, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die zunehmende Geldentwertung führt zu immer größerer Armut in der Bevölkerung. Magdas Praxis steht dadurch auf dem Spiel, denn die Kosten sind hoch.

Im Roman „Das Leben, ein großer Rausch“ gelingt es dem Autorenehepaar unter dem Pseudonym Helene Sommerfeld erneut, das Leben in Berlin zu Beginn der 1920er lebendig werden zu lassen. Die Protagonistinnen, die in unterschiedlichen Arbeitsgebieten tätig sind, verfolgen mit Selbstbewusstsein ihre Ziele und überraschen manchmal mit ihren Entscheidungen. Auch der vorliegende zweite Band endet wie der erste mit einem Cliffhanger und macht neugierig auf den abschließenden Teil. Ich fühlte mich von der Geschichte bestens unterhalten und empfehle das Buch daher gerne an Lesende historischer Erzählungen.