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Benutzername: 
westeraccum
Wohnort: 
Sauerland

Bewertungen

Insgesamt 222 Bewertungen
Bewertung vom 10.10.2019
Der Fund
Aichner, Bernhard

Der Fund


ausgezeichnet

Bernhard Aichner ist bekannt für seine hervorragenden Krimis, schon "Bösland" hat mir sehr gut gefallen.
Aber dieses Buch ist ganz anders.
Rita Dalek ist Verkäuferin in einem Supermarkt, sie räumt Ware ein, sitzt an der Kasse und schließt abends den Laden ab. Bis zu dem Tag, an dem sie in einer Bananenkiste aus Südamerika Plastikbeutel mit weißem Pulver findet, eindeutig hochreines Kokain. Statt sich bei der Polizei zu melden, nimmt sie die Kiste mit nach Hause und versteckt sie bei ihrer Freundin Gerda. Doch die Besitzer, ein albanisches Mafiakartell, möchte die Tüten natürlich gern zurück haben. Dann wird Ritas Leiche in einem ausgebrannten Wagen gefunden.
Aichners Erzählweise ist sehr ungewöhnlich und sehr raffiniert. Abwechselnd befragt ein Ermittler, von dem man weder Namen noch Dienstgrad erfährt, Zeugen zu dem Mordfall und dann gibt es Rückblicke auf das Geschehen aus Ritas Sicht. Dadurch hat der Leser unterschiedliche Perspektiven, einmal objektiv über den Autor, dann subjektiv von den Beteiligten. Durch diesen Trick verschieben sich die Sichtweisen wie bei einem Kaleidoskop, immer wieder tauchen neue Facetten auf. Das ist unglaublich geschickt und sehr spannend.
Ein ganz hervorragender Krimi, dessen Spannung bis zur letzten Seite trägt!

Bewertung vom 29.09.2019
Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9
Buchholz, Simone

Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9


sehr gut

Ein Krimi von nur gut 200 Seiten, und trotzdem ist alles drin, was ein wirklich guter Krimi braucht.
Chastity Rileys Kollege Faller wird 65 und hat in die Bar eines schicken Hotels am Hamburger Hafen zu einem Umtrunk geladen. Doch dann stürmen plötzlich bewaffnete Männer die Bar und nehmen die Besucher als Geiseln. Sie haben es auf einen ganz bestimmten Gast abgesehen.
In Rückblicken wird parallel dazu die Geschichte von Henning erzählt, dem übel mitgespielt wurde und der mit der Geiselnahme zu tun hat.
Simone Buchholz ist eindeutig eine ganz hervorragende Krimiautorin, ihr Vorgängerbuch "Mexikoring" bekam den Deutschen Krimipreis.
Auf diesen 200 Seiten spielt sie alle ihre Vorzüge aus: knappe, coole Dialoge, ein spannungsgeladener Aufbau, eine tragfähige Geschichte, glaubwürdige Charaktere.
Deutscher Krimi auf Weltniveau!

Bewertung vom 25.09.2019
Der Verein der Linkshänder
Nesser, Hakan

Der Verein der Linkshänder


sehr gut

Hakan Nessers Romane sind keine Krimis oder Thriller im herkömmlichen Sinne. Ihm geht es immer mehr um das Handeln von Menschen und vor diesem Hintergrund betrachtet er manchmal sehr philosophisch die Abgründe, in die Menschen hineingeraten.
Dieses Buch ist in drei Teile eingeteilt.
Im ersten geht es um den Verein der Linkshänder, Kinder, denen das Schreiben mit der linken Hand in den 1960er Jahren abgewöhnt werden soll und die sich deshalb zusammentun und mehr oder weniger Freunde werden. Vier von ihnen kommen zwanzig Jahre später bei einem Brand ums Leben und einer bleibt verschwunden, der mutmaßliche Mörder. Als 21 Jahre später seine Leiche auftaucht, erweist sich, dass der bekannte Kommissar Van Veteren, der inzwischen im Ruhestand ist, mit seiner These vollkommen falsch gelegen hat. Er versucht nun den wahren Mörder zu finden.
Im zweiten Teil wird die Leiche eines Mannes in Schweden gefunden und es ergibt sich ein Zusammenhang mit dem Club der Linkshänder.
Im dritten Abschnitt finden Kommissar Barbarotti aus Kymlinge und Van Veteren aus Maaardam zusammen und wollen die Fälle gemeinsam lösen.
Immer wieder gibt es Zeitsprünge, denen man aber gut folgen kann, weil Ort und Zeit in der Überschrift angegeben werden.
Nesser beeindruckt mit seinem gut lesbaren und differenzierten Stil und der genauen Charakterisierung dem Menschen. Man kann der Handlung trotz der Zeit- und Ortssprünge gut folgen und alles ist logisch aufgebaut.
Dabei ergibt sich nicht unbedingt Hochspannung, aber man bleibt auf jeden Fall neugierig auf die Lösung.
Wer es nicht zu blutig und grausam mag, ist hier richtig!

Bewertung vom 20.09.2019
Der größte Spaß, den wir je hatten
Lombardo, Claire

Der größte Spaß, den wir je hatten


sehr gut

Marilyn und David sind seit etwa 40 Jahren verheiratet und haben vier erwachsene und sehr unterschiedliche Töchter. In all den gemeinsamen Jahren haben sie Höhen und Tiefen in ihrer Beziehung erlebt und sind sich doch immer in Freundschaft und Liebe verbunden geblieben. Vorbildlich für ihre Töchter!
Die Älteste Wendy ist rebellisch und trinkt nach einigen Schicksalsschlägen zu viel, Violet hat zwei kleine Jungs und dafür ihre Karriere als Anwältin aufgegeben, Liza ist brav und unerwartet schwanger und Nesthäkchen Grace weiß nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll.
Die Eltern kümmern sich ständig und die Töchter und ihre Familien, Kinder bleiben eben Kinder.
Als plötzlich und unerwartet ein 15jähriger Junge auftaucht, den Violet nach seiner Geburt zur Adoption freigegeben hat, ist das eine harte Probe für die Familie. Jonah ist hübsch und cool, aber er hat kein Vertrauen zu den Menschen, weil er in Pflegefamilien und Heimen aufgewachsen ist, nachdem seine Adoptiveltern tödlich verunglückt sind. Nur langsam akzeptiert die Familie ihn und er sie.
Das Buch ist mit über 700 Seiten nicht gerade ein Leichtgewicht, aber man kann es gut und flüssig lesen. In Rückblicken wird immer wieder die langjährige Ehe von David und Marilyn beschrieben, die Geburt der Kinder und ihr Heranwachsen mit allen Sorgen und Problemen. Deshalb ist das Buch ein Familienroman im besten Sinne, manchmal ausschweifend und etwas langatmig, manchmal richtig spannend.
Lombardo erzählt sehr reflektiert und manchmal erscheint mir persönlich diese Selbstbespiegelung etwas zu viel und sehr amerikanisch. Aber insgesamt habe ich das Buch gern gelesen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.09.2019
ATME!
Merchant, Judith

ATME!


weniger gut

Als Niles Freund Ben plötzlich während eines Einkaufsbummels verschwindet, glaubt sie zuerst an einen Unfall oder eine Entführung. Sie sucht überall nach ihm, sogar bei seiner Ex-Frau, die Scheidung steht kurz bevor. Doch nie findet sich eine Spur und dann wird Nile auch noch von Panikattacken heimgesucht und bekommt ihr Leben kaum noch auf die Reihe.
Das ist das dritte Buch in zwei Wochen, bei dem es sich um einen Monolog der Hauptperson handelt, doch es ist eindeutig das schlechteste von den dreien. Da die Situation nur aus Niles Sicht geschildert wird, ist das Buch wenig spannend und es plätschert mit viel Selbstbespiegelung vor sich hin. Alles dreht sich um ihre Befindlichkeiten, endlose Analysen der Situation reihen sich aneinander, ermüdend!
Das Schlimmste ist aber dann der Schluss, da hatte das Buch bei mir endgültig verloren, aber ich will nicht zu viel verraten.
Leider kein Lesevergnügen!

Bewertung vom 17.09.2019
Laufen
Bogdan, Isabel

Laufen


ausgezeichnet

Ich kannte Isabel Bogdans skurriles Buch "Der Pfau", das hat mir sehr gut gefallen.
Nun hat sie ein ganz anderes Werk vorgelegt.
Eine bis zum Schluss namenlose Frau beginnt nach dem Tod ihres langjährigen Lebensgefährten wieder mit dem Laufen. Am Anfang ist es schwierig, sie hält kaum eine kurze Strecke durch, doch dann läuft sie besser.
Das Buch besteht einzig und allein aus dem inneren Monolog der Frau während des Laufens. In langen Sätzen reihen sich Gedanken und Erinnerungen aneinander, dazwischen muss sie (genau wie der Leser) immer wieder auf ihren Atemrhythmus achten: Ein, ein, aus, aus, aus, aus.
Das alles könnte eintönig sein, doch Isabel Bogdan macht ein Kunstwerk aus dieser Geschichte. Nach und nach erfährt man mehr über das Leben des Paares und den Tod des Mannes. Ganz langsam findet die Frau ins Leben zurück, legt "den Friesennerz", der sie symbolisch einengt, ab und wird wieder offen für neue Eindrücke und Gefühle. Trauer, Wut, Schuldgefühle - das ganze Konglomerat an Emotionen nach dem Tod eines geliebten Menschen erlebt man hautnah und sehr realistisch mit. Dabei wird man von dem Buch tief berührt, aber es gleitet nie in Kitsch ab.
Obwohl ich mich nicht für Sport interessiere, hat mir das Buch sehr gut gefallen, denn es ist viel mehr als ein Buch über das Laufen.
Ich finde es unbedingt lesenswert!

Bewertung vom 28.08.2019
Messer / Harry Hole Bd.12
Nesbø, Jo

Messer / Harry Hole Bd.12


ausgezeichnet

Harry Hole ist am Boden. Seine Frau Rakel hat sich von ihm getrennt, seinen Job an der Polizeihochschule hat er verloren, er trinkt wieder. Aus Mitleid beschäftigt ihn die Osloer Polizei als Ermittler für alte Fälle.
Doch dann kommt der Super-Gau: Rakel wird ermordet in ihrem Haus aufgefunden. Hole selbst hat keinerlei Erinnerungen an die Mordnacht, aber an seinen Sachen findet sich Blut. Alles deutet darauf hin, dass der gesuchte Vergewaltiger Svein Finne mit dem Mod zu tun hat, doch Finne gelingt es immer wieder sich herauszuwinden. Hole versucht im nebel das Trauer zu ermitteln, aber immer wieder stürzt er ab.
Das Buch ist harter Stoff und die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Das zerrt ganz schön an den Nerven und ist manchmal unerträglich spannend. Die Lösung des falls ist eine echte Überraschung.
Das Buch ist wie immer bei Nesbo sehr gut geschrieben und logisch aufgebaut.
Unbedingt lesenswert!

Bewertung vom 19.08.2019
Verratenes Land
Iles, Greg

Verratenes Land


ausgezeichnet

Marshall McEwan, der Ich-Erzähler, kehrt nach vielen Jahren in seine kleine Heimatstadt Bienville in Mississippi zurück, um die Mutter bei der Pflege des kranken Vaters zu unterstützen. In Washington war er ein erfolgreicher Journalist und hat sogar den Pulitzer-Preis gewonnen. Nun kümmert er sich um die örtliche Zeitung, die seit Generationen im Besitz seiner Familie ist.
Alles ändert sich, als Marshalls Freund und Ziehvater Buck Ferris tot aus dem Fluss gezogen wird und alles darauf hinweist, dass er ermordet wurde, weil er sich der geplanten Papierfabrik entgegenstellte. Diese wird von den Beherrschern der Stadt, dem Bienville Pokerclub, forciert, denn diese reichen und einflussreichen Männer sehen gute Verdienstmöglichkeiten. Marshall legt sich mit ihnen an und bekommt schnell die Folgen zu spüren, denn sie "halten das Land der Freiheit für ihren von Gott gegebenen Country Club und glauben, die Caddys wüssten nicht mehr, was sie für sich ziemt" (S. 696). Alte Geschichten werden aufgerührt und die Erinnerungen sind vielfach schmerzlich. Alte Freundschaften leben auf und einige zerbrechen.
Das Buch ist mit weit über 800 Seiten kein Leichtgewicht und doch lässt es den Leser über die ganze Länge nicht los. Greg Iles schreibt locker und gut lesbar, geht manchmal bis an die Grenzen des Erträglichen.
Das Buch ist weniger ein Krimi als eine Lebensbeichte, die aber ungeheuer spannend ist. Die Geschichte des Landes, die Kriege in Afghanistan und im Irak, die Macht der reichen Elite, die skrupellos alles und jeden ausbeutet, Korruption, Erpressung, der Einfluss der Medien, das alles ergibt eine ganz faszinierende Mischung, die über die 800 Seiten gut trägt und keinen Moment langweilig ist.
Man kann das Buch auch als Analogie auf Trumps Amerika lesen: Reiche weiße Männer bestimmen die Agenda und richten alles nach dem Nutzen für sie selbst aus, ohne Rücksicht auf Menschen und Natur. Allein der kommerzielle Nutzen für das eigene Bankkonto sind wichtig. Leider ist kein Marshall McEwan in Sicht, der diesem Tun Einhalt gebietet.
Ein ganz hervorragendes Buch!

Bewertung vom 02.08.2019
Die letzte Witwe / Georgia Bd.9
Slaughter, Karin

Die letzte Witwe / Georgia Bd.9


ausgezeichnet

Ich mag zwar die Bücher von Karin Slaughter, aber bisher wurde ich mit der Reihe um Will Trent nicht ganz warm. Das ist bei diesem Buch anders.
Während Will bei den Eltern seiner Freundin Sara Linton den Rasen mäht, geht nicht weit entfernt auf dem Gelände eines Krankenhauskomplexes eine Bombe hoch. Sofort eilen beide zum Tatort, um ihre Hilfe anzubieten. Doch unterwegs werden sie von einem fingierten Unfall gestoppt und Sara wird entführt, denn die Täter brauchen dringend eine Ärztin. Will muss hilflos zusehen.
Alle Zeichen weisen auf eine Neonazigruppe hin, die erreichen will, dass der weiße Mann wieder die ihm angeblich zustehende führende Rolle in der Gesellschaft einnimmt, die ihm angeblich die Frauen und Einwanderer genommen haben.
Während der Polizeiapparat fieberhaft nach den Tätern sucht, entdeckt Sara Schlimmes in dem Camp, in das man sie verschleppt hat, und Will versucht einen Alleingang.
Das Buch beschreibt das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven und immer wieder wird man durch diesen Perspektivenwechsel gebremst, das macht das Buch so ungeheuer spannend. Und endlich kommen auch bei Will mal Gefühle zum Vorschein, in den früheren Büchern erschien er mir eher roboterhaft.
Das aktuelle Thema macht das Buch zusätzlich interessant und lesenswert. Allerdings gibt es auch einige fast unerträgliche Ereignisse, die sicher nicht für zarte Gemüter geeignet sind.
Trotzdem halte ich das Buch für einen der spannendsten Thriller dieses Jahres!

Bewertung vom 24.07.2019
Die geheime Mission des Kardinals
Schami, Rafik

Die geheime Mission des Kardinals


sehr gut

Rafik Schami ist zwischen zwei Welten aufgewachsen, als Sohn syrischer Eltern, der seit 1971 in Deutschland lebt und schreibt. Seine Bücher wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet.
Dieses Buch ist ein Kriminalroman der eher ungewöhnlichen Art.
An die italienische Botschaft in Damaskus wird ein Fass mit Olivenöl geliefert, das aber auch die Leiche eine römischen Kardinals enthält. Der Kardinal, ein Freund der arabischen Welt und hervorragender Islamkenner, war auf einer geheimen Mission im Norden Syriens unterwegs, um den geheimnisvollen Bergheiligen kennen zulernen. Nun soll Kommissar Barudi, der kurz vor seiner Pensionierung steht, ermitteln. Zur Seite wird ihm der italienische Polizist Mancini gestellt, der zu einem guten Freund Barudis wird. Gemeinsam müssen sie vorsichtig vorgehen, denn das Leben in Syrien ist mit vielen Minenfeldern gespickt.
Das Buch spielt vor dem großen Syrienkrieg, aber die Vorboten sind schon zu erkennen. Korruption, die Macht der Islamisten und Ungerechtigkeit dem einfachen Volk gegenüber sind an der Tagesordnung. Aberglaube spielt eine große Rolle und die mächtigen Clans verstehen es die Gutgläubigkeit des Volkes für ihre Zwecke auszunutzen.
Schami schreibt in einem sehr blumigen Stil, immer wieder schweift er ab zu kleinen Begebenheiten, das macht das Buch leicht zu lesen und sehr locker.
Abwechselnd wird aus der Außensicht über die Ermittlungen berichtet, dann wieder folgen Passagen aus Barudis persönlichem Tagebuch.
Das Buch ist zwar ein Krimi, aber einer der eher ungewöhnlichen Art, denn oft treten die eigentlichen Ermittlungen in den Hintergrund. Dafür bekommt man tiefe Einblicke in das Leben und die Politik von Syrien im Jahr 2010.
Wer Politkrimis liebt und sich mit der orientalischen Erzählweise anfreunden kann, wird dieses Buch genießen!