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Volker M.

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Insgesamt 374 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2023
Chefsache Metaverse
Köhler, Thomas R.;Finkeissen, Julia

Chefsache Metaverse


ausgezeichnet

Spätestens als der Social-Media-Konzern Facebook Ende 2021 ankündigte, sich in Meta umzubenennen und unter dem Oberbegriff Metaverse massiv zu investieren, wurde allen Beobachtern klar, dass sich etwas in Sachen Internettechnologie anbahnt. Vom „neuen“ Internet ist bereits die Rede. Was genau sich hinter den neuen Schlagwörtern Metaverse, Web3, NFT, AR, VR und immersives Erlebnis verbirgt, erläutern die beiden Autoren Thomas R. Köhler und Julia Finkeissen in „Chefsache Metaverse“. Auch wenn ihre primäre Zielgruppe die Unternehmenslenker sind, eignet sich das Praxisbuch aus meiner Sicht für alle, die sich erstmals mit dem Thema beschäftigen und wissen wollen, wie weit die Technik heute ist, welche Anwendungsfelder es bereits gibt und ob das Metaverse nur ein Hype oder tatsächlich die Zukunft ist.

Eigentlich ist Metaverse „nur“ eine dreidimensionale virtuelle Welt, in die man mit entsprechender Hard- und Software eintauchen und sich darin bewegen kann. Technologien wie Virtual-Reality-Brillen, die heute vor allem in Spielekonsolen zum Einsatz kommen, gibt es bereits. Das Autorenduo erklärt den Unterschied zwischen Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR), Mixed Reality und Xtendend Reality, aber auch Begriffe wie Blockchain, Bitcoin, NFT, Smart Contracts, DAOs (Dezentrale Autonome Organisationen) und DeFi (Dezentralisierte Finanzen). Auch kritische Entwicklungen werden nicht unterschlagen. Selten habe ich eine so allgemein verständliche und dabei ausgewogene Einschätzung der einzelnen Technologien gelesen.

Welche Anwendungsfelder des Metaverse sind für Unternehmen denkbar? Die Autoren zeigen zunächst allgemeine Ansätze und gehen dann auf branchenspezifische Lösungen (z. B. für Handel, Automobil, Finanzen, Industrie, Logistik) und den Einfluss auf Bereiche wie Sport, Kirche und Kunst ein. Sie unterscheiden, welche Produkte in der Entwicklung oder im Einsatz sind und welche Strategien große Akteure wie Meta, Microsoft, Google, Apple, Amazon, NVIDIA aber auch Roblox und Epic Games verfolgen.
Dieses Kapitel ist sicherlich eines der Highlights des Buches. Es enthält gerade für Unternehmenslenker wichtige und vor allem brandaktuelle Informationen darüber, welche Strategien in den einzelnen Branchen verfolgt werden, was bereits heute (vielleicht schon bei Mitbewerbern) im Einsatz ist und wohin die Reise geht.

Abschließend beschäftigt sich die Autoren mit der richtigen Strategie für Unternehmen und analysieren in sieben Schritten, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um in das Metaverse zu investieren. Die vielen Allgemeinplätze gelten zwar grundsätzlich für alle Web-/IT-Projekte, dennoch ist das Kapitel ein guter erster Einstieg.

Im Anhang finden sich ein Glossar sowie ein Quellenverzeichnis mit vielen nützlichen und interessanten Links. Leider haben die Autoren auf ein Stichwortverzeichnis verzichtet. Da das eBook aber mit einem individuellen Code kostenlos heruntergeladen werden kann, ist dies zu verschmerzen.

Ob das Metaverse mit seinen in Echtzeit gerenderten virtuellen Welten das nächste große Ding oder nur ein verpuffter Hype wird, bleibt immer noch abzuwarten. Wer aber als Unternehmer dabei sein möchte und seine Chancen sichern will, erhält mit „Chefsache Metaverse“ sowohl eine sehr verständliche und ideologiefreie Einführung, als auch praktische Handlungsempfehlungen für die Umsetzung im eigenen Unternehmen.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 25.05.2023
Inspiration Wabi
Vervoordt, Axel

Inspiration Wabi


sehr gut

Axel Vervoordt ist ein niederländischer Antiquitätenhändler und Inneneinrichter, der sich auf einen Cross-over-Stil zwischen europäischen und asiatischen Elementen spezialisiert hat. „Inspiration Wabi“ fängt einige seiner Kreationen in den stimmungsvollen Fotografien von Laziz Hamani ein, wobei schon auf den ersten Blick die Dominanz der Leere auffällt. Es sind wenige, aber ausgesuchte Objekte, die in Szene gesetzt werden, wobei es nicht unbedingt Objekte von großem materiellen Wert sein müssen. Das japanische wabi im Titel bezeichnet eher ein komplexes Gefühl der Einsamkeit und Melancholie als eine in Worten fassbare Philosophie und es wird in der Regel mit dem Begriff sabi kombiniert, der grob gesagt für Alter, Vergänglichkeit und Patina steht. Beide Elemente prägen Vervoordts Inneneinrichtungen, die asiatische Antiquitäten oder Fundstücke mit europäischen Möbeln in historischen Räumen kombinieren, deren hervorstechendste Eigenschaft die Reduktion auf das Wesentliche ist. Die Wände sind meist schlicht bis roh gehalten, in gedeckten Tönen, manchmal auch als Sichtbeton, der Wandschmuck beschränkt sich auf ein einziges, abstraktes Bild oder fehlt völlig. Besonderen Wert legt Vervoordt auf die Wirkung des Lichts, fast so wie in einem japanischen Teehaus. Kontraste meidet er, er verzichtet auf künstliche Beleuchtung und jede grelle Farbe.

Das Vorwort hat mich etwas irritiert. Der Autor teilt dem Leser in recht aufdringlicher Weise mit, dass er sich intensiv mit allen nur denkbaren Aspekten asiatischer Ästhetik und Philosophie beschäftigt hat, was allerdings in dem Text selber nicht erkennbar wird. Vervoordt bleibt hier auf dem Niveau von Party-Smalltalk, nennt ein paar einschlägige Namen, aber erfasst weder den Kern japanischer Ästhetiktheorie, noch kann ich erkennen, dass er sich wirklich eingehend mit ihr beschäftigt hätte. Seine Innenräume sind äußerst geschmackvoll gestaltet, das streite ich nicht ab, aber es sind für die Betrachtung von außen entwickelte Objekte und selbst wenn Betten oder Stühle verwendet werden, will man diese nicht in Gebrauch nehmen. Sie wirken eher wie begehbare Tokonoma-Nischen, die Wandaussparung, die in japanischen Zimmern zur Präsentation von jahreszeitentypischen Kunstwerken benutzt wird. Mit ihnen gemein haben Vervoordts Kreationen, dass an keiner Stelle Objekte zu sehen sind, die mit dem täglichen Leben in Zusammenhang stehen. Daher fehlt ihnen allerdings auch der peinliche pseudo-authentische Touch von illustrierten Homestories, mit Coffeetable Books und einer lässig drapierten Kuscheldecke.

Völlig unabhängig, ob Axel Vervoordts eitle Selbstbeschreibung der Realität oder nur dem Wunsch entspricht, haben diese Räume eine spezielle Ästhetik, der man sich schwer entziehen kann. Man will (und kann) hier sicher nicht leben, aber möchte wie in einer Galerie die Atmosphäre einsaugen. Die kongenialen Fotografien von Laziz Hamani sind an diesem Gefühl sicher nicht ganz unschuldig.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 21.05.2023
Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten auf der Peloponnes
Schollmeyer, Patrick

Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten auf der Peloponnes


sehr gut

Natürlich sind Best-of-Auswahlen bis zu einem gewissen Grad immer subjektiv, aber die 40 bekanntesten archäologischen Stätten der Peloponnes, die Patrick Schollmeyer ausgesucht hat, wurden mit Bedacht gewählt. Sie bilden die griechische Antike von der Bronzezeit bis ins Römische Reich ab und verbinden touristisches Interesse mit historischer Bedeutung.

Ein ständiger Begleiter ist der (griechisch-)römische Reiseschriftsteller Pausanias, der im 2. Jahrhundert die Peloponnes bereiste und seine Beobachtungen festhielt. Viele Ruinen könnten wir heute ohne seine, teilweise sehr detaillierten Informationen nicht mehr zuordnen und Patrick Schollmeyer vermerkt die Pausanias-Referenzen bei jeder sinnvollen Gelegenheit.

Die einzelnen Kapitel enthalten summarisch den aktuellen Stand der archäologischen Forschung, auch mit Hinweis auf bestehende Kontroversen. Es sind keine fachwissenschaftlichen Artikel, allerdings werden die Fachbegriffe für antike Architekturelemente regelmäßig verwendet. Die Abbildungen zeigen meistens Übersichtsaufnahmen der Ruinenstätte, manchmal auch Exponate aus den angegliederten Museen. Im Zusammenspiel mit den Texten bekommt man einen recht guten Eindruck von dem, was einen vor Ort erwartet, auch wenn ich das Bildmaterial insgesamt eher sparsam finde.

Der Band versteht sich nicht als klassischer Reiseführer, d. h. man erfährt keine Adressen, Telefonnummern oder Öffnungszeiten, dafür hat das Buch auch kein Verfallsdatum und bleibt deutlich länger aktuell. Als Archäologieführer beschränkt es sich selbstredend auf die Antike, erwähnt höchstens am Rande auch spätere Befunde und lässt insbesondere die Neustädte unberücksichtigt. Darin unterscheidet sich das Buch z. B. von einem Baedecker, der jedoch bei weitem fachlich nicht so in die Tiefe geht. Patrick Schollmeyer stellt insbesondere die historischen Zusammenhänge dar, die sich aus der Quellenlage ableiten lassen. Das ist natürlich mit gewissen Unsicherheiten behaftet, die der Autor aber deutlich herausarbeitet.

Ein echter Mangel ist das unzureichende Kartenmaterial. Nicht einmal die Übersichtskarte nach dem Vorwort zeigt alle 40 Stätten, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, diese zusammen mit den Kapitelnummern einzufügen. Es gibt auch keine regionalen Ausschnittskarten, wenn man von den gelegentlichen Übersichtsplänen der Stätten selbst einmal absieht, die allerdings oft sehr klein geraten sind und deren eingefügte Legendenbuchstaben und -zahlen nicht immer aufgelöst werden, wodurch der Eindruck von Unvollständigkeit entsteht. Das war in anderen Bänden der Reihe insgesamt deutlich besser gelöst. So eignet sich der Archäologieführer leider nicht wirklich zur eigenen Reiseplanung, zumindest, wenn man keine guten Ortskenntnisse hat oder nachrecherchiert.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2023
Ecce Machina
Sharpson, Neil

Ecce Machina


ausgezeichnet

In nicht allzu ferner Zukunft erlangen die Maschinen ein Bewusstsein und ihre überlegenen Fähigkeiten führen dazu, dass die Menschheit ihnen alle Entscheidungen überlässt. Politik und Gesetzgebung sind in der Hand von drei großen KIs und wer die unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Existenzen teilen möchte, dem steht auch dieser Weg offen. Das Digitalisieren menschlicher Personen ist Realität, wie auch der Transfer von KI-Personen in menschliche Klonkörper.
Die ganze Welt hat sich freiwillig den KIs unterworfen und seitdem herrscht Frieden, nur die Kaspische Republik, ein totalitärer Staat ähnlich Nordkorea oder Russland, erlaubt keine KI-Existenzen auf ihrem Gebiet. Mit drakonischen Maßnahmen werden KI-Sympathisanten gejagt, ein durchorganisierter Spitzelapparat mit fast unbegrenzter Macht führt einen Kampf nach innen und nach außen.

Das ist der Hintergrund, vor dem der Staatssicherheitsagent Nikolai South einen besonderen Auftrag erfüllt: Er muss eine KI-Person in menschlicher Gestalt eskortieren, die ihren in Kaspien bei einem Unfall ums Leben gekommenen Ehemann identifizieren soll. Ein heikler Auftrag, denn Vielen ist die KI ein Dorn im Auge. Aber auch Nikolai South steckt in einem Dilemma: Die KI-Person trägt zwar einen anderen Namen, ähnelt aber Souths verstorbener Ehefrau aufs Haar. Was steckt dahinter? Schon bald gerät der StaSich-Agent in einen Gewissenskonflikt und mit ihm gerät das austarierte Gleichgewicht der Kräfte in Kaspien ins Wanken.

Neil Sharpson ist eigentlich Theaterautor und das kommt dem raffiniert gestrickten SciFi-Thriller sehr entgegen. Die Dialoge sind auf den Punkt formuliert und geben den einzelnen Protagonisten sehr individuelle Züge. Zwar wird die Geschichte aus der Sicht Nikolais geschildert, aber man liest zwischen den Zeilen immer auch die Motivation der Anderen mit, wodurch das undurchsichtige Ränkespiel zwischen den Machtapparaten noch einmal besondere Spannung erhält. Das wird noch einmal dadurch verstärkt, dass der Leser die politische Situation innerhalb Kaspiens und zwischen Kaspien und der KI-dominierten Welt erst nach und nach durchschaut. Es ist wesentlich komplexer, als ich es in der Einleitung beschrieben habe, und mit vielen eleganten Anspielungen auf totalitäre Regime der Gegenwart gespickt. Zwar wundert man sich, dass ein Staat, der die Menschheit vor ihrer existenziellen Auslöschung bewahren will, so viele Existenzen auslöscht, aber totalitäre Regime haben immer schon ihre eigene Realität gehabt. Russland zeigt das gerade wieder einmal sehr deutlich.

In der Mitte gibt es einen kleinen Durchhänger, aber zum Ende hin nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf, um im Finale, das vielleicht nicht ganz überraschend kommt, aber in sich logisch und für den Leser befriedigend ist, alle Erzählstränge zusammenzuführen. Es gibt ein paar wenige logische Schwächen, die ich aber hier nicht ohne heftiges Spoilern verraten kann, aber sie fallen insgesamt nicht groß ins Gewicht. Neil Sharpson versteht auf jeden Fall das Handwerk des Schreibens. Stilistisch ist er absolut routiniert und er weiß, wie man einen Cliffhanger setzt. Es ist ein spannendes Buch, das den Leser auch intellektuell ein bisschen fordert, indem es existenzphilosophische Fragen in neuem Kontext stellt. Denen wird sich die zukünftige Generation der Menschheit ganz sicher stellen müssen.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.05.2023
Geheimes Wissen
Hockney, David

Geheimes Wissen


ausgezeichnet

David Hockney wird als Zeichner oft unterschätzt, wenn man seine etwas ungelenken, an Kinderzeichnungen erinnernde Werke sieht, für die er eigentlich berühmt wurde. Aber seine Strichführung ist hervorragend und wenn er realistisch gezeichnet hat, sind ihm meisterhafte Portraits gelungen. Dass ihm die alten Meister sehr am Herzen liegen, beweist auch sein Buch „Geheimes Wissen“, das jetzt, nachdem es jahrelang nur zu überhöhten Preisen antiquarisch verfügbar war, endlich wieder neu aufgelegt wurde.
Hockney hat sich gefragt, wie es den alten Meistern gelungen ist, menschliche Proportionen oder auch Kleidung derart perfekt darzustellen, obwohl das für einen Zeichner ohne Hilfsmittel fast unmöglich ist. Wie gesagt, Hockney weiß, wovon er spricht und er ist zu dem Schluss gekommen, dass bereits in der Renaissance die Camera lucida regelmäßig im Einsatz war. Sie besteht aus einem kleinen Prisma mit halbverspiegelter Seite, so dass man beim Durchschauen ein Geisterbild mit dem Zeichenblatt überlagert. Die Verwendung ist nicht ganz unkompliziert, aber man kann so in relativ kurzer Zeit alle wesentlichen Elemente eines Bildes perfekt anlegen und sie dann später präzise ausarbeiten. Es gibt keine perspektivischen Fehler und Stoffmuster in der Kleidung werden so ebenfalls perfekt über alle Falten hinweg übertragen. Im 19. Jahrhundert kam dann die Fotografie als weiteres Hilfsmittel hinzu, aber das war in der Kunstgeschichte bereits bekannt. Dass jedoch Caravaggio, Frans Hals und Velazquez sich ebenfalls optischer Hilfsmittel bedienten, war neu und Hockneys Argumente sind sowohl nachvollziehbar als auch sehr überzeugend.

Das Buch erschien erstmals 2001 und seitdem hat Hockney weitere Beispiele gesucht und ist in der Zeit sogar noch weiter zurückgegangen. Diesmal ging es um die Frage, wie die Architekturperspektive „entdeckt“ wurde. Anfang des 15. Jahrhunderts hat Brunelleschi das Baptisterium in Florenz in Zentralperspektive gemalt und das kam für die Kunstgeschichte immer wie eine göttliche Eingebung aus dem Nichts. Hockney vermutet dagegen, dass Brunelleschi eine Zeichenkamera benutzte, eine mit dunklem Stoff abgehängte kleine Kammer mit Linse, die ein Spiegelbild der Umgebung auf das Zeichenpapier projizierte. Solche tragbaren Camerae obscurae konnte man nachweislich im 18. Jahrhundert kommerziell erwerben, in der Frühzeit blieben solche Tricks natürlich das Geheimnis der Meister. Hockney findet bei seiner Quellenrecherche auch nur indirekte Hinweise. Später gibt es dagegen zahlreiche Originalquellen, die genau beschreiben, wie man mit optischen Hilfsmitteln Zeichnungen perfektioniert.

Das Buch liest sich wie ein kunstgeschichtlicher Krimi, wenn sich Hockney Schritt für Schritt an die Wahrheit herantastet. Er vergleicht frühe mit späten Werken oder die Meister mit der Qualität von weniger berühmten Zeitgenossen. Seine Beobachtungsgabe ist fast schon unheimlich, wenn er jedes Detail in den Bildern analysiert und sich so dem komplexen Entstehungsprozess nähert. Nicht jedes Element ist auf die gleiche Weise entstanden, oft sind viele Techniken parallel im Einsatz.

Das Buch ist längst ein Klassiker geworden, von der BBC verfilmt, und jetzt endlich auch wieder auf Deutsch verfügbar. Wer sich für Kunstgeschichte oder auch einfach nur fürs Zeichnen und Malen interessiert, der wird hier so manchen Aha-Effekt erleben. Und kann vielleicht noch ein paar gute Ideen für die eigene Arbeit abstauben.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.05.2023
The English
Blunt,Emily/Spencer,Chaske

The English


sehr gut

1890 begibt sich Lady Cornelia Locke auf einen Rachefeldzug in den mittleren Westen der USA. Sie ist völlig unvorbereitet auf das, was sie dort erwartet. Mit einer Tasche voll Dollar, Rüschenkleid und Hut trifft sie auf Menschen, denen ein Leben wenig gilt. Zum Glück begegnet sie Pawnee-Indianer Eli Whip, der es in der Bürgerkriegsarmee bis zum Sergeant gebracht hat und der jetzt auf dem Weg in den Norden ist, wo ihm als ehemaligem Soldaten ein Stück Land zusteht. Im Lauf der Geschichte stellt sich heraus, dass ihrer beider Leben auf verschiedenen Ebenen miteinander verknüpft ist und natürlich verlieben sich die beiden auch ineinander.

Die Miniserie beeindruckt vor allem durch atemberaubende Kameraführung und Schnitt. Die kargen, ausgedörrten Landschaften (die übrigens in Wirklichkeit in Spanien liegen...), die detailverliebten Kulissen und Ausstattungen werden spektakulär in Szene gesetzt. Wer „Spiel mir das Lied vom Tod“ mag, der hat ein angenehmes deja vu, auch was die Erzählgeschwindigkeit angeht. Der Film lässt sich Zeit, wobei es mehrere Zeitebenen gibt, die die Orientierung für den Zuschauer manchmal etwas schwierig machen. So wird das Geheimnis um Lady Cornelia nur scheibchenweise enthüllt, ebenso wie Elis Vorgeschichte. Genauso eindrucksvoll wie die Kamera sind Kostüme und Ausstattung. Die haben das für Streaming-Serien mittlerweile gewohnte Kino-Niveau, in dem man als Zuschauer wirklich schwelgen kann.

Chaske Spencer als Eli und Rafe Spall als Über-Bösewicht David Malmont sind absolut überzeugend in ihrer Rolle. Emily Blunt als Cornelia Locke ist dagegen eine ziemliche Fehlbesetzung, da sie aber auch als Produzentin fungiert, gab es wohl eher kein Casting. Die Motivation ihrer Handlungen ist oft nicht nachvollziehbar und ihre mit Pseudobedeutung aufgeladenen Mono- und Dialoge waren teilweise an der Grenze zur Lächerlichkeit. Das ist, neben den manchmal etwas wirr dramatisierten Zeitebenen, das größte Manko der Serie. Sie will geradezu krampfhaft die Themen Identität, Kolonialismus und toxische Männlichkeit unterbringen und verrennt sich dabei oft in Stereotypen, die man durchaus auch als rassistisch und diskriminierend auffassen darf. Starke und sensible Frauen, schwache oder brutale Männer, edle Eingeborene, ausbeuterische und skrupellose Weiße. Wenn ein Eingeborener auf die dunkle Seite wechselt, dann nur, weil er sich an die weiße Kultur angepasst hat. Das ist alles ein bisschen zu dick aufgetragen, als dass es noch überzeugt. Moralität mit dem Holzhammer ist nie gut.

Sehr sehenswert, wenn auch leider kurz sind die Making-ofs über Kostüme und Drehorte. Da gibt es einige überraschende Einblicke.

Mein Fazit: Die Serie besitzt sehr hohe Schauwerte, die tatsächlich auch über alle sechs Folgen tragen. Ich wollte auch unbedingt wissen, wie die Geschichte zu Ende geht, selbst wenn ich das Ende letztlich nicht nachvollziehen konnte (und der Showdown ein bisschen schwach ist). Aber die Bilder werden noch lange in meinem Kopf bleiben. Alleine dafür hat es sich definitiv gelohnt.

(Die Blu-ray wurde mir vom Hersteller kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2023
First Overland. Als Erste im Land Rover 18.000 Meilen von London nach Singapur
Slessor, Tim

First Overland. Als Erste im Land Rover 18.000 Meilen von London nach Singapur


ausgezeichnet

Es war eine Fernsehsensation des Jahres 1955 und ist unter Landrover-Enthusiasten immer noch Legende: Die große Oxford-Cambridge-Expedition nach Singapur. Auch heute wäre eine solche Reise noch sensationell. Tim Slessor und seine fünf Mitstreiter wussten zu Beginn nicht, ob ihr Plan von Erfolg gekrönt sein würde. Der Zweite Weltkrieg war seit 10 Jahren vorüber und die alten Armeestraßen hatte sich der Dschungel längst zurückgeholt, zumindest wusste niemand, in welchem Zustand sie sich wirklich befanden. Es war also ein gewaltiges Risiko, das die sechs Jungs eingingen.
Kein Risiko gingen sie allerdings bei der generalstabsmäßigen Planung ein. Die Geländewagen waren genauso gesponsert (und bei Landrover expeditionstauglich umgerüstet worden) wie das Benzin, das Schreibpapier, die Kidneybohnen, die Reifen, die Zigaretten, der Pulverkaffee, die Film- und Fotokameras und die Reiseapotheke. Die Sponsorenliste füllt drei Seiten. Es ist ein frühes Beispiel für unverkrampftes Product Placement, denn den Spendern war völlig klar, dass das Unternehmen Aufsehen erregen würde. Die BBC hatte die Übertragungsrechte gekauft. David Attenborough war der Programmleiter.

Ihr Ruf eilte der Expedition stets voraus. Wo sie ankamen, wurden die Jungs hofiert wie Charles Lindbergh bei seinem Atlantikflug. Sie bekamen Einladungen, wurden unter Honoratioren herumgereicht und das Backoffice in Großbritannien sorgte im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf bei der Visabeschaffung, den Medien- und Sponsorenkontakten. „First Overland“ war kein Studentenulk, der sich verselbständigt hatte, sondern eine professionell durchgeplante Expedition mit einem klaren Ziel: Singapur. Und möglichst kein eigenes Geld investieren.

Was den Bericht aus heutiger Sicht bemerkenswert macht, ist der reibungslose Ablauf, das friedliche Miteinander zwischen Reisenden und Bevölkerung und während der freiberufliche Woke-Beauftragte ganz sicher den kolonialen Aspekt verdammen wird, so ist es gerade das britische Know-how, das die Infrastruktur dieser Route überhaupt erst geschaffen hatte. Heute sind die Strecken in einheimischer Hand, da werden Woke-Aktivisten zwar jubeln, aber die Straßen und Grenzübergänge sind an entscheidenden Stellen unpassierbar, viele Regionen befinden sich im blutigen Bürgerkrieg, Christen werden gnadenlos verfolgt und ein westlicher Reisender würde nicht mehr lebend ans Ziel kommen. Die ungezwungene Entdeckerfreude von Tim Slessor und seinen Mitstreitern ist heute ideologisch vergiftet und erlaubt keinen neutralen Blick mehr auf deren bemerkenswerte Leistung und den Zustand dieses Weltteils im Jahr 1955 im Vergleich zur Gegenwart. Sechs Monate hat die Reise gedauert, es gab unzählige Begegnungen und einen mehrwöchigen Forschungsaufenthalt in Persien. Die zwei Fahrzeuge nahmen teilweise sogar getrennte Routen, um noch mehr zu erleben und dem britischen Fernsehpublikum zu zeigen. Natürlich kam es zu gefährlichen Situationen, die aber fast nie von Menschen, sondern von Straßenverhältnissen und den Unbilden der Natur ausgingen. Tim Slessor und seine Mitstreiter, von denen übrigens vier noch leben, erzählen spannend und sehr authentisch, was Leser, die nicht in der Lage sind, einen historischen Bericht aus dem Blickwinkel seiner Zeit zu lesen, sicher stören wird. Aus allen Teilnehmer ist „was geworden“. Wenn man sich die perfekte Organisation und den weitgehend reibungslosen Ablauf dieser bemerkenswerten Expedition ansieht, wundert das wirklich nicht.

Bei Youtube kann man übrigens einige originale BBC Filme finden. Lohnt sich.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.05.2023
Damn Right: Ein exklusiver Blick hinter die Kulissen von Berkshire Hathaway mit Charlie Munger
Lowe, Janet

Damn Right: Ein exklusiver Blick hinter die Kulissen von Berkshire Hathaway mit Charlie Munger


ausgezeichnet

Ich muss gestehen, dass ich von Charles Thomas Munger bisher nur wenig gehört habe, dabei gehört der Geschäftspartner von Warren Buffett zu den erfolgreichsten Investoren der Welt. Berkshire Hathaway ist unter den 20 größten Unternehmen der USA und macht immer wieder mit Komplettübernahmen oder Großinvestitionen von sich reden. Ihre Erfolgsbilanz ist beeindruckend und natürlich will jeder Anleger von solchen Persönlichkeiten lernen und profitieren.

Janet Lowe hat sich auf Biografien amerikanischer Führungspersönlichkeiten spezialisiert. Sie ist bekannt dafür, dass sie akribisch recherchiert und viele Gespräche führt. Auch für dieses Buch hat sie in dreijähriger Recherchearbeit zahlreiche Interviews mit Charlie Munger, seiner großen (Patchwork-)Familie und vielen seiner Weggefährten geführt.

Die Originalausgabe ist bereits im Jahr 2000 in den USA erschienen und erst jetzt wurde sie von Petra Pyka ins Deutsche übersetzt, stilistisch gelungen und eingängig.

Lowe wirft Licht auf den „zweiten Mann“ bei Berkshire Hathaway, wie Munger denkt, wie er Warren Buffett kennen und schätzen lernte, welche beruflichen und privaten Stationen er durchlief, die Höhen und Tiefen, die er zu meistern hatte, aber auch mit welchen Anlagestrategien er allein oder gemeinsam mit Buffett erfolgreich war. Der Leser erfährt, dass Charlie Munger keineswegs eine graue Eminenz ist, wie er in der Öffentlichkeit gerne wahrgenommen wird. Auf den Jahreshauptversammlungen von Berkshire Hathaway tritt er als stiller Beisitzer auf und überlässt seinem Partner Waren Buffett gerne die Bühne. Doch das sind nur die Rituale des jährlichen Spektakels, denn Munger ist ebenso eloquent, amüsant und scharfsinnig. Er bevorzugt lediglich kleinere Runden.

„Damn Right“ ist eine abwechslungsreiche, unterhaltsame und verständliche Analyse sowohl der Persönlichkeit Mungers als auch seines Investmentansatzes. Gleichzeitig erhält man einen guten Einblick in die Philosophie und Entwicklung seiner Unternehmen, einschließlich Berkshire Hathaways.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 05.05.2023
Langenscheidt Vom Wort zum Satz Japanisch

Langenscheidt Vom Wort zum Satz Japanisch


ausgezeichnet

Ein grundsätzliches Problem von Sprachführern, die sich auf die phonetische Umschreibung vorgefertigter Sätze beschränken, ist das fehlende Sprachverständnis der Antworten, die man bekommt. Was nutzt es, wenn ich „Korewa ikura desuka?“ fragen kann, die Antwort aber nicht verstehe. In Sprachräumen, bei denen ich zumindest eine verwandte Sprache beherrsche, haben mir auch phonetische Sprachführer schon genutzt, z. B. bei Italienisch, weil ich ganz gut Französisch und ein bisschen Spanisch spreche, aber in Japan ist die Strategie leider überhaupt nicht aufgegangen. Ich habe einige Anläufe genommen, darunter waren auch klassische Sprachschulen mit Grammatik und Wortschatzübungen. Die haben wiederum den Nachteil, dass sie sich in den vielen Ausnahmen und vor allem den Höflichkeitsformen des Japanischen verirren (bzw. ich habe mich darin verirrt).

„Vom Wort um Satz“ geht aus meiner Sicht einen sehr sinnvollen Mittelweg, indem die Grundlagen japanischer Grammatik vermittelt und anhand einfacher Satz- und Wortbeispiele anschaulich gemacht werden. So lernt man einerseits die Syntax und hat andererseits ein relativ umfangreiches Vokabular, das man nach den grammatischen Regeln auch frei verwenden kann. Der Vorteil liegt auf der Hand: Auch die Antworten versteht man, sofern sich das Gegenüber nicht allzu gewählt ausdrückt.

Trotzdem ist es wirklich harte Arbeit, denn das Lehrbuch nutzt durchgehend Hiragana, Katakana und Kanji Schriftzeichen, also alle drei Schriftsysteme, die in Japan üblich sind. Hiragana und Katakana haben mit den abgeleiteten Lautformen etwa 100 Zeichen, die man wirklich lernen muss. Kanji, das aus dem Chinesischen entlehnte Schriftsystem, wird zwar verwendet, aber darüber sind immer die japanischen Umschrift-Laute notiert, so dass man sie korrekt aussprechen kann. Alle Sprachbeispiele sind als mp3-Datei hinterlegt (als Download, keine CD) und das ist auch ein unumgänglicher Schritt für den Schüler: Die deutsche Umschrift in der Lauttabelle erfasst nicht alle sprachlichen Nuancen, denn manchmal werden auch Vokale verschluckt. Das muss man hören. Anfangs habe ich mir gewünscht, dass auch die japanischen Schriftzeichen noch durch die deutsche Umschrift ergänzt würden, aber ich denke, die Autoren haben das absichtlich gemacht, um den Leser zu zwingen, die Schriftzeichen zu lernen. Im Nachhinein macht es Sinn, auch wenn es anfangs mühsam ist.

Nachdem die Grundzüge der japanischen Wortbildung und Grammatik in den Einleitungskapiteln vermittelt wurden, geht es in der Folge um situationsbezogene Themenkomplexe, ähnlich wie man es aus den phonetischen Sprachführern kennt: Im Bahnhof, im Hotel, Essen und Trinken, erste Begegnung etc.. Hier wird dann das spezifische Vokabular trainiert, indem zuerst einfache Texte gelesen, gehört und nachgesprochen werden. Unter den japanischen Sätzen stehen die zugehörigen deutschen Übersetzungen, wobei die jeweiligen Satzteile (Subjekt, Prädikat, Objekt) mit Pfeilen zugewiesen werden. Das visualisiert den fast immer abweichenden, grundlegenden Satzbau im Japanischen und zusätzlich werden grammatikalische Besonderheiten analysiert. Dann folgen Übungen in Form von Lückentexten, Lese- und Übersetzungsübungen mit Lösungen im Anhang. Weitere Worte mit ähnlicher Bedeutung ergänzen den Wortschatz, der in den Folgekapiteln teilweise wieder aufgegriffen wird.

Das ganze Buch ist sehr stark auf den Praxisnutzen ausgerichtet. Es wird kein „Ballast“ aufgebaut, der das Japanische so überaus schwierig macht, insbesondere die unterschiedlichen Stufen der Höflichkeit. Es lassen sich einfache Sätze in einfachen Beziehungen konstruieren, das aber sehr sicher und so flexibel, dass man sich in der Lebensrealität gut zurechtfindet. Es ist immer noch kein Spaziergang, aber im Vergleich zu einer klassischen Sprachschule ein praktikabler Weg, wenn man nicht zwei Jahre lernen möchte, bevor man seine Kenntnisse anwenden kann.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.