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Wuestentraum

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Insgesamt 415 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2017
Fliegenpilze aus Kork
Lehner, Marie Luise

Fliegenpilze aus Kork


sehr gut

Ein Mädchen erzählt ihr Leben und Erleben mit ihrem Vater, bis sie 20 Jahre alt ist. Als sie 2 Jahre alt ist, trennen sich ihre Eltern. Sie verbringt trotzdem viel Zeit bei ihrem Vater. Sie streunen durch Wien, lassen sich nachts im Park einsperren, stehlen Elektrogeräte auf dem Müllplatz, sammeln Kupferleitungen auf Baustellen. Schon als kleines Kind begleitet sie ihn zu seinen Gelegenheitsjobs und je älter sie wird, hilft sie ihm bei der Arbeit. Manchmal ist er arbeitslos, manchmal Bildhauer, Sozialarbeiter oder Hausmeister. Oftmals hat er kein Geld und nichts zu essen zu Hause.

Ihr Vater ist ein Lebenskünstler, der beziehungsunfähig scheint, Gelegenheitsjobs annimmt, oft kein Geld hat, sich durchschnorrt, kleinere Delikte unternimmt, um zu Überleben. Er ist sehr bemüht um seine Tochter, er geht mit ihr ins Theater und zu anderen Veranstaltungen. Er fährt mit ihr zur Großmutter und Großtante. Je älter das Mädchen wird, umso mehr merkt sie, dass ihr Vater nicht so ist, wie andere Väter. Sie schämt sich manchmal für sein Verhalten oder seine Anziehsachen. Sie nimmt schon früh Rücksicht auf sein Befinden und seine Lage. Aber sie sagt trotz alledem, ihr Vater ist ein sehr guter Vater. Später als sie älter ist, hat man das Gefühl, sie ist die Erwachsene und kümmert sich um ihn. Er hatte zwischenzeitlich eine andere Beziehung, aus der sie eine Schwester bekam. Auch diese Beziehung zur Mutter seiner zweiten Tochter zerbricht und sie trennen sich. Die Schwester des Mädchens verweilt nun auch zeitweise beim Vater und so unternehmen sie verschiedene Dinge zu dritt.

In knappen und dichten Episoden erzählt Marie Luise Lehner in ihrem Debütroman die ersten zwanzig Jahre aus dem Leben einer Frau. Mit einer kindlichen Leichtigkeit geschrieben, erlebt man die Kindheitsjahre des Mädchens mit ihrem Vater. Ihre Unternehmungen, ihr Erleben und wie sich ihre Gedanken und die Sichtweise auf ihren Vater sich ändern, je älter sie wird.
Ihr Vater ist nicht so, wie andere Väter sind. Ich weiß nicht, ob er eine psychische Erkrankung hat, ob es einfach nur sein künstlerischer Charakter ist, der ihn teilweise wirken lässt, als würde er mit dem normalen Leben überfordert sein, wie Geldverdienen, eine Festanstellung annehmen. Das alles kann er nicht. Er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch und ist oft auch längere Zeit arbeitslos. Künstler sind für mich Freigeister, die teilweise in ihrer eigenen Welt leben und sich nicht darum kümmern, was andere Leute sagen und Dinge tun, wie sie gerade Lust haben. Der Vater dieses Mädchens bemüht sich wirklich um sie und ihre kleinere Schwester. Er tut alles, was in seinen Möglichkeiten liegt, und die Mädchen lieben ihn sehr. Das hat mich am Ende am meisten gefreut, dass sie ihn so akzeptieren und lieben, wie er ist.

Fazit:
Ich bin anfangs nicht so leicht in diesen Roman hineingekommen. Umso begeisterter war ich beim Weiterlesen und bedauerte es sehr, dass ich so schnell am Ende angekommen bin. Marie Luise Lehner hat es geschafft, mich auf eine Kindheitsreise einer jungen Frau mitzunehmen, ihre Beziehung und ihr Leben mit ihrem Vater ausgiebig und bunt zu erleben und mitzuerleben, wie das Mädchen älter wird und wie sich ihr Verhalten und ihre Sichtweise ändern.
Ein wunderschöner, bunt, leicht und flüssig geschriebener Roman, in den man eintauchen und mitfühlen kann. Nicht nur der Inhalt ist wunderschön, sondern das ganze Buch ist sehr liebevoll und kunstvoll gestaltet. Nicht nur der Außenband ist kunstvoll bedruckt, sondern das Buch selbst auch. Zusätzlich mit einem Lesebändchen ausgestattet ist es ein kleines Kunstwerk, inhaltlich wie äußerlich.
Ein interessanter, bunter und gefühlvoller Roman, der mich sehr beeindruckt hat.

Bewertung vom 13.02.2017
Tadunos Lied
Atogun, Odafe

Tadunos Lied


gut

Taduno, ein bekannter und von allen geliebter Musiker lebt seit drei Monaten im politischen Exil. Er ist geflüchtet, weil er auf das Regime seines Landes keine Loblieder singen wollte. Er singt Lieder für das Volk, welche ihnen Trost und Hoffnung spenden sollen. Eines Tages erreicht ihn ein Brief seiner großen Liebe Lela, und er ist erschüttert. Lela wurde von der Regierung festgenommen. Voller Sorge kehrt Taduno in sein von Diktatur und Bürgerkrieg gezeichnetes Land zurück. Doch plötzlich erkennt ihn niemand mehr. Keiner weiß wer er ist und alle behandeln ihn wie einen Fremden. Er versucht herauszufinden, wo sie Lela hingebracht haben, sein alter Freund hilft ihm dabei. Doch dann wird Taduno vor eine unvorstellbare Entscheidung gestellt, er muss ein Loblied auf das Regime singen, wenn er Lela retten will. Doch wenn er das tut, verrät er das ganze Volk, welches ihn so liebt und verehrt. Denn zwischenzeitlich, nachdem er festgenommen und zum Diktator gebracht wurde und Lela sehen durfte, erinnern sich alle wieder an ihn. Der Diktator macht ihm klar, dass er nur mit einem Loblied auf ihn und sein Regime seine Lela retten kann. Er setzt Taduno unter Druck. Taduno macht sich auf den Weg, TK zu finden, sein alter Freund und Musikproduzent, um mit ihm das vom Diktator geforderte Loblied aufnehmen und so Lela retten zu können. Doch er findet TK nicht, der alles verloren hat, nachdem Taduno ins Exil gegangen war. Weil TK ihn bei seiner Musik für das Volk unterstützt hatte und deshalb vom Diktator vernichtet wurde. Er hat sein Musikstudio und sein Zuhause verloren und lebt als Obdachloser in der Stadt, der ständig umherzieht.

Wie wird Taduno sich entscheiden? Wird er wirklich das Volk enttäuschen, Verrat an ihnen begehen, um seine große Liebe zu retten? Diese Frage zieht sich durch das ganze Buch, weil man endlich erfahren möchte, wie Taduno sich letztendlich entscheidet. Wie er und Lela aus dieser miserablen und furchtbaren Lage wieder herausfinden können.

Die Geschichte dieses Romans ist sehr interessant. Doch durch den märchenhaften Erzählstil auf der einen Seite und der grausamen Realität der Diktatur, der Tyrannei und des Leids des nigerianischen Volkes auf der anderen Seite, passte diese Zusammenstellung für mich nicht zusammen. Es hätte weitaus mehr Potential gehabt, diese Geschichte in einer anderen Schreib- oder Erzählform berührender und mitreißender umzusetzen. Dennoch hat mich die politische Lage in Nigeria sehr interessiert und bestürzt, und durch vorheriges Nichtwissen habe ich mir Informationen geholt und mir ein Bild machen zu können.

Fazit:

Leider konnte mich dieser Roman, trotz interessantem Thema und toller Idee, nicht erreichen.

Bewertung vom 30.01.2017
Nebeltod / Kommissar John Benthien Bd.3
Ohlandt, Nina

Nebeltod / Kommissar John Benthien Bd.3


ausgezeichnet

Dieser Krimi beginnt gleich grausam. Ein Mann wurde auf die Gleise gefesselt und vom Zug überrollt. Wenig später erhält die Polizei ein Foto des Opfers mit der Aufschrift SCHULDIG. Hauptkommissar John Benthien geht von einem Racheakt aus. Die weiteren Ermittlungen führen ihn auf die Insel Föhr, in eine exzentrische Künstlerkommune. Das Opfer wurde schnell identifiziert, in der Künstlerkommune wurde er bis jetzt jedoch noch gar nicht vermisst.

Dann geschieht ein weiterer Vorfall, es wurde auf einen Geländewagen mit zwei Frauen geschossen, die auf dem Weg zum Tierarzt waren mit ihrem Kater. Die beiden Frauen überleben, nur leider stirbt der Kater. Es geschieht ein weiterer Mord, es werden zwei Pferde getötet und deren Besitzerin bewusstlos aufgefunden.

Das Team um John Benthien läuft auf Hochtouren und versucht, alles zu bewältigen.

Auch privat hat Benthien Sorgen: In seinem Haus auf Sylt scheint ein Geist umzugehen. Es geschehen merkwürdige Dinge und er selbst zweifelt teilweise schon am eigenen Verstand. Da er privat somit nicht unbelastet ist, weiß er nicht, wo ihm der Kopf steht.

Dies ist mein erster Krimi von Nina Ohlandt, jedoch schon der dritte Fall für Hauptkommissar John Benthien, dennoch hatte ich keinerlei Probleme, mich gleich in der Geschichte zurechtzufinden. Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gut gefallen, flüssig, klar, bild- und detailreich kann man in diesen Krimi abtauchen. Nina Ohlandt versteht es, den Leser auf falsche Fährten zu locken und in entspannter Art alle Erkenntnisse der überaus vielen verschiedenen Handlungsstränge gekonnt am Ende zusammenzufügen.

Dieser Fall spielt an der Nordsee und auf Föhr. Bildhaft beschreibt die Autorin die Umgebung, so dass man sich als Leser ein klares Bild machen kann.

Es tauchen viele Charaktere auf, doch ich hatte jederzeit bestens den Überblick behalten können. Die Protagonisten sind authentisch dargestellt, John Benthien war mir sehr sympathisch genau wie sein Kollege Tommy Fitzen, der immer einen lustigen Spruch auf den Lippen hatte. Die privaten Gegebenheiten wurden gut dosiert und interessant beschrieben, so dass man sich ein gutes Gesamtbild machen konnte.


Fazit:

Ein überaus spannender und interessanter Krimi, hervorragender Schreibstil, falsche Fährten und viele verschiedene Handlungsstränge, alles was ein wirklich guter Krimi braucht, beinhaltet „Nebeltod" für mich. 5 von 5 Sternen, absolute Leseempfehlung.

Autor: Nina Ohlandt

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.01.2017
Todschreiber
Graf, Maren

Todschreiber


ausgezeichnet

Es geschehen mehrere Selbstmorde, die von allen Kollegen von Kriminalkommissarin Lena Baumann auch als solche abgehandelt werden. Doch Lena hat ein Bauchgefühl, welches sie noch nie getäuscht hat. Dies sagt ihr, dass es bei den Selbstmorden nicht mir rechten Dingen zuging. Es tauchen Briefe auf, die den Toten kurz vor ihrem Selbstmord zugestellt wurden und Lena begibt sich auf’s Glatteis, gerade bei ihrem Vorgesetzten und ihren Kollegen, indem sie behauptet, dass diese Briefe die Menschen in den Selbstmord getrieben haben. Anfangs wird dies von allen mit einem schiefen Lächeln Lena gegenüber abgetan. Doch dann tauchen Aussagen und Beweise dafür auf, und zeigen, dass Lena mit ihren Vermutungen doch Recht hatte. Experten werden hinzugezogen, die belegen können, dass man mit Hypnose Menschen derart beeinflussen kann, dass sie sogar einen Selbstmord begehen können.
Und dann gerät Lena selbst in das Visier des Täters.

Schreibstil und Charaktere:
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, klar und detailreich und stellte die Hauptprotagonisten sehr gut dar. Die Charaktere von Lena Baumann und ihrem Kollegen waren authentisch dargestellt, auch das private Umfeld wurde gut miteingearbeitet, so dass man sich ein tolles Gesamtbild machen konnte.
Maren Graf hat die Balance zwischen Spannung, den Todesfällen sowie der privaten Umstände der Ermittler einwandfrei getroffen, so dass nichts zu überzogen oder langatmig war.

Fazit:
Maren Graf hat mit „Todschreiber“ einen super spannenden und äußerst interessanten Krimi geschrieben. Nicht nur die Todesfälle bzw. Selbstmorde und deren Umstände sind interessant, sondern vor allem die psychologischen Tricks, mit denen die Menschen manipuliert wurden, machen diesen Krimi wirklich spannend und waren überaus lehrreich.
Ich habe teilweise Gänsehaut beim Lesen bekommen, so eindringlich und bildhaft war das Geschriebene und so spannend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Die unerwarteten Wendungen dazu waren einfach klasse.

Ein perfekter Krimi, der mich begeistert und gefesselt hat bis zur letzten Seite.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.12.2016
Und damit fing es an
Tremain, Rose

Und damit fing es an


sehr gut

Gustav Perle ist ein zurückhaltender Mann. Er wuchs in den 1940er-Jahren allein bei seiner Mutter Emilie in ärmlichen Verhältnissen im schweizerischen Matzlingen auf - und schon damals hat er gelernt, nicht zu viel vom Leben zu wollen. Als Anton in seine Klasse kommt, ein Junge aus einer kultivierten jüdischen Familie, hält mit ihm auch das Schöne in Gustavs Leben Einzug. Anton spielt Klavier und seine Familie nimmt Gustav sonntags mit zum Eislaufen. Emilie sieht das nicht so gerne, lebt sie doch in der Überzeugung, dass die Bereitschaft ihres verstorbenen Mannes, jüdischen Flüchtlingen zu helfen, letztlich ihr gemeinsames Leben ruiniert hat. Doch Anton ist alles, was Gustav braucht, um glücklich zu sein.

Das Buch ist in drei Teile eingeteilt. Im ersten Teil, ab 1947, wird über die Jungen Gustav und Anton erzählt. Wie sie sich in der Vorschule kennenlernen und sich anfreunden. Im zweiten Teil, vor Gustavs Geburt, wird dargestellt, wie Emilie ihren Mann kennenlernt und was alles geschieht, bevor Gustav geboren wird. Diesen Teil fand ich den interessantesten, weil man viele Informationen bekam, die man im ersten Teil hinterfragt hat. Im dritten Teil geht es um die Erwachsenen, 40- und 50-jährigen Gustav und Anton, was sie erreicht haben, wie sie ihr Leben verbringen.

Gustav tut einem schon im ersten Teil dieses Romans leid. Er buhlt um die Liebe seiner Mutter, tut alles dafür, doch Emilie kann ihrem Sohn nicht die Liebe schenken, die er sich so ersehnt. Sie ist eine kaltherzige und emotionslose Frau, vermutlich da sie selbst in einer kalten und lieblosen Atmosphäre bei einer Mutter aufwuchs, die niemals ein Kind haben wollte. Einen Vater für Emilie gab es nicht, ihr Erzeuger hat früh das Weite gesucht und hinterließ eine verbitterte und wütende Frau, die Mutter von Emilie.

"Dennoch dachte er sehr oft an seine Kindheit. Und jedes Mal ergriff ihn eine Traurigkeit, die absolut und umfassend zu sein schien - als könne kein Kummer der Welt ihn noch einmal so heftig treffen. Diese Traurigkeit legte sich wie ein grauer Dämmer um seine alte Kindheitsvorstellung, dass er selbst unsichtbar sei: die quälende Erinnerung daran, dass der Knabe Gustav immerzu versucht hatte, sich ins Licht zu rücken, damit seine Mutti ihn besser sah. Aber sie hatte ihn nie wirklich gesehen. Sie hatte sich für die Person, die er war, im Grunde blind gestellt."

Gustav lernt in der Vorschule Anton kennen. Die beiden freunden sich an und Gustav liebt Anton, wie er selbst betont. Anton möchte ein ruhmreicher und erfolgreicher Pianist werden, seine Eltern und Gustav unterstützen ihn in vollem Maße, aber Anton kann nicht vor großem Publikum spielen, seine Nerven versagen. Anton benutzt Gustav eigentlich auch nur für seine eigenen Zwecke, er ist kein liebender und guter Freund. Aber Gustav hält an Anton fest, auch als dieser in eine andere Stadt geht, um endlich doch noch Erfolg zu haben.

Der Schreibstil war anspruchsvoll und nicht immer ganz flüssig, dennoch war die Geschichte um Gustav interessant, melancholisch und mitfühlend geschrieben. Sie hat mich sehr nachdenklich gemacht und traurig darüber, dass Menschen ihr Leben lang nach Liebe buhlen, die nicht vorhanden ist und viele Menschen einfach nicht das geben können, was andere sich von ihnen wünschen.

Fazit:

Ein sehr schöner, melancholischer und interessanter Roman, der mich sehr berührt und nachdenklich hinterlassen hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2016
Gilbert Pinfolds Höllenfahrt
Waugh, Evelyn

Gilbert Pinfolds Höllenfahrt


ausgezeichnet

Gilbert Pinfold, ein weltbekannter Schriftsteller, lässt sich auf Anraten seines Hausarztes un d Drängen seiner Ehefrau, da er unter Rheuma und Schlafstörungen leidet, überreden, eine Schiffsreise in die Tropen zu unternehmen. So kommt er auf die Caliban. Er hofft, dort zur Ruhe zu kommen. Doch in seiner Kabine findet er keine Ruhe, er hört alle Geräusche, Stimmen und Gespräche. So belauscht er aus seiner Kabine all diesen Stimmen und Gesprächen vom Schiff, und erfährt dadurch, dass die Besatzung des Schiffes eine Meuterei plant. Gleichzeitig bekommt er so auch mit, dass er selbst Opfer einer Verschwörung werden soll. Bildet er sich dies alles nur ein, oder geschieht es tatsächlich? Wird er wirklich verfolgt, auch nach Verlassen des Schiffes noch? Gilbert Pinfold hat das Gefühl, verrückt zu werden.

Als er wieder zu Hause ist, begibt er sich sofort ans Schreiben seiner persönlichen „Höllenfahrt".

Autor:
Evelyn Waugh (1903-1966) war ein bekannter britischer Schriftsteller. Anlässlich seines 50. Todestages wurden im Diogenes-Verlag einige seiner Romane verlegt.

Evelyn Waugh hat mit einem humorvollen sowie ironisch-sarkastischem Ton diesen Roman geschrieben. Der Schreibstil ist einfach toll, flüssig und klar, man fliegt nur so über die Seiten. Herrlich und humorvoll beschreibt der Autor den Protagonisten in seiner leicht verrückten Art und ich habe die ganze Zeit beim Lesen über diese ganze Geschichte schmunzeln und lachen müssen, perfekt vereinbart diese Mischung aus Sarkasmus und Humor.

Fazit:
Ein toller Roman, der mit ironischem und sarkastischem Ton die „Höllenfahrt" des Gilbert Pinfolds beschreibt, über die man herrlich lachen kann. Auf jeden Fall weiterzuempfehlen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.12.2016
Realitätsgewitter
Zange, Julia

Realitätsgewitter


sehr gut

Marla ist in der Provinz aufgewachsen und kommt nach Berlin, um dort zu studieren. Doch schnell bricht sie ihr Studium ab. Sie bekommt einen Job bei einer Modezeitschrift, doch fällt es ihr schwer, diszipliniert ihren Job durchzuziehen. Sie fängt an, sich treiben zu lassen. Und geht nachts lieber auf Partys.

Marla sucht Freunde, Menschen, die sie „sehen" und ihr nahe stehen, einfach Nähe. Sie wünscht sich einen Mann an ihrer Seite, der ihre Gefühle erwidert. Marla hat viele Kontakte, aber es gibt niemanden, dem sie nahe steht. Sie findet nur Oberflächlichkeit, mehr Schein als Sein, sie geht auf Partys, findet zwar Sexpartner, aber ist trotzdem allein. Trotz 1475 Freunden auf Facebook steht ihr Telefon still. An Weihnachten fährt sie nach Hause zu ihren Eltern, wo bekannte Konflikte wieder auftauchen und sie plötzlich vieles mit anderen Augen sieht.

Die Autorin versteht es, dem Leser die heutige Smartphone-Zeit realistisch rüberzubringen. Jeder hat unheimlich viele Kontakte, wer mehr Freunde auf Facebook hat als die anderen, hat gewonnen. Alle oberflächlich, in Selbstinszenierungen bestens geübt, bloß keine engen Beziehungen eingehen sondern immer schön auf Distanz bleiben. Oberflächlichkeit pur, kein Tiefgang erlaubt. Schon gar nicht mit Freunden oder Verwandten tiefergehende oder emotionale Gespräche führen, ohne dass ausgebildetes therapeutisches Fachpersonal das Gespräch begleitet.

Leider kenne ich Berlin nicht persönlich, kann mir kein eigenes Bild davon machen. Aber leicht scheint es in dieser Stadt nun wirklich nicht zu sein, sich heimisch zu fühlen, anzukommen. Nicht nur bei ihrem Studium ist Marla nicht angekommen, sondern auch ansonsten ist ihr diese Stadt nicht hilfreich dabei, sich einzufinden, enge Freundschaften zu schließen und glücklich zu sein. Nur denke ich nicht, dass es nur in Berlin so zugeht, denn dadurch wie Julia Zange die heutige Smartphone-Generation beschreibt, wird es in anderen Städten nicht viel besser sein, als junger Mensch „echte" Bekanntschaften zu machen.

Melancholisch beschreibt Julia Zange den Weg von Marla, die mir als Leserin nicht unbedingt sympathisch erscheint. Marla hat es nicht leicht, sie hat Selbstzweifel, Selbstmitleid, fühlt sich traurig und einsam, erscheint gleichgültig. Man glaubt, sie würde nun endgültig abrutschen, doch sie findet einen Weg aus diesem desolat erscheinenden Zustand heraus.

Fazit:

Keine leichte Lektüre, die Melancholie zieht sich durch den ganzen Roman, die Protagonistin ist schwierig. Trotzdem hat mir das Buch sehr gut gefallen. Gerade weil es sich nicht um eine leichte, lockere und positive Geschichte handelt, sondern es um reale und angesagte Themen und Probleme geht, fand ich diesen Roman herausfordernd und sehr interessant.

Bewertung vom 08.12.2016
Nach einer wahren Geschichte
Vigan, Delphine

Nach einer wahren Geschichte


sehr gut

Delphine ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, die mit ihrem letzten Buch, einer wahren Geschichte über ihre Mutter schrieb. Mit diesem Buch hat sie sehr viel Aufsehen erregt, vor allem im positiven Sinne, da viele Leser gerade wegen der Realität und der Echtheit dieses Buch mochten.
Auf einer Party lernt die eher zurückhaltende Delphine eine Frau namens L. kennen. Delphine ist von der klugen und eleganten L. sofort fasziniert, die als Ghostwriterin arbeitet. L. drängt in ihr Leben und sorgt dafür, dass sie sich immer öfter und regelmäßig sehen, zu engen Freundinnen werden.
L. kritisiert den Wunsch von Delphine, die gerne ihr nächstes Buch als fiktiven Roman schreiben möchte. L. versucht sie zu überzeugen, dass nur die Realität und eine wahre Geschichte bei den Lesern ankommt und sie begeistert, und kein Mensch mehr fiktive Sachen lesen will.
Delphine wird dadurch verunsichert und fällt in eine schwere Krise und Depression. Sie entwickelt sogar eine völlige Schreibphobie, sie kann sich nicht einmal mehr vor ihren Computer setzen, ohne dass ihr übel wird, geschweige denn einen Stift in die Hand nehmen.

L. zieht bei Delphine ein, übernimmt alle anfallenden Arbeiten, beantwortet Delphins Emails, das Absagen von Veranstaltungen und Interviews sowie das Vertrösten des Verlages, der auf einen neuen Roman wartet. Und L. schreibt Emails an Delphins Freunde, die sie doch bitte in Ruhe lassen mögen, da sie an einem neuen Buch arbeitet. All dies in Delphins Namen, ohne dass jemand weiß, dass diese ganzen Nachrichten gar nicht von Delphine stammen, sondern von L., die niemand kennt. L. sorgt dafür, dass weder Delphins Kinder, ihre Freunde noch ihr Partner Francois sie je zu Gesicht bekommen.

Eines Tages fällt Delphine auf, dass L. ihr immer ähnlicher wird. Sie kleidet sich genauso wie sie, sie bewegt sich genauso wie sie. Schließlich ist Delphine aber der Meinung, sie würde sich all dies nur einbilden. Bis es dann durch verschiedene Ereignisse zur Eskalation kommt und Delphine sich plötzlich in großer Gefahr befindet.

Der Schreibstil der Autorin war für mich nicht ganz flüssig zu lesen, anspruchsvoll, und durch lange und verschachtelte Sätze musste ich viele Passagen mehrmals lesen.
Delphine kam mir oft etwas unbeholfen, naiv und exzentrisch vor, was ihre Sichtweise auf L. noch untermauerte. Sie fand in und an L. die Dinge, die sie bei sich selbst vermisste.

Sehr interessant zu verfolgen war das Thema um Fiktion oder realem Erleben. Ist es wirklich so, dass Leser nur noch auf wahre Geschichten fixiert sind und keine fiktiven mehr lesen wollen? Und stimmt es, dass Fiktion und Wahrheit nur zusammen existieren, weil bei der Wahrheit immer etwas Fiktion und bei der Fiktion immer persönliche und reale Dinge des Autors mit einfließen?

Und natürlich auch interessant das Verhalten und die Persönlichkeit von L., bei der man immer ahnte, dass sie etwas Böses im Sinn hat, es aber nicht exakt benennen konnte. Ich schwang als Leser, genauso wie Delphine, mit den Vermutungen hin und her, ob L. nun wirklich böse ist und schlimme Hintergedanken hat oder bildete man es sich nur ein und sah in manchen Dingen Bösartigkeiten, die gar nicht vorhanden waren.

Delphine äußert in diesem Buch, bei einer Lesung von Lesern darauf angesprochen, dass sie fest davon überzeugt sei, dass ein guter Autor eine fiktive Geschichte als wahre Geschichte den Lesern verkaufen und sie somit täuschen könne. Daraufhin fragt man sich als Leser natürlich sofort, ob dieses Buch, „nach einer wahren Geschichte" nun wirklich passiert ist, oder ob sich die Autorin einen Spaß gemacht hat, und alles Geschehene irreal und fiktiv ist und sie sich alles nur ausgedacht hat, um den Leser wirklich zu täuschen und ihm dieses Buch als reale, wirklich geschehene Geschichte zu verkaufen.

Fazit:
Ein anspruchsvoller, interessanter, verwirrender und undurchschaubarer Roman, der mir viel Lesevergnügen bereitet hat.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.11.2016
Kalte Havel
Pieper, Tim

Kalte Havel


ausgezeichnet

Der Prolog startet schon spannend. Zwei junge Männer haben etwas vor, und Hendrik der ältere der beiden hat sich sogar ordentlich für sein Vorhaben bewaffnet. Alexander sein Freund begleitet ihn, ohne zu wissen, was sein Freund wirklich vorhat. Schnell wird klar, Alexander ist der Sohn von Staatsanwältin Caren Winter. Am nächsten Tag wird Hendrik erschossen aufgefunden und Alexander ist verschwunden. Caren Winter wendet sich verzweifelt an Toni Sanftleben und bittet ihn, diesen Fall zu übernehmen und ihren Sohn zu finden. Eigentlich ist Toni noch beurlaubt, um sich um seine Frau Sofie zu kümmern, die nach 16 Jahren
Verschwinden wiedergefunden wurde. Aber für Toni ist klar, Caren sofort zu helfen und kehrt früher als geplant in seinen alten Job zurück. Auch wegen bestehender Geldprobleme kommt ihm der frühere Beginn ganz recht.

Das alte Team ist da und vor allem Phong freut sich auf die Wiederkehr von Toni. Auch sein alter Chef, Kriminalrat Schmitz ist noch da, der sich gleich zu Beginn eine unsympathisch erscheinende Geste leistet, indem er Toni einen Geschenkkorb auf seinen Schreibtisch stellt, mit italienischen Spezialitäten sowie einer Flasche Barolo und einer Flasche Grappa, obwohl Schmitz von den Alkoholproblemen Toni’s wusste. Man neigt dazu, zu glauben, Schmitz habe dies mit voller Absicht getan um entweder Toni zu ärgern oder ihn sogar wieder zum Trinken zu animieren.

Toni wirft sich sofort in die Ermittlungen, um so schnell wie möglich Caren’s Sohn Alexander zu finden. Es wird spannend bei alldem, was er nach und nach herausfindet und fiebert mit Toni mit, endlich Klarheit in den Fall zu bringen.

In „Dunkle Havel“ ist es mir sehr nahegegangen, wie Toni Sanftleben nach seiner jahrelang verschwundenen Frau Sofie gesucht und wie er gelitten hat, vor allem wie sehr er sie liebt. Deshalb war auch dieses Thema für mich sehr interessant, wie es weitergeht mit den beiden, nachdem Sofie wieder bei ihm und seinem Sohn ist.

Tim Pieper hat einen wunderbaren, leichten und klaren Schreibstil, bei dem man nur so über die Seiten fliegen kann. Bildhaft beschreibt er die einzelnen Schauplätze Potsdams, so dass man eine klare Vorstellung von allem hat, wenn man es nicht persönlich kennt oder bereits dort war. Besonders die Beelitzer Heilstätten hatten es mir angetan, mit einer interessanten Vergangenheit, über die ich mir im Internet sogleich Informationen gesammelt habe. Die Charaktere sind realistisch und überwiegend sympathisch dargestellt. Besonders Toni, Caren Winter und Phong haben mir super gefallen.

Die Spannung war von Anfang an hochgehalten, steigerte sich am Ende zu einem absoluten Showdown, indem alle Fragen schlüssig beantwortet wurden. Durch viele falsche Fährten wurde ich immer wieder irrgeleitet und wusste bis zum Ende tatsächlich nicht, wer der wahre Täter war. Nur im Privatleben von Toni blieb einiges offen, was mich noch neugieriger auf den nächsten Band werden lässt. Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Fall mit Toni Sanftleben und seinem Team.

Fazit: Absolut spannender Krimi, mit vielen falschen Fährten und bildhaft beschriebenen Schauplätzen Potsdams ist dieser Regionalkrimi ein wahres Lesevergnügen und sehr zu empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.