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Alais

Bewertungen

Insgesamt 187 Bewertungen
Bewertung vom 26.01.2015
Dreimal schwarzer Kater / Inspecteur Sebag Bd.1
Georget, Philippe

Dreimal schwarzer Kater / Inspecteur Sebag Bd.1


ausgezeichnet

Drei Kriminalfälle überschatten die sommerliche Urlaubsidylle im katalanisch-französischen Languedoc-Roussillon: Eine junge Frau wird brutal ermordet. Eine zweite wird entführt und der Entführer beginnt ein perfides Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Eine dritte wird mitten in Perpignan angegriffen und mit einem Messer bedroht, kann sich aber zum Glück befreien. Da alle drei Frauen Niederländerinnen sind, glauben viele an einen Serienmörder. Ermittler Gilles Sebag bezweifelt dies, vor allem aber möchte er das Leben der Entführten retten ...
Da ich selber einmal eine Zeitlang in Perpignan gelebt habe, konnte ich diesem Kriminalroman, der in Perpignan und Umgebung spielt, nicht widerstehen und musste ihn mir kaufen. Ganz unvoreingenommen kann ich diesen Roman somit nicht bewerten, da ich es zu sehr genossen haben, mir einst so vertraute Orte, Straßen und vor allem den Berg Canigou, der sich wie ein sanfter Riese über diese Gegend erhebt, wiederzufinden. Diese zweisprachige Region, die auch Nordkatalonien genannt wird, unterscheidet sich sehr von dem Glanz und Glamour der Côte d'Azur und ich finde, dass Philippe Georget ihren authentischen, bodenständigen und gleichzeitig von der Sonne geprägten Charakter sehr schön dargestellt hat.
Überzeugen konnten mich bei dieser Kriminalerzählung auch Schreib- und Erzählstil - unprätentiös, aber sehr gekonnt, so dass ich mir die Handlung und die Personen gut vorstellen konnte. Mit Gilles Sebag präsentiert Philippe Georget seinen Lesern einen Ermittler, dem seine Familie so sehr am Herzen liegt, dass er auf Beförderungen verzichtet hat, um seinen Kindern mehr Zeit widmen zu können. Das ist nicht nur sympathisch, sondern unterscheidet sich auch wohltuend von den üblichen Klischees, die in Kriminalromanen zu finden sind.
Ich habe diese spannende Lektüre sehr genossen und hoffe, dass Georget für uns Leser noch viele weitere ähnlich brillante Kriminalromane schreiben wird!

Bewertung vom 18.01.2015
Make me German! Zweisprachiges Wendebuch Deutsch/ Englisch
Fletcher, Adam

Make me German! Zweisprachiges Wendebuch Deutsch/ Englisch


sehr gut

Ein erheiternder und zugleich liebevoller Blick auf deutsche Eigenarten
Dieses Buch erscheint in einem ungewöhnlichen Design, nämlich passend zum Thema als zweisprachiges Wendebuch. Da ich großen Spaß hatte, beide Sprachfassungen, die leicht voneinander abweichen, miteinander zu vergleichen, gefiel mir diese Zweisprachigkeit sehr gut - und dadurch, dass der Fließtext an einigen Stellen durch Listen unterbrochen wird, finden sich einander entsprechende englische und deutsche Textstellen auch leicht wieder. Wer will oder nicht über genügend Sprachkenntnisse verfügt, kann aber auch mit ebenso großen Lesevergnügen nur eine Sprachfassung lesen.
Worum es geht: Adam Fletcher lebt seit einigen Jahren im Osten Deutschlands und versucht, von seiner Freundin tatkräftig unterstützt, sich mit einigen typisch deutschen Phänomenen, vom Schützenfest über Frauentausch im Fernsehen bis hin zur kafkaesken Bürokratie, vertraut zu machen. Ähnliche Bücher, die das "Typisch-Deutsch/Französisch/etc."-Thema auf humorvolle Art auf die Spitze treiben, gibt es viele und es handelt sich wegen der unerträglichen Verallgemeinerungen nicht gerade um mein Lieblingsgenre, aber dieses sticht für mich wohltuend aus dieser Gattung heraus, weil es mit einer großen Offenheit und sehr viel Charme geschrieben ist, die den Autor sehr sympathisch machen. Ein Mann, der eher dazu neigt, über sich selbst statt über andere zu lachen, und der keinen schnellen Urteile über andere fasst. Es ist kurzweilig und sehr erheiternd, ich habe sogar etwas gelernt, nämlich über den historischen Hintergrund des Schützenfests, und es hatte auch seine nachdenklicheren, philosophischen Momente. Ein bisschen hat es mich jedoch auch deprimiert, weil ich erkennen musste, dass ich viel "deutscher" bin als ich mir das recht ist ...
Wer das Buch in der Öffentlichkeit liest, kann zusätzlich für Erheiterung bei den Menschen in seiner Umgebung sorgen, da es aufgrund des Wendebuchcharakters und dem auf dem Kopf stehenden Cover auf der anderen Seite dann so aussieht, als ob der Leser das Buch falsch herum halten würde - ein Spaß, den ich mir irgendwann einmal beim erneuten Lesen dieses Buches gönnen möchte ...
Kurzum: Ich fand dieses Buch sehr unterhaltsam und habe das Lesen sehr genossen!

Bewertung vom 01.11.2014
Mein langer Weg nach Hause
Brierley, Saroo

Mein langer Weg nach Hause


ausgezeichnet

Dieses Buch fand ich einfach wundervoll! Vielleicht keine hohe Literatur, aber eine spannende wahre Geschichte, die das Herz erwärmt: Als Saroo als kleiner Junge in Indien von seiner Familie getrennt wird und den Weg nach Hause nicht findet, hat er Glück im Unglück: Er wird von einem australischen Paar adoptiert, das ihm ein liebevolles Zuhause in Hobart, Tasmanien, gibt. Zwar fühlt sich Saroo bei ihnen wohl und geborgen, nachts jedoch wandern seine Gedanken zurück zu der Familie, die er verloren hat. Seine Adoptiveltern sind so einfühlsam nicht zu versuchen, ihm seine Vergangenheit zu nehmen. Er hat zunächst nur die bruchstückhaften Erinnerungen des verwirrten und durch die Trennung traumatisierten kleinen Kindes, das er gewesen war. Doch langsam fügen sich diese Erinnerungsbruchstücke zu einer ungewöhnlichen Geschichte zusammen und mithilfe von Google Earth begibt sich der erwachsene Saroo später auf die Suche nach seiner Vergangenheit ...
Ein modernes Märchen zwischen Indien und Tasmanien, mit Fotos und einer praktischen Karte, auf der Saroos Reise durch Indien dargestellt wird.
Kaum hatte ich mit dem Lesen begonnen, konnte ich gar nicht schnell genug umblättern, um zu erfahren, wie die Geschichte des Jungen weitergegangen ist. Der Schreibstil wirkt unprätentiös und makellos, sodass ich schnell in die Erzählung eintauchte und mich von ihr mitgerissen fühlte. Schon auf den ersten Seiten musste ich ein paar Tränen vergießen und bei diesen sollte es nicht bleiben, das bleibt wohl nicht aus bei dieser bewegenden Geschichte. Schön, dass Saroo sie mit seinen Lesern teilt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2014
Der eiserne Sommer / Kommissär Reitmeyer Bd.1
Felenda, Angelika

Der eiserne Sommer / Kommissär Reitmeyer Bd.1


gut

Diese Kriminalerzählung hat eigentlich alles, was ich von einem guten Buch erwarte: Sie ist mit viel sprachlichem Geschick geschrieben, lässt den Leser in eine andere Welt, bzw. in diesem Fall in eine andere Zeit, eintauchen, bietet eine spannende Handlung und wirft einen kritischen Blick auf die (damalige) Gesellschaft. Der Roman profitiert sicherlich von den fundierten Kenntnissen der Autorin, die Geschichte studiert hat, und auch sprachlich gelingt es der Autorin meiner Einschätzung nach sehr gut, diese Zeit für den Leser aufleben zu lassen. Er spielt zu einer Zeit, als sich eine der größten hausgemachten Katastrophen der Menschheitsgeschichte anbahnte: der Erste Weltkrieg. Für mich eine recht ungewöhnliche und erfreuliche Mischung aus Kriminalroman und historischem Roman - bisher kannte ich für diese Zeit leider nur Ben Eltons Kriminalroman "First Casualty", dabei scheint mir gerade die Beschäftigung mit dieser Zeit sehr wichtig, um vergangene Fehler nicht zu wiederholen. Der Prolog enthält die Aufzeichnungen eines Offiziers, geschrieben in zackiger Sprache von einem Menschen, der offenbar nicht in der Lage ist, seine Mitmenschen zu verstehen und der ihnen daher lieb- und respektlos begegnet. Hier zeigt sich das große sprachliche Talent der Autorin, die den Schreibstil eines solchen Menschen brillant und authentisch wirkend imitiert. Danach ändert sich der Ton, die eigentliche Erzählung beginnt: Ein Kellner will sich im Lokal Neptun mit einer anderen Person zu einer Geldübergabe treffen. Er träumt von einem neuen Leben ohne Katzbuckeln, doch dazu soll es nicht mehr kommen: Er wird durch ein Telefonat aus dem Lokal gelockt und ermordet ... Kommissär Reitmeyer nimmt die Ermittlungen auf und erhält sehr zu seiner Überraschung Unterstützung von einer Jugendfreundin, die, was ihre angesehene Familie auf keinen Fall erfahren darf, heimlich in der Pathologie arbeitet. Gut gefiel mir, dass der Leser am Ende erfuhr, wie es mit einigen der Hauptpersonen weiterging. Wenn man als Leser die zwischen den Seiten doch etwas vertraut gewordenen Personen ausgerechnet zu diesem alles durcheinander wirbelnden Zeitpunkt der Weltgeschichte verlässt, macht man sich schließlich doch große Sorgen, wie ihr Leben wohl weitergehen würde, auch wenn es sich natürlich um fiktive Personen handelt. Obwohl ich somit über diesen Roman nur Positives zu berichten habe, hat er leider aus Gründen, die ich selbst nicht ganz verstehen kann, mein Herz nicht erreicht. Vielleicht ist es der enge Horizont der Gesellschaft, der mich abschreckt, vielleicht liegt es daran, dass mir Kommissär Reitmeyer bis zum Schluss fremd blieb, vielleicht habe ich das Buch aber auch einfach zum falschen Zeitpunkt gelesen und vielleicht wird es mir beim erneuten Lesen besser gefallen. Diese Chance der zweiten Lektüre werde ich ihm aber auf jeden Fall geben, denn diese Autorin hat sehr viel Talent!

Bewertung vom 07.09.2014
Eschi Fieges Mittagstisch
Fiege, Eschi

Eschi Fieges Mittagstisch


ausgezeichnet

Ein wunderbares Kochbuch! Liebevoll und mit persönlicher Note zusammengestellt ermöglicht es selbst nicht ganz so erfahrenen Köchen wie mir, verführerisch-leckere Gerichte servieren zu können. Die Fotos sind zwar sehr appetitanregend, haben mich aber gerade deshalb zunächst etwas eingeschüchtert - um so erstaunter und erfreuter war ich, wie leicht und vor allem auch wie schnell sich viele der Rezepte nachkochen lassen.
Sie eignen sich somit tatsächlich für ein leckeres Mittagessen zwischen zwei Arbeitsschichten. Ich habe festgestellt, dass ich nach einem selbstgekochten Mittagessen konzentrierter arbeiten kann als nach einem Fertiggericht, was an der Entspannung, die das Kochen mit sich bringt, oder am Gesundheitsfaktor liegen mag - bei Rezepten aus diesem Kochbuch mit Sicherheit vor allem jedoch am Schlemmer- und Zufriedenheitsfaktor! Wie bei vielen anderen vegetarischen Kochbüchern auch störte mich leider oft die Länge der Zutatenlisten. Es werden aber auch ein paar Rezepte mit relativ kurzer Zutatenliste vorgeschlagen und für versierte Köche ist dies vermutlich sowieso kein Problem, da sie bereits über die entsprechenden Vorräte verfügen. Die Rezepte (Fenchel-Ceviche mit Zitrone und Parmesan, köstlicher Quarkauflauf mit Zitrussalat, Süßkartoffelstrudel etc. etc.) sind abwechslungsreich, treffen aber sehr zielsicher immer genau meinen Geschmack. Die Autorin präsentiert ihre Rezepte auf eine lockere Art, wie eine gute Freundin es tun würde, als Leserin fühlte ich mich bei ihr gut aufgehoben. Für mich sehr wichtig: Die Rezepte sind vegetarisch und somit gewaltfrei. Und bei so viel Gemütlichkeit und guter Stimmung darf auf den Bildern natürlich auch eine Katze nicht fehlen! Mein Gesamturteil: Eine Sammlung vegetarischer Schlemmergerichte - unglaublich lecker und leicht nachzukochen!

Bewertung vom 26.07.2014
Unlucky 13
Patterson, James

Unlucky 13


sehr gut

Just when Detective Lindsay Boxer and her friends Claire, Cindy, and Yuki, who call themselves the "Women’s Murder Club" prepare for Yuki's wedding, Lindsay investigates one of the strangest crimes she ever came across: Two young students die in their car on the Golden Gate Bridge. What at first looks like a traffic accident and later as a terrorist attack seems to be a gruesome crime - they have been killed by tiny belly bombs... And this is by far not the only problem the Women's Murder Club is confronted with: As Mackie Morales, who had once been Lindsay's colleague before turning out to be a ruthless killer, is spotted on a video, Cindy who works as an investigative reporter tries to track her down for an interview and indeed comes dangerously close... And Yuki's honeymoon turns into a nightmare... This novel is centered on action and therefore should not have been my cup of tea as I normally prefer to see the characters evolve and develop - but I found it was a pleasure to read. Despite the horrible crimes, it is not gloomy at all thanks to the warm-hearted characters and the friendship and love between them. Moreover, it is fluently written in an easy-going style that fits well with San Francisco. This edition is quite big with large print - very eye-friendly! I was, however, not very convinced by the murderer's motive and one of the reasons I love reading crime novels is exactly to understand why such horrible things happen - understanding is an important step towards prevention. Still I think Patterson and his co-author Maxine Paetro did a good job - a suspenseful and entertaining crime novel with some of San Francisco's charm!

Bewertung vom 26.07.2014
Blue Blue Eyes / Lost Souls Ltd. Bd.1
Gabathuler, Alice

Blue Blue Eyes / Lost Souls Ltd. Bd.1


ausgezeichnet

Kein Fantasyroman, wie "Lost Souls" vermuten lassen könnte, und trotz des englischen Titels auch kein englischsprachiger Roman, dafür aber ein mitreißender Jugendroman mit sehr viel Poesie. Zum Inhalt: Kata wuchs bei ihren Adoptiveltern Brigitta und Stefan auf, behütet wie ein "putziger Gartenzwerg". Doch nun, da sie 18 Jahre alt wird, soll sich einiges ändern. Sie kehrt einen Tag früher als angekündigt aus dem Internat zu ihren Adoptiveltern zurück, im Gepäck ein Flugticket nach London und der Wunsch, aus der Planbarkeit ihres Lebens auszubrechen. Dieser Wunsch soll früher in Erfüllung gehen, als sie sich erhofft, und auf äußerst brutale Weise: Ihre Adoptiveltern werden Opfer einer Autobombe und auch sie schwebt in großer Gefahr. Die mysteriöse Untergrundorganisation Lost Souls Ltd. versucht, sie zu retten ...
Nur wenige Bücher konnten mich in den letzten Jahren so sehr verzaubern und zum Träumen verleiten wie dieses. Die Autorin ist mit einem außergewöhnlichen Erzähltalent gesegnet und beschreibt die Hauptfiguren und deren Empfindungen so, dass der Leser sich ihnen sehr nahe fühlt. Mit den Mitgliedern der Lost-Souls-Untergrundorganisation Ayden, Nathan und Raix hat sie außerdem drei charismatische Figuren geschaffen, in die man sich wunderbar verlieben kann, was ich auch prompt getan habe. Der einzige Wermutstropfen für mich war, in diesem Buch das alte Feindbild "die Russen", das Kriegstreiber gerade mit den abscheulichsten Mitteln wieder aufzurichten versuchen, wiederzufinden, auch wenn es später relativiert wurde. Dafür ist es der Autorin gelungen, so ganz nebenbei und in nur wenigen Worten die besondere Atmosphäre der südenglischen Küste und einsamen Gegenden Schottlands einzufangen. Zur Stimmung des Buches trägt auch der Song zum Roman "Blue Blue Eyes" von Erric is Blue bei, den ich mir während des Lesens immer wieder angehört habe und es war für mich ein ganz komisches Gefühl, als Kata sich plötzlich an dieses Lied aus ihrer Vergangenheit erinnert und ich genau wusste, wie es klingt ... Ein wunderbares Leseerlebnis, ich warte nun voller Ungeduld auf den zweiten Band!

Bewertung vom 06.07.2014
Lifelogging
Selke, Stefan

Lifelogging


ausgezeichnet

Wie die digitale Selbstvermessung unsere Gesellschaft verändert ...
Stefan Selke zeichnet in seinem Buch "Lifelogging" ein spannendes Bild des Gesellschaftsphänomens der digitalen Selbstvermessung, das er aus vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, unter anderem aus der Sicht der Psychologie, der Politik und sogar, wenn auch nur kurz, der Literatur.
So vielfältig wie die Anwendungsmöglichkeiten sind auch die Motivationen, die sich hinter diesem Phänomen verbergen - von dem Wunsch nach einer besseren Gesundheit durch Aufzeichnung von Gesundheitsdaten, über Eltern, die jederzeit den Aufenthaltsort ihres Kindes wissen möchten, bis hin zur Leistungssteigerung bei der Arbeit. Sowohl die Selbstüberwachung als auch die Nutzung zur Überwachung anderer birgt Chancen wie die Nutzung der Daten als Beweismittel für Schwächere, aber auch zahlreiche Risiken, angefangen bei der Selbstproblematisierung bis hin zur Kontrollgesellschaft, in der die persönliche Freiheit und somit die individuelle Entwicklungsmöglichkeit immer weiter eingeschränkt werden.
Aufgrund der Fülle an Informationen konnte ich dieses Buch nur langsam und abschnittsweise lesen, dafür aber mit sehr viel Genuss, denn der Autor hat einen sehr angenehmen Schreibstil. Überrascht war ich von meiner Reaktion auf das Buch. Bevor ich es in die Hand nahm, sah ich mich als typische Lifelogging-Verweigerin und ging davon aus, durch die Lektüre einen Einblick in ein mir bisher völlig unverständliches Phänomen erhalten zu können. In meinem Leben spielt Kreativität eine wichtige Rolle – der „buchhalterische Blick“ des Lifelogging, wie Selke ihn nennt, kann Kreativität weder messen noch einfangen, sondern droht eher, sie durch kalte Daten und Fakten zu verschrecken. Außerdem finde ich, dass es viel zu viele schwerwiegende Probleme in dieser Welt gibt, als dass man es sich leisten könnte, seine Gedanken ständig um sich selbst kreisen zu lassen - ganz zu schweigen von der Missbrauchsmöglichkeit der Datensammlungen durch kriminell agierende Geheimdienste und andere Schurken.
Durch dieses Buch wurde mir aber nicht nur klar, weshalb meine instinktive Abneigung gegen Lifelogging so stark ausgeprägt ist, sondern sehr zu meiner Überraschung auch, dass ich dennoch durchaus ausgeprägte Lifelogging-Tendenzen aufweise. Das fängt schon damit an, dass ich meine Reaktion auf dieses Buch so genau beobachtete, analysierte und hier beschreibe. Ich fühlte mich viel öfter persönlich betroffen und angesprochen, als ich erwartet hatte. Stefan Selke bezeichnet Lifelogging auch als „Prothese des menschlichen Gehirns“ - hier finde ich mich als Bookcrosserin wieder. Denn mir ist es schon öfters passiert, dass ich an ein Buch zurückdachte und mir dann den von mir verfassten Eintrag in dem virtuellen Bookcrossing-Reisetagebuch („Journal-Eintrag“) wieder ansah, um mich zu erinnern, was ich damals nach der Lektüre zu dem Buch geschrieben hatte. Auch von einer anderen Bookcrosserin habe ich schon gehört, dass sie Bookcrossing neben dem Hauptzweck, mit ausgesetzten reisenden Büchern anderen Menschen eine Freude zu bereiten, gerne als ihr virtuelles Gedächtnis nutzt. Außerdem wird das Interesse, dass die Krankenkassen an Lifelogging zeigen, wohl ein Thema sein, mit dem sich viele von uns früher oder später auseinandersetzen müssen.
Lifelogging hat viele Gesichter und nicht alle sind harmlos, darum ist es ein wichtiges Thema und dies ein wichtiges Buch, dessen Lektüre ich jedem ans Herz legen möchte!

Bewertung vom 07.04.2014
Das dunkle Haus / Erik Winter Bd.11
Edwardson, Åke

Das dunkle Haus / Erik Winter Bd.11


ausgezeichnet

Ein dunkles Haus am Meer, in dem eine Mutter und zwei ihrer Kinder, auf grausige Weise ermordet wurden … Ein schreiendes Baby in seinem Bett … Und die Erkenntnis, dass dieses Kind, die kleine Greta, nicht mehr am Leben sein würde, hätte sich nicht jemand bis zur Auffindung der Leichen um sie gekümmert. Jemand, der die Toten gesehen haben muss. Jemand, der vielleicht sogar selbst der Täter ist …
Als Kriminalkommissar Winter, von Albträumen geplagt, und doch angetrieben von seinem Bedürfnis, Verbrecher zu jagen, nach Schweden zurückkehrt, wartet in der Tat eine Aufgabe auf ihn, die umso schwerer auf ihm lastet, da er selbst Vater zweier Kinder ist. Und die Jagd nach dem Täter führt zu weiteren Verbrechen ...
Åke Edwardson ist ein virtuoser Erzähler, der mit viel Geschick die beklemmende Atmosphäre eines grausigen Verbrechens aufbaut. Leise und in kleinen Schritten entwickelt sich die Handlung. Handlungsort und Personen erschienen mir beim Lesen so überzeugend und nah, als wäre ich vor Ort. Aber Edwardson überlässt den Leser nicht einfach einer spannenden Erzählung, er fordert ihn heraus und spielt mit seinen Vorurteilen. Er selbst verurteilt nicht, sondern beschreibt äußert vielschichtige Charaktere, was die Geschichte sehr real wirken lässt und mich nach dem Lesen nachdenklich zurückließ.
Auch ist es ihm wie nur wenigen anderen Krimiautoren gelungen, der für dieses Genre fast schon obligatorischen Nebenhandlung, die sich im Privatleben der Ermittler abspielt, einen Sinn zu verleihen: Die beiden Mädchen und die schwere Krankheit der Mutter des Kommissars spiegeln die Thematik vom ewigen Wandel der Familien durch Leben und Tod wider.
Überzeugt hat mich dieser Roman jedoch vor allem durch die tiefe Menschlichkeit, mit der Edwardson seine Charaktere beschreibt - ohne zu beschönigen, doch immer bereit zu verstehen ... Ein meisterhaft erzählter Kriminalroman aus dem hohen Norden mit einer ganz eigenen gruseligen Atmosphäre.