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Magnolia
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Bayern

Bewertungen

Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 13.12.2023
Die Ballkönigin - Walzernächte in Wien
Andeck, Mara

Die Ballkönigin - Walzernächte in Wien


ausgezeichnet

...und sie tanzen

„Walzernächte in Wien“ verspricht Mara Andeck mir mit ihrer „Ballkönigin“. Ich hatte zwar keine durchtanzten Nächte, durchlesene jedoch schon, denn ich war total fixiert auf Cleas Geschichte.

Die junge Komtess Clea de Conteville hatte schon immer ihren eigenen Kopf, sie ist im Gegensatz zu ihrer Zwillingsschwester Sophie eine kleine Rebellin. Ihre Maman hat genug zu tun, ihre Töchter gut zu verheiraten, denn das ist es, was eine junge Frau anstreben sollte. Es gilt, sich einen Epouseur zu angeln. Einen Erstgeborenen. Dieser erbt Besitz, Geld und Titel und ermöglicht seiner Angetrauten ein in monetärer Hinsicht angenehmes Leben, Zuneigung und Liebe werden sich schon noch einstellen. Dabei gilt es, gewisse Regeln einzuhalten. Jedoch denkt Clea nicht im Traum daran, den für sie einengenden Hafen der Ehe anzusteuern - bis zu dem Zeitpunkt, als sie unwissentlich mit Nikolaj, dem begehrtesten Junggesellen überhaupt, tanzt. Maman ist entzückt. Die Ballsaison fängt gerade erst an und es bleibt nicht aus, dass sie öfter aufeinandertreffen.

Ich schlage das Buch auf und begegne gleich mal den Figuren der Handlung. Die Familien de Conterville und von Glinsky werden neben der Wiener Gesellschaft vorgestellt, ich bin in Wien im Winter 1877/78 gut angekommen und schwebe bald zu den Walzerklängen.

Die gesellschaftlichen Zwänge dieser Zeit sind deutlich spürbar, vor allem die Frauen werden in ein enges Korsett gesteckt. Es gilt, sich einen standesgemäßen Ehemann zu angeln, Gefühle sind eher Nebensache. Clea jedoch will selbständig sein, ihr Vorbild ist die unkonventionelle Fürstin Pauline von Metternich. Diese ist zwar verheiratet, führt ihr Haus aber so, wie sie es will.

Rund um den ersten Wiener Opernball rankt sich eine zauberhafte Liebesgeschichte um Clea und Nikolaj. Die beiden fühlen sich zwar zueinander hingezogen, jedoch scheint ihre Liebe dank etlicher Missverständnisse gar nicht erst aufzublühen. Viel Unausgesprochenes schwebt über allem und natürlich gibt es viele neidische Blicke und so manches Gerücht um den gut aussehenden Fürsten Nikolaj Glinsky. Doch mit viel Raffinesse werden im Hintergrund die Fäden gezogen, es tauchen mysteriöse Briefe auf, ein amüsanter Reigen voller Irrungen und Wirrungen spannt sich um die beiden jungen Leute.

Mara Andeck ist ein erfrischend-lebendiges Zeit- und Sittengemälde mit historischen und fiktiven Personen gelungen. Die authentischen Charaktere sind in ihren Eigenheiten bestens gezeichnet, es waren vergnügliche und sehr unterhaltsame Lesestunden.

Bewertung vom 12.12.2023
Die Unbestechliche (eBook, ePUB)
Welser, Maria von; Horbas, Waltraud

Die Unbestechliche (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Interessantes Zeitzeugnis

Basierend auf den journalistischen Erinnerungen von Maria von Welser führt uns Waltraud Horbas zurück in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. „Die Unbestechliche“ ist in drei Teile gegliedert, jedem Teil sind die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse in Kurzfassung vorangestellt. Viel ist passiert in diesen Jahren, von den Studentenunruhen, der Ölkrise und auch dem Terror, der den Olympischen Spielen in München ihre Leichtigkeit nahm, wird berichtet, um nur einiges herauszupicken. Diese bewegten Jahre bilden den Hintergrund der Geschichte um eine junge, zielstrebige Frau, deren Gespür für Menschen eine wichtige Grundlage ist, um journalistisch erfolgreich zu sein.

Meine anfänglichen Befürchtungen, dass es sich hier um eine trockene, nüchterne Aneinanderreihung der damaligen Ereignisse handelt, erwiesen sich als unbegründet.

Die 21jährige Alice schnuppert als Volontärin bei einem Lokalblatt Zeitungsluft. Als Mutter einer kleinen Tochter ist es für sie nicht einfach, Beruf, der ihr bald Berufung ist, und Kind unter einen Hut zu bringen. Ein Ehemann ist schon vorhanden, der aber treibt sich als Fotograf lieber in der großen weiten Welt herum. Noch in den 70ern beherrschen die Männer die Arbeitswelt, einer Frau wird nicht allzu viel zugetraut. Aber Alice ist zielstrebig, ihr Weg ist mitunter sehr steinig und doch lässt sie sich nicht unterkriegen. Sie entlockt ihren Gesprächspartnern Interessantes, nachdem sie sich die nichtssagenden Plattitüden geduldig angehört hat, um danach zum Wesentlichen zu kommen. Wenn etwa die Ehefrau eines aufstrebenden Politikers zunächst ihre einstudierten Floskeln wiedergibt und im Laufe des von Alice geschickt gelenkten Interviews meint „…eine Unsichtbare. So nenne ich diese Frauen, die langsam von ihrer Ehe absorbiert werden, bis sie mit den Schatten verschmelzen…“ so ist das eine Aussage, die betroffen macht und nur allzu treffend das damalige Frauenbild einfängt.

„Die Unbestechliche“ ist ein spannender Einblick in die journalistische Arbeit aus der Sicht einer jungen Frau, die in der Männerwelt bestehen will und sich durch nichts und niemanden unterkriegen lässt. Und dabei ihr Leben mit Kind meistert. Maria von Welser hatte ich beim Lesen schon vor Augen, sie ist seit „Mona Lisa“ der Inbegriff einer informierten, kritisch hinterfragenden, selbstbewussten und selbständigen Frau. In Zusammenarbeit mit Waltraud Horbas ist ihr ein lesenswertes Buch gelungen, das man nicht so schnell vergisst.

Bewertung vom 11.12.2023
Stille Falle - Leonore Askers besondere Fälle (MP3-Download)
Motte, Anders de la

Stille Falle - Leonore Askers besondere Fälle (MP3-Download)


ausgezeichnet

Absolut packender Reihenauftakt

Den ersten Fall von Leonore Askers „besonderen Fällen“ habe ich gerade gehört und bin total beeindruckt, bin aber auch sehr verblüfft vom so gar nicht vorhersehbaren Ende. Tanja Geke hat das Hörbuch eingesprochen und hier ganze Arbeit geleistet. Aber nicht nur sie, auch der Autor, Anders de la Motte, hat mich mit seinem „Dezernat für hoffnungslose Fälle“ total gefesselt. Ich bin schon jetzt, nach dem ersten Fall für die Kriminalinspektorin Leonore Asker, absoluter Fan dieser neuen Reihe.

Anstatt, dass Leo befördert wird, fühlt es sich für sie eher an, aufs Abstellgleis gestellt zu werden. Wer will schon hier, ganz weit unten im wahrsten Sinne des Wortes - sie fristen ihr berufliches Dasein im Keller - freiwillig Fälle, die als unlösbar gelten, nochmal aufrollen?

Ein junges Pärchen verschwindet. Beide sind sie fasziniert von Urban Exploration und nun erlebe ich hautnah, wie sie sich hineinwagen. Immer tiefer geht es hinab, bis sie sich aus den Augen verlieren. Ich nehme eine ganz und gar düstere Stimmung wahr, konzentriere mich komplett auf diesen geheimnisvollen Lost Place, die Hörbuchsprecherin transportiert dieses beklemmende, aussichtslose Gefühl direkt weiter.

Zurück zu Leo Asker, die von diesem Fall zwar abgezogen wurde, sie aber Hinweise erhält, die sie nicht ignorieren kann und es auch nicht will. Und so kommt ihr Kindheitsfreund Martin Hill ins für ihn immer gefährlicher werdende Spiel, von dem sie weiß, dass er sich auf dem Gebiet der Lost Places bestens auskennt.

Aus mehreren Perspektiven erfahre ich so einiges. Alle Sichtweisen werden abgedeckt – Ermittler, Täter, Opfer. Auch ein Troll meldet sich zwischendurch, wer auch immer dahinterstecken mag. Und - was haben Figuren, die in einer Modelleisenbahnanlage auftauchen und den Vermissten verblüffend ähnlich sehen, damit zu tun?

Schon die Ausgangssituation lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. In Rückblenden erfahre ich mehr von Leo, von ihrem nicht immer ganz einfachen Leben. Sie ist mir sehr sympathisch in ihrer beherzten Art. Auch die anderen Figuren sind gut getroffen, ich nehme jedem Einzelnen – ob gut oder böse - seine charakterlichen Eigenschaften ab. Schon jetzt freue ich mich auf den nächsten Fall und bin außerordentlich gespannt, welche Location sich der Autor dann aussucht.

Der Start der düster-mitreißenden Krimireihe ist absolut gelungen. „Stille Falle“ hat mich restlos begeistert, das Team der Außenseiter und ihr Dezernat der hoffnungslosen Fälle hat es in sich. Die Spannung bleibt über den ganzen Fall hinweg hoch. Hier stimmt alles von den Charakteren über die nahezu unergründliche Story bis hin zu der oftmals sehr beklemmenden Stimmung mit einem Ende, das mich innehalten lässt und ich nun unbedingt den nächsten Band herbeisehne.

Bewertung vom 10.12.2023
Frau Appeldorn und der tote Bademeister (eBook, ePUB)
Nentwich, Vera

Frau Appeldorn und der tote Bademeister (eBook, ePUB)


sehr gut

Kriminalistischer Lesespaß

Frau Appeldorn hat mich mit ihrer unkonventionellen Suche nach dem Mörder des toten Bademeisters auf humorvolle Art gut unterhalten. Mareike, so heißt Frau Appeldorn mit Vornamen, hat gar eine spitzbübische Ader, wenngleich sie – einmal Blut geleckt - nicht locker lässt. Hat sie sich erst einmal festgebissen und ist davon überzeugt, dass hier ein Verbrechen vorliegt, lässt sie sich von nichts und niemandem mehr abhalten, ihre Recherchen durchzuziehen. Herrn Büyüktürk, ihr Nachbar, steht ihr unterstützend zur Seite, auch wenn seine Zeit beschränkt arg ist. Als Literaturexperte ist er gerade dabei, für den örtlichen Kulturverein eine Lesung mit einem berühmten Schriftsteller vorzubereiten.

Mareike ist sehr umtriebig, gleich mal war ich von ihrem doch sehr anstrengenden Wesen nicht gerade begeistert. Sie kann ganz schön nerven, aber ihr scharfsinniger Blick entschädigt so manches Mal für ihre vorwitzige Art. Selbst der für die Aufklärung um den Tod des Bademeisters zuständige Kommissar hält sich dezent im Hintergrund. Ich hab mich aber schnell an sie gewöhnt, sie hat mir immer besser gefallen. Sie geht gezielt und scharfsinnig vor, dabei sind so einige Personen ziemlich verdächtig. Bis zuletzt hatte zwar so einige Verdächtige, davon auch einen heißen Favoriten und – es war letztendlich dann doch eine ganz andere Täterperson. Ja, so mag ich es. Nichts war vorhersehbar, das Miträtseln hat Spaß gemacht, der lockere Umgang der Protagonisten untereinander war erfrischend. Der mittlerweile zweite Fall um die umtriebige Frau Appeldorn ist in sich abgeschlossen, man muss ihren (mit Sicherheit genau so zielsicher gelösten) ersten Fall nicht unbedingt kennen.

Bewertung vom 06.12.2023
Die Aisbergh-Akte
Lehmann, Rüdiger und Sonja

Die Aisbergh-Akte


sehr gut

Auf den Spuren des jüdischen Bakteriologen Daniel Aisbergh

„Die Aisbergh Akte“ erzählt von dem Bakteriologen Daniel Aisbergh und seiner Rolle während des Nationalsozialismus. Davon, wie er als Jude in die Gräueltaten der Nazis eingebunden war und auch davon, wie es seiner Familie und seinen Freunden erging. Alles beginnt während der Goldenen Zwanziger Jahre, in denen es auch durchaus frivol und frei zuging. Das laszive Berlin und die damalige Künstlerszene werden anschaulich dargeboten. Die Familie um Daniel Aisbergh ist fiktiv, der geschichtliche Hintergrund dagegen ist gut recherchiert. Und doch bleibt vieles im Verborgenen, die beiden Autoren haben sich dieser Zeit angenommen. Dieses Historische haben sie mit dem Heute verwoben, haben Daniels Nachkommen auf seine Spuren geschickt, die sie auch in die unterirdischen Lost-Places von Wien und Berlin geführt haben.

Neugierig war ich auf diese fiktive Familiensaga, die sich der NS-Verbrechen annimmt. Es ist ein vielschichtiges Werk geworden, in das ich mich schon erst einlesen musste, das sich aber allemal gelohnt hat. Die wechselnden Zeitebenen haben mich schon gefordert, das Lesen geht nicht so nebenher. Auch wenn ich so einiges von dieser Schreckensherrschaft weiß, die Judenverfolgung, der Rassenhass bis hin zur Vernichtung mir nicht neu ist, so ist es immer wieder erschreckend, von den Einzelschicksalen zu erfahren. Wer sich für diese Zeit interessiert, ist mit der „Aisbergh Akte“ gut bedient.

Bewertung vom 05.12.2023
Schneeweißes Grab (Zwischen Mord und Ostsee - Küstenkrimi 5)
Herzberg, Thomas

Schneeweißes Grab (Zwischen Mord und Ostsee - Küstenkrimi 5)


ausgezeichnet

Eiskaltes Lesevergnügen

Ein Mann scheint auf der Flucht zu sein. Er ist angeschlagen, das Wetter sehr unwirtlich und da – fällt er in ein tiefes Loch. Ob er sich hieraus aus eigener Kraft befreien kann, ist ziemlich unwahrscheinlich. Der beklemmende Einstieg in das „schneeweiße Grab“ hat es in sich, zumal ich bei ähnlichen Wetterverhältnissen diesen Thriller geradezu verschlinge und mir dieses Szenario bestens vorstellen kann.

Wie sich herausstellt, handelt es sich bei der Leiche auf dem Priwall um einen Sternekoch eines angesagten Restaurants, dessen Chef not amused ist, denn ohne seinen Küchenchef geht so gut wie gar nichts mehr.

Die Flensburger Ermittler Ina Drews und Jörn Appel werden von der Lübecker Kripo angefordert, um diesen Mord – denn um nicht anderes handelt es sich - aufzuklären. Dabei stoßen sie auf so manch Ungereimtheiten, auch ist die Identität des Toten nicht zweifelsfrei geklärt.

Dieser komplexe Fall fordert sie ganz schön und wie es so ist, haben sie plötzlich sowas wie einen Hilfsscheriff an der Backe, der – einmal Blut geleckt - sich nicht so leicht abschütteln lässt. Naja, irgendwie sind sie schon auf ihn angewiesen, denn das polizeiliche E-Auto hat wohl noch nicht so ganz begriffen, dass es bei einer Verfolgungsjagd schon auch auf Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit ankommt. Es kommt noch so einiges mehr auf sie zu und eine undichte Stelle bei den Lübecker Kollegen sorgt zusätzlichen für Ärger.

Ina und Jörn sind ein eingespieltes Team. Sie sind gut in ihrem Job, dessen Alltag sie ganz schön fordert und doch sind sie mit einem hintersinnigen Humor gesegnet, der einen auch in der trübsten Stimmung ein Schmunzeln entlockt. Was beweist, dass es nicht immer knallhart zur Sache gehen muss, auch müssen die Ermittler keinen schwerwiegenden Süchten frönen. Mit Witz und Charme erreichen sie ihr Ziel allemal. Lose Sprüche inklusive.

„Schneeweißes Grab. Zwischen Mord und Ostsee“ aus der Feder von Thomas Herberg hat alles, was ein Krimi braucht. Er ist spannend ab Seite eins, macht neugierig auf die Story und ist bis zum Schluss nicht durchschaubar. Mit Ermittlern, denen man nicht nur gerne folgt, die auch gut und glaubhaft dargeboten werden. Gerne mehr davon!

Bewertung vom 04.12.2023
VITA
Dalcher, Christina

VITA


sehr gut

Macht nachdenklich

Das Für und Wider der einmal verhängten Todesstrafe und dessen Vollstreckung durchleuchtet Christina Dalcher in ihrem Roman VITA. Dafür hat sie ein düsteres Szenario entworfen, in dessen Mittelpunkt die Staatsanwältin Justine Callaghan steht. Sie war bei der Entstehung der Vita-Bewegung aktiv dabei, dessen Statuten die Todesstrafe für jene Staatsanwälte vorsieht, die einen Unschuldigen in den Tod geschickt haben.

Fehlurteile und deren Folgen werden hier auf eine krasse, ja utopisch anmutende Art dargestellt. Zunächst musste ich erst mal akzeptieren, dass derjenige, der ein Urteil fordert, zur Verantwortung gezogen wird.

Justine Callaghan fordert in ihrer Rolle als Staatsanwältin die Todesstrafe für Jake, dem vorgeworfen wird, einen kleinen Jungen ermordet zu haben. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass Jake schuldig ist, andernfalls wäre sie selbst dem Tode geweiht. Denn sie muss sich absolut sicher sein, das richtige Urteil gefällt zu haben, ansonsten wäre ihr kleiner Junge Vollwaise. Justines Leben, ihre Vergangenheit, ihre Familie, ihre Freundschaften werden so nach und nach offenbart, auch kommt Insasse 39384 aus dem Todestrakt zwischendurch zu Wort. Einblicke in die Justiz, speziell in den USA, liefern Interessantes.

"...ein dystopischer Thriller über ein Gesetz, das Staatsanwälte bei Fehlurteilen zur Verantwortung zieht..." wird hier anschaulich beschrieben. Was ist richtig, was ist falsch? Ist erst ein Urteil gefällt und auch vollzogen, ist es nicht mehr rückgängig zu machen. Und wenn sich hinterher herausstellt, dass neue Beweise auftauchen, nicht alle Fakten berücksichtigt wurden, dass Zeugen gelogen haben, dann wird ein vorgegebener Ablauf in Gang gesetzt, dem sich kein Verantwortlicher entziehen kann.

Entscheidet man anders, wenn man infolge eines Urteilspruchs sein eigenes Leben verlieren kann? Christina Dalcher durchleuchtet diese Thematik. Sie polarisiert, sie legt die Fakten dar, urteilt nicht, zeigt aber die vielfältigen Nuancen zwischen schwarz und weiß deutlich auf. Je weiter ich lese, desto mehr setze ich mich mit den Hintergründen der Todesstrafe und den damit einhergehenden Schuldgefühlen auseinander. Justine scheint immer mehr eine Getriebene zu sein, sie wird sich entscheiden müssen…

Ich musste erst mal diese Vita-Bewegung für mich akzeptieren, was schon einige Zeit gedauert hat. Auch sind einige Szenen ziemlich überspitzt dargestellt. Der sehr einnehmende Schreibstil und auch Justines ausweglose Situation, die ganze Story, haben mich dagegen sofort im Buch bleiben lassen, die Schuldgefühle hinter der Thematik um ein Todesurteil haben mich sehr nachdenklich zurückgelassen. Ein gut geschriebener Roman, der lange nachhallt.

Bewertung vom 30.11.2023
Totenlichter (eBook, ePUB)
Sander, Aaron

Totenlichter (eBook, ePUB)


sehr gut

Spannend, mysteriös, manipulativ

Evelyn steht an der Empore der Thaddäus-Kirche - sie will ihrem Leben ein Ende setzen. Der grauenvolle Busunfall im Elbtunnel hat sie körperlich schwer gezeichnet und tiefe Spuren in ihrer Seele hinterlassen. Als dann die Polizeipsychologin Anna Wasmuth in ihrer gerade neu bezogenen Wohnung einen Umschlag mit mysteriösem Inhalt entdeckt, der an Evelyns Suizid zweifeln lässt, nimmt sie mit dem LKA-Ermittler Jan Nygård Kontakt auf.

„Totenlichter“ aus der Feder von Aaron Sander ist der zweite Fall der Reihe um den Hamburger LKA-Ermittler Jan Nygård und der Polizeipsychologin Anna Wasmuth. Auch wenn Anna und Jan mir hier zum ersten Mal begegnen, so bin ich doch gut zurechtgekommen. Beide neigen zu Alleingängen, was ihnen nicht immer gut bekommt. Aber was bleibt ihnen anderes übrig, wenn die Situation sofortiges Handeln erfordert, ein Zögern könnte tödlich enden. Sie verbeißen sich regelrecht in ihre Fälle, denn bei diesem einen Todesfall bleibt es nicht, es sind noch weitere Tote zu beklagen. Bald sehen sie auch klarer, wenngleich sie immer wieder eingebremst werden. Es gibt nicht nur einen Verdächtigen, mir sind so einige schon aufgrund ihrer Handlungsweise ziemlich suspekt. Schlussendlich kristallisieren sich für mich zwei Typen heraus, denen ich alles zutraue. Und doch kommen mir – je weiter die Story fortschreitet – Zweifel, ob ich mit meinem Spürsinn richtig liege. Schlussendlich kommt es ganz anders als erwartet.

Die Story zieht sofort an, ich bin ab Seite eins im Geschehen und weiß doch nicht, wohin mich das Ganze führen mag. Denn Aaron Sander versteht es, Hinweise zu streuen, die sich zwar als hilfreich herausstellen, die aber gefühlt nicht so zielführend sind, wie ich es mir vorstelle. Irgendwann verliert sich die Spannung ein wenig, um dann umso rasanter zum nervenaufreibenden Abschluss zu kommen.

Aaron Sanders Schreibstil fesselt. Er zieht seine Leser regelrecht ins Geschehen, seine Charaktere sind vielschichtig und lebensnah angelegt, er liefert eine - bis auf einige zu langatmig geratenen Passagen - fesselnde Story mit so manch grausamen und auch manipulativen Momenten. Es waren spannende Lesestunden, die mich so manches Mal haben innehalten lassen.

Bewertung vom 29.11.2023
Dunkelsee (Thriller)
Schwermer, Melisa

Dunkelsee (Thriller)


ausgezeichnet

Der dritte Band um das Ermittlerduo Annabelle Hart und Felix Hertzlich ist in sich abgeschlossen, er ist Spannung pur.

Die 17jährige Internatsschülerin Fabienne Lindner wird vermisst, sie war im Rahmen einer Segelwoche mit ihren Mitschülern in einem Landheim direkt am Starnberger See untergebracht. Ihre Leiche wird nach Tagen im See gefunden. Bald darauf verschwinden zwei enge Freundinnen der Toten, auch diese beiden stammen wie Fabienne aus reichem Haus.

In Annabelle Harts Kanzlei erscheint der ziemlich arrogant daherkommende von Baumer. Er war mit Fabienne liiert, will aber nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden, schließlich hat er Familie, ist glücklicher Ehemann und Vater. Auch wenn Annabelle ihn eher widerwillig als ihren Klienten annimmt, so engagiert sie doch den Privatdetektiv Felix Hertzlich, um in dieser Sache zu ermitteln. Felix autistische Schwester Natalie ist mit von der Partie. Sie ist die IT-Spezialistin, die Felix wertvolle Hinweise geben kann.

Annabelle und Felix sind ein Dreamteam und natürlich darf Natalie nicht fehlen. Jeder hat seine Stärken und vor allem besitzen sie einen gesunden Menschenverstand. Darum ist auch Annabelle zunächst ziemlich zurückhaltend, denn von Baumer ist nicht nur ihr suspekt, auch ich sehe ihn ziemlich kritisch. Er macht sich sehr verdächtig mit seiner zugegeben realen Angst, dass sein Verhältnis mit Fabienne an die Öffentlichkeit geraten könnte. Ihn verurteile ich von Anfang an – aber kann es sein, dass der Täter gleich mal auf dem Silbertablett serviert wird?

Melisa Schwermer lässt ihre Leser gleich mal dabei sein, als Fabiennes Mörder sein Werk vollbringt. Wie er sie getötet hat, weiß ich. Aber wer dieser Unbekannte denn wirklich ist, das kann ich nicht mal erahnen. Auch bin ich an den beiden danach verschwundenen Mädchen ziemlich nah dran.

Die Ermittlungen werden von einem Papagei aufgelockert, der sich Annabelle ausgesucht hat. Ruth heißt die Dame, wie sich bald herausstellt und was bleibt Annabelle anderes übrig, als sie sozusagen zu adoptieren. Ruth kommt aber eher am Rande vor, in erster Linie heißt es, die Umstände um Fabiennes Tod aufzuklären und ihre verschwundenen Freundinnen schnellstens, möglichst lebend, zu finden.

Es kristallisieren sich so einige Verdächtige heraus, jeder hat was zu verbergen. Und doch bleiben auch Zweifel. Die Story fesselt ungemein, die Charaktere sind gut nachvollziehbar gezeichnet. Der dunkle See ist für so manchen äußerst bedrohlich. „Dunkelsee“ will gelesen werden, Melisa Schwermer verspricht spannende, nervenaufreibende Lesestunden. Ich werde mir die Autorin merken.

Bewertung vom 28.11.2023
Spy Coast - Die Spionin / Martini Club Bd.1
Gerritsen, Tess

Spy Coast - Die Spionin / Martini Club Bd.1


sehr gut

Einmal Spion, immer Spion

Tess Gerritsen bürgt für Spannung, the queen of thrill hat mit „Die Spionin“ ihre neue Thrillerreihe SPY COAST gestartet. Lloyd, Ingrid, Ben, Declan und natürlich Maggie waren in ihrem früheren Leben allesamt Spione und nun haben sich in den kleinen Ort Purity zur Ruhe gesetzt. Man könnte durchaus behaupten, dass sie eher in einem Zustand der Unruhe ihre Treffen zelebrieren.

Als eines nicht so schönen Tages die Leiche einer Frau direkt vor Maggies Haus liegt, holen sie die alten Zeiten ein - bis vor sechzehn Jahren hat Maggie für die CIA gearbeitet. Die Blackberry Farm ist ihr Rückzugsort, keiner kennt sie hier, keiner weiß von ihrer Vergangenheit. Bis eben hat sie gemeint, hier unerkannt zu bleiben. Was es mit dem Tod dieser jungen Frau auf sich hat, kann sie der ortsansässigen Ermittlerin nicht sagen, sie muss sich der Sache selber annehmen. Eins steht fest: Die Behörde hat Bianca geschickt, die nun tot in Maggies Einfahrt liegt, es geht um einen alten Fall, sie alle sind aufs Höchste alarmiert. Eine rasante Jagd beginnt.

Die Autorin hat tolle Typen geschaffen, allen voran Maggie, die toughe 60jährige. Sie hält Hühner, verkauft die Eier, sie ist eine Farmerin durch und durch. Sie ist aber auch vorsichtig, ihr Grundstück wird lückenlos elektronisch überwacht. Der zunächst fast nüchtern anmutende Ton weicht bald einem atmosphärischen Erzählstil, der mir besser zusagt. Atemlos geht es nach besagtem Leichenfund von Kontinent zu Kontinent, wir begegnen den finstersten Gesellen mit den übelsten Absichten. Maggie kann sich dank ihrer CIA-Vergangenheit aufs Beste abschirmen, ihr ist nichts unbekannt. Ihre Vergangenheit wird zwischendurch in Rückblenden erzählt und bald schon meint man, sie gut zu kennen. Ihr beschauliches Leben in Purity, das durch den Martini-Club mit ihren alten Spionage-Freunden so manch feuchtfröhliche Stunden bietet, ist so ganz anders als ihr ruheloses früheres Wirken für die Behörde. Sie ist oft nahe dran an den ganz Üblen dieser Welt, sie hat gelernt, immer auf der Hut zu sein. Sie mitfühlend und warmherzig, sie durchlebt viel Schmerz und erleidet so manche Verluste.

Tess Gerritsen versteht es, ihre Leser bestens zu unterhalten. Ihre hier geschaffenen Figuren sind nett oder durchtrieben, harmlos oder abgrundtief böse, sie sind mit allen Wassern gewaschen, trauen keinem über den Weg und sie sind ihr Leben lang auf der Flucht. Denn – einmal Spion, immer Spion. Der Auftaktband zu SPY COAST ist gelungen, ich freu mich auf die Folgebände.