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Rezensentin aus BW

Bewertungen

Insgesamt 217 Bewertungen
Bewertung vom 15.09.2020
Der Meisterkoch
Ersin, Saygin

Der Meisterkoch


ausgezeichnet

Historisch, kulinarisch und abenteuerlich.

Schon die Gestaltung des Covers ist eine Augenweide. Ich konnte nicht umhin, mich dem Buch zuzuwenden und den Klappentext zu lesen.
Und dann war klar: an diesem Roman komme ich nicht vorbei.

Wir begeben uns auf eine genussvolle und abenteuerliche Reise nach Istanbul und landen circa im Jahre 1600.
Es ist die Blütezeit des osmanischen Reiches.

Im Topkapi-Palast erblickt ein ganz besonderes Kind das Licht der Welt: ein Kind, mit einem außergewöhnlichen, perfekten Geschmackssinn.
Dieses Kind entkommt dem mörderischen Massaker des Sultans.
Mithilfe des Küchenchefs überlebt es und kann flüchten.
Nach seinen Lehrjahren im „Tempel der Genüsse“, während derer er sich in die Tänzerin Kamer verliebt, kommt der junge Mann als Koch an den Hof zurück, um den Waffenmeister zu bekochen.

Er zaubert wunderbare Gerichte, bereitet herrliche Genüsse und versteht es, mit seinen Kreationen bestimmte Gefühle auszulösen, was ihm große Macht verleiht.
Er scheint aber neben Kochen auch noch etwas anderes im Sinn zu haben...

Mit einer blumigen und poetischen Sprache, mit einer wunderbaren Wortwahl und mit anschaulichen Bildern erschafft der Autor eine verzauberte und märchenhafte Stimmung.

Es ist eine zauberhafte Geschichte, die den Leser in ihren Bann zieht.
Wer in die Atmosphäre von 1001 Nacht eintauchen möchte und exotische Gerichte, Gerüche und Düfte liebt, sollte sich diesem fantastischen Werk, das alle Sinne anspricht, zuwenden.

Bewertung vom 15.09.2020
Was wir voneinander wissen
Greengrass, Jessie

Was wir voneinander wissen


sehr gut

Eine intensive Beschäftigung mit tiefgründigen Fragen und die Angst vor Fehlentscheidungen.

Orientierung an Anderen und Anderem, um zu sich selbst zu finden.

Poetisch, philosophisch, psychologisch, wissenschaftlich, brisant und kurzweilig.

Ausgehend von der Frage, ob sie, schließlich zum zweiten Mal schwanger, noch ein zweites Kind haben möchte, beschäftigt sich eine Frau, die namenlose Ich-Erzählerin, mit dem Leben ihrer Mutter und ihrer Großmutter.

So wie ein ins Wasser geworfener Stein konzentrische Kreise verursacht, kommt die Autorin von der zentralen Fragestellung hin zu anderen Menschen und anderen Themen.

Sie überdenkt einschneidende Entscheidungen und ihre eigene Rollle. Sie reflektiert ihre Beziehungen zu wichtigen Bezugspersonen und ihren Umgang mit Schicksalsschlägen.

Es ist originell (aber nachvollziehbar), dass sie mit ihren Überlegungen bei der großen Verbundenheit und innigen Beziehung des Psychoanalytikers Sigmund Freud und seiner Tochter Anna, ebenfalls Psychoanalytikerin, ankommt und es ist interessant, dass ihre Gedanken zum ersten Kaiserschnitt wandern, wobei Mutter und Kind wegen mangelnder Hygiene keine Chance hatten, zu überleben.

Sie streut immer wieder biographische Details berühmter Wissenschaftler wie Wilhelm Conrad Röntgen und John Hunter ein.

Warum zieht sie all diese Berühmtheiten zu Rate?
Auf den ersten Blick erscheint es willkürlich.
Aber inzwischen glaube ich, dass sie sich genau mit diesen Persönlichkeiten beschäftigt, weil sie sich alle in irgendeiner Weise mit den Themen Schwangerschaft, Geburt, Kinder, Durchblick, Weitblick, Blick ins Innere und Erkenntnis auseinandergesetzt haben.

Immerhin sucht die ich Erzählerin ja auch nach einer Erkenntnis. Sie sucht Antworten auf existentielle Fragen und letztlich, meine ich, den Sinn des Lebens.

Im Verlauf des Romans erfahren wir von erniedrigenden und traumatisierenden Erfahrungen und so einiges über ihre Biografie, die einerseits von zu großer Distanz und andererseits von zu großer Nähe geprägt ist, und das wiederum erklärt den Grund für ihre Auseinandersetzung mit der Mutterrolle im Speziellen und mit ihrer Sinnsuche im Allgemeinen.

Die Mutter der Erzählerin war kühl und distanziert und es ist davon auszugehen, dass sie ihrer Tochter, der namenlosen Ich-Erzählerin, nicht genug emotionale Zuwendung geben konnte.

Sie, also die gerade erwähnte Mutter, wurde von der eigenen Mutter, einer Psychoanalytikerin, in deren Ausbildung als Probandin, „missbraucht“.

Keine Wunder, dass sie auf die übergriffige und bedrohliche Nähe mit schützender emotionaler Distanziertheit reagierte, was ihrer eigenen Tochter, der Ich-Erzählerin, wiederum schadete und eine Art innerer Leere bescherte.

Die Autorin erzählt überwiegend in sachlich-nüchterner Sprache, benutzt brillante Formulierungen, wortgewaltige Metaphern und bildet zum Teil ellenlange Sätze.

Unterm Strich schreibt sie davon, dass man erst dann eine liebevolle und herzliche Mutter werden kann, wenn man selbst genügend Aufmerksamkeit und emotionale Zuwendung erhalten hat.

Ich empfehle das anspruchsvolle, sprachlich herausragende und gelungene Werk gerne weiter, möchte es jedoch ungern als typischen Roman bezeichnen.

Bewertung vom 14.09.2020
Reingewaschen
Wechselmann, Claus

Reingewaschen


ausgezeichnet

Eine Geschichte über drei Männer.

1984 entdeckt der neugierige Gymnasiast Sebastian in einem verschlossenen Fach des Schreibtisches seines verstorbenen Großvaters zehn Briefe, die ein sog. Herr Müller während der Nazizeit aus dem Gefängnis an seine Frau Gertrude geschrieben hat.

Auf zwei Zeitebenen wird nun die Geschichte dreier Männer erzählt.

Im 1984-er Strang lesen wir, was der Ich-Erzähler Sebastian zu erzählen hat.
Wir erfahren, dass die Briefe ihre Empfängerin nie erreicht haben und dass Sebastians Vater sie eigentlich deren Nachfahren hätte aushändigen sollen.
Wir erfahren auch, dass Sebastians Vater gar nicht begeistert davon ist, dass sich sein Sohn so intensiv mit seinem Großvater auseinandersetzt. Ich halte seine Reaktion für durchaus nachvollziehbar, weil es sicherlich nicht einfach und auch schambesetzt war und ist, sich mit der Nazivergangenheit des eigenen Vaters auseinanderzusetzen.

Weil sein Vater ihm keine Hilfe ist, machen sich Sebastian und sein Freund allein ans Werk.
Sie recherchieren und finden Unterstützung bei einem freundlichen Bibliothekar und bei Professor Grün.

Daneben gibt es den 1941-er Strang, in dem ein allwissender Erzähler von den damaligen Geschehnissen berichtet.
Hier geht es überwiegend um den Gefangenen Herrn Müller, der von Sebastians Großvater verhört wird.

Claus Wechselmann hat gründlich recherchiert, weshalb eine authentische Atmosphäre entsteht. Er vermittelt Zeitgeschichte glaubhaft, wählt prägnante Formulierungen und schreibt scharfsinnig und analytisch. Die Sprache ist anspruchsvoll und es ist nicht immer ganz leicht, zwischen den Ebenen hin und her zu wechseln. Man muss aufmerksam lesen, aber das mache ich ohnehin.

„Reingewaschen“ ist ein außergewöhnliches und besonderes Werk, das sich leicht und flüssig lesen lässt, aber niemals seicht oder trivial daherkommt.
Es ein interessanter, spannender, brisanter und kurzweiliger Kriminalroman, durch dessen 288 Seiten man regelrecht fliegt und dessen Ende überrascht.

Ich habe noch nie einen Roman darüber gelesen der davon handelt, wie die Nachfahren mit den Untaten ihrer nationalsozialistisch gesinnten Eltern oder Großeltern umgehen. Schon deshalb interessierte und gefiel mir „Reingewaschen“.

Ich empfehle den absolut lesenswerten Debutroman von Claus Wechselmann sehr gerne weiter.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.09.2020
Ein Versteck unter Feinden
Iperen, Roxane van

Ein Versteck unter Feinden


ausgezeichnet

Roxane van Iperen hat mit „Ein Versteck unter Feinden“ ein wichtiges und aufwühlendes Werk geschaffen: Ein Mahnmal, das an den Widerstand in der Nazidiktatur erinnert.

Die Entstehungsgeschichte des Buches ist äußerst interessant:
Die niederländische Juristin und Publizistin Roxane van Iperen zog 2012 in die Villa „t‘Hooge Nest“ („Das hohe Nest“).
Bei den Renovierungsarbeiten stieß sie auf Verstecke und fand sie Papiere und andere Materialien, die auf den jüdischen Widerstand im zweiten Weltkrieg hinwiesen.

Ihre Neugierde war geweckt. Sie begann gründlich zu recherchieren.
So entstand dieser Roman.

Er ist die bewegende Biographie der jüdischen Schwestern Lien und Janny, die im zweiten Weltkrieg in den Niederlanden den jüdischen Widerstand während der Nazi-Besatzung organisiert und nach Kriegsende der Familie Frank die Nachricht vom Tod ihrer Töchter Anne und Margot überbracht haben.

Die mutigen Schwestern Lien und Janny wuchsen in Amsterdam auf, widmeten später ihr Leben dem Widerstand und versteckten genau hier, in dieser von ihnen gemieteten Villa, während des Krieges zahlreiche Menschen, die untertauchen mussten.
Juden auf der Flucht, politische Flüchtlinge, Leute aus dem Widerstand.
„Das hohe Nest“ wurde zu einem Zentrum des Widerstands gegen die deutsche Besatzungsmacht.

Die Autorin beschreibt das Leben in der Villa ausführlich. Man lernt Bewohner der umliegenden Orte kennen, die die Schwestern und die Untergetauchten unterstützen und man liest von brenzligen Situationen und kritische Begegnungen.

Im Sommer 1944 wurden sie verraten.

Die Schwestern und die meisten Bewohner wurden daraufhin ins Durchgangslager Westerbork deportiert.
Dort lernten Lien und Janny Anne und Margot Frank kennen.
Letztlich wurden die vier jungen Frauen nach Bergen-Belsen umquartiert, ein Lager, in dem es kaum etwas zu essen gab und in dem Krankheiten wie Ruhr und Flecktyphus grassierten.
Margot und Anne verstarben dort.

Die Autorin schildert die Zustände in den Konzentrationslagern eindringlich.

Sie schreibt insgesamt sehr nüchtern, weshalb das Buch wohl als Sachbuch beworben wird. Es liest sich aber trotz Faktenreichtum und Sachlichkeit spannend wie ein Roman, ist packend, ergreifend und informativ.
Ein Werk, das nachdenklich stimmt und nachhallt.

Wer sich für gut recherchierte Geschichte interessiert und gerade in der Stimmung ist, harte Kost zu verdauen, sollte dieses Buch lesen!

Bewertung vom 13.09.2020
Alma
Le Clézio, J. M. G.

Alma


sehr gut

Zwei interessante Lebensgeschichten, die idyllische Insel Mauritius im Indischen Ozean, deren koloniale Vergangenheit und postkoloniale, moderne Gegenwart.

All diese Themen und noch viel mehr verarbeitet der französische Literaturnobelpreisträger Le Clézio (2008) in seinem lesenswerten Roman „Alma“.

Jeremy Felsens Vorfahren lebten auf der Insel Mauritius. Sie hatten eine Plantage, „Alma“, auf der sie Zuckerrohr und Tabak anbauten.

Der Wissenschaftler Jeremy besucht nun die Insel, um, vordergründig, nach Spuren des ausgestorbenen Vogels Dodo zu suchen.
In Wahrheit, aber zunächst unbewusst, begibt er sich auf die Spuren seiner Herkunft.

Er findet keine Spuren dieses Vogels, aber er stößt auf Spuren seiner Familie.

Er trifft auf uralte Zeitzeugen, für die die Felsens noch ein Begriff sind und schließlich auch auf Dodo.
Aber nicht auf den ausgestorbenen Vogel, sondern auf einen weiteren Nachkommen der Familie Felsen.
Dodo ist der unerwünschte und illegitime Sohn aus der außerehelichen Beziehung zwischen dem alten Felsen mit einer Sklavin. Er ist obdachlos und lebt nach wie vor in der Gegend der inzwischen zerstörten Plantage „Alma“.

Jeremy und Dodo erzählen ihre Geschichten.
Jeremy wird mit den düsteren Seiten der Geschichte und mit der Schuld seiner Familie konfrontiert, die sie in der Kolonialzeit auf sich geladen hat.
Dodo erzählt, wie er erkrankte, verstoßen wurde und als Bettler über die Insel wanderte.

Die Gräueltaten des Kolonialismus (Sklavenhandel, Raubbau an der Natur, barbarischer Umgang mit der Tierwelt), die Spuren der Vergangenheit und die tiefe innere Zerrissenheit der Insel, werden der Schönheit und Romantik der Insel gegenübergestellt.

„Alma“ ist ein auf hohem Niveau unterhaltsamer, melancholischer, poetischer und ernüchternder Roman, in und mit dem man sich wohl fühlt.

Man erfährt einerseits von der blutigen Geschichte der Insel und lernt andererseits deren wunderschönen Seiten kennen.

Es ist also durchaus auch ein interessanter und informativer Roman.

Ich empfehle ihn sehr gerne, auch wenn er anspruchsvoll zu lesen ist und manchmal Längen hat.

Bewertung vom 12.09.2020
Der zerrissene Brief
Zischler, Hanns

Der zerrissene Brief


ausgezeichnet

Dieser Roman ist etwas Besonderes!
Eine Lebensgeschichte, eine Liebesgeschichte - und noch viel mehr.

Die Sprache ist brilliant.
Scheinbar mühelos findet Hanns Zischler diskrete, einfühlsame und gleichzeitig prägnante und präzise Worte, um eine spannende Lebensgeschichte zu erzählen.
Kein Wort zu viel, keines zu wenig. Und trotzdem oder gerade deshalb poetisch und literarisch überzeugend.

Die Atmosphäre des beginnenden 20. Jahrhunderts wird anschaulich und glaubhaft vermittelt und die Sprachbilder, die der Autor verwendet sind einfach nur schön.

1899 gehörte schon was dazu, wenn eine junge Frau aus einem fränkischen Dorf sich auf den Weg nach New York machte.
Die lebenshungrige 17-jährige Pauline hat genau das getan.

Warum eigentlich, wo sie doch gerade den weltmännischen und um 30 Jahre älteren Max kennen und lieben gelernt hat?
Warum gibt er ihr 2000 Reichsmark und schickt sie für 2 Jahre nach Amerika?

In New York arbeitet Pauline in den Botanic Gardens in der Bronx.
Sie wird selbständig und lernt viel.
Nach den 2 Jahren heiratet das Paar.
Und dann beginnt das gemeinsame Abenteuer.
Klingt seltsam?
Ja, das tut es auf den ersten Blick.

Zeitsprung,

1966 wird die nun 84-jährige Pauline von Elsa besucht.
Die Biologiestudentin Elsa hat als Kind ihre Ferien bei Pauline verbracht und kürzlich eine Beziehung beendet.
Anhand von Paulines Erinnerungen an ihr abenteuerliches, bewegtes und aufregendes Leben, taucht Elsa nun in eine ganz andere Welt ein.

Pauline erzählt nicht chronologisch sondern bruchstückhaft. Sie beantwortet Elsas Fragen und lässt sich von Einfällen und Erinnerungen leiten.

Sehr originell finde ich den Beginn des Romans: Elsa schreibt einen Brief an den Autor. Sie erklärt ihm darin, woher sie Pauline kennt und wie sie zu deren umfangreichen Aufzeichnungen kam.

Dieser gleichermaßen anspruchsvolle wie bereichernde Roman sollte meines Erachtens langsam und am Stück gelesen werden, damit man voll darin eintauchen kann.
Auf diese Weise kann man sich intensiv auf die Unterhaltungen, Gedankensprünge und Themenwechsel einlassen.
Da der Text etwas Bruchstückhaftes hat und ein bisschen an ein Puzzle erinnert, fällt die Lektüre leichter, wenn man dran bleibt und sich ihr uneingeschränkt zuwendet.

Absolut Lesenswert!

Bewertung vom 12.09.2020
Beinahe
Röhrs, Frauke

Beinahe


sehr gut

Unfall und Begegnung als Auslöser für Suchen (und Finden).

Die 59-jährige Autorin ist selbst Ärztin, weshalb es ihr scheinbar mühelos gelingt, den Klinikalltag authentisch zu beschreiben.
Was ihr ebenfalls gut gelingt, sind die Schilderungen eines Unfalls und einer bedeutungsvollen Begegnung.

Frauke Röhrs erzählt in ihrem Roman „Beinahe“ also von einem Beinahe-Unfall und von einer nachhaltigen Begegnung.

Diese erste Begegnung zwischen der Ärztin Lena und dem 16-jährigen Ivo hat emotionale Intensität, denn sie geschieht im Rahmen eines Beinahe-Unfalls bei nebeligen Wetter auf einer Landstrasse im Norden Deutschlands.
Wie nicht selten der Fall, führt dieses einschneidende Ereignis dazu, über das Leben und über mögliche oder notwendige Veränderungen nachzudenken.

Beinahe-Unfall und Begegnung werden zu Auslösern für Introspektion und Reflexion. Voraussetzungen für Bewegung und Entwicklung.

Ich werde mich hüten, etwas über diese Bewegung und Entwicklung zu verraten, denn ich will niemandes Lesevergnügen mindern.

Nur soviel: Schulprobleme, familiäre Probleme und berufliche Überforderung spielen eine Rolle in diesen Reflexionen.
Das bzw. sein Leben nicht zu verpassen wird zum Orientierungs- und Fixpunkt.

Was die Bremerin Frauke Röhrs wunderbar herausarbeitet und vermittelt, ist die Botschaft, dass man seine Probleme anpacken und sein Leben gestalten kann.
Dass Veränderungen zwar schwierig sind, dass sie aber zu etwas Positivem führen können.

Die Charaktere werden in ihrer Vielschichtigkeit dargestellt. Man bekommt einen guten Eindruck von ihrem Innenleben, kann sich einfühlen.

Ich möchte den zum Nachdenken anregenden 270-seitigen Roman sehr gerne empfehlen.
Die Autorin erzählt Brisantes ohne rührselig oder sentimental zu werden.

Bewertung vom 11.09.2020
Herr Origami
Ceci, Jean-Marc

Herr Origami


ausgezeichnet

Als e-book gelesen und prompt als Printausgabe verschenkt!

Was für ein zauberhafter, poetischer und philosophischer Kurzroman, der noch dazu wunderschön gestaltet ist!
Schon das schlichte Cover mit dem Origami-Vogel sticht einem ins Auge und die Kapitelüberschriften in schön gestalteten japanischen Schriftzeichen sind eine Augenweide.

Aus Liebe reist Meister Kurogiko als junger Mann einer jungen Frau hinterher und landet in Italien.
In der Toskana.
Doch enttäuschenderweise findet er seine Angebetete nicht!
Er bleibt trotzdem.
Er richtet sich in einem alten, verfallenen Haus ein und verbringt seine Tage mit Meditieren und der Produktion von Washi, dem traditionellen japanischen Papier, aus dem Origami, die Kunststücke aus Papier, hergestellt werden.
Bald schon hat er seinen ganz speziellen Namen bei den Dorfbewohnern: Herr Origami.

Ich möchte nicht zu viel erzählen, weil dieses kleine Juwel so kurz ist und ich niemandes Lesevergnügen mindern möchte.

Nur so viel: ein Uhrmacher kommt ins Dorf, die beiden Männer begegnen sich und diese Begegnung ist einschneidend und lebensverändernd für beide.

„Herr Origami“ ist ein schnörkellos geschriebener Debutroman mit gerade mal 160 Seiten.
Kein Wort zu wenig, keines zu viel.
Auf manchen Seiten stehen nur wenige Sätze.
Ein berührendes Buch zum entschleunigen!

Ich empfehle dieses gleichermaßen anspruchsvolle wie schlichte Werk, das einen innehalten lässt und zum nachdenken anregt, sehr gerne weiter!

Bewertung vom 10.09.2020
Alles, was wir sind
Prescott, Lara

Alles, was wir sind


sehr gut

Was steckt hinter „Doktor Schiwago“?

Die Geschichte hinter der Geschichte.

Der Russe Boris Pasternak (1890-1960), ein wankelmütiger Mann mit zweifelhafter Prioritätensetzung und Autor des weltberühmten Romans „Doktor Schiwago“ hat eine treue Geliebte: die Redakteurin Olga, verwitwete Mutter zweier Kinder.

Der amerikanische Geheimdienst CIA will sich im kalten Krieg gegen den Ostblock im Allgemeinen und die Sowjetunion im Besonderen einer außergewöhnlichen Waffe bedienen:

Im Allgemeinen geht es bei dieser Waffe um Worte, Bücher, Literatur!
Im Speziellen geht es bei dieser Waffe um „Doktor Schiwago“.

Die Agentin Sally soll die junge Sekretärin Irina, Tochter russischer Einwanderer, deren Vater vom sowjetischen Geheimdienst ermordet wurde, dazu ausbilden, diese sog. „Schiwago-Mission“ zu übernehmen.
Es geht hier um einen streng geheimen amerikanischen Propagandafeldzug: Irina soll den in der Sowjetunion verbotenen Roman unter der Bevölkerung verteilen, um deren Widerstand zu wecken.

Ich empfehle den packenden Roman, der gleichzeitig Liebesgeschichte, Agententhriller und historischer Roman ist und von Politik, Macht, Liebe und den starken Frauen hinter einflussreichen Männern handelt, sehr gerne weiter.

Die Entstehungsgeschichte von „Dr. Schiwago“ kennenzulernen und mehr über die Arbeit der CIA, über den Wettlauf um technische Neuerungen und über Leben und Unterdrückung in der Sowjetunion zu erfahren, ist äußerst interessant.

Der Roman liest sich flüssig und ist von Anfang bis Ende spannend, unterhaltsam und informativ.

Die Figuren werden sehr anschaulich und in ihrer ganzen Komplexität gezeigt.
Der Leser bekommt einen guten Einblick in die Innenwelt der Charaktere.
Olga z. B. ist zwar eine liebende Frau, die für diese Liebe große Opfer bringt, gleichzeitig ist sie aber auch sehr fordernd und in ihrer Mütterlichkeit zu hinterfragen.

Umgebung und Atmosphäre werden authentisch dargestellt und es wird eine Gesellschaftsbild gezeichnet, in dem Unterschiede zwischen Ost und West definiert und herausgearbeitet werden.

Dass die Autorin Lara Prescott eine umfangreiche und umfassende Recherchearbeit geleistet hat, um dieses Buch zu schreiben erkennt man unschwer.

Sehr empfehlenswert!