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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 611 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2023
Dunkelzeit
Flanagan, Erin

Dunkelzeit


ausgezeichnet

Es ist das Jahr 1985, Hal lebt in der Kleinstadt Gunthrum, Nebraska, und arbeitet als Landarbeiter auf der Farm von Alma und Clyle, die ihn fast wie einen Adoptivsohn behandeln. Der junge Mann ist geistig beeinträchtigt, was dazu führt, dass er der erste Verdächtige ist, als die siebzehnjährige Peggy verschwindet und man einen Schuldigen sucht. An dem fraglichen Wochenende war Hal auf einem Jagdausflug, allerdings kehrt er mit einer Delle im Pick-up und Blut auf der Ladefläche früher nach Hause zurück, ohne seinen Arbeitgebern eine zufriedenstellende Auskunft über die letzten Tage geben zu können.

Ich kann kaum glauben, dass Dunkelzeit das Debüt von Erin Flanagan sein soll, denn dieser Kriminalroman war eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit lesen durfte. Aus verschiedenen Blickwinkeln näherte sich die Autorin dem Geschehen an, schilderte das Leben in einer Kleinstadt so authentisch und realistisch, dass ich das Gefühl hatte, mittendrin zu sein. Ob Klatsch und Tratsch, die kleinen und großen Geheimnisse, Freundschaften, Verbrüderungen, Sticheleien oder die übliche Eifersucht; es gab von allem etwas, die Figuren waren mit Leben gefüllt, die Handlung dramatisch und die Geschichte wendungsreich. Ich hätte nicht gedacht, dass die Story es schafft, mich dermaßen gut zu unterhalten, der Ausgang war überraschend und die folgende Enthüllung absolut genial. So wünsche ich mir einen Kriminalroman! Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2023
Das Gästezimmer
Michallon, Clémence

Das Gästezimmer


sehr gut

Aidan Thomas ist in seiner Nachbarschaft beliebt; kürzlich Witwer geworden, kümmert er sich fürsorglich um seine dreizehnjährige Tochter Cecilia, ist Nachbarn gegenüber aufmerksam und hilfsbereit. Niemand ahnt, dass in seinem Gästezimmer Rachel lebt, die er seit fünf Jahren gefangen hält und seiner Tochter gegenüber als eine Bekannte ausgibt, die niemanden sonst hat und der er das freie Zimmer vermietet, weil sie ihr Zuhause verlor. Als Aiden anfängt, die junge Barkeeperin Emily zu daten, befürchtet Rachel schlimmes, weil eine solche Aufmerksamkeit für die meisten Frauen tödlich endet.

Das Buch startete großartig, auch wenn der Schreibstil ungewöhnlich war, denn die Sicht von Rachel wurde durchgehend aus einer Perspektive erzählt, in der die Leserschaft permanent persönlich angesprochen wird. Dies war stellenweise sehr intim, sodass ich oft das Gefühl hatte, zusammen mit Rachel in der Erzählung gefangen zu sein. Weitere Personen nutzten die Ich-Perspektive, so entstand genug Abstand und eine bedrohliche Atmosphäre, um die ungewöhnliche Situation realitätsnah zu schildern. Die Details der Tat und das Geschehen der vergangenen Jahre kamen erst nach und nach ans Licht, ich war überwiegend darauf angewiesen, dass Rachel mir diese verriet. Das Schicksal der gefangenen Frau war grausam und ich war dankbar, dass die Autorin zwar vieles angedeutet, die sexualisierte Gewalt aber nie in aller Ausführlichkeit beschrieben hat. Hier verließ sie sich ganz auf das Kopfkino der Leserinnen und Leser.

Zwischendurch gab es viele Stellen, an denen ich mir mehr Tempo gewünscht hätte, einige Situationen waren unnötig in die Länge gezogen und eine Kürzung wäre von Vorteil gewesen, dennoch war durchgehend eine gewisse Spannung vorhanden, ein Nervenkitzel, erzeugt aus den Möglichkeiten, die oft im Dunkeln geblieben sind. Im letzten Drittel zog die Geschichte aber noch einmal an, ich war dermaßen neugierig, dass ich fast vorgeblättert hätte, so gespannt war ich darauf, welchen Abschluss mir die Autorin bieten wird. Zum Glück wurde ich nicht enttäuscht, mir gefiel die Richtung, die die Story nahm und auch das Ende war passend gewählt. Ein außergewöhnlicher Psychothriller, den ich gerne gelesen habe und mit vier Sternen bewerte.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.11.2023
Übertretung
Kennedy, Louise

Übertretung


sehr gut

Wir schreiben das Jahr 1975, in Belfast, der Hauptstadt Nordirlands, eskaliert der Bürgerkrieg. Die vierundzwanzigjährige Cushla Lavery kümmert sich um ihre alkoholkranke Mutter Gina, wenn sie nicht gerade Grundschüler unterrichtet oder ihrem Bruder Eamonn in dem Familienpub hilft. Die Familie Lavery ist katholisch, der Pub in einer überwiegend protestantischen Vorstadt, da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, jeder Satz seziert. Als Cushla sich in Michael Agnew verliebt, riskiert sie viel; der angesehene Prozessanwalt ist nicht nur doppelt so alt wie Cushla und verheiratet, sondern dazu auch Protestant. Als wäre das nicht explosiv genug, engagiert sich Cushla für Davy und dessen Familie, deren Familienoberhaupt fast totgeschlagen worden ist. Der Preis für ihren Einsatz ist hoch.

Der nordirische Bürgerkrieg nimmt im Buch einen großen Raum ein, auf fast jeder Seite sind die Auswirkungen auf das Leben der Menschen zu spüren. Die Liebesgeschichte zwischen Cushla und Michael daneben ist verstörend, verdient sie meiner Meinung nach diese Bezeichnung nicht. Ich würde von Hörigkeit sprechen, einer Abhängigkeit und Missbrauch, nichts anderes sehe ich darin. Die junge Frau ist fasziniert von Michael, der ältere Mann ist gebildet, charismatisch, vermögend und dazu manipulativ genug, um zu wissen, wie er vorgehen muss, um ein unbedarftes, naives Mädchen für sich einzunehmen. Viele Male bin ich angewidert, will Cushla schütteln, sie warnen, ihr sagen, was sie machen soll beziehungsweise was sie auf keinen Fall tun darf. Aber... Natürlich gibt es ein Aber, das gibt es fast immer, denn es gibt auch Augenblicke der Freude, der Hoffnung, liebevolle Zeiten neben all dem Zorn und der Wut. Die Auflösung sehe ich dennoch nicht kommen, trotz der Andeutung zu Beginn habe ich einen anderen Ausgang erwartet und bin überrascht, wie weh mir das Geschehene tut.

Arbeitslosigkeit, Ausweglosigkeit und keine Perspektive, wer so aufwachsen muss, der ist nicht zu beneiden. Louise Kennedy hat die damalige Zeit authentisch dargestellt, sehr detailliert abgebildet und realistisch wiedergegeben. Ein eindrucksvolles, wenn auch düsteres und trauriges Buch, das etwas Wissen über die geschilderte Zeit erfordert, das mir überwiegend fehlte, was dazu führte, das ich manche Situationen wahrscheinlich falsch eingeschätzt habe. Dennoch ein beeindruckendes Werk, das ich gerne gelesen habe und das mir im Gedächtnis bleiben wird. Vier Sterne und eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


ausgezeichnet

In einem Zug fährt ein Vater mit seinem Kind, fährt ein Ehepaar, das nach vielen Streitigkeiten verschiedene Auffassungen von der Zukunft hat, und eine junge Frau, die endlich wissen will, was in der Vergangenheit geschehen ist. Alle diese Menschen sind miteinander verbunden, ihre Schicksale miteinander verwebt. Sie fahren nach Malma, einen kleinen Ort, der wenige Stunden von Stockholm entfernt ist.

Ich muss mich hier zurückhalten, denn obwohl ich meine Begeisterung laut herausrufen will, möchte ich noch lieber jeder Leserin und jedem Leser das Erstaunen, das Begreifen und das Entzücken belassen, das mich immer wieder beim lesen ergriffen hat, als erneut ein Puzzleteil zum anderen fand und noch weitere dann das große Ganze vervollständigten. Dabei war eine übermäßige Spannung anfangs fast gar nicht vorhanden, diese baute sich kontinuierlich von Kapitel zu Kapitel auf, bis dies so unerträglich wurde, dass ich fast verrückt vor Neugierde geworden bin. Immer mehr Einzelheiten kamen hinzu, Zusammenhänge wurden klar, ich begriff, wer die Personen sind, denen ich seitenlang gefolgt bin. Ab da bin ich dem Buch verfallen.

Was für eine komplexe Handlung, wie passend dies alles ineinandergriff! Trotz der Sprünge zwischen Personen, Jahren und verschiedenen Handlungen, es war ein permanentes hin und her, gab es keinen Moment, in dem ich verwirrt gewesen bin. Ich war im Gegenteil total begeistert und hätte am liebsten sofort allen mitgeteilt, wie toll dieses Buch, wie großartig diese Geschichte ist. Unbedingt wollte ich wissen, wie es ausgeht, aber nicht, dass es endet; im Zwiespalt gefangen genoß ich die Erzählung, inhalierte förmlich jedes Wort, erfreute mich an Sätzen, Absätzen, Kapiteln und bekam doch nicht genug. Die Auflösung erstaunte mich, ein solches Ende habe ich nicht erwartet, war aber entzückt darüber, wie gut es gepasst hat.

Es ist ein trauriges, zeitweise sehr melancholisches Buch. Die Traurigkeit zieht sich durch die Erzählung, nur manchmal flacht sie ab und lässt die Hoffnung durch, die unermüdlich an die Oberfläche kommen will. Für mich ein lesenswertes Buch, ein Highlight gar, das mir unvergessliche Lesestunden beschert hat. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir.

9 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.11.2023
So dunkel die Nacht
Clark, Mary Higgins;Burke, Alafair

So dunkel die Nacht


ausgezeichnet

Melissa Eldredge und ihr Bruder Mike haben in ihrer Kindheit ein traumatisches Erlebnis gehabt; entführt und missbraucht sind beide nur knapp mit dem Leben davongekommen. Als kurz nach Melissas Hochzeit mit Charlie Miller dessen kleine Tochter Riley spurlos verschwindet, ist das Entsetzen groß, denn es häufen sich die Parallelen. Als die Polizei sich dann augenscheinlich auf die falsche Person als Täter eingeschossen hat, müssen Melissa und ihre Familie sich ihrer Vergangenheit stellen.

Das Schicksal der Familie Eldredge hat Mary Higgins Clark (1927-2020) bereits vor Jahrzehnten (ET der Originalausgabe ist das Jahr 1975!) in ihrem Buch mit dem Titel Wintersturm beschrieben; da im vorliegenden Buch der Fall zur Sprache kommt inklusive der dazugehörigen Lösung, sollte klar sein, dass dies nicht ohne Spoiler ablaufen kann. Die Ereignisse von damals werden hier so ausführlich behandelt, dass es nicht nötig ist, das erwähnte Buch zu lesen, um die vorliegende Geschichte zu verstehen. Wer es trotzdem möchte, sollte dies aber unbedingt vorher tun.

Vorab möchte ich anmerken, dass die Autorin Mary Higgins Clark bereits vor dem vorliegenden Buch verstorben ist und selbst nicht mehr daran beteiligt war. Die Zusammenarbeit war allerdings in den Jahren davor so erfolgreich, dass Alafair Burke weiterhin unter beider Namen schreibt und dies tut sie, wie ich anführen möchte, großartig.

Wie immer gibt es im Buch verschiedene Sichtweisen, auch von Personen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Geschehen zu tun haben. Dies hört sich verwirrend an, ist es aber nicht, denn es steigert im Gegenteil die Spannung. Nach einer kurzen Einführung, springt die Geschichte immer ein wenig vor, bis wir zu dem im Klappentext erwähnten Ereignis kommen, als Melissas Stieftochter verschwindet. Warum im Klappentext und auch im Innenteil steht, dass dies vor der Hochzeit geschieht, kann ich nicht nachvollziehen, denn geheiratet wurde definitiv davor.

Die Spannung baute sich immer mehr auf, Dinge kamen ans Licht, die der Story eine andere, eine verstörende Wendung gaben. Als weitere Erkenntnisse gewonnen wurden, konnte ich es kaum glauben, denn plötzlich ergab sich ein Szenario, das meine Vermutungen (und ich hatte einige) nicht nur nicht bestätigte, sondern weiteren Verdächtigungen Nahrung gab. Als ich sicher war, zu wissen, wie es ausgehen wird, überraschte mich die Auflösung erneut. Ich mochte es sehr, wie ich in die Irre geführt wurde, denn langweilig wurde es so natürlich nicht. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.11.2023
Frau Komachi empfiehlt ein Buch
Aoyama, Michiko

Frau Komachi empfiehlt ein Buch


gut

Das Buch beinhaltet fünf Geschichten, fünf vollkommen unterschiedliche Schicksale, die sich nur am Rande überschneiden, wenn Nebenfiguren plötzlich erneut auftauchen und eine besondere Rolle spielen. Allen Geschichten gemeinsam ist aber vorrangig die Bibliothekarin Sayuri Komachi, die es mit ihrer Frage „Wonach suchen Sie“ schafft, die vor ihr stehenden Personen förmlich zu bannen. Die Menschen, die vor ihr stehen, sind auf der Suche; nach dem Sinn, nach dem Inhalt, nach einer Freude in ihrem Leben.

Da ist einundzwanzigjährige Verkäuferin Tomoka, die alles aufregend und cool in Tokio findet, aber merkt, dass sie unzufrieden und unglücklich ist. Oder die vierzigjährige Natsumi, die Mutter geworden ist und seitdem versucht, Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen, wobei sie regelmäßig scheitert. Frau Komachi empfiehlt ihnen allen ein besonderes Buch, mit dem sie zuerst nichts anfangen können, das aber überraschende Auswirkungen auf ihr weiteres Dasein hat.

Lebensweisheiten, Sinnsprüche, Lebenshilfen und kleine Anregungen, wie und was man anders machen kann. Durch andere Denkweisen ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten, neue Wege entstehen und Krisen werden gemeistert. Die typisch japanische Denkweise wird hier ebenso berücksichtigt, wie die Mahnung, dass zusammen und gemeinsam alles besser geht. Es ist insgesamt alles sehr simpel; Problem gefunden, Lösung anvisiert und letztendlich wird alles gut. Nicht das schlechteste Konzept in der heutigen Zeit, das mir manchmal etwas zu glatt war. Dennoch fand ich die Geschichten interessant, fand mich gut unterhalten. Von mir gibt es drei Sterne und eine Leseempfehlung. Ein schönes Buch für angenehme Lesestunden.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2023
Die Dauer der Liebe
Gruber, Sabine

Die Dauer der Liebe


sehr gut

Was bleibt, wenn der geliebte Mensch geht? Diese Frage muss sich die Übersetzerin Renata Spaziani stellen, als ihr eines Morgens ein Polizist die Nachricht überbringt, dass ihr Lebensgefährte Konrad Grasmann auf einem Parkplatz gestorben ist. Gestern bereits, informiert wurde jedoch nur die Familie, denn Renata und Konrad waren zwar fünfundzwanzig Jahre zusammen, aber nicht verheiratet. Konrads Familie hat Renata nie akzeptiert, ein rechtsgültiges Testament fehlt und so muss Renata zusehen, wie ihr nach und nach alles genommen wird.

„Wenn ich vor dir tot sein sollte, werde ich aus Sehnsucht nach dir im Jenseits noch einmal sterben. Konrad hat Renata viele solcher Sätze ins Ohr geflüstert. Was Konrad nicht ahnen konnte: dass auch die Sehnsucht der Überlebenden lebensgefährlich ist.“ (Seite 34)

Das abrupte Ende einer großen Liebe ist schlimm genug, wenn dazu aber noch eine herzlose und geldgierige Verwandtschaft des Partners die Trauer stört, ist das an Grausamkeit nicht zu überbieten. Renata ist wie paralysiert, sie realisiert anfangs nicht, worauf die plötzliche Zuwendung eines Familienmitgliedes Konrads hinausläuft. Ich konnte fast nicht mitansehen, was da passierte, meine Gefühle schwankten zwischen Mitgefühl, Zorn und Wut. Immer wieder fragte ich mich, ob ich genauso entscheiden, oder anders reagieren würde, aber solche Fragen können nur rein hypothetischer Natur sein, denn eine solche Situation ist so persönlich und intim, dass es keine allgemeine Antwort darauf gibt. Und das ist auch gut so.

Zu Beginn habe ich ein wenig gebraucht, um mich an den Schreibstil zu gewöhnen, Gedanken und Erinnerungen kreuzten die Gegenwart, Vergangenes und Gegenwärtiges vermischte sich und es kam ziemlich viel Unruhe rein. Diese Erzählweise passte jedoch zur Situation, was mir half, mich darauf einzulassen, und bald fiel es mir gar nicht mehr auf. Der Fokus liegt überwiegend auf Konrad; seinen Werdegang, seine Karriere und die Liebe zur Kunst. Neben der Trauer nahmen die kulturellen Ausschweifungen einen großen Raum ein und dies ist für mich auch der einzige Kritikpunkt, der in der zweiten Hälfte des Buches meiner Begeisterung einen kleinen Dämpfer verpasst, das Lesevergnügen insgesamt aber nur etwas geschmälert hat.

Ein wunderbares Buch, viele Zitate habe ich markiert und las sie erneut; so schön fand ich sie. Feinfühlig und empfindsam, behutsam fast führte mich die Autorin durchs Buch. Dafür gibt es von mir vier Sterne und eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.11.2023
Wie Sterben geht
Pflüger, Andreas

Wie Sterben geht


ausgezeichnet

Im Winter 1983 soll auf der Glienicker Brücke der spektakulärste Austausch von Agenten stattfinden; der kriminelle und in den USA zum Tode verurteilte Sohn eines Politbüromitgliedes soll gegen einen ranghohen KGB-Offizier mit dem Decknamen Pilger ausgetauscht werden, dessen Identität nur die Agentin Nina Winter kennt. Vor drei Jahren war Nina beim BND tätig und mit der Auswertung von Spionage-Informationen betraut. Pilger wollte sie und nur sie als seine Führungsoffizierin in Russland haben. Die Ereignisse von damals enden 1983 in einem Inferno und Nina muss sich die Frage stellen, inwiefern sie durch ihre Handlungen Schuld daran trägt.

„Atemzüge meißelten Angst in ihre Brust.“ (Seite 349)

Wenn Andreas Pflüger ein Buch schreibt, ist dies ein großes Ereignis für mich. Seit Jahren verschlinge ich alles, was aus seiner Feder stammt und bekomme nicht genug davon. Nun also ein politischer Thriller mit dem Schwerpunkt Spionage und Gegenspionage zu Zeiten des Kalten Krieges, in dem der politische Anteil einen unerwartet großen Raum einnimmt, was mich überrascht hat. Natürlich sind mir die damaligen Ereignisse noch im Gedächtnis, allerdings eher nebulös, denn ich war noch jung und politisch eher uninteressiert. Einer Auffrischung war ich insofern nicht abgeneigt, allerdings kann ich nicht behaupten, dass ich alles richtig verstanden hätte. Wie nicht anders zu erwarten, hat Andreas Pflüger akribisch recherchiert und auch, wenn die historischen Fakten durchaus interessant waren, haben mich diese stellenweise fast erschlagen. Immer wieder musste ich selbst nachforschen, denn auch wenn mir die Abkürzungen BKA, BND, AA, KGB, CIA oder UdSSR geläufig waren, wie wahrscheinlich den meisten Leserinnen und Lesern, konnte ich mit VF, UpDK, OPPA, ZK, KPdSU, HVA, WDNCh herzlich wenig anfangen. Auch die vielen russischen Namen, Orte und sonstigen Bezeichnungen waren ungewohnt für mich; alles in allem war höchste Konzentration gefragt, um den Geschehnissen folgen zu können. Belohnt wurde ich durch den Werdegang von Nina sowie die Beziehung von Nina zu Pilger und weiteren Personen, die ebenfalls eine große Rolle spielten.

„Sie wollte immer ewig leben, aber nie unsterblich sein. Bis zu jener Nacht, in der sie geglaubt hatte, sie sei die Frau, um die sich die Erde drehte. Die über kochende Meere tanzte und sie zu Eis erstarren ließ. Weil ihr danach war.“ (Seite 9)

Sprachlich konnte der Autor mich wie immer begeistern, Sätze einer Poesie gleich, die mich markieren ließen, was das Zeug hält. Zusammen mit dem grandiosen Humor, ergab dies eine Mischung, die mich begeistert und zufrieden durch die Seiten fliegen ließ, in Erwartung eines Endes, dessen Ausgang lange ungewiss war. Meine Vorstellung und Hoffnung trieb mich an, atemlos verfolgte ich die Ereignisse, war auf Spannung, hielt die Luft an und hatte Angst vor dem, was kommt. Das Ende dann, das war meisterlich! Fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.10.2023
Die Einladung
Fitzek, Sebastian

Die Einladung


ausgezeichnet

Marla bekommt eine Einladung zu einem Klassentreffen, das in einem einsam gelegenen Berghotel stattfinden soll. Dort angekommen muss sie feststellen, dass von den anderen Reisenden jede Spur fehlt. Während draußen ein Schneesturm tobt, wird ihr klar, dass hier ein perfides Spiel gespielt wird, dem sie nicht entkommen kann.

Zu Beginn war ich maximal verwirrt durch die Zeitangaben und die Sprünge, die das Buch machte; zuerst hatte ich eine ganz andere Story im Kopf und wurde angenehm überrascht, als ich merkte, wie sich die Geschichte entwickelt. Im Laufe der Erzählung machten die Zeitsprünge immer mehr Sinn, die entsprechende Auflösung war einfach nur genial. Lange Zeit war ich mir nicht sicher, ob Marla Täter, Opfer oder Mitläufer war, das Raten machte mir unglaublich viel Spaß. Ich habe eine Vermutung gehabt und war überzeugt davon, dass diese zutreffend sein würde; umso überraschender fand ich, dass diese richtig war, aber eigentlich auch nicht. Herrlich! Die folgenden Ereignisse hätten spannender nicht sein können, die vielen Wendungen gaben dem Psychothriller die richtige Würze, immer wieder gab es einen Cliffhanger am Ende eines Kapitels, der dazu führte, dass eine Pause nicht möglich war, denn ich musste wissen, wie es weitergeht. Immer wenn ich dachte, aufregender könnte es nicht werden, kam eine Komponente dazu und mein Mund stand offen, so verblüfft war ich.

Je näher das Ende kam, desto neugieriger war ich, was für eine Auflösung der Autor für mich bereithalten würde. Mit diesem Abschluss allerdings hätte ich im Leben nicht gerechnet; wie, zur Hölle, konnte das passieren und wieso ergibt das Ganze rückwirkend so unglaublich viel Sinn?! Dieser Abschluss war großartig, ein besseres Ende könnte ich mir nicht vorstellen, wobei Fitzek nicht Fitzek wäre, käme nicht noch ein Sahnehäubchen oben drauf, das mich endgültig an meinem Verstand zweifeln ließ. Fitzek in Bestform und sogar ein Logikfehler ändert nichts daran, dass dieser Psychothriller das beste Buch aus der Feder des Autors in den letzten Jahren gewesen ist. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung dazu. Wer dieses Buch nicht liest, ist selbst schuld!

18 von 20 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.10.2023
Da bin ick nicht zuständig, Mausi
Conny from the block

Da bin ick nicht zuständig, Mausi


ausgezeichnet

Conny ist seit Jahrzehnten Beamtin im öffentlichen Dienst. Sie und ihre Kolleginnen kommen in diesem Buch zu Wort und das ist so ehrlich wie echt, was an Tragik nicht zu überbieten ist, wenn es nicht so unglaublich lustig wäre.

„Parallel zum brüllenden Gisela-Gesicht beobachte ich Doris dabei, wie sie sich die dritte Zigarette anmacht, heiter in die Kamera quatscht und sich dabei halbtot lacht. Ohne Ton. Dilara in Schockstarre, Ronja kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Herzlich willkommen auf dem Amt, liebe Videokonferenz, hier hat wirklich niemand auf dich gewartet.“ (Seite 14)

Ob Digitalisierung, Home Office, Videokonferenz oder die schier unglaubliche Papierflut; diese und viele andere Themen werden im Buch behandelt und ließen mich nicht nur einmal vor Lachen fast vom Sofa fallen. Dies alles in einem Berliner Dialekt, lustiger gehts nicht, das hatte wirklich Charme. Wer vom Buch nicht genug bekommt, schaut sich die Videos von Conny auf Social Media-Seiten an, einen größeren Angriff auf die Lachmuskeln bekommt ihr woanders nicht. Ich jedenfalls wurde bestens unterhalten und vergebe dafür gerne fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.