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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 263 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2019
Eisige Tage / Seiler und Novic Bd.1
Pohl, Alex

Eisige Tage / Seiler und Novic Bd.1


ausgezeichnet

GEFÄHRLICHES LEIPZIG
Ein straffer Winter hat Leipzig im Griff. Die Stadt ist in Eiseskälte erstarrt. In einem Auto, das dicht am Elster-Saale-Kanal steht, wird die tiefgefrorene Leiche eines Anwalts gefunden. Er wurde erschossen mit einer Makarow. Das ist der zunächst unaufgeregte Auftakt für einen nicht alltäglichen Mordfall, den die beiden Kommissare Hanna Seiler und Milo Novic zu untersuchen haben. Im Laufe der Ermittlungen werden sie in ein immer dichteres Netz krimineller Verstrickungen hineingezogen. Wie kommt der tote Anwalt zu dem Bildmaterial ganz junger Mädchen, die sie in eindeutigen Posen zeigen? Wieso ist darunter das Foto einer seit einer Woche verschwundenen Minderjährigen? Es eröffnen sich Abgründe, die abscheulich und perfide sind...Wie weit sind die Strukturen des organisierten Verbrechens in unserer Gesellschaft verankert?
"Eisige Tage" ist für mich der gelungene Auftakt einer neuen Krimireihe. Schon der Prolog, der im Jahr 1952 spielt, beginnt mit erbarmungsloser, roher Gewalt. Meine Aufmerksamkeit war schon nach diesen wenigen Zeilen geweckt! Danach erfolgt ein Riesensprung in die Gegenwart, in das winterliche, eisige Leipzig. Ich spürte förmlich die frostige Kälte, wie sie einem in die Knochen zu kriechen vermag, durch die sehr plastische Beschreibung. Überhaupt schildert Alex Pohl viele Situationen, die einem das Blut in den Adern gefrieren läßt. Die Worte sind so gewählt, dass sie bei mir Wirkung erzielten. Wie wenig ein Menschenleben zählt! Es gibt viele unterschiedliche Situationen, aber die Effekte sind gleich.Viele Male ergriff es mich eisig bis ans Herz, vor allem, wenn man die Tatsache bedenkt, es geschieht vor unserer Haustür!
Der Gesamtaufbau des temporeichen Krimis ist gekennzeichnet durch die wechselnden Perpektiven, durch Zeit- und Handlungssprünge. Über 435 Seiten, über sechs Teile, die in viele kurze Kapitel mit Überschriften und Datumsangaben gegliedert sind, war ich in atemloser Spannung gefangen. Um den Faden und den Zusammenhang nicht zu verlieren, war es geboten, die vielen Vor- und Zurückblenden (auch im Datum) zu beachten. "Eisige Tage" zwingt den Leser aufmerksam zu lesen. Am Ende klärt sich fast alles auf und die losen Enden fügen sich zu einem sinnvollen Ganzen. Titel und Überschriften (Eisregen, Graupelschauer, Gefrierpunkt...) sind sehr passend gewählt. Sie sind daran beteiligt, dass ich die beunruhigende, gefahrdrohende, ungemütliche und kalte Atmosphäre nicht aus dem Kopf bekam und ständig gegenwärtig blieb.
Mit Hanna Seiler und Milo Novic schuf der Autor zwei aufschlussreiche, ausbaufähige Charaktere. Sowohl die smarte Hanna, als auch der kunstsinnige Milo, versprechen allein durch ihre komplizierte, emotionale Vergangenheit noch viel Entwicklungspotential. Mir gefallen die beiden Ermittler. Es sind gut angelegte Charaktere mit tragischem Hintergrund. Hier im Auftaktband war von einer richtigen Zusammenarbeit der Beiden noch nicht viel zu verspüren. Wird aus den beiden Einzelkämpfern noch ein richtig gutes Ermittlerteam, nachdem sie nun mit Iwanow, mit dem „Onkelchen“ jeder einen „Deal“ haben? Nähern sie sich auch in ihrem Privatleben einander an? Es bleibt vieles noch ungeklärt und es macht mich neugierig auf die nächsten Bände.

Ich bin gespannt auf den nächsten Fall der beiden außergewöhnlichen Kriminalisten.
Der Auftaktband gefiel mir sehr gut und deshalb möchte ich ihn mit fünf von fünf Sternen bewerten.

Bewertung vom 07.03.2019
Stella
Würger, Takis

Stella


weniger gut

BLONDES GIFT
Dieses Buch erzeugte mit seinem Erscheinen für gehörigen Wirbel! Anzeige wegen Rufschädigung u.s.w...! Ein Hype sondersgleichen und für Takis Würgers Roman „Stella“ viel PR und Werbung! Im Endeffekt bin ich dem auch erlegen und habe mir den Roman besorgt. Warum nennt der Autor sein Werk „Stella“? Die Hauptperson ist Friedrich und entgegen der realen Stella eine fiktive Figur.
Nun zur Handlung:
Man schreibt das Jahr 1942. Der junge Friedrich aus der Schweiz, sehr naiv und unbedarft, kommt nach einer behüteten Kindheit am Genfer See nach Berlin, ins Nazideutschland. Der 20jährige Sohn eines vermögenden Vaters möchte sich davon überzeugen, ob das Gerücht wahr ist, dass Juden mit Hilfe von Möbelwagen aus der Stadt verschwinden und nicht mehr wiederkehren. Geschützt durch seinen Schweizer Pass und dem Geld des Vaters, verbringt er einige unbeschwerte Wochen in der deutschen Hauptstadt und will ohne die Wahrheit gefunden zu haben, wieder abreisen. Von der Willkür des Staates, den Lebensumständen der Bevölkerung, den unübersehbaren Anzeichen der Judenverfolgung hatte er bis dahin so gut wie nichts bemerkt. Seine Pläne ändern sich schlagartig, als er die attraktive Kristin kennenlernt, die ihn fast augenblicklich durch ihre unkonventionelle Art fasziniert. Sie ist so anders als er, und er verliebt sich Hals über Kopf in sie. Die gleichaltrige, sexuell erfahrene Frau verbringt viel Zeit in Friedrichs Zimmer des Luxushotels. Doch sie kommt und geht, wie es ihr beliebt. Dann bleibt sie ganz weg. Friedrich ist verzweifelt, kennt er doch noch nicht einmal ihren Nachnamen. Auch der charismatische, etwas undurchsichtige SS-Mann Tristan von Appen, mit dem beide die verruchte, dekadente, verbotene Geselligkeit im geheimen pflegten, kann ihm nicht helfen. Als Kristin plötzlich wieder erscheint, ist sie schwer von den Folterungen der Gestapo gezeichnet. Sie gesteht ihm, dass sie Jüdin ist: „Ich bin Stella. Stella Goldschlag.“ Und von da ab, hätte der Roman ganz anders verlaufen müssen. Friedrich, aus dessen Sicht der Roman erzählt wird, versteht die Wirklichkeit nicht mal in Ansätzen bis zu dieser Stelle. Erst da ist er in der Realität angekommen. Friedrich scheint nicht nur farbenblind zu sein. Bis zum Ende ist Friedrich der Wahrheit nicht näher gekommen. Das zeigt sich in seiner Äußerung: „Ich wußte nicht, was von dieser Frau blieb, wenn ich alle Lügen abzog.“
Hier wird mit beiläufigen Erklärungen („Teile dieser Geschichte sind wahr.“) die schnulzige, fiktive Liebesgeschichte erzählt, der im krassen Gegensatz die Fakten der furchtbaren Wirklichkeit entgegenstehen. Ich verspürte zwar die Inspiration, welche die reale Stella Goldschlag beim Autor ausgelöst haben muss. Davon zeugen die kursiv geschriebenen Protokolle des sowjetischen Militärtribunals, die Fallbeispiele, die sich auf ihre Taten beziehen. Takis Würger kann schreiben. Deshalb unterstelle ich ihm, dass er Diskussionen verursachen wollte. Das kann er als Autor auch tun; daran ist nichts Verwerfliches. Ich empfand es als große Widersprüchlichkeit, die Story so zu schreiben, dass auf der einen Seite die Fallakten und auf der anderen Seite die verharmlosende Liebesgeschichte standen. Das ist vollkommen unpassend für das Thema Holocaust. An welcher Stelle ist der Zusammenhang zweifelsfrei erkennbar?
Stella Goldschlag galt als „das blonde Gift“ unter den Juden Berlins. Sie spürte als sogenannte „Greiferin“ in der Illegalität lebende Juden auf und lieferte sie der Gestapo aus. Sie war schön und tödlich! Stella Goldschlag blickt uns vom Cover des Buches direkt an. Ein Eyecatcher!
Takis Würger meinte im AZ-Interview vom 18.01.19:
„Mein Buch war der Versuch, sich diesen Fragen von Verbrechen, Wegschauen, Schuld, Mitläufertum anzunähern.“
Der Versuch ist leider gescheitert, in den Ansätzen stecken geblieben. Die Geschichte wird dem großen Thema nicht gerecht. Sie ist nicht gelungen! Zwei von fünf Sternen von mir!

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Bewertung vom 05.02.2019
Liebes Kind
Hausmann, Romy

Liebes Kind


ausgezeichnet

EIN GANZ STARKES THRILLERDEBÜT
„Dieser Thriller beginnt, wo andere enden.“
Dieser Aussage kann ich nur zustimmen. Es ist das absolut Außergewöhnliche, das Unfaßbare, was diese Geschichte zu etwas Besonderem macht.
Es ist lange her, dass mich ein Buch dermaßen gefangen nahm. Jede freie Minute zog es mich zu dieser fassungslosen Geschichte über die Entführung der Studentin Lena bis hin zu jener Unfallnacht, in der eine junge Frau und ein Mädchen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ich befand mich wie in einem Sog. Ich habe „Liebes Kind“ verschlungen.

In einem natürlichen, nachhaltigen Sprachstil schreibt Romy Hausmann ihren Thriller aus der Perspektive der Hauptpersonen, die Hannah, Lena/Jasmin, Matthias heißen. Immer mal wieder wird der normale Text unterbrochen durch kursive Schrift, welche die intensiven und geheimen Gedanken der jeweiligen Person unterstreichen. Dann gibt es Zeitungsannoncen, die den Stand der Dinge zusammenfassen und Informationen über die Hintergründe vermitteln. Wie hypnotisiert folgte ich den Ausführungen der Protagonisten. Vor allem Hannah, die 13jährige, in ihrer körperlichen Entwicklung weit hinter ihren Altersgenossinnen zurückgeblieben, hinterließ bei mir einen tiefen Eindruck wegen ihrer pragmatischen Intelligenz. Sie brillierte mit einem unglaublichen Wissen über Sachen, Situationen, Gegenstände, die sie niemals selbst erlebte, nicht erlebt haben konnte. Überhaupt sind die Charaktere richtig gut ausgearbeitet bis ins Detail, zeugen für Menschenkenntnis und gute Beobachtungsgabe. Obwohl der Fokus auf den genannten Personen liegt, sind auch die Nebenfiguren durch verschiedene stilistische Mittel sorgfältig ausgearbeitet. Ich hoffe sehr, dass das bei der geplanten Verfilmung auch so rüberkommt. Da habe ich bei den komplexen Handlungsverläufen, dem weitreichenden Hineintauchen in die menschliche Psyche und deren komplizierte Reaktionen meine Zweifel.

Weitgehend ausgeklammert wird aus gutem Grund der Stand der Ermittlungen und überhaupt die Arbeit der Polizei über den Zeitraum vom Verschwinden der jungen Studentin bis zur Unfallnacht in der Gegenwart. Ich war ständig versucht, die Position des Vaters der vor 14 Jahren spurlos verschwundenen Studentin Lena (damals 23) einzunehmen. Als erfahrene Leserin von Thrillern vermutete ich richtig, dass die Wahrheit dann doch eine anderes Gesicht haben musste. Auch ich musste, wie Vater Matthias erkennen, dass der Freund des Mädchens überhaupt nichts mit ihrem Verschwinden zu tun hatte. Immer wieder gibt es über den gesamten Verlauf sensationelle Wendungen, die mich erschütterten. Bis fast zum Ende des Buches war die Identität des Täters unklar und die Enthüllung brachte schließlich eine Riesenüberraschung und nochmals Bewegung in die ohnehin dynamische Geschichte.
Die Umstände kommen wesentlich durch die Ich-Perspektive der betroffenen Personen nach und nach ans Licht. Sie gipfeln am Ende in einem Beginn, der in seiner alltäglichen Normalität fassungslos macht. Über die Auflösung war ich sehr entsetzt.
Leichtfertigkeit oder besser gesagt Leichtlebigkeit führte zu einer beispiellosen Katastrophe.

„Liebes Kind“ ist eine Story wie eine Lawine! Gewaltig! Grausam! Erschütternd! Sehr tragisch! Tief berührend!

Ein ganz starkes Thrillerdebüt! Von mir gibt es die Höchstbewertung. Ich wünsche diesem Buch (Erscheinungstermin: 28.02.19, soll auch als Hörbuch kommen) eine große, begeisterte Leserschaft.

Bewertung vom 17.01.2019
Fehltritt / Doggerland Bd.1
Adolfsson, Maria

Fehltritt / Doggerland Bd.1


sehr gut

Sehr ausufernd erzählt!

„Entdecken Sie Doggerland: Eine Inselgruppe in der Nordsee, die es schon lange nicht mehr gibt – aber in diesem Krimi schon.“

Zum Inhalt (vom Buchrücken entnommen):
Es ist der Morgen nach dem großen Austernfest. Kommissarin Karen Eiken Hornby, Ende 40, wacht betrunken neben ihrem arroganten Chef auf. Etwa zur gleichen Zeit wird eine Frau brutal in ihrem Haus erschlagen. Das Opfer ist ausgerechnet die Ex-Frau des Mannes, mit dem Hornby gerade die Nacht verbracht hat. Ihr Chef kann nicht selbst ermitteln da er zu den potentiellen Verdächtigen gehört. Hornby soll den Fall übernehmen und kann endlich zeigen, dass sie mehr drauf hat. Zuvor muss sie jedoch noch ein anderes Alibi für ihren Chef finden. An der rauen Küste Doggerlands deckt Karen Eiken Hornby eine alte Lüge auf, die das ganze Land erschüttern wird.

„Doggerland- Fehltritt“ ist der erste Band zu einer Krimi-Trilogie von Maria Adolfsson.
Es hätte ein sehr guter Krimi werden können, wenn die Autorin sich nicht in zu viele Belanglosigkeiten verloren hätte. Mir war diese Geschichte eindeutig zu lang erzählt, zu viele kleine und kleinste Details, die bei mir den Lesefluß störten.
Die überwiegende Handlung vollzieht sich auf der fiktiven Inselgruppe Doggerland, die in der Nordsee zwischen Großbritannien, Dänemark und dem Festland in der Nähe der Niederlande liegt. Die Abstände zu den genannten Ländern sind ungefähr gleich. Die Autorin gibt ihrer wieder auferstandenen Welt eine angenehme Landschaftsstruktur, einen mir vertraut erscheinenden Schauplatz, eine eigene Währung (Mark und Schilling) und eine Regierung, die sich zumindest sozialer Probleme nach und nach anzunehmen scheint. In das Geschehen bin ich recht schnell hineingekommen, wobei mir der Beginn mit dem One-Night-Stand und der äußerst verkaterten, leicht ramponierten Karen sehr gut gefiel. Mal was anderes als Mord und Totschlag von Anfang an! Im Verlaufe der 512 Seiten mit den 91 Kapiteln und dem Epilog änderte sich meine Meinung. Es gibt nichts zu meckern am angenehmen Erzählstil, am logischen Handlungsablauf mit seinen beiden Zeitebenen (Gegenwart und 1970), an den ausgefeilten Charakteren bis hin zu den Nebenfiguren. Aber: Es ist zu viel des Guten! Mir kam der Krimi vor wie eine Vorlage, ein Drehbuch für einen Film mit Beschreibungen der Einzelheiten für die Beteiligten. Der Titel „Fehltritt“ wurde wiederum gut gewählt. Das zeigt sich am Ende der Geschichte deutlich. Er bezieht sich auf die Hintergründe des Mordes genauso wie auf das Verhalten Karens und einiger anderer Personen, die im Krimi eine Rolle spielen.

Fazit:
Schön finde ich die Karte im Umschlag des Buches, die die Lage des fiktiven Doggerlandes sehr schön nachvollziehbar macht. Dazu noch der vergrößerte Auszug des Inselstaates mit seiner Hauptstadt Dunker und den anderen Handlungsorten.
Der Krimi verfügt über einen unterhaltsamen Plot, der aber leider zu überbordend geriet. Ein paar Seiten weniger hätten dem Buch sehr gut getan.
Für den nächsten Teil wurde schon genügend Substanz vorbereitet. Insgesamt gesehen, kann ich den Krimi empfehlen in der Hoffnung, dass die nächsten beiden Teile nicht so ausschweifend erzählt werden.

Bewertung vom 10.01.2019
Herbststurm / Kommissär Reitmeyer Bd.3
Felenda, Angelika

Herbststurm / Kommissär Reitmeyer Bd.3


sehr gut

Fall 3 für Reitmeyer: Zwei Morde bei Bund Treu-Oberland

Nach "Wintergewitter", das ich im November 2016 las, folgte nun der dritte Teil mit "Herbststurm". Ich bin recht schnell wieder in die Geschichte um den Protagonisten Kommissär Reitmeyer und seinem klugen Mitarbeiter Korbinian Rattler reingekommen. Wie schon beim Vorgängerband werden die gesellschaftlichen und die politischen Verhältnisse im München der 20er Jahre des 20. Jh. gut beschrieben. Radikale rechte Gruppierungen wie der Bund Treu–Oberland machen sich überall breit, auch die Behörden sind infiltriert. Reitmeyer spürt diese Entwicklung unmittelbar bei seinem unentschlossenen, übervorsichtigen Vorgesetzten und wird in seinen Ermittlungen um zwei Mordfälle in dieser Szene des Öfteren ausgebremst. Es geht um die Abspaltung Bayerns vom übrigen Deutschland, um die Vorbereitung eines Putsches, um die politische Macht und viel Geld. Aus Rattler, der im "Wintergewitter" noch ein Polizeischüler war, scheint ein ziemlich talentierter, umsichtiger und gefragter Kriminalist geworden zu sein. Hier ist er etwas zu sehr abgelenkt von den Reizen einer jungen schönen Frau aus dem Baltikum. Dass die hübsche Larissa etwas im Schilde führt, da wird man als Leser richtig draufgeschubst. Rattler ist jung und sehr verliebt. Deshalb verläßt ihn ab und zu sein sonst so sicherer, kriminalistischer Instinkt.
Es gibt für mich viel Zeitgeschichte zum Nachlesen da ich vorher mit den Gegebenheiten dieser Jahre nicht so vertraut war. Die Autorin hat mit dem Bund Treu-Oberland und tatsächlich existierenden Personen (Georg Fuchs, Hugo Machhaus, Ruge) viel Zeitkolorit eingebracht. Im Gegensatz zum ausgewogenen Vorgängerband sind mir hier aber zu viele Informationen enthalten, zu viele Personen involviert und zu viele Nebenhandlungen. Als sich der Kriminalfall dann auflöste, war ich regelrecht erstaunt, wie trotzdem alles in allem stimmig war. Doch der gleiche Effekt hätte sich bei mir eingestellt mit weniger Seiten.

Zusammenfassung:
Angelika Felenda studierte Geschichte und Germanistik. Das merkt man ihrem Roman durchaus an. Sie versteht es in atmosphärischer Dichte die Kriminalgeschichte mit dem tatsächlichen Verlauf der historischen Ereignisse zu verflechten. Sie beschreibt eindrucksvoll die Stimmungen im München Anfang der 20er Jahre. Die Figuren in ihrem Roman wirken lebendig und ausdrucksstark sowohl in der positiven als in der negativen Darstellung. Die Hauptpersonen erfahren eine Weiterentwicklung. Zum Beispiel werden Sebastian Reitmeyer und Caroline von Dohmberg endlich ein Liebespaar, nachdem der Kommissär im vorherigen Band noch an Kriegsfolgen litt und sich deswegen seiner Angebeteten nicht näherte.
Wer sich wie ich auf dieses Buch einläßt, wird viel über die Verhältnisse in der Zeit erfahren. Ein Werk, das bildet trotz der etwas ausufernden Handlung. "Herbststurm" kann man als Einzelband lesen, aber besser ist es, wenn man die beiden Vorgänger kennt.
Das Cover vermittelt die allgemeine Stimmung sehr gut und unterstützt den Titel des Buches.

Ich vergebe für diesen Krimi 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 06.01.2019
Der Wortschatz
Vorpahl, Elias

Der Wortschatz


ausgezeichnet

Ein literarisches Kleinod

Nach der langen intensiven Lektüre dieses außergewöhnlichen Debüts des sprachgewandten Autors Lukas Vorpahl, weiß ich nicht so recht, wo ich mit meiner Laudatio beginnen soll.
Den Ausgangspunkt, ein Wort zur Hauptfigur eines Romanes zu machen, fand ich sehr innovativ und ich war gezwungen, mich in die ungewohnte Sprachwelt hineinzudenken.
Es beginnt damit, dass das Wort Meinungsverschiedenheiten mit seinem Vater hat. Der Vater sagt u.a.: [S. 14] „Wir dürfen die Menschen nicht nur verteufeln. Wir brauchen sie, sie lesen und schreiben uns. Sie lassen uns existieren. Ohne sie wird unsere Welt verschwinden. Viel schneller als wir glauben.“
In seinem Ärger über den Papa läuft das Wort aus dem Haus zu seinem stummen Freund Zeig. Dort widerfährt ihm das Unglück, in dem es zwischen Stimmbänder gerät und seine Erinnerung, seine Bedeutung, seine Zugehörigkeit zu (s)einer Wortfamilie verliert. Das Wort nimmt den Leser von da ab auf eine fantastische Reise mit, auf der Suche nach seinem Sinn, nach seinem Ursprung. Auf dieser Reise zu sich selbst macht es wertvolle Erfahrungen.

[S. 61] "Den Weg zu erkennen, der dir Sinn gibt, ist die größte Herausforderung."

In dieser Geschichte wird gezeigt, wie vielfältig Sprache ist und wie wirkungsvoll sie sein kann in ihrem Gebrauch. „Der Wortschatz“ ist für mich eine Wundertüte. Ich habe das Werk in einer Leserunde gelesen. Es war erstaunlich, zu erfahren, wieviel Raum der Autor zur Interpretation seines Textes gibt oder zu geben scheint. Jeder entdeckte etwas Neues. Ein wunderbares Buch voller genialer Einfälle (Da gibt es z. B. Babel, einen Ort, der als Müllplatz für unnütze, sinnlose Worte dient. Wurde Babel gewählt in Anlehnung an das Sprachwirrwarr, das dort angeblich herrschte?) Elias Vorpahls Zeilen musste ich oft mehrmals lesen, um den vollen Sinn zu begreifen bzw.besser zu verstehen. Diese vielen Anspielungen, Wortspielereien...
Der Roman ist wirklich ein Schatz und noch nie habe ich so lange gebraucht, um zum Ende zu kommen. Er erzählt eine bezaubernde, märchenhafte Geschichte mit Fantasieelementen, die ich immer wieder mal lesen werde, um weitere Feinheiten zu entdecken.
Elias Vorpahl, von Beruf Mathematiker, kann erstaunlich gut mit Worten umgehen. Ein Wortakrobat! Ich finde es ist ihm meisterhaft gelungen mit einer einfachen Geschichte, aber mit wohlgesetzten Worten eine parabelhafte Erzählung in mehreren Ebenen zu erschaffen. Ich empfinde es fast schon als philosophisch, dieser tiefgründige, manchmal spitzfindige, spielerische Umgang mit der Sprache. Der Autor schafft mit den Metaphern, den Sinnbildern, den vielen Anspielungen und Anlehnungen an bekannte literarische Werke eine märchenhafte Atmosphäre.
Ich habe mir jede Menge Sätze notiert, die ich als zitatwürdig erachtete. Das Buch hat nur 176 Seiten/11 Kapitel mit Prolog und Epilog, aber der Inhalt ist komprimiert. Es regt in hohem Maße die eigene Fantasie an. So fielen mir mit der Erwähnung des Teekesselspiels Dinge ein, die mit der Geschichte nichts zu tun haben. (Das ist ein Sprachspiel, das Anregungen gibt zur Förderung der Sprachkompetenz, indem Wörter mit doppelter oder mehrfacher Bedeutung gefunden werden sollen.)
Der Leser wird zum Ende des Buches direkt angesprochen, mit einbezogen. Auch das eine Klasse für sich.
Die gesamte Aufmachung des Romans ist hervorragend, Hardcover und mit Lesebändchen. Er enthält wunderschöne Illustrationen als ganzseitige Zeichnung vor jedem Kapitel sowie kleine Zeichnungen im Text von Julia Marie Stolba.
Ich vergebe für den „Wortschatz“ das Prädikat wertvoll. Mich hat seine Botschaft erreicht.
Das Buch wendet sich an Literaturliebhaber, ein wortgewaltiges Erstlingswerk, ein Werk, dass Gründlichkeit beim Lesen verlangt. Kein Buch zum einfach weglesen.
Von mir gibt es die Höchstbewertung und meine unbedingte Kauf-/Leseempfehlung!

Bewertung vom 12.12.2018
Ofirs Küche
Graizer, Ofir Raul

Ofirs Küche


ausgezeichnet

VEGETARISCHE KÜCHE HERVORRAGEND PRÄSENTIERT
„Ofirs Küche“- Dieses Kochbuch machte mich total neugierig. Ich besitze nur ein einziges Kochbuch mit 1680 Rezepten. Es ist das Standardwerk aus der DDR, heißt „KOCHEN“ und befand sich damals fast in jedem Haushalt. Meine Familie und ich, wir sind und waren außerordentlich zufrieden mit den Rezepten, da wir nicht unbedingt Freunde des übermäßigen Experimentierens bei der Essenszubereitung sind. Nun las ich die Leseprobe von „Ofirs Küche“. Danach musste ich dieses Kochbuch unbedingt selbst in den Händen halten.
Nachdem mein Mann und ich erste Erfahrungen machen durften, setzt sich die Erkenntnis mit jedem neuen Gericht durch, dass dieses Werk eine wunderbare Ergänzung, Erweiterung zu unserem Kochbuch ist. Wir werden nachkochen, was das Zeug hält.
Der israelische Filmemacher Ofir Raul Graizer läßt überwiegend seine persönlichen Erfahrungen einfließen, die er schön und nachvollziehbar beschreibt. Ofir selbst nennt seine Anleitungen zum Zubereiten der Gerichte, Erfahrungen aus der israelisch-palästinensisch-jüdisch-arabischen Küche.
Er gibt sehr geeignete Hinweise zum Gebrauch seines Kochbuchs. Die durchaus raffinierten Rezepte bestechen durch ihre Einfachheit. Sie sind für jeden zugänglich. Nur wenige benötigen besonderes Zubehör (z. B. Kieselsteine für das Brot Frena). Und immer wieder erfährt man über die Herkunft der Rezepte, ihre Geschichte, die Hintergründe.
Das gesamte Kochbuch gefällt mir durch seine Einteilung. Einem Besuch in der Bäckerei mit u. a. der Vorstellung von traditionellen Broten und natürlich deren Herstellung folgen Beilagen, Dips, Salate und Käse zum Selbermachen. Es schließen sich Kapitel über die Bedeutung der Hitze bei der Zu- bzw. Vorbereitung, dann Gerichte mit Eiern und Gerichte mit Gemüse an. Alles wird sehr informativ, unkompliziert, klar und verständlich beschrieben. Ich möchte auf die Gerichte Sheikh Mahshi – Auberginen mit Tomate und Käse – und den Arme Pilze – Auflauf eingehen. Beides sind Gerichte, die ohne Aufwand zubereitet werden können, die aber sehr gut schmeckten und in geringen Portionen sättigten. Das Wichtigste, was ich mir für diese Küche mitnahm, ist die Erkenntnis, dass ich unbedingt frische Kräuter benötige (frischer Basilikum, frischer Oregano).
Die Gestaltung des Kochbuches, die gesamte Aufmachung und die optische Präsentation der Speisen ist hervorragend gelungen!
Am Ende des Buches befindet sich ein Index mit detaillierten Angaben zu besonderen Zutaten sowie eine kleine Tabelle mit Maßeinheiten.

Ofirs Küche empfehle ich vollmundig! Mit seinen 70 bis 80 pfiffigen, wohlschmeckenden, vegetarischen Rezepten kann dieses Kochbuch für Jeden nur eine Bereicherung des Speisezettels sein. Ich vergebe fünf von fünf Sternen.