Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
SBS

Bewertungen

Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 29.09.2020
GOTT
Schirach, Ferdinand von

GOTT


ausgezeichnet

Ein älterer, aber gesunder Witwer mit Familie hat seinen Lebensmut verloren und möchte sich mit ärztlicher Hilfe suizidieren. Es kommt zu einer Tagung der Ethikkommission, um die Vor- und Nachteile zu erörtern. Rechtlich ist der Weg bereitet. sodass Ärzte dem Wunsch nachgeben können, doch ist das richtig? Welche Folgen könnte es haben und welche hat es, wenn Ärzte dem Wunsch ihrer Patienten nicht entsprechen? Das Thema wird aus den verschiedensten Blickwinkeln getrachtet und der Leser als Teil des Publikums ist gefragt sich eine eigene Meinung zu bilden.

Nachdem mir „Kaffee und Zigaretten“ nicht so gefiel und „Trotzdem“ zwar interessant, aber nicht ganz das Erwartete war, habe ich hier wieder einen Schirach vorgefunden, der mich einfach nur begeistert hat. An sich bin ich seit der Schulzeit kein großer Freund davon Theaterstücke zu lesen und ich mag unter normalen Umständen auch eher keine offenen Enden, doch hier ist es ganz anders. Ähnlich wie bei „Terror“- welches ich nebenbei ebenfalls gerne empfehle!- gelingt es dem Autor den Leser von der ersten Seite an zu fesseln, mit verschiedenen Meinungen zum Nachdenken anzuregen und das Für und Wider abzuwägen. Selbst wenn man vorher eine scheinbar feste Meinung hatte, ist der aufgeschlossene Leser auch immer wieder am prüfen, ob der eigene Standpunkt tatsächlich so unerschütterlich ist. Schirach scheut sich auch nicht seine Figuren hart zur Sache diskutieren zu lassen und unangenehme Wahrheiten einzubinden. Am Ende muss und darf man selbst abstimmen.
Dabei benötigt der Autor in seinen Dialogen relativ wenige Worte und trotzdem muss man nicht die Kunst des „Zwischen-den-Zeilen-Lesens“ beherrschen, denn es werden die jeweiligen Standpunkte deutlich. Der Rechtssachverständige, das Mitglied des Ethikrates, aber auch ein Mediziner und ein Theologe bekommen Möglichkeit ihre Ansichten zu präsentieren und müssen sich harten Fragen stellen. Doch so klar und hart Schirach die Aspekte des gesellschaftlich relevanten Themas auch darstellt, so richtet und urteilt er nicht. Ob man nun dafür oder dagegen ist, für jeden ist das Buch gelungen, um die eigene Position vielleicht noch zu stärken oder auch um die andere Seite besser zu verstehen, vielleicht sogar die Meinung zu ändern.
In meinem Fall kamen immer wieder Aspekte zur Sprache, die mich ein wenig wanken ließen. Genau das habe ich von dem Buch erhofft und erwartet. Nachdem ich das Buch nun schon vor einigen Tagen beendet habe, habe ich noch immer die gesamte Tagung präsent und beschäftige mich immer wieder mal in einer ruhigen Minute mit dem Thema.

Ein typischer Schirach - relativ schnell gelesen, aber mit so vielen Denkanstößen zum Thema Suizid, dass man sich unweigerlich lange, und aus verschiedenen Blickwinkeln, mit der Thematik beschäftigt. Daher kann ich das Buch nur weiterempfehlen, auch wenn man glaubt gar nicht so sehr von dem Thema tangiert zu sein. Die Fragen „Wem gehört unser Leben?“ und „Wer entscheidet über unseren Tod?“ sind für jeden eine Überlegung wert.
Die drei Essays am Ende des Buches greifen das Thema wissenschaftlich noch einmal auf und ermöglichen leichter eine eigene Meinung zu fassen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2020
Das Erbe der Päpstin
Glaesener, Helga

Das Erbe der Päpstin


sehr gut

Gisla fristet im frühen Mittelalter mit ihren Töchtern ein trauriges Leben als Sklavin in Dänemark. Eines Tages spitzen sich die Ereignisse zu und Gisla wird ermordet. Freya, die jüngere, aber deutlich raffinierte Schwester tötet ihren Widersacher und nimmt mit ihrer Schwester Reißaus. Sie suchen nach ihrem Großvater, trennen sich nach gewisser Zeit und Freya geht ihren Weg. Ein sehr turbulenter und spannender Weg, der immer wieder blutige Spuren hinterlässt…

Auch ohne „Die Päpstin“ zu kennen, lässt sich dieses Buch sehr gut lesen, denn die Päpstin ist zwar Thema und spielt in einigen Szenen eine Rolle, jedoch ist es nicht erforderlich das berühmte Buch zu kennen. Ich zumindest kenne „Die Päpstin“ nicht und habe keinerlei Wissenslücken bemerkt. Die Geschichte der tapferen Freya, die als Sklavin in Dänemark mit ihrer Schwester und Mutter ein trostloses Dasein führte, ist eigenständig. Freyas temporeicher, spannender Weg führt sie, oft in Gestalt eines Jungen/Mannes, unter anderem nach Rom, zur Päpstin und ihrem Großvater – doch sie scheint das Unglück anzuziehen und so wird der Leser mit auf eine Reise genommen, die es in sich hat, zahllose Überraschungen bietet, Intrigen, Machtspielchen und dramatische Ereignisse nach sich zieht. Nachdem sie Rom überhastet mit einem Kind verlassen muss und ihre Liebe Aristid ermordet zurücklassen muss, führt ihr Weg die beiden ins Kloster am Chiemsee, wo sie ihre medizinischen Kenntnisse vertieft. Nicht alles läuft glatt, doch dramatisch wird es als ein Widersacher auftaucht, der immer wieder versucht sie zu töten, und auch die Dänen erscheinen immer wieder und verüben Anschläge. Die Frage, wie es Freya ergeht, treibt den Leser um. Es ist ein gelungener historischer Roman, der manchmal überrascht, in einigen Belangen aber auch das Erwartete bietet. Toll fand ich die historischen Personen, die real existierten und auch den meist kurzweiligen Schreibstil, der mich mitten ins Mittelalter versetzte.

In Summe war die Geschichte kurzweilig und trotzdem: Zwischendurch hatte ich ab und an – zumindest wenn Schwester Asta mit von der Partie war – Hänger gehabt. Ihr Verhalten war mir zu extrem, wenn es auch ganz bestimmt nicht wenige dieser Fälle zu jener Zeit gab. Zudem gab es noch das eine oder andere was ich nicht ganz aufgelöst fand, entsprechend gibt es nur vier von fünf Sternen und trotzdem eine Leseempfehlung für diesen spannenden Roman.

Bewertung vom 15.09.2020
Groß genug, die Welt zu retten
Kirby, Loll

Groß genug, die Welt zu retten


ausgezeichnet

Umweltschutz geht alle an – auch und besonders die Kinder, darum ist es auch wichtig sie bereits früh für die Probleme zu sensibilisieren und Auswege und Möglichkeiten aufzuzeigen – genau das macht dieses Buch.

Man kann nie früh genug anfangen Kinder schon ein gewisses Umweltbewusstsein zu vermitteln und zu zeigen, dass nicht nur der Einzelne was beitragen kann, sondern wirklich auch jeder – ganz gleich wie jung oder alt. Genau das schafft das Buch! Denn es werden Kinder und Jugendliche mit den verschiedensten Ansätzen vorgestellt. Die zwölf Vorbilder leben auf der ganzen Welt, so wird nicht nur gezeigt, dass es überall möglich ist, etwas für die Umwelt zu tun, sondern auch, dass es uns alle angeht – ganz unabhängig von Hautfarbe oder gesellschaftlichem Status tun sie alle das Gleiche: Sie sorgen sich um unsere Welt. Die Probleme sind verschieden, in Südafrika ist der Schutz der Wildtiere vor Wilderern, während der Deutsche Felix anfing Bäume zu pflanzen, andere machen auf das Müll/Plastikproblem aufmerksam oder setzen sich für regionale, saisonale Produkte ein, usw. Kurz und knapp wird auf einer Doppelseite das Vorbild vorgestellt und in die jeweilige Welt eingeladen.

Dazu gibt es am Ende des Buches nützliche Tipps für den Alltag, wie beispielsweise beim Zähneputzen das Wasser nicht laufen zu lassen oder keine Lebensmittel zu verschwenden. Dazu gibt es auch Tipps wie man „gehört“ werden kann – doch diese Vorschläge sind eher für schon etwas ältere Kinder geeignet.
Umweltschutz und Diversität werden hier vermittelt und das finde ich sehr wichtig und ansprechend.

Die Zeichnungen sind sehr ansprechend und es lässt sich immer wieder Neues entdecken. Das können schon die Kleinsten, den Text kann man dann ja bei Bedarf vorlesen und näher erklären, falls nötig. Das große Format hat mir sehr gut gefallen, so können gleichzeitig mehrere (Kinder) gemeinsam das Buch lesen und anschauen. Viel zu lesen gibt es nicht, da die Erklärungen recht knapp gehalten sind. Hier kritisiere ich die zu klein gewählte Schriftgröße.

Das Buch ist ab vier Jahren empfohlen und das scheint auch sehr gut gewählt – zumindest in der KiTa meiner Schwester zeigte sich, dass die Kinder ab diesem Alter sehr großes Interesse am Thema mitbringen und unbedingt auch etwas tun wollen. Mittlerweile verfügen schon einige Kinder über ein Umweltbewusstsein und in der KiTa wurden auch schon einige Aspekte vor dem Buch aufgegriffen, sodass sich die Kinder sehr gut fühlten, denn Nahrung für Bienen haben sie schon im Frühjahr besorgt, Elterntaxis gibt es kaum, Wasser sparen sie bereits und auch Müll wird kaum produziert bzw. versucht damit noch etwas zu spielen/basteln. Die Erzieherin ist angetan von dem Gesprächsstoff, den das Buch bietet und lobt die Zeichnungen, die allen Kindern Freude bereiten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.09.2020
Raum der Angst
Meller, Marc

Raum der Angst


sehr gut

Eine Gruppe sich unbekannter Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten wird in einen Escape-Room eingesperrt. Gemeinsam müssen sie die Lösung des Rätsels entdecken. Alles scheint in Ordnung – zumal noch wissenschaftlich begleitet, doch schnell zeigt sich, dass es überhaupt nicht so läuft, wie sich das die Teilnehmer vorgestellt haben. Mit blutigen Konsequenzen…

Das Grundkonzept des Buches hatte mich sehr angesprochen und dann ging es auch schon los. Zunächst lernt man Protagonistin Hannah kennen, die Psychologie-Studentin, die nach ihrem Job in einer Bar entführt wird – was soll das mit einem Escape-Room zu tun haben? Sehr viel, wie sich schon nach wenigen Seiten zeigt. Sofort ist man mitten im Geschehen und lernt die verschiedenen Charaktere kennen. So richtig traut man den meisten nicht über den Weg. In der bunt zusammengestellten Gruppe – so weiß der Leser – kann es ja nicht mit rechten Dingen zugehen oder sind doch alle nur Opfer in einem Spiel um Leben und Tod? Auch der Leser ist hier einfach überfragt. Gleiches gilt auch für die Polizisten, die hier immer wieder mal Einblicke in den aktuellen Stand der Ermittlungen bieten und nach und nach die Tathintergründe offenlegen. Trotz zahlreicher Akteure, Szenenwechsel und Erzählperspektiven ist es spielend leicht der Geschichte zu folgen. Der Leser rätselt automatisch mit und feuert die Teilnehmer regelrecht an. Das Buch hat dank zahlreicher überraschender Wendungen und außergewöhnlicher „Spielarten“ enormen Thrill und ist dazu in einem extrem flüssigen und leichtgängigen Schreibstil verfasst, sodass der Leser mit den Akteuren durch das Buch hetzen kann. Überhaupt hält das Buch alles, was es auf den ersten Anschein verspricht und fast alles ist einfach genial umgesetzt.

Ich war zuvor nie in einem Escape Room, aber jetzt hätte ich mal so richtig Lust darauf. Für Zartbesaitete ist das Buch allerdings so gar nicht geeignet, denn es tun sich nicht nur menschliche Abgründe auf und wird sehr blutig, sondern teilweise auch wirklich nur martialisch – genau wie man es einem zwiegespaltenen „Gott“ wie Janus eben zutraut.

Einzig das Ende hat mich gar nicht überzeugt, nicht nur blieb eine zentrale Frage offen, sondern es ist so zwanghaft ausgelegt schon Appetit auf mindestens einen weiteren Band zu machen, dass es einen faden Beigeschmack hat. Daher ein Stern Abzug und trotzdem werde ich den Nachfolger sicher auch lesen.

Bewertung vom 13.09.2020
Madame Curie und die Kraft zu träumen / Ikonen ihrer Zeit Bd.1
Leonard, Susanna

Madame Curie und die Kraft zu träumen / Ikonen ihrer Zeit Bd.1


ausgezeichnet

Marie Curie hat mich schon immer fasziniert, trotzdem habe ich bisher zu ihrem Werdegang kaum mehr gelesen, als in der Schule erfordert – das musste ich nun dringend nachholen. Der Mensch hinter der fantastischen Wissenschaftlerin steht hier im Fokus und genau das fand ich besonders gelungen. Wer war die Frau, die in Polen ihre Liebe zur Wissenschaft entdeckte und in Frankreich auslebte? Welche Herausforderungen musste sie bewältigen und wie vereinbarte sie Familie und Wissenschaft? Man lernt zunächst die junge Mania kennen, ihren Hass auf die russischen Besetzer, die allen Polen ihre Identität versagen. Außerdem ihre Familie, die nicht unter der Herrschaft der Russen, sondern auch von Krankheiten gebeutelt wird. Frauen war es in Polen nicht erlaubt zu studieren und die Mittel im Ausland zu studieren hatte nicht jeder….auch die Manias Familie nicht. Doch Mania wäre nicht sie, hätte sie nicht auch dafür einen Weg gefunden; nicht nur für sich, sondern auch für ihre Schwester Bronia. Als es dann auch Mania möglich ist nach Paris zu reisen, benennt sie sich in „Marie“ um. Sie lernt nicht nur glaublich viel an der Universität, sondern auch ihren späteren Mann, Pierre Curie kennen und lieben. Privat und beruflich passen die beiden einfach perfekt zusammen, sie arbeiten Hand in Hand und unbeirrt – trotz aller Widrigkeiten und das waren nicht nur die gesundheitlichen Probleme, die durch die radioaktive Strahlung entstanden oder das jahrelange Ignorieren der Leistungen Marie Curies (ihr Mann hat ihren Anteil an den Forschungen immer sehr in den Fokus gerückt).

Die Autorin hat einen interessanten Weg gefunden Marie Curie selbst erzählen zu lassen. Die Erzählerin hat immer wieder gezeigt, wie wissbegierig sie war und unter welchen emotionalen Schwierigkeiten sie all das erreichte, was sie berühmt gemacht hat. Nicht immer war sie obenauf, ganz im Gegenteil, viele Hürden waren fast zu hoch für Mania/Marie und trotzdem hat sie an ihren Träumen festgehalten. Die Marie Curie, die ich vor Augen hatte, war eine schüchterne Wissenschaftlerin durch und durch – an sich ja nichts schlimmes, aber hier wird deutlich, dass sie auch eine liebende Mutter und Frau, aber auch Schwester und Freundin war. Ängste, Nöte und Sorgen kennt jeder – auch eine so brillante und hartnäckige Wissenschaftlerin wie Curie.

Insgesamt ein unterhaltsames Buch, welches mir diese Wissenschaftlerin und ihre anderen Facetten deutlich näher gebracht hat. Der Schreibstil ist ansprechend, sodass ich durch die Geschichte in ihren verschiedenen Zeitebenen nur so durchgerauscht bin. Natürlich sollte man bei all dem nicht vergessen, dass es sich um einen Roman handelt und nicht um eine Biografie – entsprechend ist manches vielleicht ein wenig oberflächlich, aber einen guten Überblick bekommt man auch so.

Bewertung vom 06.09.2020
Ihr Königreich
Nesbø, Jo

Ihr Königreich


ausgezeichnet

Die Brüder Roy und Carl leben in den Bergen der norwegischen Kleinstadt Os ihre scheinbar ganz gewöhnliche Kindheit, bis die Eltern verunglücken. In verschiedenen Zeitebenen erfährt der Leser scheibchenweise aus Roys Sicht, was sich in den Jahren so zugetragen hat und das ist eine ganze Menge. Zum einen das Verhältnis des Vaters zu seinen Söhnen, dann Ermittlungen in einer Unfallgeschichte, die sich weiter entwickelt und die Brüder immer mehr zusammenschweißt, obwohl sie von grundlegend verschieden sind.
Roy ist eher der Eigenbrötler und Automechaniker, der sich nur wenig aus Menschen zu machen scheint, solange er nur seine Arbeit hat. Carl hingegen ist ein eher karriereorientierter Mensch, der seiner Heimat und damit auch seinem Bruder vor über einem Jahrzehnt den Rücken kehrte, um in den USA erfolgreich zu werden – komme, was will. Nun plötzlich taucht Carl gemeinsam mit seiner Frau Shannon auf, um ein Großprojekt in den Bergen von Os zu verwirklichen. Dabei kommt allerhand aus der Vergangenheit ans Licht und erfordert, dass Roy mal wieder hinter seinem kleinen Bruder aufräumt.

Nesbo und ich – das passt gewöhnlich einfach nicht zusammen. Da er aber so beliebt ist, musste ich ihm nochmal eine Chance geben, zumal mich der Klappentext direkt angesprochen hatte. Und ich kann schon verraten: Er hat mich überzeugt, wenn auch nicht zu 100 Prozent!
Das Setting und die grundlegende Geschichte finde ich genial. Roy ist ein interessanter Erzähler und Nesbo schafft es authentisch dem scheinbar einfach gestrickten Mechaniker immer wieder neue Facetten zu verpassen, die ein authentisches Gesamtbild ergeben. Und nicht nur das – trotz allem, was er so über die Jahrzehnte alles angestellt hat, war er mir sympathisch. Shannon und Carl, sowie mancher Dorfbewohner haben da zwiespältige Gefühle in mir ausgelöst, während die örtliche „Bildzeitung“, passend als Frisörin tätig, und der ach so tolle ehemalige Bürgermeister samt Anhang direkt bei mir unten durch waren.

Mit der Spannung war es am Anfang noch nicht so weit her, aber man spürte, dass da noch einiges kommen wird und so war es dann auch. Menschliche Abgründe der übelsten Sorte führen dazu, dass auch andere ihre dunklen Seiten kennenlernen….Es ist nicht immer super spannend, aber unterschwellig ist die Spannung auf jeden Fall da und man fragt sich, wo der nächste Unfall lauert, wo vielleicht direkt schwere Geschütze aufgefahren werden müssen. Dieses Familiendrama im dörflichen Umfeld ist nicht wirklich ein Krimi, Ermittlungen der „normalen“ Sorte sind nur wenige vorhanden, aber das tut der Sache keinen Abbruch.

Mir gefiel das Tiefgründige hinter der Geschichte, die Einblicke in die Psyche dieser speziellen Brüder einer Familie, die unters Brennglas gehalten, alles andere als gut war und die Verbrechen, die sich daran anschließen. Wer ist gut, wer böse? Kann man ein guter Böser oder ein schlechter Guter sein? Man muss ein wenig Geduld als Leser mitbringen, da die detailreichen Schilderungen über knapp 600 Seiten nicht immer sehr spannend sind, aber es plötzlich mit teils unerwarteten Wendungen werden können. Außerdem muss man auch häufiger mal schwer schlucken, denn was alles an Tragödien zwischen diesen Buchdeckeln passiert…. – aber lest selbst.

Bewertung vom 02.09.2020
Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1
Seeburg, Uta

Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1


gut

München, 1900. Wilhelm Gryszinski, der mit seiner bibliophilen Frau und dem kleinen Jungen von Berlin nach München gezogen ist, ist der Kriminalistik zugewandt und möchte die neusten Methoden anwenden und endlich werden seine Kenntnisse auch mal tatsächlich benötigt. Ein Mann liegt in einem speziellen Mantel, ohne Gesicht tot im Park. Vor Ort scheint alles sehr seltsam und dann finden die Ermittler auch noch den Abdruck eines Elefanten in der Nähe – sehr mysteriös…Wer ist der Mann, warum musste er sterben, wer war es? Fragen über Fragen, doch schnell ist ein ganz spezieller Neureicher im Fokus der Ermittlungen.

Die Anfänge der Kriminalistik sind ein interessantes Thema, die Zeit um 1900 etwas Besonderes und die Spannungen bzw. Unterschiede zwischen Preußen und Bayern bieten auch Möglichkeiten, die im Buch auch schön genutzt werden. Das historische München scheint mir sehr gut dargestellt. Die Autorin lässt die Zeit aufleben, sodass man nicht selten das Gefühl hatte mit dem Ermittler durch die Münchner Straßen zu flanieren.
Mir war zwischendurch einfach viel zu viel von den kulinarischen Genüssen die Rede und auch manch anderes war einfach zu dick aufgetragen. Gefallen hat mir der Humor, der immer und immer wieder durchblitzte. Besonders der preußische Protagonist Wilhelm Freiherr von Gryszinski ist einfach herrlich erfrischend. Einerseits hat er neuste Erkenntnisse der Forensik erlernt, andererseits scheut er Gewalt und scheint doch das eine oder andere Mal recht inkompetent. All das wird natürlich nicht besser, als er vom preußischen Gesandten einen Spezialauftrag erhält. Gryszinski muss ein doppeltes Spiel spielen und sitzt zwischen allen Stühlen.

Unter dem Strich ist es ein netter Krimi in einem interessanten historischen Setting. Die Geschichte unterhält oft und ist schnell gelesen, doch andere Stellen sind recht fad und die Charaktere sind teilweise farblos. Insgesamt also okay, aber über besseres Mittelmaß reicht die Geschichte nicht hinaus.

Bewertung vom 01.09.2020
Wings of Silver. Die Rache einer Frau endet nie / Golden Cage Bd.2
Läckberg, Camilla

Wings of Silver. Die Rache einer Frau endet nie / Golden Cage Bd.2


gut

Faye lebt nun in einem ganz kleinen italienischen Dorf, während Jack wegen des Mordes an der gemeinsamen Tochter im Gefängnis sitzt. Zwei Jahre sind vergangen, als Faye und Kerstin aufgeht, dass jemand versucht sich die Firma Revenge heimlich unter den Nagel zu reißen. Wer steckt dahinter? Und dann gelingt auch noch zwei Häftlingen die Flucht….Faye muss mal wieder mit ihren ganzen Repertoire aufwarten.

Mir hatte der erste Teil der Reihe richtig gut gefallen, darum war ich schon sehr gespannt, wie es weitergeht. So richtig überzeugen konnte mich das Buch allerdings nicht. Die Spannung war zwar schon immer wieder mal da, vor allem nach Jacks Ausbruch, aber es gab einige Punkte, die ich einfach nicht überzeugend fand. So hat Faye hier deutlich an Sympathie eingebüßt (in Band eins habe ich geschwankt), gelegentlich handelt sie dermaßen naiv, dass ich es kaum glauben konnte. Es ist einfach nicht so richtig glaubhaft, dass eine Frau Verbrechen inszeniert oder begeht und damit durch kommt und einen Multimillionenkonzert führt, dann aber einem einzigen Menschen so dermaßen auf den Leim geht. Auch ihr enormer Alkoholkonsum und ihre zahlreichen sexuellen Spielchen haben mich hier wenig überzeugt, um es mal freundlich auszudrücken. Dann hat sie sich zweier Probleme einfach mal so nebenbei entledigt. Auch hier konnte ich es kaum glauben, dass es so einfach laufen sollte…Logisch ist für mich einfach was anderes. Die Rolle der guten Mutter und Tochter habe ich ihr auch nicht so abgenommen.
Und trotz aller Kritikpunkte – es sind ja nicht gerade wenige – habe ich das Buch schnell gelesen, weil der Schreibstil rund ist und das Interesse einfach sehr groß war. Wie wird es enden? Wie wird sich Faye dieses Mal schlagen und wer wird ihre Rache zu spüren bekommen?

Die Rückblenden haben gezeigt, dass es Faye noch viel schlimmer ergangen ist, als ich das nach Band eins erwartet hatte. Es tun sich Abgründe auf, die so manches in Fayes Leben wohl erklären können und keinen Leser kalt lassen können. Es sind Abscheulichkeiten, die man fast nicht glauben will, aber sicher wenn auch hoffentlich nicht so oft genauso geschehen.

Im Übrigen ist es aus meiner Sicht zwingend erforderlich den ersten Teil der Reihe zu kennen, sonst kann man vieles nicht nachvollziehen.

Bewertung vom 30.08.2020
Bluthölle / Detective Robert Hunter Bd.11
Carter, Chris

Bluthölle / Detective Robert Hunter Bd.11


ausgezeichnet

Ein Mörder, der noch auf niemandes Radar aufgetaucht ist und dessen Taten bisher völlig unbekannt waren, begeht einen einzigen Fehler und fällt daher auf. Nun versucht er diesen Fehler wieder zu beheben….

Wie gewohnt ist die Geschichte spannend und äußerst brutal – ganz wie man Carter kennt und es von einem Thriller erwarten darf. Schon der Beginn hat mich angesprochen. Man wird quasi direkt mitten reingeworfen. Der Leser lernt Angela kennen, die sich als Taschendiebin durchschlägt und bei einem Beutezug etwas ganz Spezielles erbeutet: Das authentische Tagebuch eines Mörders. Schon der Beginn ist vielversprechend und die Ermittlungen versprechen alles andere als leicht zu werden, obwohl Daten und Fakten zu Morden enthalten sind. Wer steckt dahinter und was? Warum mordet der Täter und schreibt der alles nieder? Erst nach und nach ergibt sich ein Bild. Der Leser puzzelt quasi mit Hunter und Garcia gemeinsam und es wird immer spannender. Was der Täter in der Vergangenheit getan hat und was er aktuell alles plant, um seine Aktionen fortzusetzen. Besonders seine Tagebuchauszüge haben tief blicken lassen… Ich möchte nicht zu viel verraten, aber es gibt einige Überraschungen. Die Auflösung habe ich kurz vor Schluss dann auch so ähnlich erwartet. Ich fand es gelungen!

Der Schreibstil ist gewohnt flüssig, daher habe ich das Buch binnen kürzester Zeit gelesen und würde am liebsten direkt den nächsten Teil um Hunter und Garcia – die ich als Hand in Hand arbeitendes Team sehr schätze – lesen. Auch Angela und ihre Geschichte haben mich überzeugt.

Es ist der elfte Band der Hunter-Reihe und ich empfehle auch die Vorgänger, jedoch könnte man auch getrost hier in die Reihe einsteigen, allerdings nur, wenn man nicht allzu zart besaitet ist, denn nicht selten geht Carter ins Detail…

Bewertung vom 30.08.2020
Und auf einmal diese Stille
Graff, Garrett M.

Und auf einmal diese Stille


ausgezeichnet

Der 11. September 2001 begrüßte die New Yorker mit einem strahlend blauen Himmel, nachdem am Vortag ein Sturm durch die Häuserschluchten gezogen war. Es sollte ein ganz normaler Tag werden, niemand konnte ahnen, was folgen würde. Bereits das erste Flugzeug forderte zahlreiche Opfer, das Entsetzen war groß, doch noch hätte es ein Unfall sein können. Doch dann überschlugen sich bekanntermaßen die Ereignisse und die Welt schaute fassungslos zu, während die Behörden, Polizei, Feuerwehr und Zivilisten alles gaben. Dabei entschied nicht selten ein Augenblick über Leben und Tod. Das und vieles mehr kann man in diesem Buch mit unzähligen Zeitzeugenberichten aus den verschiedensten Perspektiven nacherleben.

Wie wahrscheinlich jeder, der am 11.9.2001 bereits über ein Bewusstsein verfügte, weiß ich noch genau wie ich im Schulbus von den Geschehnissen hörte. Den ganzen Tag habe ich ungläubig vor dem TV gegessen. Ich war unsicher, ob ich das Buch lesen möchte, denn bisher habe ich solche Bücher nicht gelesen. Wieder 15 Jahre alt sein, dieses Gefühl, der Unsicherheit und diese Wut – dabei war ich in keiner direkt Art betroffen, aber ich empfand es nicht nur als Angriff auf die USA, sondern auf die westliche Welt. Die fliegenden Menschen, die zusammenstürzenden Türme – all das hat sich quasi ins kollektive Bewusstsein eingeschleust und man hat es ganz deutlich wieder vor Augen, wenn man dieses Buch liest. Es beschreibt aus den verschiedensten Blickwinkeln das unglaubliche Geschehen. Vom unbeteiligten Hotelbesucher, der Frau, die ausgerechnet mitten in diesem Trubel einen Kaiserschnitt bekam, dem Querschnittgelähmten, der von seinen Kollegen mittels Rettungsstuhl durch das Treppenhaus getragen wurde, über zahlreiche Feuerwehrmänner und Polizisten, Politiker und Angehörigen, die ihre Familienmitglieder verloren haben, reicht die Palette. Gerade die Angehörigen und die Mitschnitte haben mich sehr mitgenommen, aber auch die Schilderungen der Eingeschlossenen oder die Hilfsaktionen. Dass so viele Schiffe die Überlebenden von Manhattan wegbrachten hatte ich damals gar nicht wahrgenommen. Und auch anderes war mir so nicht bewusst. Nicht selten musste ich ganz schön schlucken und das Buch auch mal zur Seite legen, weil ich es einfach nicht ertragen habe weiterzulesen. Andere Kapitel haben mich so gefesselt, dass ich das Buch nicht mehr zur Seite legen wollte.

Die Art, wie die Zitate zusammengestellt wurden, fand ich grandios. Manche Personen kommen schon ganz am Beginn vor und begleiten den Leser durch das gesamte Buch. Sie bekamen hier ein Gesicht, wie ich es nicht erwartet hatte. Auf den ersten Blick ins Buch denkt man, dass man die Leute wohl nie auseinanderhalten kann, aber das ist mitnichten der Fall. Alle Zitate ergeben in sich ein schauriges und bewegendes Gesamtbild. In sich geht der Autor chronologisch vor und erzählt natürlich auch was in Arlington und Shanksville passierte. Wobei mich, wie damals schon, das Geschehen in New York am meisten erschütterte. Der Patriotismus schimmert immer wieder durch, ist hier aber völlig nachvollziehbar. Der Autor gibt aber auch Kindern und Jugendlichen eine Stimme und vor allem Menschen, die andere nicht zurückgelassen haben, Menschenleben retteten und dabei manchmal selbst zum Opfer wurden.

Das Buch zeigt, dass es manchmal vielleicht gut ist seinen Schlüssel zu vergessen, Pläne über den Haufen zu werfen – hier sind nämlich einige Beispiele, die zeigen wie Menschen zufällig überlebten, weil vielleicht irgendwas nicht wie geplant verlaufen ist. Ich bin kein gläubiger Mensch, aber bei mancher Geschichte fällt es schwer, nicht daran zu glauben, dass die Personen aus einem bestimmten Grund ausgerechnet dort und nicht woanders waren – das gilt beispielsweise für die Passagiere von Flug 93. Wer weiß, was ohne deren mutiges Verhalten noch geschehen wäre.