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Benutzername: 
jenvo82
Wohnort: 
Oberschöna

Bewertungen

Insgesamt 219 Bewertungen
Bewertung vom 16.05.2016
Als die Liebe endlich war
Schenkel, Andrea Maria

Als die Liebe endlich war


ausgezeichnet

„In einer Welt, in der die eine Hälfte uns verfolgt und die andere uns nicht haben will, ist ein Ort, der uns nur als Fremde sieht, wohl wirklich das Paradies.“
Der junge Carl Schwarz besteigt zusammen mit Mutter, Vater und Schwester die Conte Biancamano, ein Schiff, welches die jüdische Familie nach Shanghai bringen soll. Doch im letzten Moment überlegt es sich sein Vater Erwin anders und verlässt das Schiff, denn er kann sich nicht vorstellen, dass die Judenverfolgung in Deutschland einen weiteren Höhepunkt erlangen wird. In der Fremde angekommen müssen sich die Emigranten nicht nur eine Bleibe suchen, sondern auch den täglichen Kampf ums Überleben führen, denn auch in Shanghai steht die Zeit nicht still und der ferne Krieg rückt in bedrohliche Nähe. Jahre später lebt Carl zusammen mit seiner Frau Emmi in Amerika und bemüht sich die Schrecken seiner Vergangenheit zu vergessen, doch durch längst vergessene Dokumente, stößt er auf eine unheilvolle Verbindung zwischen der Liebe seines Lebens und den Gräueltaten der Nationalsozialisten. Doch welche Schuld gilt es zu vergeben und welche Lüge tatsächlich zu verzeihen?
Dieser Roman ist mein zweiter aus der Feder der Autorin, den ich nach dem Kriminalroman „Kalteis“ gelesen habe. Auf sehr unterhaltsame, erzählerische Weise gewinnt hier die Thematik Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges und die damit verbundene Möglichkeit der Emigration eine große Bedeutung. Anders als in vielen Romanen, die sich mit dieser dunklen Epoche deutscher Geschichte auseinandersetzen, geht es hier weit weniger um die Ereignisse in Deutschland, als vielmehr um das Leben einer Emigrantenfamilie, der es durch Glück gelungen ist, ihrer unwilligen Heimat den Rücken zu kehren und dafür in der Fremde ein neues Leben aufzubauen. Doch damit verbunden bleibt auch ein Gefühl der inneren Zerrissenheit, der Wunsch eines Tages wieder zurückzukehren und ein loses Heimatgefühl, welches es den Betroffenen nicht erlaubt sich wirklich heimisch und sicher zu fühlen. Wie ein dunkler Schatten verfolgt sie die Bedrohung und lässt viele erst nach dem Kriegsende zur Ruhe kommen.
Die Erzählung besticht durch ein ausgewogenes Verhältnis historischer Rahmenbedingungen und einer persönlichen Lebensgeschichte, die unweigerlich miteinander verwoben sind. Eine leichte Sprache und wechselnde Schauplätze machen den besonderen Reiz aus und die verschiedenen Zeitebenen bringen Spannung und Leben in das geschriebene Wort. Und letztlich wirkt das Geheimnis um Emmi wie ein Magnet, der den Leser an die Geschichte fesselt, denn nur zu gern möchte man über die gut 300 Seiten des Buches wissen, was denn nun wirklich geschah – damals im Leben einer jungen Frau, die nicht die zu sein scheint, die sie zeitlebens vorgab …
Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne (aufgerundet 5) für einen unterhaltsamen, historisch angelehnten Roman, der sich intensiv mit der Frage nach einer Heimat und deren Bedeutung für die eigene Identität beschäftigt. Und gleichermaßen mit der Frage nach der Endlichkeit der Liebe, wenn man feststellt, dass eine Lebenslüge den geliebten Menschen in ein ganz anderes Licht rückt. Das Buch bekommt von mir eine Leseempfehlung und macht mich neugierig auf weitere Romane der Autorin.

Bewertung vom 10.05.2016
Winterhonig
Ohms, Daniela

Winterhonig


ausgezeichnet

"Ich wollte Dich lachen hören, und jedes Lächeln von Dir hat mich mitten ins Herz getroffen. Ich selbst war ein trauriger Mensch, als ich bei Euch ankam, aber Du hast mir wieder einen Sinn gegeben."

Inhalt
Als jüngstes von zehn Geschwistern kennt Mathilda die Härten des Lebens nur zu gut. Einziger Lichtblick seit ihrer Kindheit: Karl, der Stallknecht des benachbarten Gutshofes. Schon als Junge tröstete er die kleine Mathilda mit einer ganz besonderen Leckerei: seinem wunderbaren Winterhonig. Nun, im Erwachsenenalter, ist aus der kindlichen Zuneigung eine tiefe Liebe geworden. Doch als in ihrem abgelegenem westfälischen Dorf Misstrauen und Hass um sich greifen, während Flugzeuglärm und Bombenexplosionen selbst hier zum Alltag werden und der Terror der Nazis auch vor ihrem Dorf nicht haltmacht, wird die Lage für Karl aussichtslos. Denn er hütet ein Geheimnis, das ihn das Leben kosten könnte.

Meinung
In einer schweren Zeit, in der sich jeder selbst der Nächste war und ein unerbittlicher Kampf um das Überleben geführt wurde, beginnt die Liebe zwischen Karl und der kleinen Schwester seines Freundes zu erblühen. Mathilda ist mittlerweile kein Kind mehr, sondern eine hübsche junge Frau, doch eine Verbindung scheint undenkbar, denn der Krieg steht vor der Tür und Karl muss als begnadeter Reiter in die Kavallerie der Deutschen, während Mathilda als einfaches Bauernmädchen ihre tägliche Pflicht verrichtet.

So bleibt ihnen lange nur die Sehnsucht, der Wunsch einander wiederzusehen, die Träume von einer besseren Zukunft und die schönen Erinnerungen an eine friedliche Kindheit. Dieses Wissen umeinander, gepaart mit der absoluten Sicherheit, die große Liebe gefunden zu haben, trägt sie durch die Zeit, durch bittere Kriegsjahre und hält sie lebendig. Denn sie kämpfen nicht für einen Sieg an der Front, sondern für einen Sieg in der Liebe.

Dieser Roman hat mein Herz von der ersten Seite an erobert, weil er vielschichtig ist und wichtige historische Ereignisse in einen persönlichen Kontext bringt. Dadurch ergibt sich für den Leser nicht nur ein Bild von den Grausamkeiten und Kampfereignissen im Zweiten Weltkrieg, sondern in erster Linie eine ganz persönliche Lebensgeschichte. Eingebettet in autobiographische Kindheitserinnerungen einer einfachen Bauernfamilie, erfüllt mit den ständig wechselnden Vorkommnissen einer Großfamilie, entwirft die Autorin eine berührende Liebesgeschichte. Die Kombination der verschiedenen Aspekte wirkt authentisch, realitätsnah und emotional, ohne jemals kitschig oder aufgesetzt zu wirken.

Besonders fasziniert hat mich die Vielfalt der Personen, ihre intensive Charakterisierung und die Stärke der Nebendarsteller. Hier geht es längst nicht nur um Liebe, sondern auch um Freundschaft, Mut, Engagement, Zugeständnisse aber auch um Geschwisterrivalität und schwere Lebensschicksale. Jede beschriebene Szene lief bildlich vor meinem inneren Auge ab, so dass ich mir die Buchvorlage hier ganz ausgezeichnet als Verfilmung vorstellen könnte.
Fazit
Dieser Roman ist für mich ein Lesehighlight im Jahr 2016. Er ist gut recherchiert und bringt die Geschichte eines Lebens und einer Liebe hervorragend zur Geltung. Ich empfehle ihn allen Lesern, die realistische Erzählungen mit lebensechten Charakteren und menschlichen Verhaltensweisen mögen. Die sich für Geschichte interessieren und die den Reiz einer besonderen, einzigartigen Beziehung nachvollziehen möchten. Sehr positiv ist hier anzumerken, dass dieses Buch sowohl für junge als auch für ältere Leser ansprechend ist, die einen werden sich in den Empfindungen wiederfinden, die anderen in den Ereignissen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2016
So wüst und schön sah ich noch keinen Tag
LaBan, Elizabeth

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag


ausgezeichnet

Die Senior-Klasse des Irving-Colleges richtet jedes Jahr ein spektakuläres Abschlussfest aus und reicht danach symbolisch den Staffelstab an die nächste Generation weiter. Und so verbinden sich die beiden Geschichten des ehemaligen Absolventen Tim mit denen des diesjährigen Spielleiters Duncan. Tim hat Duncan damals ausgewählt und hinterlässt ihm jetzt als geistiges Andenken eine CD Sammlung, die die Tragödie des letzten Winters in ihrer ganzen Vielfalt schildert. Denn Tim erzählt darauf seine ganz persönliche, traurige Collegegeschichte, die mit einem Mädchen begann und einem dramatischen Unfall endete.
Das Jugendbuchdebüt der Autorin besticht durch eine sehr alltägliche und doch besondere Situation: ein Junge, der sich in ein Mädchen verliebt, die bereits vergeben ist und sich nicht von ihrem Freund trennen wird, auch wenn sie für den anderen durchaus Sympathien hegt. Die Vielschichtigkeit dieser Erzählung liegt jedoch in ihren Begleitumständen, denn der Junge der sich hier unglücklich verliebt, ist ein Albino und hat bisher noch niemals erlebt, wie es sich anfühlt, wenn eine andere Person sich tatsächlich für ihn interessiert. Die Charaktere sind ausgesprochen vielseitig beschrieben, so dass der Leser schon bald die persönlichen Stärken und Schwächen der handelnden Personen erkennt und mit den Protagonisten mitfiebern kann.
Auch die Wortwahl und der Lesefluss konnten mich absolut überzeugen, denn die Geschichte ist spannend, dramatisch, traurig und schön zugleich. Sie schildert große Themen der Entwicklung junger Menschen: die erste Liebe, fehlendes Selbstbewusstsein, Komplexe gegenüber anderen, Hoffnung und Euphorie aber auch endgültige Entscheidungen und das bittere Bewusstsein, dass man nicht jede Fehlentscheidung ohne Konsequenzen rückgängig machen kann. Aber auch was es heißt, für seine Gefühle und Bedenken einzustehen.
Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne (aufgerundet 5) für einen realitätsnahen, berührenden Jugendroman der die traurige Geschichte eines Außenseiters erzählt, eines jungen Menschen der trotz großer Bemühungen seine Unzulänglichkeit nicht überwinden kann. Dennoch kann er etwas bewegen, indem er einem fast Fremden seine Fehler eingesteht und ihm anrät, nicht dieselben zu begehen. Prädikat: Absolut empfehlenswert, nicht nur für Jugendliche.

Bewertung vom 08.05.2016
Albertos verlorener Geburtstag
Rosie, Diana

Albertos verlorener Geburtstag


sehr gut

Um Tino vom schweren Brandunfall seines Vaters abzulenken und von tristen, bangen Tagen im Krankenhaus zu bewahren, nimmt ihn sein Großvater Alberto mit auf eine abenteuerliche Reise in seine eigene Kindheit. Denn Alberto feiert bereits viele Jahrzehnte keinen Geburtstag mehr, weil er sich nicht mehr an seine früheste Kindheit, seine Eltern oder ein Zuhause erinnern kann. Und der kleine Tino setzt sich eine Mission: wenn es ihm gelingt den Geburtstag seines Opas ausfindig zu machen, dann wird auch sein Papa wieder gesund werden. Und so reisen die beiden immer weiter zurück in die Vergangenheit, treffen alte Bekannte und stoßen schließlich auf die verschüttete Tragödie, die zum Erinnerungsverlust von Alberto geführt hat …
Dieser Roman ist in erster Linie eine wunderschöne, abwechslungsreiche Familiengeschichte, die aus ganz verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Die Handlungsstränge verzweigen sich von der Gegenwart bis in die Jahre des spanischen Bürgerkrieges, in dem Alberto aufgewachsen ist und als Findelkind in der Obhut eines kirchlichen Waisenhauses aufwuchs. Sehr anschaulich ergibt sich die Vergangenheit, weil alle Beteiligten zu Wort kommen und ihre ganz eigene Sicht der Dinge schildern. So gelingt es schließlich dem ungewöhnlichen Ermittlerpaar Großvater und Enkel Licht in die frühe Kindheit eines alten Mannes zu bringen und dabei ganz nebenbei die Geschichte eines bewegten, nicht immer geradlinigen Lebens aufzuzeigen.
Eine warmherzige, liebevolle Lebensgeschichte geprägt von politischen Umwälzungen, persönlichen Dramen und engagierten Menschen nimmt ihren Lauf.
Fazit: Ich vergebe vier Sterne für diese berührende Familiengeschichte, die eine enge ganz besondere Beziehung zwischen einem Großvater und seinem Enkel in den Mittelpunkt rückt und viele überraschende Wendungen bereithält. Unterhaltsam und poetisch erzählt, genau das Richtige für Liebhaber weitverzweigter Familiengeschichten und verborgener Geheimnisse.

Bewertung vom 02.05.2016
Lauras letzte Party / Palokaski-Trilogie Bd.1
Johansson, J. K.

Lauras letzte Party / Palokaski-Trilogie Bd.1


weniger gut

Die ehemalige Polizistin Miia tritt gerade ihren neuen Job an der Schule ihrer Heimatstadt an, als über Nacht eine 16-jährige Schülerin verschwindet. Was zunächst wie eine Ausreißer-Aktion aussieht, entwickelt sich mehr und mehr zum Rätsel, denn es gibt zwar keine Leiche aber die verschwundene Laura wird nirgends gesichtet. Obwohl Miia sich eigentlich von der Ermittlungsarbeit distanzieren wollte, greift sie nun doch ins Geschehen ein, vor allem weil sie der Fall an ihre vor fast 20 Jahren verschwundene Schwester erinnert. Mittels Internetrecherche stößt sie auf mehrere Ungereimtheiten, in die auch ihr Bruder Nikke verwickelt zu sein scheint. Als Schulpsychologe kannte er Laura sehr gut und rückt damit schon bald ins Visier der Öffentlichkeit …
Die vielversprechende Ausgangssituation dieses Romans, den man wirklich nicht als spannungsgeladenen Thriller bezeichnen kann, wird nur mäßig ausgebaut und dadurch wirkt das geschriebene Wort sehr konstruiert und unglaubwürdig. Im Großen und Ganzen geht es hier nicht nur um ein verschollenes Mädchen sondern in erster Linie um Kompetenzüberschreitung und öffentliche Anfeindungen, die gerade im Internetzeitalter in eine wahre Hetzkampagne ausufern können. Zahlreiche Spekulationen, sehr wenige Fakten und eine Hobby-Ermittlerin, deren Liebesleben die Autoren ganz besonders interessiert, machen das Buch für mich ziemlich uninteressant. Auch die Auflösung des Falls wirkt abrupt herbeigeführt und unbefriedigend, so dass ich mit Sicherheit keinen weiteren Band der „Palokaski-Trilogie“ lesen werde.
Fazit: Für mich handelt es sich weder um einen dunklen, psychologischen Thriller noch um ein fesselndes Beziehungsdrama, wie auf dem Einband versprochen wird. Die Story ist nicht schlecht geschrieben, so dass man sie durchaus lesen kann aber der Roman erreicht allerhöchstens das Mittelmaß.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2016
Du hättest es wissen können
Korelitz, Jean Hanff

Du hättest es wissen können


gut

Grace arbeitet als erfolgreiche Eheberaterin und steht kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Romans. Aber ihr Bilderbuchleben gerät ins Wanken, nachdem ihr über alles geliebter Mann Jonathan förmlich über Nacht verschwindet. Dabei handelt es sich keinesfalls- wie gehofft- um ein Missverständnis, sondern um eine alles überschattende Lebenslüge, die für Grace ungeahnte Ausmaße annimmt. Nach und nach gesellt sich ein böses Detail zum anderen und Grace fällt in ein tiefes Loch, von dessen Existenz sie bisher nicht einmal etwas wusste. Als sie schließlich akzeptiert, dass Jonathan ganz und gar nicht der war, der er vorgab zu sein, steht sie selbst vor den Scherben ihres ganz persönlichen Glücks.
„Du hättest es wissen können“ thematisiert die Fehleinschätzung einer liebenden Person innerhalb einer Ehe, einer Frau die ihr ganzes Vertrauen auf ihren Mann gerichtet hat, der es seinerseits nicht verdient hat und die im Gegenzug viele eigenständige Entscheidungen nicht mehr traf, weil keine Notwendigkeit dafür bestand. Trotz bester Voraussetzungen ist auch sie nicht vor Fehleinschätzungen sicher und belastet sich ähnlich wie ihre hilfesuchenden Klienten mit bitteren Selbstvorwürfen. Sehr eindringlich beschreibt die Autorin den langsamen aber unaufhaltsamen Verfall einer unausgewogenen Partnerschaft. Sie führt sowohl den Leser als auch die Hauptprotagonistin an den Wendepunkt der Geschichte und bietet die Perspektive auf einen Neuanfang. Trotzdem fehlt es der Geschichte meines Erachtens an Handlung und daraus resultieren unschöne Längen, die gerade im Mittelteil bereits an Langeweile grenzen. Der Kummer und die seelischen Verletzungen werden ausführlich erörtert, doch der untreue, lügende, mordende Ehemann bleibt eine blasse Randfigur, so dass man sich ernsthaft fragt, warum er überhaupt so großen Schaden anrichten konnte. Wahrscheinlich hätte mir der Roman mit wechselnden Erzählperspektiven (aus Sicht von Mann und Frau) besser gefallen.
Fazit: Ich vergebe 3,5 Sterne für einen beziehungsorientierten Unterhaltungsroman, der sich mit Lebenslügen im Allgemeinen und ihren traurigen Konsequenzen im Besonderen auseinandersetzt, der aber noch wesentlich mehr Entwicklungspotential gehabt hätte.

Bewertung vom 02.03.2016
Baba Dunjas letzte Liebe
Bronsky, Alina

Baba Dunjas letzte Liebe


ausgezeichnet

Baba Dunja ist längst keine 82 mehr, dafür aber eine der wenigen alten Dorfbewohner, die wieder in ihren Heimatort Tschechow zurückgekehrt sind. Dort will nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl niemand mehr leben, weil alles verstrahlt ist und so reiht sich eine Ruine an die nächste und die Natur erkämpft sich ihren Platz wie eh und je. Die verbleibenden Menschen lassen sich durch nichts mehr abschrecken, weder durch die einfachen, primitiven Lebensbedingungen, noch durch ein einsames Dasein – abgeschottet von der Zivilisation. In ihrem selbst gewählten Exil lebt jeder wie er gern möchte, ganz im Einklang mit den Gegebenheiten doch füreinander sind die Menschen des Dorfes da, ersetzen fast eine fehlende Familie. Als eines Tages ein junger Mann mit seiner kleinen Tochter nach Tschechow kommt, um sich in einem leerstehenden Haus einzuquartieren, fährt Baba Dunja schwere Geschütze auf, denn sie wird es nicht dulden, dass ein bis dato gesundes Mädchen der tödlichen Strahlung ausgesetzt sein soll. Als der Vater nicht kooperiert geschieht ein Unglück, doch diesmal umgibt eine Mauer des Schweigens den Ort …
Die junge Autorin Alina Bronsky entwirft in ihrem kurzen Roman eine besondere Studie über eine alte Frau, über ein selbstbestimmtes Leben weitab von Fortschritt und Entwicklungspotential, dafür aber ganz nah an den eigenen Bedürfnissen und das wirkt sehr autark. Baba Dunja wird zum Sinnbild einer Generation, die durchaus eigenwillig aber aus voller Überzeugung handelt, die ein weltlich abgekehrtes, von politischen Entscheidungen unabhängiges Dasein führt und der selbst großes Unglück nur einen kleinen Dämpfer versetzen kann. Dennoch handelt es sich bei dieser Denkweise keineswegs um Desinteresse sondern eher um ein tief verwurzeltes Heimatgefühl, dem äußere Einflüsse nur bedingt etwas anhaben können. Baba Dunjas letzte Liebe ist nicht die zu ihrem Mann, auch nicht die zu ihren Kindern und Enkeln sondern die zu ihrem Heim, in dem ihre Seele innere Zufriedenheit gefunden hat.
Fazit: Ich vergebe 5 Sterne für einen tollen Roman, der gerade durch seine sachliche, präzise Erzählweise überzeugt und den Leser in eine ihm fremde Welt entführt. Ganz gewiss möchte man nicht tauschen mit der Hauptprotagonistin des Buches aber man möchte sie gerne kennenlernen – die Baba Dunjas dieser Welt, weil sie rechtschaffene Charaktermenschen sind. Kurze, zeitgenössische Prosa in Bestform – absolut empfehlenswert.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.