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Volker M.

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Insgesamt 374 Bewertungen
Bewertung vom 24.04.2023
Handbuch IT-Management

Handbuch IT-Management


ausgezeichnet

Erfolgreiches IT-Management ist zu einem wichtigen Erfolgsfaktor in Unternehmen geworden. Das vorliegende Handbuch "IT-Management" gibt auf knapp 1.100 Seiten einen fundierten Überblick über IT-relevante Managementdisziplinen. Die 18 Autoren haben kapitelweise zugearbeitet und es ist dem Herausgeber gelungen, diese zu einem homogenen Werk zusammenzufügen.

Gegenüber der Vorauflage ist das Kapitel „IT-Sourcing“ hinzugekommen, dafür ist aber das sehr interessante Thema „IT-Recht“ von Jens Ferner komplett entfallen. Die anderen Kapitel wurden überarbeitet und aktualisiert. Besitzer der Vorauflage müssen selbst entscheiden, ob sich für sie der Neukauf lohnt.

Mit dem Kauf des Buches erhält man übrigens einen individuellen Code, mit dem sich das zugehörige eBook als PDF-Datei herunterladen lässt. So kann der Leser auch von unterwegs gezielt Informationen suchen, ohne dass 2 kg schwere Buch mit sich schleppen zu müssen.

Nach zwei ausführlichen Einführungskapiteln (Herausforderungen und Rollenverständnis beim IT-Management sowie IT-Strategien entwickeln und umsetzen) widmen sich die Autoren sowohl gängigen als auch nicht ganz so gängigen IT-Managementthemen: Architektur- und Servicemanagement, Projekt-, Anforderungs- und Qualitätsmanagement sowie IT-Controlling und das derzeit heiß diskutierte Cloud Computing, um hier nur einige zu nennen. Im neuen Kapitel IT-Sourcing geht es um das umfangreiche Thema der Beschaffung von IT-Leistungen, also z. B. Hardware, Dienstleistungen, IT-Services und Lizenzen. Aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen kommen nicht zu kurz. So ist dem wichtigen Thema IT-Compliance (also der Einhaltung von Vorgaben jeglicher Art, z.B. Datenschutzgesetz) ein eigenes Kapitel gewidmet.

Zu Beginn jeden Kapitels erfährt der Leser, welche Fragenstellungen behandelt werden. So kann er entscheiden, ob die Inhalte für ihn relevant sind oder ob die Zusammenfassungen am Kapitelende (vorerst) reichen. Die zahlreichen Tabellen, Auflistungen, Hinweisboxen und Abbildungen visualisieren den Inhalt und helfen auch dabei, einzelne Themen herauszupicken. Schön wäre noch eine zweifarbige Darstellung - aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Ein Anfang wurde schon gemacht, denn das eBook ist durchgehend farbig gestaltet.

"Arbeitshilfen", wie ich sie verstehe und im Buchtitel versprochen werden, habe ich auch in dieser neuen Auflage vergeblich gesucht. Aufgrund der Themenkomplexität habe ich zumindest Verständnis dafür, dass konkrete Handlungsempfehlungen, Checklisten und Vorlagen den Rahmen dieses Buches sprengen würden. Hier muss der Leser zur Vertiefung auf Sekundärliteratur zurückgreifen. Die Literaturempfehlungen am Kapitelende sind dafür m. E. zu unkonkret.

Das "Handbuch IT-Management" hat seine ehrgeizige Aufgabe gut gemeistert. Ein äußerst umfangreiches, aktuelles und für den Leser anspruchsvolles Gesamtwerk, in dem IT-relevante Managementthemen strukturiert (mit vielen Piktogrammen, Tabellen und Grafiken) und verständlich dargestellt werden. Es eignet sich sowohl als Einführungs- wie auch als Nachschlagewerk. Erfreulicherweise wird nicht gegendert, was die Lesbarkeit sehr fördert.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.04.2023
Vivian Maier - Photographin

Vivian Maier - Photographin


ausgezeichnet

Vivian Maiers Werk gehört zu den großen fotografischen Entdeckungen des letzten Jahrzehnts. Es war ein Zufall, dass John Maloof 2007 bei einer Auktion einen Teil ihres Bildarchivs ersteigerte und bald die Bedeutung seines Fundes erkannte. Vivian Maier hat das alles nicht mehr erlebt und sie war selber auch nie von ihren fotografischen Fähigkeiten überzeugt. 100 000 Negative sind erhalten, Tausende Filmrollen waren noch unentwickelt, als Maloof damit begann, einzelne Bilder auf Flickr zu veröffentlichen. Der Rest ist Geschichte. Der Hype um Vivian Maier ist seitdem ungebrochen und John Maloof ist heute sogar Oscar-Preisträger für seinen Dokumentarfilm „Finding Vivian Maier“.

Das erste über sie erschienene Buch war im Jahr 2011 „Vivian Maier – Street Photographer“ mit einer Auswahl an s/w-Aufnahmen, die auch im Rahmen einer Ausstellung gezeigt wurden. „Vivian Maier – A Photographer Found“ (so der englische Originaltitel des vorliegenden Bandes) erschien erstmals 2014 und ist wesentlich breiter aufgestellt, nicht nur in Bezug auf die Anzahl der Fotos, sondern auch im Hinblick auf die Hintergrundinformationen. Die unglaubliche Entdeckungsgeschichte ist spannend wie ein Krimi (nicht umsonst gab es dafür einen Oscar), die Fotos sind sensationell und dank einer vertieften Recherche sind sie in diesem Band auch meistens datiert und mit einer Ortsangabe versehen. Das „Gefühl“ für die Zeit, das in „Vivian Maier – Street Photographer“ noch das Wissen ersetzen musste, wird hier durch Fakten bestätigt.

Vivian Maier konnte unsere Sehgewohnheiten nicht prägen, weil sie ihre Fotos kaum jemandem gezeigt hat und doch sprechen sie uns sofort an und begeistern durch Qualität und Originalität. Sie sind stiltypisch für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nicht selten nahm Vivian Maier aber Entwicklungen vorweg, die erst später Mainstream wurden, was sicher daran lag, dass sie über die zeitgenössische Fotografie bestens informiert war. Sie arbeitete keineswegs im luftleeren Raum oder ohne Vorbilder. Ihre Motive wirken durchkomponiert bis in Details, dabei sind sie völlig spontan entstanden. Momentaufnahmen, die Stimmungen und Geschichten einfangen, mit Humor erzählt und von einer bewundernswerten technischen Materialbeherrschung. Im vorliegenden Band finden sich neben den herausragenden schwarz-weißen auch einige farbige Fotografien, die Vivian Maier mit ihren begrenzten Mitteln nicht mehr selbst entwickeln konnte. Sie erreichen zwar meistens nicht mehr das Niveau der frühen Arbeiten, sind aber dennoch eindrucksvolle Zeitzeugnisse.

Der ausdrucksstarke und scharfe Duoton-Druck reicht qualitativ fast an Originalabzüge heran, das Papier ist matt glänzend und unterstützt diesen Eindruck. Zusammen mit dem großzügigen Layout ist „Vivian Maier“ ein würdiges Denkmal für eine Frau, die sich ihres Talentes nie sicher war. Posthum hat sie bleibende Spuren hinterlassen. Wäre sie mutiger und vernetzter gewesen, hätte sie auch zu Lebzeiten schon die Bedeutung gehabt, die man ihr heute zu Recht gibt.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.04.2023
Das Metaverse
Ball, Matthew

Das Metaverse


ausgezeichnet

Ich muss zugeben, dass ich mich bisher nur wenig mit dem Trendthema „Metaverse“ beschäftigt habe. Das liegt vor allem daran, dass jeder etwas anderes unter dem Begriff versteht und die aktuellen Debatten auf mich nebulös bis konfus wirken. Außerdem ist das Metaverse - zumindest bis jetzt - nur eine Theorie und kein Produkt zum Anfassen.

Matthew Ball bringt mit seinem Buch „Das Metaverse: Und wie es alles revolutionieren wird“ Licht ins Dunkel des Metaverse, indem er zunächst den Begriff aus seiner Sicht definiert, um dann die einzelnen Kernelemente und Aussagen näher zu beleuchten. Dazu gehören virtuelle Welten, 3D, Rendering in Echtzeit, interoperables Netzwerk, massive Skalierbarkeit, Persistenz, Synchronität und die unbegrenzte Anzahl von Nutzern. Didaktisch ist das ausgezeichnet aufbereitet. Der Autor erarbeitet zunächst eine gemeinsame Basis, auf der er in den weiteren Kapiteln aufbauen kann.
Er erläutert die Unterschiede zum heutigen Internet und macht transparent, was für die Realisierung des Metaverse notwendig ist und wann es erreicht werden könnte. Wesentliche Elemente des Metaverse sind vor allem virtuelle 3D-Welten. So verwundert es nicht, dass Ball immer wieder Beispiele aus der Gamingindustrie anführt. Sie hat in diesem Bereich viel Grundlagenarbeit geleistet, ist aber auch technisch schon sehr weit und stellt eine wichtige Basis für das Metaverse dar. Bisher steht sie noch vor technischen Herausforderungen in den Bereichen Skalierbarkeit und Echtzeit-Rendering.

Dem Autor ist es gelungen, mich für das Metaverse zu begeistern und deutlich zu machen, dass die Transformation zum „Internet der Zukunft“ gewaltig sein wird, aber auch noch viele technische Hürden (nach seiner Definition) zu überwinden sind. Das Ausmaß des Wandels erklärt aber auch, warum sich Unternehmen in Erwartung des Metaverse neu positionieren, obwohl die Realisierbarkeit noch in weiter Ferne liegt und die Auswirkungen weitgehend unklar sind.
Unternehmen mit Weitblick wissen, dass jede neue Computer- und Netzwerkplattform die Welt und die Unternehmen, die sie anführen, für immer verändern wird. Ball vergleicht dies unter anderem mit der Entstehung des Internets. Selbst Experten hatten Schwierigkeiten zu verstehen, was im Internet mit welchen Technologien aufgebaut werden sollte. Heute ist das Potenzial des Internets offensichtlich, aber damals hatte kaum jemand eine kohärente, leicht kommunizierbare und korrekte Vision der Zukunft.

Die Basistechnologien für das Metaverse werden von Jahr zu Jahr besser. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Metaverse nicht plötzlich da ist, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Es wird sich - wie das mobile Internet - schrittweise entwickeln, denn Transformation ist ein iterativer Prozess.

Auch die Gefahren werden thematisiert und enttabuisiert. So bedeutet die Idee des Metaverse, dass ein großer Teil unseres Lebens, unserer Arbeit, unserer Freizeit online stattfinden wird. Wir werden tatsächlich online existieren, anstatt nur online zu gehen. Es ist nur natürlich über eine Zukunft nachzudenken, in der niemand mehr vor die Tür geht und sein Dasein an ein VR-Headset gefesselt verbringt. Laut Ball wird es eine fortschreitende Entstigmatisierung der in virtuellen Welten verbrachten Zeit geben, ähnlich wie sich Videokonferenzen während COVID-19 als die neue „Norm“ etablieren konnten.

Die Übersetzung ins Deutsche ist gelungen, aber der Stil ist nicht mitreißend, sondern eher trocken und sachlich. Erfreulicherweise wird nicht gegendert, was die Lesbarkeit sehr fördert. Die Eindringtiefe ist sehr hoch und daher verliert sich Ball meiner Meinung nach an manchen Stellen zu sehr im Detail. Dennoch ist Matthew Ball mit seinem Buch eine verständliche Einführung und realistische Bewertung des so nebulösen „Metaverse“ (oder wie wir es in der Zukunft auch immer nennen werden) mit seinen Chancen und Risiken, seinen technischen Herausforderungen und seinen Auswirkungen auf unsere Lebensweise, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft gelungen.

Ob das Metaverse mit seinen in Echtzeit gerenderten virtuellen Welten das nächste große Ding wird oder nur ein verpufftender Hype, bleibt abzuwarten.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.04.2023
Street Photographer
Maier, Vivian

Street Photographer


ausgezeichnet

Die Entdeckung von Vivian Maiers Fotoarchiv grenzt an ein Wunder. Noch zu ihren Lebzeiten wurde das gewaltige Inventar von mehr als 100 000 Negativen und Farbdias versteigert, da sie sich die Miete für ihr Lager nicht mehr leisten konnte. Aber erst einige Monate nach ihrem Tod wurden die ersten Fotos bei Flickr veröffentlicht, womit die Geschichte eine Eigendynamik bekam, die Vivian Maier bald in eine Reihe mit den bedeutendsten Street-Fotografen der Welt stellte. Heute findet man ihre Werke in Galerien und der Hype ist sehr verständlich. Vivian Maier schuf ein künstlerisches Oeuvre von einer ganz eigenen Qualität, auch wenn Geoff Dyer in seinem Vorwort ganz richtig feststellt, dass wir diese Fotos nur retrospektiv deuten können. Vivian Maier konnte unsere Sehgewohnheiten nicht prägen, weil sie ihre Fotos nie jemandem gezeigt hat und doch sprechen sie uns sofort an und begeistern durch Qualität und Originalität. Sie sind absolut stiltypisch für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nicht selten nahm Vivian Maier aber Entwicklungen vorweg, die erst später Mainstream wurden, was sicher daran lag, dass sie über die zeitgenössische Fotografie bestens informiert war. Sie arbeitete keineswegs im luftleeren Raum oder ohne Vorbilder. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die schiere Masse der Fotos zwangsläufig zu einigen Treffern führen musste, kann man eben nur finden, was auch da ist.

Vivian Maier war eine großartige Street-Fotografin. Ihre Motive wirken durchkomponiert bis in Details, dabei sind sie vollkommen spontan entstanden. Momentaufnahmen, die Stimmungen und Geschichten einfangen, mit Humor erzählt und von einer bewundernswerten technischen Materialbeherrschung. Im vorliegenden Band finden sich nur schwarz-weiße Fotografien, die auch handwerklich höchsten Qualitätsansprüchen genügen, denn Vivian Maier entwickelte ihre Abzüge selber und wusste, was sie tat. Schärfe und Kontrast nutzte sie mit einer Sicherheit, die auf jahrzehntelanger Erfahrung beruhte.

Leider sind weder die Motive bekannt, noch sind die Fotos datiert. Man weiß, dass Vivian Maier ab den Achtzigerjahren die s/w-Fotografie aufgab und modegeschichtlich sind die meisten Aufnahmen wohl in den Fünfziger- und Sechzigerjahren entstanden, aber das sollen Fotohistoriker beurteilen. Sie fangen jedenfalls den Zeitgeist ein wie die besten Beispiele etablierter Fotografen der Epoche. Es ist ein Wunder, dass dieser Schatz für die Welt gehoben wurde, auch wenn es nicht einer gewissen Tragik entbehrt, dass Vivian Maier ihren Ruhm nicht mehr erlebt hat. Sie starb 2009 mittellos und gesundheitlich schon länger angeschlagen in einem Pflegeheim.

Der kontrastreiche und scharfe Duoton-Druck im Buch reicht an die Qualität von Originalabzügen heran, das Papier ist leicht glänzend und unterstützt diesen Eindruck. Zusammen mit dem großzügigen Layout ist „Vivian Maier – Street Photographer“ ein würdiges Denkmal für eine Frau, die sich zeitlebens ihres Talentes nicht bewusst war. Aber postum hat sie bleibende Spuren hinterlassen.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 08.04.2023
DK Kulturgeschichte. Das alte Ägypten
Snape, Steven

DK Kulturgeschichte. Das alte Ägypten


ausgezeichnet

Ich habe schon einige Bücher über das Alte Ägypten in verschiedenen Eindringtiefen gelesen, von der reinen Historiografie bis zu Bildbänden über ägyptische Kunst. Den einen fehlt oft die Anschaulichkeit und sie verlieren sich in Details, den anderen fehlt der historische Zusammenhang. Steven Snape verbindet beide Welten in für mich idealer Weise, indem er seine allgemeinverständlich formulierten Texte mit großer Sachkenntnis illustriert und die Entwicklungen klar herausarbeitet. Im Wesentlichen folgt er einer chronologischen Struktur, wobei er in getrennten Kapiteln die großen geschichtlichen Linien, deren bedeutendste Protagonisten und wichtige archäologische Objekte der Zeit behandelt. Die Schlüsselereignisse werden so meistens noch einmal aufgegriffen und vertieft, gleichzeitig bekommt der Leser viel Hintergrundinformationen zum aktuellen Stand der archäologischen Forschung. Die Abbildungen zeigen sowohl Museumsexponate (die Auswahl ist exzellent!) als auch Architektur und Landschaften vor Ort. Regelmäßig streut Snape Kapitel zu kulturgeschichtlichen und gesellschaftlichen Themen ein, die den Alltag der alten Ägypter beleuchten, und zwar nicht nur der Oberschicht, sondern auch des einfachen Volkes. Sehr positiv ist mir aufgefallen, dass Snape kein Freund von Spekulationen ist. Wo halbseidene Forscher plakative Hypothesen verbreiten (der medienaffine und egomanische Ägyptologe Zahi Hawas ist darin ein Meister), setzt Snape ein kurzes „man weiß es nicht“ und damit erfährt der Leser mehr, als aus so mancher spektakulären aber unkritischen Fernsehsendung, von denen es leider mehr als genug gibt. Von den DNA-Analysen der Verwandtschaftsverhältnisse der letzten Pharaonen der 18. Dynastie (Echnaton, Tutanchamun etc.) hält Snape z. B. nichts, sie finden daher auch keine Erwähnung.

Steven Snape nutzt eine alltagstaugliche Sprache, ohne komplizierten Satzbau oder Fremdworte. Die Fakten sind prägnant und knapp formuliert, es gibt kein Geschwafel, sondern konzentrierte Information, die aber sehr eingängig aufbereitet wird.

Für eine Leserschaft, die entweder vertieftes Wissen auffrischen und dank der hervorragenden Illustrationen besser im Gedächtnis speichern will, oder die ein umfassendes, aber bodenständig aufbereitetes Bild über Leben und Geschichte des Alten Ägyptens sucht, ist dieses Buch in jeder Hinsicht ideal. Didaktisch ist diese Darstellung, die vom prädynastischen Ägypten bis zur römischen Besatzungszeit reicht, mit das Beste, was ich bisher zum Thema gelesen habe.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.04.2023
Der Krypto-Guide
Edelman, Ric

Der Krypto-Guide


gut

Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum & Co. kamen für mich als Anlageklasse bisher nicht in Frage. Die Kurse sind mir zu volatil, die Verwahrung zu unsicher, das Betrugs- und Diebstahlrisiko zu hoch und vor allem ist mir der fehlende innere Wert suspekt. Der „Krypto-Guide“ ist ein guter Einstieg für alle, die unsicher sind und nicht wissen, wie man in Kryptos investiert. Edelman gibt zwar viele praktische Tipps – diese beziehen sich allerdings fast ausschließlich auf die USA, so dass die Umsetzung in Deutschland nicht ohne weitere Recherche erfolgen kann.

Der Autor weist zu Beginn auf Interessenkonflikte hin, z. B. weil er selbst in den erwähnten Produkten investiert ist und vom Verkauf profitieren würde. Er macht dies aber sehr transparent und kennzeichnet die entsprechenden Stellen auch noch zusätzlich mit Icons. Das finde ich bemerkenswert, denn es ist bei vielen seiner Kollegen nicht selbstverständlich.

Die Einführung ist sehr strukturiert in fünf Kapitel gegliedert: Zunächst erklärt Edelman, wie eine Blockchain funktioniert, welche Vorteile diese Technologie mit sich bringt und warum die Technologie für ihn genauso folgenreich ist wie das Internet.
Anschließend geht er auf Bitcoin und andere digitale Vermögenswerte ein. Er erklärt ausführlich, wie Bitcoin funktioniert und beleuchtet vor allem die Frage, ob digitale Assets überhaupt „Geld“ sind. Da Bitcoins keinen inneren Wert haben, sondern nur einen Preis, muss untersucht werden, ob die aus der Aktienanlage bekannten Bewertungsansätze hier überhaupt funktionieren.
Im dritten Teil wird Edelman konkreter und zeigt die Risiken von Investitionen in digitale Vermögenswerte. Seiner Meinung nach sind es aber gerade diese Risiken, die ein bestehendes Portfolio widerstandsfähiger machen, da die Korrelation von Bitcoin mit anderen Anlageklassen besonders gering ist. Allerdings muss man feststellen, dass diese Regel in der gerade abgeschlossenen Asset-Baisse nicht gegolten hat (die Edelman natürlich nicht diskutieren kann).
Der vierte Teil befasst sich mit „Regulierung und Compliance“ und ist weitgehend auf die USA zugeschnitten, der Praxisnutzen für Europa bleibt gering.
Im letzten Teil widerlegt Edelman aus seiner Sicht noch einmal die häufigsten Bedenken: Dass es sich um eine Modeerscheinung handelt, digitale Vermögenswerte nicht sicher vor Betrug und Diebstahl sind, es keine legitime Möglichkeit gibt, ihren Wert zu bestimmen, die Volatilität zu hoch ist, es zu spät zum Kaufen ist usw.

Der Krypto-Guide ist eine gut verständliche Einführung in Bitcoin, Blockchain, NFT etc. und es ist verständlich, dass der Autor die Vorteile dieser Entwicklungen hervorhebt und die Nachteile weniger wichtet. Dass er Kritikern allerdings polemisierend mit Begriffen wie „Neandertaler“, „Dickschädel“ oder „sogenannte Experten“ begegnet, entlarvt die Diskussion als insgesamt nicht ausgewogen. Wer keine Argumente hat, muss polemisch werden.
Ein paar Verbesserungen wären aus meiner Sicht sinnvoll: Neben der reinen Übersetzung hätte ich mir noch einen Serviceteil für Europa/Deutschland gewünscht, da der Markt und seine Regularien hier anders sind als in den USA. Außerdem werden viele Begriffe verwendet, die dem Einsteiger unbekannt und nicht im Glossar zu finden sind und es gibt auch kein Stichwortverzeichnis.

Das Buch hat mir Denkanstöße und Anregungen gegeben, wie man z. B. in Bitcoin investieren könnte, ohne direkt Bitcoin zu besitzen, allerdings ist mir die allgemeine Argumentationsschwäche Edelmans bei Krypto-kritischen Bedenken insgesamt negativ im Bewusstsein geblieben.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 04.04.2023
Besser allein als in schlechter Gesellschaft
Altaras, Adriana

Besser allein als in schlechter Gesellschaft


sehr gut

Adriana Altaras Tante wird bald 100. Seit Kurzem lebt sie in einem Altersheim am Gardasee, von Corona eingesperrt und nur noch über das Telefon mit der Welt verbunden. Immer noch träumt sie davon, nach Hause zurückzukehren, aber ihr dämmert, dass das wohl nicht mehr passieren wird. Ihre Lieblingsnichte Adriana hat derweil Liebeskummer, weil ihr Mann sie verlassen hat. Sie fühlt sich ebenfalls alt, nur auf andere Weise.

Adriana Altaras lässt das Leben ihrer Tante aus zwei Perspektiven Revue passieren. Im Wechsel schreibt die Tante als Ich-Erzählerin, dann wieder sie selbst und die Sichtweisen ergänzen sich zu einem Ganzen. In 100 Jahren ist viel passiert und die Tante hat einiges erlebt. Vor dem Krieg in Kroatien geboren, auf der Flucht vor den Partisanen nach Italien emigriert, dort sozialisiert und später auch verheiratet. Nicht den Mann, den sie liebte, sondern den, der sie versorgte. Ein großbürgerliches Leben, das im Widerspruch zur Einstellung ihrer Schwester stand, einer überzeugten Sozialistin, die in Titos Jugoslawien geblieben war, später nach Deutschland auswanderte und ihre Tochter Adriana ins Internat schickte, damit die Tante nicht zu viel Einfluss bekam. Ein Leben zwischen vielen Stühlen, aber insgesamt selbstbestimmt und selbstbewusst.

Ich habe schon einige Bücher von Adriana Altaras gelesen und sie waren bisher von einem versöhnlichen Grundton durchzogen. Als Jüdin in Deutschland hat sie sich immer schon mit ihrer tragischen Familiengeschichte auseinandergesetzt, sie schaffte es aber mit großer Leichtigkeit beide Positionen, Jüdin und Deutsche zu sein, miteinander zu verbinden, ohne dass es zu unüberbrückbaren inneren Konflikten kam. Die Tante ist anders gestrickt. Sie hat den Deutschen nicht verziehen, sie hat den jugoslawischen Partisanen nicht verziehen, sie hat überhaupt nie jemandem verziehen, mit dem sie in Konflikt stand. Sie hat ihren Mann, der sie abgöttisch liebte, ertragen und sich dafür Liebhaber genommen, sie hat Berlusconi bewundert und Nazis gehasst, sie führt sich im Altersheim auf wie ein verwöhntes Gör, ist mit allem dort unzufrieden, wenn es nicht ihrem Standard entspricht. Sie ist weltgewandt, hat nach dem Tod ihres Mannes jahrzehntelang auf Reisen verbracht, achtet auf erlesene Kleidung und Speisen und besitzt Bildung, andererseits ist sie kleingeistig und unversöhnlich. In den gedanklichen Monologen von Tante und Tochter erscheinen beide fast symbiotisch miteinander verbunden, Adriana kümmert sich auch aus der Entfernung rührend um die alte Dame, und der Tante Gedanken kreisen mindestens so oft um ihre Nichte, wie um ihr verrinnendes Leben. Sie hat stets Adrianas Wohl im Sinn, allerdings ist es das Wohl aus ihrer eigenen Sicht. Auch hier gibt es nur eine Wahrheit und das ist die ihre. Die Tante wurde mir zunehmend unsympathisch, selbst wenn ich Adriana Altaras liebevolle Sicht in Teilen nachvollziehen kann: Die Großzügigkeit der Kinderlosen gegenüber ihrer Nichte war nahezu grenzenlos und Adriana hat Dinge erleben dürfen, die auf ihr ganzes Leben nachwirken. In ihrer Selbstbestimmtheit taugt die Tante sicher als Vorbild, aber zum Glück hat Adriana Altaras noch andere Gene, denn die Absolutheit und Kompromisslosigkeit (abgesehen von der Vernunftehe) ihrer Tante teilt sie in keiner Weise. So ist das Buch neben einem biografischen Denkmal eben auch ein Dokument zweier Charaktere, die bei aller Verbundenheit sehr unterschiedlich sind.

Nicht Altaras bestes Buch, aber lesenswert.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.04.2023
Bruno Taut. Kunstgewerbe und Möbel für Japan

Bruno Taut. Kunstgewerbe und Möbel für Japan


ausgezeichnet

Im Gebrüder Mann Verlag sind in den letzten Jahren drei Bände mit den Tagebüchern von Bruno Taut erschienen, die nicht nur aus biografischer Sicht hochinteressant sind, sondern auch zahlreiche Referenzen auf geplante und umgesetzte kunstgewerbliche Projekte enthalten. In Japan genießt Taut als Architekt eine fast schon kultische Verehrung, denn er war es, der der Welt die japanische Architektur vermittelte, als eigenständige ästhetische Qualität, mit einer an Klima und verfügbare Materialien angepassten Funktionalität.
Gleichzeitig versuchte Bruno Taut die Prinzipien japanischer und europäischer Ästhetik im japanischen Industriedesign miteinander zu verbinden. Verschiedene Projekte mit Firmen und staatlichen Partnern wurden initiiert, aber letztlich wurde fast nichts von seinen Entwürfen in Serie hergestellt. Man muss konstatieren, dass Tauts Früchte erst lange nach seiner Abreise aus Japan geerntet wurden. Sein Einfluss war groß, aber sein persönlicher Erfolg zu seinen Lebzeiten äußerst gering.

Der vorliegende Band sammelt die erhaltenen Originalentwürfe, historische Fotos, aber auch aktuelle Abbildungen von Prototypen und Serienmodellen und setzt sie in einen biografischen Kontext. Dadurch, dass die meisten Entwürfe datiert sind, werden Entwicklungen und Korrekturen erkennbar und sie lassen sich auch direkt mit Korrespondenzen, Memos, Tagebucheinträgen oder Publikationen korrelieren. Der Herausgeber verweist im übrigen nicht auf die Einträge der Tagebücher, sondern zitiert alle relevanten Passagen, so dass der Band eigenständig lesbar bleibt.

Wie schon in den Tagebüchern wird Bruno Taut als ein hervorragend vernetzter, rühriger „Unternehmer“ erkennbar, der letztlich an den kulturellen Hürden in Japan scheitert. Auch wenn er Förderer wie Inoue Fusaichiro hatte (mit dem er in Tokyo einen gemeinsamen Laden führte), war die japanische Gesellschaft noch nicht reif. Und nicht nur die Gesellschaft: Die Innenräume waren für die Proportionen europäischer Möbel ungeeignet. Architektur und Möbelbau mussten sich parallel entwickeln. Taut kam 20 Jahre zu früh.

Die detektivische Sorgfalt, mit der Manfred Speidel die Originaldokumente aus Archiven in der ganzen Welt aufgespürt hat, ist bemerkenswert. Tauts Objekte blieben in den Tagebüchern oft theoretische Konstrukte, die zwar in einigen Fällen auch abgebildet, aber oft nur vage beschrieben waren. In der Zusammenschau mit dem von Manfred Speidel wissenschaftlich aufgearbeiteten Material lässt sich jetzt jede Entwicklung, jedes Projekt minutiös nachvollziehen. Es muss erwähnt sein, dass das nur für die kunstgewerblichen Objekte und Möbel gilt, das Architekturkonvolut harrt noch der Veröffentlichung.

Ein insbesondere zu den Tagebüchern komplementärer Band, der Tauts Biografie um viele weitere Facetten ergänzt.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 02.04.2023
Dem Buddha geweiht

Dem Buddha geweiht


ausgezeichnet

Als im Jahr 1981 die mingzeitliche, durch Vernachlässigung instabil gewordene Pagode des Famen Si in der Nähe von Xian wie senkrecht von einem Messer zerschnitten, zur Hälfte in sich zusammenbrach, war dies der Auslöser für eine der großen Entdeckungen der Archäologie in dieser Region. Bei der Untersuchung des Fundaments kam eine tangzeitliche Krypta ans Licht, die völlig unberührt, wenn auch in schlechtem Erhaltungszustand, umfangreiche kaiserliche Stiftungen enthielt. Ein auf eine Steintafel graviertes, ungewöhnlich ausführliches Inhaltsverzeichnis ließ keinen Zweifel an der kaiserlichen Provenienz. Da in China die Kompetenz zur Restaurierung derart komplexer Funde fehlte, wurde der Famen Si zum ersten großen Kooperationsprojekt zwischen dem RGZM und der Volksrepublik China. Eine Zusammenarbeit, die sich seitdem als sehr fruchtbar und vertrauensvoll erwiesen hat und mittlerweile auf Augenhöhe funktioniert. Das RGZM unterhielt über 20 Jahre ein eigenes Labor in Xian, in dem zunächst die Metallobjekte restauriert wurden, ab 2001 dann auch die überaus fragilen Seidentextilien. Letzteren widmet sich die vorliegende Monografie aus restauratorischer, textil- und kulturgeschichtlicher Sicht.

Anders als in den meisten Monografien mit mehreren Autoren bauen die Beiträge aufeinander auf, was Redundanzen weitgehend vermeidet und insgesamt zu einem sprachlich recht homogenen Text führt. Die einleitenden Kapitel beleuchten die Fundumstände, sowie die sehr sorgfältige Herangehensweise bei der Bergung und Konservierung der Funde (die Reliquienkammer wurde erst 1987 geöffnet). Technisch exzellente Originalaufnahmen, Grabungspläne und Zeichnungen ergänzen den Text, der nicht nur die Textilien, sondern alle bedeutenden Einzelfunde umfasst. Damit liefert die Monografie auch eine relativ aktuelle Übersicht über den ganzen Fundkomplex.
Die nachfolgenden Beiträge behandeln zunächst den Reliquienkult im tangzeitlichen Buddhismus im Licht chinesischer und außerchinesischer Quellen. Die sehr unterschiedliche Erhaltungsqualität der einzelnen Seidenstoffe erfordert differenzierte Herangehensweisen, die sich in mehreren Einzelbeiträgen widerspiegeln. Die auffaltbaren Textilen stellen die erste Gruppe dar. Sie sind weitgehend rekonstruierbar und liefern interessante Erkenntnisse zum Tragegebrauch, aber auch dem Ritus. Der zweite Teilkomplex sind Einschlagtücher und rituell hinterlegte Stoffballen, die deutlich schwerer zu konservieren waren. Anders als im wüstentrockenen Dunhuang gab es in der leicht abschüssigen Krypta des Famen Si Wassereinbrüche, die die Stoffe schwer in Mitleidenschaft gezogen haben. Vergleiche mit den bestens erhaltenen Beispielen z. B. aus Dunhuang lassen dennoch Rückschlüsse auf Herstellungstechniken zu. Die katalogartig aufgebaute Übersicht der Textilfragmente ist äußerst detailliert und umfasst auch die historische chinesische Funddokumentation aus den Neunzigerjahren. Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Ablageorte der textilen Opfergaben ist heute weitgehend möglich.

Der dritte große Themenkomplex dokumentiert die Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten, aus denen sich gleich im Anschluss die material- und textiltechnischen Untersuchungen ergeben. Die Schwierigkeiten waren enorm. Insbesondere die Seidenballen sind zu dichten Klumpen verbacken, die weder im trockenen noch im feuchten Zustand duktil und zerbrechlich wie Glasfäden sind. Am Beispiel der entfaltbaren Textilien werden Webtechniken, Färbeverfahren und die technische Verarbeitung von Gold- und Silberfäden untersucht. Eine Isotopenanalyse versucht, bislang allerdings vergeblich, die geografische Herkunft der verwendeten Stoffe zu ermitteln. Weitaus erfolgreicher waren die Untersuchungen zu den eingesetzten Färbemethoden, die mehrere Farbstoffe, sowie Gold- und Silbertinten nachweisen konnten.

Im Gegensatz zu den Metallobjekten, die im Museum des Famen Si heute mustergültig ausgestellt sind, können die Textilfunde nicht oder nur sehr eingeschränkt gezeigt werden. Neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn kommt der Monografie daher auch ein hohes Maß an dokumentarischem Wert zu und macht das Textilkonvolut des Famen Si breiten Kreisen verfügbar.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 25.03.2023
Die zweite Entdeckung der Welt
Schary, Bettina

Die zweite Entdeckung der Welt


weniger gut

Wenn das Titelbild in der Vorschau groß genug gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich schon einen Verdacht gehabt, dass Bettina Scharys Konzept wohl schiefgeht, so habe ich es erst gemerkt, als ich das Buch aufschlug. Ich kenne mich mit Alexander von Humboldt recht gut aus. Was man in den letzten 150 Jahren über ihn geschrieben hat, habe ich so ziemlich alles gelesen und ich finde es immer gut, wenn seine spannende Geschichte für ein jugendliches Publikum zugänglich wird. Auch ich habe Alexander in einem Jugendbuch für mich entdeckt und seitdem hat er mich nie mehr losgelassen.

Bettina Schary schickt den jungen Humboldt mit Smartphone, WLAN und Mail Account im Jahr 1799 auf seine Südamerikareise. Er mailt seine Audios nach Weimar, wo sein Bruder Wilhelm und ein gewisser Johann Wolfgang einen Podcast betreiben und nach seiner Rückkehr sitzt der jetzt berühmte Alexander zuerst mal bei Lanz auf dem Sofa, um seine Bücher zu verkaufen. Das soll sicher witzig sein, aber es wirkt auf mich nur peinlich, wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Humboldt erarbeitet, in einem völlig anachronistischen Verhältnis zum technologischen Stand stehen, auf dem er mit der Welt kommuniziert. Die Beschreibung seiner Reise ist auf der einen Seite unfassbar oberflächlich, erzählt auf dem Niveau eines Werbeclips für Konsumenten mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Eichhörnchens und sprachlich gerafft wie ein Lexikoneintrag, auf der anderen Seite gibt es jede Menge Querverweise auf Dinge, die Kinder weder wissen, noch verstehen. Es finden sich französische, spanische und englische Fremdworte, technische Fachbegriffe und wissenschaftliche Zusammenhänge (der Zeit um 1800, wohlgemerkt), oder es gibt eine alberne Referenzen auf „Per Anhalter durch die Galaxis“ und die Berliner Kennedy-Rede – all das ist für ein junges Publikum unverdaulich bis befremdlich. Mich hat es nur genervt. An welche Leser richtet sich das Buch überhaupt? Man muss sich der Jugend nicht krampfhaft mit technischem Schnickschnack anbiedern und Alexander wird auch nicht nur deshalb hip, weil er ein Smartphone bedient.

Humboldt hat viel mehr zu bieten als dieser alberne Klamauk ahnen lässt. Wäre das mein Einstieg in seine Welt gewesen, ich wäre niemals ein lebenslanger Fan geworden.

(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.