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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1365 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2022
Gran Paradiso
Landau, Grit

Gran Paradiso


ausgezeichnet

Was du nicht weitergibst, ist verloren. (Rabindranath)
1982 Italien. Die Turiner Radiojournalistin Gianna Perrin hat beruflich gerade ziemlich zu kämpfen und auch ihre Ehe ist zerbrochen. Deshalb folgt sie der Einladung der 82-jährigen Mafalda Amoretti, einer Cousine ihrer verstorbenen Mutter Maria Lanteri, sie in Sant’Amato an der Riviera zu besuchen, wo Gianna schon als Kind die Ferien verbracht hat. Gianna soll dort einen von ihrer Mutter hinterlassenen Koffer sichten, die im 2. Weltkrieg in der Resistenza als Partisanin gekämpft hat und deren Kriegstagebuch noch heute in italienischen Schulen als Lektüre auf dem Lehrplan steht. Maria wurde nicht nur als Nationalheldin verehrt, sie hat sich auch eine Karriere als erste Bürgermeisterin von Turin aufgebaut, doch das Verhältnis zu ihrer Tochter war immer schwierig. Als Gianna den Koffer in Augenschein nimmt, findet sie dort auch einige alte Tagebücher, die dem Inhalt nach dem Veröffentlichten völlig entgegenstehen. Je mehr Gianna sich in den Inhalt der mütterlichen Notizen vertieft, umso mehr kommt ihr Maria als Mensch näher…
Grit Landau hat mit „Gran Paradiso“ einen sehr fesselnden historischen Roman vorgelegt, der den Leser erneut in den kleinen Ort Sant‘Amato an der italienischen Riviera entführt, um dort gemeinsam mit Gianna in die berührende Vergangenheit von Maria Lanteri einzutauchen. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser an Giannas Seite gleiten und mit ihr nach Sant’Amato reisen. Die Handlung erstreckt sich abwechselnd über zwei Zeitebenen, wobei die Geschichte von Gianna im Jahr 1982 den Rahmen zur Geschichte von Maria bildet, die sich während des Jahres 1944 zugetragen hat. Während Gianna sich bei ihren Verwandten in Sant’Amato etwas Abstand von ihrem Turiner Leben verspricht und die Hinterlassenschaften ihrer Mutter in Augenschein nimmt, heftet sich der Leser an Marias Fersen, die sich dem italienischen Widerstand anschließt und als eine von wenigen Partisaninnen mit der Waffe gegen die Nazis kämpft. Die Autorin hat sehr akribisch recherchiert und den historischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung verknüpft. Die lebhaften Beschreibungen lassen den Leser alles hautnah miterleben, denn sie entfachen ein lebendiges Kopfkino und schicken ihn gleichzeitig mit einer emotionalen Geschichte durch eine Achterbahn der Gefühle, denn auch eine unbekannte Liebe kommt an die Oberfläche. Sehr gekonnt lässt Landau den Leser miterleben, wie Gianna ihre Mutter Maria von einer ganz neuen Seite kennenlernt, die sie bisher als unterkühlt und ihr gegenüber gleichgültig wahrgenommen.
Die Charaktere sind liebevoll und facettenreich ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Mit ihren menschlichen Ecken und Kanten können sie den Leser schnell in ihren Bann ziehen, der sich nur zu gern unter sie mischt, um hautnah dabei zu sein und mitzufiebern. Gianna ist eine Frau, deren Leben momentan nicht gerade rosig verläuft. Sie wirkt entmutigt und auch verunsichert, doch im Verlauf der Geschichte geht eine Veränderung in ihr vor, die sie kraftvoller und entschlossener auftreten lässt. Maria ist eine Kämpfernatur, offen, mutig und mit dem Herzen am rechten Fleck. Mafalda ist fröhlich, fürsorglich und warmherzig, aber auch John Stiller ist liebenswert und mit wunderbarem Humor gesegnet.
„Gran Paradiso“ ist ein wunderbarer Mix aus Familiengeschichte, Liebe, Geheimnissen, Schicksalen und damaligem Zeitgeschehen, der wunderbar gefühlvoll und fesselnd erzählt wird. Landau beweist erneut auf eindrucksvolle und tiefgründige Art, wie sehr sie den Leser mit ihren Geschichten in den Bann ziehen kann. Absolute Leseempfehlung für einen wunderbaren Roman!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2022
Das Leben in unseren Händen
Neiss, Eva

Das Leben in unseren Händen


ausgezeichnet

Mit jedem neugeborenen Kind geht eine kleine Sonne auf. (Irmgard Erath)
1939. Während das Nazi-Regime mit seiner schrecklichen Ideologie in Deutschland wütet, versucht die jüdische Familie Rosenbaum, das Land auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Doch sie erhalten nicht ausreichend Schiffspassagen für alle Familienmitglieder, so dass erst einmal die beiden Schwestern Hannah und Ada in Richtung Amerika aufbrechen, um dort bei ihrer Tante Judith unterzukommen. Aber schon ihre Anreise gerät zum Desaster, weil Judith es versäumt, die Schwestern in Empfang zu nehmen, so dass diese auf Ellis Island bleiben müssen und erst einmal nicht einreisen dürfen. Ada, die bisher ihre Schwangerschaft erfolgreich verheimlichen konnte, bringt ihr Kind 2 Monate zu früh zur Welt, und niemand gibt ihm eine Überlebenschance, auch Ada möchte am liebsten nichts mit ihrem eigenen Baby zu tun haben. Einzig Hannah, die ausgebildete Krankenschwester ist, wendet sich an ihre Zufallsbekanntschaft, den Geburtshelfer Martin Couney, der sich mit der Versorgung und dem Überleben von Frühchen einen Namen gemacht hat. Während Hannah darauf hofft, dass ihre Nichte überlebt, schaut sie Mr. Couney über die Schulter und erhält von ihm das Angebot, mit ihm zusammenzuarbeiten…
Eva Neiss hat mit „Das Leben in unseren Händen“ eine berührenden historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur eine Reise ins vergangene Jahrhundert antreten, sondern gleichzeitig auch außergewöhnliche Menschen und ihre Schicksale kennenlernen lässt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser in das Leben der Rosenbaum-Schwestern, denen als Jüdinnen in letzter Minute die Flucht aus Deutschland gelingt, während ihre Eltern und ihr Bruder zurückbleiben müssen. Die Ankunft in Amerika wird sowohl für Hannah als auch für Ada zur Herausforderung, denn die beiden sind nicht nur vom Charakter her gegensätzlich, sie haben auch völlig verschiedene Vorstellungen von ihrem Leben. Zudem werden auch in Amerika die jüdischen Neuankömmlinge misstrauisch unter die Lupe genommen und oftmals mit Ablehnung gestraft. Krankenschwester Hannah möchte sich den Traum von einem Medizinstudium erfüllen, während ihre Schwester Ada vor allem von einer vorteilhaften Ehe träumt, dabei wäre ein Kind nur im Wege. Deshalb ist sie ihrem eigenen Fleisch und Blut auch so gleichgültig gegenüber, denn es wäre ihr bei ihrem Vorhaben nur ein Klotz am Bein. Hannah dagegen kämpft um ihre kleine Nichte, die Begegnung mit Couney ist ein Glücksfall, denn dieser kümmert sich geradezu rührend um Frühchen und ihr Überleben. Die Beschreibung der Versorgung der Baby sowie Couneys Entwicklung des Inkubators sind von der Autorin sehr detailliert und interessant in die Handlung mit eingewebt. Neiss lässt Fiktion mit realen Fakten so geschickt ineinanderfließen, so dass der Leser bei der Lektüre sowohl eine Achterbahn der Gefühle durchlebt während ihm die Finger an den Seiten kleben und ein gelungenes Kopfkino verursachen.
Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt und können den Leser mit ihren glaubwürdigen Ecken und Kanten schnell überzeugen, der ihnen nur zu gern auf den Fersen folgt, um keinen Augenblick zu verpassen. Hannah ist eine mutige, fürsorgliche, hilfsbereite und starke Frau. Sie gibt nicht auf, verbeißt sich regelrecht und kämpft bis zur Erschöpfung. Ada dagegen wirkt oberflächlich und egoistisch, sie ist kein Sympathieträger. Doch ihr Schicksal offenbart sich erst gegen Ende der Geschichte, was den Leser den Eindruck überdenken lässt. Arzt Nathan ist empathisch, modern in seinen Ansichten und vor allem eine große Unterstützung. Aber auch Couney und Aaron tragen ihren Anteil zur Geschichte bei.
„Das Leben in unseren Händen“ unterhält mit historischem Hintergrund, zwei sehr unterschiedlichen Schwestern, Liebe, Schicksal, medizinischem Fortschritt sowie einem Einblick in die amerikanische Gesellschaft zur damaligen Zeit. Sehr fesselnde und bewegende Lektüre, die eine absolute Leseempfehlung

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2022
Vier Frauen am Meer
Lubenow, Svea

Vier Frauen am Meer


gut

Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken. (Ferdinand Magellan)
1925 Ahrenshoop, Ostsee. Die 26-jährige Handarbeitslehrerin Gitta Mahrenholz stammt aus wohlhabendem Haus. Gemeinsam mit ihrer Freundin Adelheid ist sie auf den Geschmack der Reformbewegung gekommen und besucht mit ihr deren Veranstaltungen, was sie vor ihren Eltern gekonnt verbirgt. Der Geschmack von Freiheit ist ihr wohlgehütetes Geheimnis und veranlasst sie auch dazu, ohne das Wissen und Einverständnis ihrer Eltern ganz allein zur Sommerfrische nach Ahrenshoop an die Ostsee zu reisen, wo es nicht nur vor Badegästen nur so wimmelt, sondern auch viele Künstler anzutreffen sind. Gitta möchte unbedingt auf eigenen Beinen stehen und mit ihrem geschickten Händchen Kleider in der neuen modernen Silhouette für Frauen erschaffen. Schon bald knüpft sie neue Kontakte und gründet schließlich mit drei Frauen das Regenbogenhaus, um dort ihre Ideen endlich in die Tat umsetzen zu können, was den einheimischen Bewohnern ein Dorn im Auge ist…
Svea Lubenow hat mit „Vier Frauen am Meer“ einen unterhaltsamen Roman vor historischer Kulisse vorgelegt, der den Leser zu einer Reise in die Vergangenheit an die Ostsee einlädt, um dort Gitta zu begleiten, die sich endlich vom gesellschaftlichen Korsett befreien und ein selbstbestimmtes Leben führen will. Der lockerflüssige und farbenfrohe Erzählstil lässt die wunderbare Ostseelandschaft mit seinen Bewohnern vor dem inneren Auge des Lesers Gestalt annehmen. Gemeinsam mit Gitta verlässt man das Dampfschiff in eine unbekannte und vor allem ungeplante Zukunft. Gitte ist in ihrer Naivität sehr mutig, denn sie verlässt ihr sicheres Zuhause, um ihre Unabhängigkeit zu erlangen und vor allem ihren Traum zu verwirklichen, denn sie möchte Kleider für die moderne Frau schneidern. In Ahrenshoop kann sie aufatmen und taucht gleichzeitig tief in die dort ansässige Künstlerkolonie ein, wo sie schnell in Franziska, Frida und Traudel Freundinnen und Gleichgesinnte findet, die den gesellschaftlichen Konventionen entflohen sind. Ihr gemeinsames Projekt, das Regenbogenhaus, soll ein offenes Haus sein, wo sich jede von ihnen selbst verwirklichen kann. Die Autorin fängt die damalige Stimmung sehr gut ein und versetzt den Leser mit ihren bildhaften Beschreibungen in den Urlaubsmodus. Die Handlung ist kurzweilig, bleibt aber leider recht oberflächlich, so dass man den Roman eher als leichte Kost bezeichnen kann.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet, überzeugen mit glaubwürdigen Ecken und Kanten. Der Leser nimmt an ihren Erlebnissen teil, ist aber über den gesamten Verlauf eher stiller Beobachter, als Teil des Ganzen. Gitta wirkt trotz ihres Alters oftmals recht naiv, aber sie besitzt genügend Mut, Dinge zu wagen. Sie ist freundlich und findet schnell Anschluss. Ungewöhnlich ist, dass sie mit 26 Jahren zur damaligen Zeit noch nicht verheiratet war. Franziska ist eher offensiv und zupackend. Aber auch Adelheid, Traudel, Frida und Sören bringen Abwechslung in die Geschichte.
„Vier Frauen am Meer“ ist ein Roman vor historischem Hintergrund, der kurzweilig zu unterhalten weiß, ohne den Anspruch zu erheben, besonders tiefgründig zu sein. Leichte Lektüre für zwischendurch. Eingeschränkte Empfehlung!

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.05.2022
Unwert - Der Weg des Kirschmädchens
Alinaghi, Yasmin

Unwert - Der Weg des Kirschmädchens


ausgezeichnet

Wer kann über den Wert eines Menschenlebens bestimmen?
1935 Rheingau. Auf dem Bauernhof ihres Onkel Alwin im hessischen Dorf Gudenshain wächst die 13-jährigen Käthe Klepper auf, deren Mutter bereits tot ist und der Vater in einer Heilanstalt aufgrund seiner Alkoholsucht. Unter dem Vater ihrer Tante Elsa muss sie hart schuften, seit ihr Onkel einberufen wurde. Als der Erntehelfer Zores immer wieder auf dem Hof aushilft, nutzt er gleichzeitig die Gelegenheit, sich immer wieder an Käthe zu vergreifen. Die arme Käthe wird zum Spielball für den Vater ihrer Schwägerin, der unbedingt den Hof an sich bringen will, und gerät über einen fanatischen Amtsarzt ins Visier der Nazis mit ihren dubiosen Ideologien, die sie in einem Gerichtsprozess sogar zur Zwangssterilisation verurteilen…
Yasmin Alinaghi hat mit „Unwert-Der Weg des Kirschmädchens“ einen sehr eindrucksvollen und berührenden Roman vorgelegt, der auf wahren Begebenheiten beruht und den Leser nicht nur vor Augen hält, was für unsägliche Gräuel während des Nazi-Regimes möglich waren, sondern mit Käthe auch ein stellvertretendes Schicksal darstellt, welches viele Frauen zur damaligen Zeit ereilte. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser direkt ins vergangene Jahrhundert in Deutschlands düsterste Epoche. Dort trifft er für die Zeit von 1935 bis 1936 auf die junge Käthe, die zwar noch ein Kind ist, aber schuften muss wie eine Erwachsene, die Schule nur kurz besucht hat und dann noch den Widerlichkeiten eines Knechts ausgesetzt ist, deren sie sich nicht erwehren kann. Sie steht bei diesem Unrecht ganz allein da, hat niemanden der sich um sie kümmert und sie unterstützt, sondern wird anstatt des schuldigen Knechts sogar vor ein Gericht gestellt, dabei ist sie die Geschändete. Während die fanatischen Nazi-Anhänger an ihr ein Exempel statuieren wollen, gibt es auch Menschen mit Herz und Verstand, die Käthe vor der ihr zugedachten Strafe bewahren wollen. Die Autorin hat gründlich recherchiert und lässt mit ihren Schilderungen über die Rassengesetze oder die Experimente des grausamen Dr. Trabert dem Leser die Gänsehaut über den Rücken laufen und das Blut in den Adern gefrieren. Sehr gelungen ist auch der Mix aus eingefügten Briefen, Auszügen aus Patientenakten und diversen Texten, die die Geschichte noch mehr untermauern. Bei all den schrecklich-detailliert beschriebenen Grausamkeiten ist es der Autorin gelungen, sowohl den Leser an die Seiten zu fesseln als auch die menschlichen Facetten stark herauszustellen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen. Sie können mit glaubwürdigen menschlichen Zügen überzeugen und den Leser mit in die Geschichte hineinziehen. Käthe ist ein liebenswertes, fleißiges Mädchen, das aufgrund mangelnder Schulbildung etwas einfältig wirkt. Ihr Schicksal geht ans Herz und man möchte sie einfach beschützen. Dr. Karges ist ein Mann, der zwischen den Stühlen sitzt. Einerseits arbeitet er für die braune Brut, andererseits besitzt er Menschlichkeit und ein Gewissen. Dr. Trabert ist der Teufel in Person, während die Zwillinge mit ihren Einlagen immer mal wieder die Stimmung der Geschichte auflockerten.
Mit „Unwert-Der Weg des Kirschmädchens“ ist der Autorin ein packender Roman gelungen, der den Leser mit einer perfekten Mischung aus Realität und Fiktion durch eine wahre Achterbahn der Gefühle jagt. Sowohl menschliche Abgründe als auch Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft werden hier sehr deutlich hervorgehoben und appellieren an das Gewissen des Lesers. Absolute Leseempfehlung für eine tiefgründige und ergreifende Geschichte!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.05.2022
Ich bin ja heut so glücklich
Roth, Charlotte

Ich bin ja heut so glücklich


sehr gut

Glücklich, wer sich am Rande des Abgrunds erkennt und den Sturz vermeidet! (Jean-Jacques Rousseau)
Journalistentochter Renate Müller wächst wohlbehütet mit ihrer kleinen Schwester Gabi in Emmering bei München auf. Sie liebt es, zu singen und zu tanzen und will unbedingt Schauspielerin werden. 1924 kommt Renate als 18-jährige nach Berlin, wo sie schon bald erste Erfolge beim Theater verbuchen kann. Später bei der UFA gelingt ihr dann der Durchbruch als Filmschauspielerin. Während Renate die Karriereleiter immer weiter heraufsteigt, ändert sich die politische Lage in Deutschland dramatisch, denn die Nazis halten immer mehr Zügel in der Hand und reglementieren alles im Land nach ihren Vorstellungen. Nachbarsjunge und Jugendfreund Werner Lohse war schon immer überzeugt davon, dass Renate mal seine Frau wird. Und während Renate immer erwachsener und bekannter wird, verfolgt Werner sie geradezu und wird auch noch als Chauffeur von Goebbels ein Handlanger der Nazis. Renate will mit dem Regime nichts zu schaffen haben, vor allem deshalb nicht, weil ihr Liebster, der Bankierssohn Georg Deutsch, Jude ist und diese Liebe nur im Geheimen gelebt werden darf. Doch leider ist ihnen nicht viel Glück beschieden, denn Werner Lohse treibt sie ins Visier von Goebbels und der SS…
Charlotte Roth hat mit „Ich bin ja heut so glücklich“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, in dem nicht nur Fiktion und wahre Tatsachen auf wunderbare Weise verschmelzen, sondern dem Leser auch erlauben, eine in Vergessenheit geratene Künstlerin der 30er Jahre kennenzulernen. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil gewährt dem Leser Eintritt in Renates Welt, um dort ihre Familie, ihr Umfeld und ihre schauspielerischen Ambitionen hautnah mitzuerleben. Die Diskrepanz einer warmherzigen, liebevollen Familie zu dem aufdringlichen Werner Lohse ist groß. Während ihr Vater Renate suggeriert, das für sie alles möglich ist im Leben, versucht Werner schon in jungen Jahren Renate einzuschränken, sie zu bevormunden, sich ihr regelrecht aufzudrängen und sie zu verfolgen. Renate ist ein Freigeist, der sich seine Träume mit Fleiß erarbeitet hat und mit einem Quäntchen Glück die Karriere machte, die sie schon immer wollte. Doch schon bald weht in Deutschland mit den Nazis ein anderer Wind, der das Leben der Menschen reglementiert und ihre Freiheit immer mehr einschränkt. Die Autorin hat den politischen Hintergrund wunderbar mit ihrer Handlung verwebt und auf diese Weise die unterschiedlichen Stimmungen sehr gut eingefangen. Renate, die Werners Verfolgungswahn ausgesetzt ist und sich in einen Juden verliebt, lebt wie ein Vogel auf dem Drahtseil. Ihre Weigerung, in nazipropagandistischen Filmen mitzuwirken, brachte ihr die Überwachung durch die Gestapo ein und ließ sie ständig in Gefahr schweben. Viel zu früh verstirbt Renate auf tragische Weise im Alter von 31 Jahren.
Die Charaktere sind facettenreich gestaltet und lebendig in Szene gesetzt. Sie nehmen den Leser in ihre Mitte und lassen ihn ganz nahe an sich heran, was ein Hoffen, Bangen und Mitfiebern erlaubt. Renate hat schon in jungen Jahren ihr Ziel vor Augen und arbeitet akribisch daran, ihren Traum von der Schauspielerei zu erreichen. Sie ist liebenswert, manchmal umtriebig, freundlich und mit Prinzipien, doch innerlich wirkt sie immer zerrissener aufgrund des politischen Drucks. Ihre Freundin Sybille Schmitz ist exzentrisch, aber für Renate ein Fels in der Brandung, die sie immer wieder auffängt. Renates Eltern sind weltoffen, liebevoll und fürsorglich, sie lassen ihren Kindern ihre Freiheiten und unterstützen sie in allen Lebenslagen. Werner Lohse ist ein Mann, der für seine Unzulänglichkeiten die Verantwortung immer bei anderen sucht. Er ist ein unsteter Charakter, der sich nur zu gern dem Nazi-Regime unterwirft.
„ich bin ja heut so glücklich“ ist eine sehr unterhaltsame historische Romanbiografie, die nicht nur das Leben einer außergewöhnlichen Frau herausstellt, sondern auch den damaligen Zeitgeis

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.05.2022
Abschied von der Heimat / Böhmen-Saga Bd.1
Sonnberger, Gabriele

Abschied von der Heimat / Böhmen-Saga Bd.1


gut

Abschied bedeutet immer ein wenig sterben. (Franz. Sprichwort)
1929. Aufgrund der Reparationszahlungen an Frankreich leiden die Menschen im Rheinland seit langem unter großem Hunger. Weil sie alle ihre Kinder nicht mehr richtig ernähren können, entschließt sich Mutter Olga schweren Herzens, die 5-jährige Erika für einige Zeit in Böhmen bei ihrer Schwester Mimi unterzubringen, um sie gut versorgt zu wissen. Tante Mimi ist sehr streng und nicht gerade warmherzig, weshalb Erika von großem Heimweh geplagt wird und sich nur sehr schwer einleben kann. Doch mit der Zeit findet sie in Emmi und Oli gute Freundinnen und kommt gut zurecht. Obwohl Erikas Aufenthalt als kurzfristige Lösung gedacht war, bleibt sie viele Jahre in Böhmen und verliebt sich sogar in den Marineoffizier Heinz. Als 1945 der Krieg verloren ist, werden die Deutschen aus Böhmen ausgewiesen, auch Erika und ihre Tante müssen diesem Aufruf folgen…
Gabriele Sonnberger hat mit „Abschied von der Heimat“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der auf wahren Begebenheiten ihrer eigenen Familie basiert und den Leser fesselnd in die düsterste Zeit deutscher Geschichte zurückversetzt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil stellt den Leser an Erikas Seite, wo er sie in der Zeit von 1929 bis 1945 begleiten darf. Schon die Entscheidung der Familie, eines ihrer Kinder wegzuschicken, geht einem ans Herz, denn die damalige Situation im Rheinland war für die Menschen unerträglich, die sich und ihre Familien kaum noch über die Runden bringen konnten. Für Erika als 5-Jährige war die Lage ebenfalls furchtbar, denn sie wurde aus ihrem liebvollen Umfeld gerissen findet sich bei einer herrischen, strengen Frau wieder, die wenig Wärme ausstrahlte und sie mit Vorschriften über Jahre malträtierte. Doch Erika hat sich trotzdem gut in die Umstände gefügt und sogar Freunde gefunden, mit denen sie durch dick und dünn ging. Die Erziehungsmethoden ihrer Tante mögen oftmals hart und fragwürdig erscheinen, formten jedoch Erikas Charakter und machten sie zu einer sehr selbstbewussten und eigenständigen Persönlichkeit. Die Autorin hat ihre Handlung mit dem geschichtlichen Hintergrund gut verwoben, so dass der Leser die Ausbreitung des Nazi-Regimes mit den Auswirkungen auf die Bevölkerung hautnah miterlebt, während er Erika beim Heranwachsen zusieht. Etwas verwirrend ist der Widerspruch, denn Erika verliebt sich einerseits in den Marineoffizier Heinz, der sich für die Nazis engagiert und plappert ihm nach dem Mund, auf der anderen Seite lernt sie durch den Tschechen Jakub die wahren Ambitionen der Nazis kennen und engagiert sich für den Widerstand. Das passt nicht so ganz zusammen und schmälert auch die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Auch werden nicht alle Fäden zusammengeführt und sollen den Leser animieren, auch die weiteren Bände zu lesen.
Die Charaktere sind gut ausgestaltet und in Szene gesetzt, mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften binden sie den Leser an sich, der ihnen gerne folgt. Erika ist erst ein eingeschüchtertes Kind, doch mausert sie sich zu einer fröhlichen, selbstbewussten, kämpferischen und kritischen jungen Frau mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Tante Mimi ist eine verbitterte, herrische und unnahbare Frau mit recht egoistischen Zügen, die innerlich mit sich selbst hadert. Aber auch Oli, Emmi, Heinz und vor allem Coelestin haben tragende Rollen in dieser Geschichte.
„Abschied von der Heimat“ ist der Auftaktband einer historischen Trilogie basierend auf wahren Begebenheiten aus der Familie der Autorin, der mit einem Mix aus Familiengeschichte, Freundschaft, Intrigen und Liebe zu unterhalten weiß. Aufgrund einiger Widersprüche und offenen Fragestellungen gibt es hierfür eine eingeschränkte Leseempfehlung!

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.05.2022
Das verschlossene Zimmer
Givney, Rachel

Das verschlossene Zimmer


gut

Leider nur Mittelmaß
1939 Krakau. Als Marie Karska zwei Jahre alt war, ist die Mutter spurlos verschwunden. Nun im Alter von 17 Jahren will Marie unbedingt mehr über sie herausfinden, vor allem den Grund ihres Verschwindens. Ihr Vater, der Chirurg Dominik Karska, gibt ihr weder Antworten auf ihre Fragen noch nennt er ihr den Namen ihrer Mutter. Lieber möchte er seine Tochter in diesen unruhigen Zeiten baldmöglichst aus Sicherheitsgründen verheiraten. Das will Marie auf keinen Fall, denn sie möchte lieber Medizin studieren und mit ihrer Jugendliebe, dem Juden Ben Rosen, zusammen sein. Obwohl sie ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Vater hat, öffnet Marie eines Tages mit Hilfe einer Haarnadel dessen verschlossenes Schlafzimmer, um dort endlich die gewünschten Informationen über ihre Mutter zu finden…
Rachel Givney hat mit „Das verschlossene Zimmer“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser zum einen in das düstere Kapitel deutscher Geschichte zurückreisen lässt, zum anderen die distanzierte Beziehung zwischen Rachel und ihrem Vater zeichnet und ein altes Familiengeheimnis ans Tageslicht bringt. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt die alte Zeit wieder lebendig werden und vor dem Auge des Lesers entstehen. Der Einmarsch der Nazis in Polen steht kurz bevor, die Bevölkerung ist bereits in Alarmbereitschaft, spaltet sich in unterschiedliche Lager. Währenddessen will Maries Vater Dominik seine Tochter in Sicherheit wiegen. Als Arzt ist er hingebungsvoll und engagiert, doch ansonsten lebt er recht zurückgezogen. Auch die Beziehung zu seiner Tochter Marie wirkt eher kühl und distanziert, die beiden haben sich kaum etwas zu sagen. Interessanterweise ist Dominik Maries Vorbild, auch sie will Ärztin werden und der Einbruch in sein Schlafzimmer kommt für sie einem Vertrauensbruch ihm gegenüber gleich, obwohl er ihr jahrelang alles über ihre Mutter verschwiegen hat. Mit Maries Wunsch, Medizin zu studieren, zeigt die Autorin die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten auf, denn Frauen wurde damals ein Studium weder zugetraut, noch waren sie an den Universitäten zugelassen oder erwünscht. Sollte es doch eine die Aufnahmeprüfung schaffen, wurde sie danach von ihren männlichen Kollegen regelrecht tyrannisiert. Interessant ist auch Maries Hartnäckigkeit, mit Ben einen Juden zu ehelichen, obwohl sie weiß, was das für sie zu jener Zeit bedeutet, zumal die Autorin diese Epoche mehr als bildhaft und grausam detailliert beschreibt. Schön eingeflochten sind die Riten und Gebräuche des Judentums, wobei diese ruhig ausführlicher hätten sein können. Der Spannungslevel ist allein durch den geschichtlichen Hintergrund ein ständiges Auf und Ab mit einigen Längen.
Die Charaktere sind gut ausgestaltet und in Szene gesetzt, der Leser folgt ihnen gern, obwohl zu ihnen leider von Beginn an eine Distanz herrscht, die sich auch im Verlauf des Buches nicht auflöst. Marie ist eine naive, neugierige junge Frau, die sich keinerlei Gedanken darüber macht, was andere von ihr denken. Gleichzeitig wirkt sie mit ihren unbedachten Handlungen trotz ihrer Intelligenz manchmal ignorant oder auch strohdumm, wenn man den politischen Hintergrund bedenkt. Vater Dominik ist ein Mann, der zwar präsent ist, sich aber von der Außenwelt abschottet. Zudem hat er gegenüber den äußeren Umständen eine neutrale Haltung, die man schon fast rückratslos nennen könnte. Ben bleibt leider völlig farblos, während andere Protagonisten mit Menschlichkeit und Wärme punkten können.
„Das verschlossene Zimmer“ ist ein durchaus unterhaltsamer Roman vor historischem Hintergrund, der neben einem alten Geheimnis auch eine Liebesgeschichte beinhaltet. Leider wachsen einem die Charaktere nicht ans Herz, so dass der Roman nur eine eingeschränkte Leseempfehlung verdient.

22 von 33 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.04.2022
Der Engel von Warschau / Bedeutende Frauen, die die Welt verändern Bd.5
Kampe, Lea

Der Engel von Warschau / Bedeutende Frauen, die die Welt verändern Bd.5


sehr gut

Alle Engel Gottes kommen verkleidet zu uns. (James Russell Lowell)
1940 Warschau. Während die Nazis in der Stadt ein Ghetto errichten, um dort alle von ihnen verhassten Juden und Menschen anderer Gesinnung wegzusperren, lässt die 29-jährige katholische Sozialarbeiterin Irena Sendler nichts unversucht, um mithilfe ihres hart erarbeiteten Netzwerkes gerade diesen ausgestoßenen Menschen jedwede Hilfe zukommen zu lassen. So geht sie als Polin mit Judenstern im Ghetto ein und aus und versucht unter Lebensgefahr mit Unterstützung ihrer Freunde und Kollegen, die jüdischen Familien zu überzeugen, ihre Kinder zu retten. Mit deren Erlaubnis schmuggelte sie die Kinder aus dem Ghetto heraus, wo sie mit neuen Identitäten ausgestattet und bei nicht-jüdischen polnischen Familien untergebracht wurden. Während Irena mit ihren Unterstützern tausende von Kindern die Hoffnung auf Leben verschafft, führt sie heimlich eine Liste mit den Real- und neuen Namen, damit diese den Kindern hilft, später eventuell ihre Familien wiederzufinden, sollten diese das Grauen der Nazis überleben. Bei all ihren Rettungsaktionen schwebt nicht nur die Gefahr vor Entdeckung in Irenas Kopf, sondern auch die Angst um ihren Liebsten Adam, der Jude ist und selbst im Ghetto lebt. Drei Jahre kann Irena ihre Rettungsaktion durchführen, bis sie 1943 von der Gestapo geschnappt wird und ihr das Todesurteil droht. Nur dank ihres Netzwerkes kommt sie frei und muss untertauchen…
Lea Kampe hat mit „Der Engel von Warschau“ einen sehr eindringlichen und berührenden autobiografischen Roman über eine mutige Frau vorgelegt, die in der dunkelsten Zeit des vergangenen Jahrhunderts viele Menschenleben vor dem sicheren Tod gerettet hat wie der allseits bekannte Oskar Schindler. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser mit in die ärmliche Welt des Warschauer Ghettos während der furchtbaren Naziregentschaft, wo er an der Seite von Irena nicht nur das schreckliche Elend der dort eingepferchten Menschen miterlebt, sondern hautnah dabei ist, wenn Irena ein Kind nach dem anderen aus dem Ghetto schmuggelt. Die Überzeugungsarbeit gegenüber den Eltern, ihre Kinder in Sicherheit bringen zu lassen, ringt einem Respekt ab, gleichzeitig spürt man den unbändigen Schmerz ihres Verlustes. Auch der ständige Nervenkitzel, wenn Irena wieder einmal ein Kind aus dem Ghetto bringt, lässt den Leser durch ein Wechselbad der Gefühle rasen, während er gleichzeitig die ständige Gefahr vor Entdeckung im Nacken spürt und um die Grausamkeit der Nazis weiß. Mit vielen helfenden Händen hat Irena ca. 2500 Kinder gerettet, deren reale Namen sie in Listen neben ihren neuen Identitäten notiert hat, so dass die Möglichkeit bestand, dass die Kinder eventuell ihre leiblichen Eltern nach dem Krieg wiederfanden, so sie noch am Leben waren. Dafür Irena hat viele Opfer gebracht und sich von ihrer eigenen Familie ferngehalten, um diese nicht in Gefahr zu bringen. Die Autorin lässt ihre biografisch belegte Hauptprotagonistin Irena Sendler, die 2008 starb, lebendig werden, um deren mutiges und selbstloses Handeln dem Leser zu vermitteln. Sie und ihre Mithelfer sind Helden in einer düsteren Zeit, denn sie nahmen große Gefahren in Kauf, um das Leben von Tausenden zu retten.
Die Charaktere sind mit Leben gefüllt, besitzen authentische menschliche Züge, mit denen sie dem Leser schnell ans Herz wachsen. Irena ist eine starke und mutige Frau, die empathisch und selbstlos den Ärmsten der Armen hilft. Sie starb 2008 im Alter von 98 Jahren in Warschau und war 10 Jahre mit ihrem Adam verheiratet, der selbst im Ghetto gelebt hat. Ebenso wichtig für diesen Roman sind all die Protagonisten, die Irena bei ihrer gefährlichen Mission unterstützt haben.
„Der Engel von Warschau“ ist eine Hommage an Irena Sendler, die sich durch Mut und Menschlichkeit auszeichnete und viele jüdische Kinder vor den Gräueltaten der Nazis schützte. Verdiente Leseempfehlung für ein Zeitzeugnis!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.04.2022
Liebe, schmetterlingsbunt
Juli, Hannah

Liebe, schmetterlingsbunt


sehr gut

Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken. (Novalis)
Seit Ellas Vater Thomas die Familie verlassen hat, lebte sie allein mit ihrer Mutter in Berlin. Inzwischen erwachsen hat sie sich eine berufliche Karriere als Webdesignerin in einer Werbeagentur aufgebaut. Eines Tages findet Ella ein Päckchen in ihrer Post, dessen Inhalt sie völlig aus dem Konzept bringt, denn darin befinden sich alte Briefe ihres Vaters an sie, die sie nie bekommen hat. Außerdem lädt der Verwalter ihres Vaters sie ein, nach England zu kommen, da ihr Vater sterbenskrank sei und sie so gern noch einmal sehen möchte. Obwohl ihre Gefühle ein einziges Chaos sind, überlegt Ella nicht lange und macht sich, sehr zum Ärger ihrer Mutter, auf den Weg von Berlin ins ländlich gelegene Green Ghyll Cottage in England, wo sie erst den charmanten Naturburschen Jacob kennenlernt und dann vom Verwalter Edward und dessen Mutter Agathe erwartet wird. Während ihr Vater noch auf der Intensivstation im Koma liegt, kommen in Ella alte Erinnerungen hoch, die sie lange verdrängt hat. Als Thomas erwacht, nähern sich Vater und Tochter immer mehr an, bis er bereit ist, Ella den Grund für sein damaliges Verschwinden zu nennen…
Hannah Juli hat mit „Liebe, schmetterlingsbunt“ einen sehr berührenden Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur mit einer schönen Liebesgeschichte unterhält, sondern vor allem das Verhältnis zwischen Vater und Tochter nach so langer Zeit der Trennung sensibel aufarbeitet und dabei ein gut gehütetes Geheimnis preisgibt. Der flüssige, farbenfrohe und einfühlsame Erzählstil lässt den Leser hautnah an Ella heran und mit ihr gemeinsam nach England reisen, wo er Zeuge bei der langsamen Annäherung zwischen Ella und ihrem Vater wird, aber auch die schöne Landschaft genießen sowie den künstlerisch begabten Jacob und sein Geheimnis kennenlernen darf. Ellas Vater Thomas hütet ebenfalls seit Jahren etwas, das sich dem Leser nach und nach offenbart. Dass Ella sich immer mehr in Green Ghyll heimisch fühlt, liegt nicht nur an den offenen und freundlichen Einwohnern, vor allem Edward und seine Mutter Agathe haben mit ihrer empathischen Art großen Anteil daran. Das Verhalten ihrer Mutter, mit der Ella immer wieder das Gespräch sucht, ist dagegen unmöglich, denn sie blockt immer wieder ab und äußert sich abfällig und verletzend über ihren Ex-Mann. Wunderbar dagegen sind die Einflechtungen der Autorin über Schmetterlinge, die ihre Geschichte bereichern und als Sinnbild für die Liebe stehen. Auch das langsame und für alle Beteiligten schmerzhafte Abschiednehmen von Thomas wird sehr einfühlsam und liebevoll abgehandelt, wobei hoffnungsvolle und freudige Situationen dies leichter erleben lassen.
Die Charaktere sind sehr lebendig und realistisch ausgestaltet, so dass sie auf den Leser nicht nur glaubwürdig wirken, sondern sich dieser auch sofort als Teil der ihren betrachtet. Ella ist eine tatkräftige, offene Frau, die die Dinge in die Hand nimmt. Sie hält sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf, sondern steuert direkt auf alles zu. Edward ist ein zurückhaltender, pragmatischer Mann, während Agathe mit ihrer liebevollen, fürsorglichen Art Optimismus verbreitet. Jacob ist ein Eigenbrötler und Naturbursche, der nicht nur künstlerisch talentiert ist, sondern auch hilfsbereit und einfühlsam. Aber die Geschichte lebt auch von weiteren Protagnisten, die sich nahtlos in das Gefüge einpassen.
„Liebe, schmetterlingsbunt“ ist so farbenfroh wie ein Schmetterlingsflügel, so vielschichtig wie die Menschen in ihren Eigenheiten nun mal sind, so traurig, gefühlvoll und herzzerreißend wie eine Tragödie, die sich am Ende doch noch in Happy End wandelt. Verdiente Leseempfehlung für eine emotionale Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Seite fesselt!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.04.2022
Die Ladys von Somerset - Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich
Marsh, Julie

Die Ladys von Somerset - Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich


sehr gut

Der Widerspenstigen Zähmung
1807 London. Die junge Emma Smart lebt als Mündel bei Ihrem Onkel und hat eine Vorliebe fürs Theater. Als ihr Onkel seine Schulden bei der Bank nicht bedienen kann und dafür ins Gefängnis muss, steht sie von einem Moment auf den anderen nur mit einer Tasche auf der Straße und muss sich selbst durchschlagen. Ihr erster Gang führt sie ins Theater in der Drury Lane, um dem dortigen Direktor ihr eigenes geschriebenes Stück anzudienen. Doch damit bleibt sie erfolglos, dafür kreuzen sich ihre Wege mit dem attraktiven Herzensbrecher Ambrose Beauchamp, der ihr sofort ein Dorn im Auge ist. Mit viel Glück ergattert Emma eine Anstellung bei Lady Darlington als Gesellschafterin für deren Tochter Anthea, die mit dem reichen Nachbarn Mr. Livingston verheiratet werden soll, um das Auskommen der Familie zu sichern. Leider wird Emmas Engagement immer wieder von Ambrose torpediert, der als Gast bei den Darlingtons weilt und ebenfalls Ambitionen hat, Anthea den Hof zu machen. Die Aufführung ihres Theaterstückes auf einem Sommerfest soll der Zuneigung zwischen Anthea und Mr. Livingston einen Schub geben, doch dann entwickelt sich alles in eine völlig andere Richtung…
Julie Marsh hat mit „Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich“ den ersten Band ihrer historischen Somerset-Ladys-Reihe vorgelegt, der den Leser ins Regency-Zeitalter zurückversetzt, um ihn dort mit viel Romantik und einigen Verwicklungen gut zu unterhalten. Der eingängige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil stellt den Leser schnell an Emmas Seite, wo er ihr bei all ihren Unternehmungen über die Schulter sieht, während ihm ihre Gedanken- und Gefühlswelt wie ein offenes Buch präsentiert werden. Emma steht von jetzt auf gleich vor der Situation, auf eigenen Beinen zu stehen. Zu gern würde sie als Autorin für Theaterstücke ihren Unterhalt verdienen, doch die Rolle der Frau war damals anderen Dingen zugedacht. So versucht sie sich als Gesellschafterin für eine junge Frau, die keinerlei Interesse an dem Mann hat, den sie nach dem Wunsch ihrer Mutter heiraten soll. So endet dieser Kuppelversuch auch in einem Desaster, so dass Emma sich schon bald wieder auf der Straße wiederfindet, aber nicht ohne vorher ihr eigenes Theaterstück auf einer Laienbühne aufgeführt und ein Zweckeheversprechen gegeben zu haben. Emma lässt sich allerdings nicht unterkriegen und landet wieder im Theater in der Drury Lane, um dort nicht nur zu arbeiten, sondern auch anderen liebgewonnenen Menschen unter die Arme zu greifen und auch ein neues Stück zu schreiben. Die Autorin webt das Theaterleben sowie den Klatsch und Tratsch wunderbar in ihre Handlung mit ein, der zu allerlei Missverständnissen und Verwicklungen führt und dabei für humorvolle Unterhaltung sorgt. Die Geschichte erinnert ein wenig an „Der Widerspenstigen Zähmung“ und hält den Leser in Atem.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt und wissen mit ihren menschlichen Eigenschaften den Leser schnell zu überzeugen. Emma ist eine mutige junge Frau, die sich ihrem Schicksal nicht unterordnet, sondern ihr Leben in die Hand nimmt, um ihre Träume trotz aller Widerstände zu verwirklichen. Die Liebe überrascht sie und lässt sie doch nicht ihre Ziele aus den Augen verlieren. Anthea ist eine liebenswürdige Frau, die ihrem Herzen folgt. Ambrose wirkt wie ein Gockel, der jedem Rock hinterher läuft. Erst spät entwickelt er einen gewissen Ernst. Warwick hat ein Händchen für Nadel und Faden, während Lady Darlington selbstverliebt ist und nur Augen für ihren Hund hat. Francis, Mr. Livingston und vor allem die alte Lady tragen ebenfalls einiges zum Unterhaltungswert dieser Geschichte bei.
„Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich“ ist eine romantische Verwicklungskomödie, die den Leser nicht nur auf Zeitreise schickt, sondern in regelrecht in die Handlung hineinsaugt, wo er sich als unsichtbarer Statist wiederfindet. Verdiente Leseempfehlung für einen unterhaltsamen Schmöker! Gern mehr davon!!!

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