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Bücherfreundin

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Insgesamt 265 Bewertungen
Bewertung vom 16.11.2022
Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1
Sten, Viveca

Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1


sehr gut

Spannender Auftakt einer neuen Krimiserie um Hanna Ahlander
Die schwedische Autorin Viveca Sten hat "Kalt und still", den ersten Band einer neuen Krimiserie um Hanna Ahlander, veröffentlicht. Ich hatte bisher noch nichts von der Autorin gelesen, aber das schöne Cover und der Klappentext begeisterten mich sofort. 

Im Mittelpunkt der Geschichte, die vor eisiger Kulisse spielt, steht die 34jährige Hanna Ahlander. Kurz vor Weihnachten gleicht ihr Leben nur noch einem Scherbenhaufen. Zuerst bedrängt ihr Vorgesetzter sie, ihren Dienst bei der Citypolizei in Stockholm zu quittieren, und dann wird sie auch noch von ihrem Freund Christian verlassen, der sie auffordert, innerhalb einer Woche die Wohnung zu räumen. Dankbar nimmt Hanna das Angebot ihrer 10 Jahre älteren Schwester Lydia an, sich eine Auszeit zu nehmen und einige Wochen im Ferienhaus der Schwester zu verbringen. Das Haus befindet sich in den Bergen, und Hanna macht sich auf den Weg dorthin, nicht ohne zuvor die Kleidungsstücke ihres Exfreundes ruiniert zu haben.

Im luxuriösen Ferienhaus der Schwester, hoch im Norden Schwedens, ertränkt Hanna ihren Kummer in Alkohol, bis sie erfährt, dass die 18jährige Amanda nach einer Party spurlos verschwunden ist. Hanna beteiligt sich bei minus 20 Grad an der organisierten Suchaktion, durch die sie bedeutsame Informationen erhält. Als sie von der Polizei das Angebot erhält, diese für zunächst drei Monate zu unterstützen, überlegt sie nicht lange .....

Ich mag ruhige und anspruchsvolle Krimis ohne blutiges Gemetzel, in denen sich die Spannung langsam aufbaut. "Kalt und still" ist ein Krimi, wie ich ihn liebe. Er besteht aus mehreren Handlungssträngen, auch das mag ich sehr. Der schöne Erzählstil liest sich sehr flüssig, die ausführliche Beschreibung der Personen fand ich sehr gelungen und bildhaft. Nach und nach lernte ich diese kennen, schnell fanden sich Verdächtige, immer wieder gab es neue Spuren und Erkenntnisse.

Ich fand das Buch mit den wechselnden Perspektiven und den größtenteils eher kurzen Kapiteln spannend, der ruhige Erzählstil gefiel mir, ebenso die ausführlichen Personen- und Landschaftsbeschreibungen. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, die Charaktere authentisch zu zeichnen.

Leider hatte ich den Täter bereits früh in Verdacht, was meine Lesefreude am Ende doch etwas trübte. Dennoch stellt das Buch für mich einen gelungenen Serienauftakt dar, und ich kann mir gut vorstellen, auch den nächsten Band der Reihe, bei dem ich dann hoffentlich länger im Dunkeln tappe, zu lesen.

Bewertung vom 09.11.2022
Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?
Strobel, Arno

Fake - Wer soll dir jetzt noch glauben?


ausgezeichnet

Spannender und faszinierender Psychothriller
Der Fischer Verlag hat "Fake", den neuen Psychothriller von Arno Strobel, veröffentlicht. Ich hatte bisher noch kein Buch des Autors gelesen, aber sowohl das Cover als auch der vielversprechende Klappentext weckten meine Neugier. Ich bin nicht enttäuscht worden.

Es gibt zwei Variationen des Buches: Die eine trägt den Titel "Fake", die andere - limitierte - den Titel "Fakt". Der Zufall bestimmt, welche Variante man bekommt. Inhaltlich sind beide Versionen vollkommen identisch.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 37jährige Patrick Dostert. Er ist seit 2 Jahren glücklich mit seiner Frau Julia verheiratet und gerade dabei, mit ihr ein von ihm liebevoll zubereitetes Frühstück zu genießen, als es an der Tür klingelt. Zwei Beamte der Kriminalpolizei Weimar konfrontieren ihn damit, dass er unter Verdacht steht, eine Frau namens Yvonne Voigt entführt zu haben. Jana Gehlen, Yvonnes Freundin, hat bei der Polizei angegeben, dass Patrick die vor drei Tagen verschwundene Yvonne schwer misshandelt hat.
Der Beschuldigte fällt aus allen Wolken, gibt an, weder Yvonne noch Jana zu kennen und beteuert seine Unschuld. Wenig später wird im Internet ein Video veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie Patrick eine Frau übelst beschimpft. Als eine der Frauen tot aufgefunden wird, wird Patrick verhaftet. Er beteuert immer wieder seine Unschuld, doch die Beweise sind erdrückend.

Das fesselnde Buch, das in schönem Sprachstil geschrieben ist, liest sich schnell und flüssig. Bereits die erste Seite ist spannend, die Spannung steigert sich immer weiter und bleibt bis zum Ende auf hohem Niveau. Ich lag daneben mit meinen Vermutungen und erlebte ständig neue Wendungen. Andauernd passiert etwas, die Handlung schreitet schnell voran und bietet Nervenkitzel pur. Das Ende war für mich vollkommen überraschend.

"Fake" ist in der dritten Person geschrieben, dazwischen gibt es immer wieder tagebuchartige Ausführungen des Ich-Erzählers Patrick, geschrieben in kursiver Schrift. Diese sich wiederholenden Perspektivwechsel haben mir sehr gut gefallen. Die Personen hat der Autor sehr gut und lebendig gezeichnet, ganz besonders Patrick, mit dem ich gelitten, gebangt und gehofft habe, dass sich bald alles aufklärt. 

Ich konnte das spannende und intelligent konstruierte Buch mit dem hochaktuellen Thema "Fakt oder Fake?" kaum aus der Hand legen und fühlte mich von Anfang bis Ende bestens unterhalten. Das war zwar mein erstes Buch von Arno Strobel, aber mit Sicherheit nicht das letzte.

Leseempfehlung von mir und 5 Sterne für diesen grandiosen Psychothriller!

Bewertung vom 07.11.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

Spannender historischer Kriminalroman
Der Dumont Verlag hat "Die Passage nach Maskat" veröffentlicht, den neuen historischen Kriminalroman von Cay Rademacher. Ich hatte bislang noch nichts von dem Autor gelesen, aber sowohl das schöne Cover als auch der vielversprechende Klappentext machten mich sehr neugierig auf das Buch. Ich mag ruhig erzählte Krimis ohne Gemetzel und lag daher mit diesem Buch genau richtig.

Wir schreiben das Jahr 1929: In Marseille sticht das Passagierschiff Champollion Richtung Orient in See.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der traumatisierte Kriegsrückkehrer Theodor Jung aus Berlin. Der 30jährige arbeitet als Fotoreporter für die Berliner Illustrirte, die sich übrigens erst ab 1941 Berliner Illustrierte nennt. Sein Auftrag besteht darin, eine Fotoreportage über die Reise zu fertigen. In Jungs Begleitung befinden sich neben seiner Ehefrau Dora, mit der er seit 10 Jahren verheiratet ist, sein Schwager Ernst sowie die Schwiegereltern Hugo und Marthe Rosterg. Hugo Rosterg kommt aus Hamburg, ist wohlhabender Importeur von exotischen Gewürzen und beabsichtigt, in Arabien Einkäufe zu tätigen. Mit dabei ist außerdem Hugos Prokurist Bertold Lüttgen.

Bereits nach nur zwei Tagen verschwindet Dora spurlos. Ihr Stuhl am gemeinsamen Esstisch fehlt, alle behaupten, dass Dora nie mit an Bord gewesen ist, und tatsächlich steht auch ihr Name nicht auf der Passagierliste. Theodor versteht die Welt nicht mehr und beginnt, an seinem Verstand zu zweifeln. Die Reise wird für ihn zum Albtraum, und er begibt sich auf die Suche nach seiner Ehefrau.

Der Autor nimmt sich nicht nur viel Zeit für die Beschreibung der einzelnen Personen, sondern schildert auch sehr detailreich das Leben an Bord und die einzelnen Stationen der Reise. Das mag manchem Leser vielleicht etwas zu ausführlich sein, mir hat es gefallen. Ich habe die detaillierten Beschreibungen genossen, sie gaben mir das Gefühl, mit dabei zu sein. Sehr interessant fand ich auch die Schilderung  der Klassenunterschiede auf dem Schiff.
Die Spannung steigert sich langsam, aber stetig. Geschickt hat der Autor mehrere Wendungen eingebaut, immer wieder gibt es neue Spuren, und das Ende hat mich dann sehr überrascht. 

Der schöne Erzählstil ist flüssig, die Charaktere hat der Autor sehr gut skizziert.
Ich habe mich gern von Cay Rademacher in die Goldenen Zwanziger entführen lassen und dabei gut unterhalten gefühlt. 

Bewertung vom 01.11.2022
Für euch
Sayram, Iris

Für euch


ausgezeichnet

Beeindruckender und berührender Roman über eine Kölner Familie
Der Claassen Verlag hat "Für euch" veröffentlicht, den autobiografischen Roman der Journalistin und Juristin Iris Sayram, in dem diese schonungslos und offen auf ihre Kindheit und Jugend in Köln während der achtziger und neunziger Jahre zurückblickt. 
 
Die Ich-Erzählerin Iris lebt in Berlin und reist nach Köln, um ihre Mutter im Krankenhaus zu besuchen. Die 80jährige hat eine Lungenentzündung und braucht die Unterstützung der Tochter. Es fehlt ihr einiges von daheim: der goldfarbene Rollator, frische Unterwäsche, Hausschuhe, ein Spiegel und andere Dinge. Früher war es Iris immer sehr unangenehm, den Körper der Mutter zu sehen, und nun ist es ganz selbstverständlich für sie, ihr bei der Körperpflege behilflich zu sein.
 
Iris' Mutter Irmtraud wird 1939 geboren und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, der Vater verwehrt ihr eine Ausbildung zur Schneiderin. Bereits mit 18 Jahren wird sie verheiratet, zwei Ehen scheitern, zu den beiden Kindern hat sie bald keinen Kontakt mehr. In einem Café lernt die lebenslustige Frau Mustafa kennen, der aus Istanbul kommt und seit 5 Jahren in Köln lebt. Mustafa findet Irmtrauds Namen spießig und nennt sie nun Sonja. Die beiden werden ein Paar, ziehen zusammen und genießen das Leben. 1976 wird ihre Tochter Iris geboren. Der Vater nennt sie zärtlich Kizim, mein Mädchen. Er ist nicht glücklich mit seiner Arbeit an der Werkzeugausgabe von Ford. Viel lieber würde er sein Geld mit dem Zeichnen von politischen Karikaturen verdienen. Nach einem gemeinsamen Urlaub in der Türkei kündigt er seine Arbeit, verbringt nun viel Zeit in Spielclubs, und fortan ist Sonja für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zuständig. Sie arbeitet als Putzfrau und Toilettenfrau, später auch als Prostituierte. Dennoch ist das Geld immer knapp.
 
Die Autorin lässt ihre Vergangenheit Revue passieren und stellt dabei überwiegend ihre Mutter und das Verhältnis zu ihr in den Vordergrund. Offen und ehrlich erzählt sie Sonjas Geschichte und verschweigt auch nicht ihre eigenen Schwierigkeiten, die Scham, die sie wegen der Tätigkeiten ihrer Mutter empfand. Selbstkritisch berichtet sie von verpassten Gelegenheiten, als es ihrem Vater schlecht ging und ihr andere Dinge wichtiger waren. 
 
Das Buch ist in klarer und flüssiger Sprache, aber auch mit Humor geschrieben. Die Autorin beschreibt ganz wunderbar ihre Mutter, die nie ihren Optimismus verliert und immer bemüht ist, die Tochter zu verwöhnen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und alle Freiheiten zu gewähren. Iris gelingt es trotz widriger Umstände, ihren eigenen Weg zielstrebig zu verfolgen und nach dem Abitur Jura zu studieren. 
 
Der Lokalkolorit hat mir sehr gut gefallen, da mir Köln und der Dialekt vertraut sind. Auch den Zeitgeist hat die Autorin ganz wunderbar in ihren Roman einfließen lassen.

Der Roman, den Iris Sayram voller Dankbarkeit und Liebe ihrer Mutter widmet, hat mich sehr berührt und wird mich noch lange beschäftigen.
Absolute Leseempfehlung von mir für dieses großartige Buch - 5 Sterne!

Bewertung vom 29.10.2022
Eine wichtige Entscheidung / Fußball Academy Bd.1
Margil, Irene;Schlüter, Andreas

Eine wichtige Entscheidung / Fußball Academy Bd.1


sehr gut

Spannende Geschichte für kleine Fußballfans
Der Carlsen Verlag hat "Fußball Academy - Eine wichtige Entscheidung" veröffentlicht. Es handelt sich hier um den ersten Teil einer neuen Kinderbuchreihe, bei der es um König Fußball geht. Das Buch stammt aus der Feder von Irene Margil und Andreas Schlüter. Die zahlreichen Illustrationen hat Jan Saße gefertigt.

Der 10jährige Yao Danso spielt mit großer Begeisterung und Leidenschaft Fußball in der E-Jugend des Fußballvereins seines Heimatorts. Und er spielt richtig, richtig gut. Da ist es kein Wunder, dass nach einem wichtigen Halbfinalsieg seiner Mannschaft Steffen Haberland vor ihm steht. Herr Haberland ist Talentscout und auf der Suche nach jungen Fußballtalenten. Er bietet Yao einen Platz an der Fußball Academy an, an der Yao seine Spieltechnik umfassend ausbauen kann. Yao ist begeistert, während seine Eltern Sandra und Amakye zunächst sehr skeptisch und zurückhaltend auf das Angebot reagieren.

Die Autoren schildern in 10 Kapiteln auf 160 Seiten Yaos Entdeckung als Fußballtalent und seinen Alltag an der neu gegründeten Fußballschule, an der durch hartes Training nicht nur die Feinheiten des Fußballspielens vermittelt werden, sondern auch ganz normaler Unterricht stattfindet. 

Das Buch, das sich an Kinder von etwa 9 bis 12 Jahren richtet, ist sehr schön und äußerst hochwertig gestaltet. Die ansprechende Geschichte über Yao und seine Fußballfreunde ist in altersgerechter, gut verständlicher Sprache erzählt. Sie ist spannend und wird die jungen Fußballfans begeistern. Die Autoren haben die sympathischen Personen sehr authentisch beschrieben. 
Den Titel "Fußball Academy" finde ich nicht sehr gelungen. Ich mag diese Mischung aus deutschen und englischen Wörtern nicht, "Fußball-Akademie" hätte mir wesentlich besser gefallen.

Am Ende des Buches befindet sich eine kleine Leseprobe für "Eine blöde Verletzung", den zweiten Band der Reihe - eine gute Anregung für den Weihnachtswunschzettel!

Bewertung vom 28.10.2022
Die Sehnsucht nach Licht
Naumann, Kati

Die Sehnsucht nach Licht


ausgezeichnet

Packender und warmherziger Roman über eine Bergmannsfamilie im Erzgebirge
In ihrem neuen Roman "Die Sehnsucht nach Licht" erzählt Kati Naumann auf zwei Zeitebenen die Geschichte der Familie Steiner, die im Schlematal des Erzgebirges lebt. 

Zu Beginn des Buches lernen wir die 30jährige Luisa Steiner kennen, die im Jahr 2019 ihren Arbeitsplatz 1800 Meter unter der Erde hat. Ihre Aufgabe ist es, an den Wochenenden für die Dauer von zwei Stunden ehrenamtlich Besucher durch das Schaubergwerk in Bad Schlema zu führen. An den Wochentagen arbeitet sie als Vermessungstechnikerin. Luisa ist seit ihrer Kindheit fasziniert von der Welt in den Tiefen der Erde. Schon ihr Urgroßvater arbeitete im Bergbau und sammelte alte Familiengeschichten in einer Mappe. Ein Großonkel von Luisa ist seit Jahrzehnten verschollen, und sie beginnt, zu recherchieren.

Die zweite Erzählebene erstreckt sich auf die Jahre 1908 bis 1989. Wir schreiben das Jahr 1908: Johann und Alma Steiner haben drei Kinder: Christian, Clara und Wilhelm. Der Vater der in einfachen Verhältnissen lebenden Familie arbeitet im Bergbau, genau wie sein ältester Sohn Christian. Der kleine Wilhelm träumt bereits mit 9 Jahren davon, auch Bergmann zu werden. 

Das Buch führt uns durch die Jahrzehnte. Wir sehen die Kinder der Familie Steiner heranwachsen und erleben wenig später die Entdeckung einer Radonquelle, die Schlema zu Wohlstand verhilft. Die Familie vergrößert sich im Laufe der Zeit, erlebt ihre Höhen und Tiefen, Liebe und Glück, aber auch ihre Tragödien. Stark und liebevoll ist der Zusammenhalt der Familie, und ihre Heimatliebe ist durch nichts zu erschüttern. Das alles wird ganz wunderbar und mit viel Warmherzigkeit erzählt.
Hochinteressant und fesselnd fand ich die Beschreibung des mir bis dahin vollkommen unbekannten Arbeitsalltags der Bergarbeiter im Erzgebirge und ihrer Traditionen.

Der ansprechende Schreibstil der Autorin ist klar und flüssig. Sie hat sehr gekonnt das Leben der Familienmitglieder mit den politischen Geschehnissen und Katastrophen verknüpft, wie den beiden Weltkriegen, dem Reaktorunglück von Tschernobyl und der Öffnung der Mauer. Die unterschiedlichen Figuren hat Kati Naumann sehr authentisch beschrieben.
Den Stammbaum der Familie Steiner am Anfang des Buches fand ich sehr hilfreich, um die Familienstruktur jederzeit nachvollziehen zu können.

Klare Leseempfehlung von mir und 5 Sterne!

Bewertung vom 25.10.2022
Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1
Goldammer, Frank

Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1


sehr gut

Gelungener Krimiauftakt mit Bruch und Schauer
Der Wunderlich Verlag hat "Bruch - Ein dunkler Ort", den ersten Teil einer neuen Krimiserie um das außergewöhnliche Ermittlerduo Bruch und Schauer, veröffentlicht. Das Cover gefiel mir, und der Klappentext versprach spannende Lektüre.
 
Hauptkommissarin Nicole Schauer hat ihren ersten Arbeitstag bei der Kriminalpolizei Dresden. Ihr neuer Vorgesetzter beauftragt sie, gemeinsam mit ihrem Kollegen Felix Bruch, einem der besten Ermittler der Dresdner Mordkommission, einen aktuellen Fall zu lösen: Die 12jährige Celina Kühn wird vermisst, und es ist keine Zeit zu verlieren. Bereits zwei Jahre zuvor war in der gleichen Wohnsiedlung die damals 10jährige Linda Herzfeld verschwunden und nach zwei Wochen wieder aufgetaucht. Linda hat nie jemandem erzählt, was damals geschehen ist, und ihre Eltern unterstützen ihr Schweigen. Schauer und Bruch begeben sich auf Spurensuche.
 
Die Teamarbeit mit Felix Bruch wird für Nicole Schauer zum Problem. Der Kollege ist äußerst wortkarg und scheinbar empathielos. Er hat vor kurzem seinen langjährigen Kollegen und Freund durch einen Verkehrsunfall verloren, und die Zusammenarbeit mit Schauer, die den Kollegen ersetzen soll, fällt ihm schwer. Schauer ist frustriert über das Verhalten des eigenwilligen Kollegen, der meistens schweigt und sich bei den Ermittlungsgesprächen eher defensiv verhält. Er scheint psychisch krank zu sein und braucht starke Medikamente, um seinen Alltag zu bewältigen. Aber auch Schauer hat ihre Traumata, die zu unbeherrschten Wutausbrüchen und Tätlichkeiten führen.
 
Das neue Ermittler-Duo hat mir gut gefallen. Es hat seine Ecken und Kanten, und das Zusammenraufen ist für Schauer und Bruch eine große Herausforderung. Der Autor beschreibt die unterschiedlichen Charaktere mit großer Präzision. Das Miteinander der beiden, ihre Probleme und Altlasten, das alles war fast noch intensiver in Szene gesetzt als der eigentliche Kriminalfall.
 
Die klar und flüssig geschriebene Kriminalgeschichte mit ihren verschiedenen Wendungen fand ich spannend und fesselnd bis zu ihrem überraschenden Ende. Die Schilderung der dunklen Nächte auf dem verfallenen Dreiseitenhof war für mich purer Nervenkitzel.
 
Ich bin gespannt, wie es mit den beiden sehr speziellen Ermittlern weitergeht und freue mich auf den nächsten Fall.

Bewertung vom 23.10.2022
Connemara
Mathieu, Nicolas

Connemara


ausgezeichnet

Intelligenter und tiefgründiger Roman
Der Hanser Verlag hat "Connemara", den aktuellen Roman des französischen Autors Nicolas Mathieu, veröffentlicht. Es ist nach "Wie später ihre Kinder" und "Rose Royal" der dritte Roman des Autors, der ins Deutsche übersetzt wurde. "Rose Royal" hat mich bereits begeistert, und ich war daher sehr neugierig auf "Connemara". Ich wurde nicht enttäuscht.
 
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die knapp 40jährige Hélène und der gleichaltrige Christophe, die in dem kleinen Ort Cornécourt in Ostfrankreich aufgewachsen sind. Beide befinden sich in einer Lebenskrise.
 
Hélène stammt aus einfachen Verhältnissen und will schon früh der Enge ihres Elternhauses entfliehen. Sie ist ehrgeizig, ihr genügen in der Schule nur Bestnoten. Nach dem Studium macht sie Karriere als Unternehmensberaterin, heiratet den gutsituierten Philippe und bekommt die Töchter Mouche und Clara. Die hohe Belastung durch Beruf, Kinder und Haushalt fordert ihren Tribut. Nach einem Burnout Hélènes zieht die Familie von Paris nach Nancy, wo sie in einem Architektenhaus wohnt und Hélène Karriere bei einer Beraterfirma macht. Doch sie ist unzufrieden mit ihrem Leben, und auf der Suche nach Abwechslung sieht sie vollkommen unverhofft Christophe, ihren Jugendschwarm, wieder.
 
Christophe, der aus privilegierten Verhältnissen stammt, hat seine Heimat nie verlassen. Nach dem Ende seiner Karriere als umschwärmter Eishockeyspieler sichert er seinen Lebensunterhalt als Verkäufer von Hundefutter. Seine Ehe mit Charlie, mit der er einen Sohn, Gabriel, hat, ist gescheitert. Er lebt mit seinem demenzkranken Vater zusammen und kümmert sich zeitweise um Gabriel. Regelmäßig trifft er sich mit seinen beiden Freunden und denkt an ein Comeback auf dem Eis.
 
Der Roman über Hélène und Christophe hat mich von der ersten Seite an gefesselt und in seinen Bann gezogen. 
Wie schon bei "Rose Royal", so hat mich auch in "Connemara" der großartige und intelligente Erzählstil des Autors begeistert. Nicolas Mathieu seziert gekonnt die Charaktere und nimmt die moderne Arbeitswelt kritisch unter die Lupe. Auch die politische Situation Frankreichs im Jahr 2017 vor den Präsidentschaftswahlen lässt er in die Handlung einfließen.
Der Roman wechselt ständig zwischen Gegenwart und Vergangenheit und fächert nach und nach die Lebensgeschichten der Protagonisten auf. Wir erleben Hélène als ehrgeizige Jugendliche, die durch ihr Streben nach Bildung ihre Ziele erreicht, und Christophe, der bereits als Jugendlicher gewissen Ruhm erlangt, dessen Leben danach aber stagniert.
 
Das Buch hat mir sehr viel Lesefreude bereitet, und ich habe sehr gern die Lebenswege der beiden Protagonisten bis zu dem für mich stimmigen Ende verfolgt.  
Leseempfehlung von mir für diesen intelligenten Roman mit Tiefgang - 5 Sterne!

Bewertung vom 18.10.2022
The Dark
Haughton, Emma

The Dark


sehr gut

12 Monate in eisiger Kälte
Der Knaur Verlag hat "The Dark" veröffentlicht, den ersten Thriller der englischen Autorin Emma Haughton. Ich mag anspruchsvolle Krimis, die vor eisiger Kulisse spielen und ohne blutiges Gemetzel auskommen, und war daher vom Klappentext sofort sehr angetan.

Im Mittelpunkt des Romans steht die junge Ärztin Kate North. Durch eine persönliche Tragödie hat sie ein Trauma erlitten und ist schmerzmittelsüchtig geworden. Sie sehnt sich nach einem Neuanfang und tritt eine auf 12 Monate befristete Tätigkeit als Ärztin auf einer UN-Forschungsstation in der Antarktis an. Die Station UNA war 3 Jahre zuvor errichtet worden, um Wissenschaftler aus der ganzen Welt zusammenzubringen und den Klimawandel sowie die entscheidende Rolle der Antarktis für die globalen Wettersysteme genauer zu erforschen. Die angeschlagene Kate wird die Nachfolgerin des Arztes Jean-Luc Bernas, der zwei Monate zuvor draußen im Eis ums Leben gekommen ist. 

Die Geschichte beginnt langsam und ruhig. Kate lernt nach und nach ihre 12 Kollegen kennen und muss feststellen, dass nicht alle über ihre Anwesenheit erfreut sind. Es kommt zu einem Todesfall, und Kate gelangt zu der Überzeugung, dass es sich um einen Mord handelt und der Mörder sich unter ihnen befindet.

Der Thriller ist in schönem und flüssigem Erzählstil in der Ich-Form geschrieben. Kate lässt uns an ihren Gedanken, Erinnerungen und Ängsten teilhaben. Wir sind ihr ganz nah und fühlen förmlich ihre Angst vor der Dunkelheit, erleben aber auch ihren inneren Kampf gegen die Arzneimittelsucht. Rückblickend erfahren wir auch die Ursache, die zu ihrem traumatischen Erlebnis geführt hat.

Die Autorin erzeugt durch ihre schöne Erzählweise eine Spannung, die sich immer weiter steigert. Sie beschreibt ganz großartig das Zusammenleben der Crew, ihre Auseinandersetzungen und Ängste. Sie schildert eindrucksvoll und faszinierend die Auswirkungen der Isolation auf die Protagonisten. Auch die Beschreibung der atemberaubenden Natur der Antarktis und der klaustrophobischen Enge innerhalb der Forschungsstation fand ich sehr gelungen. Die unterschiedlichen Charaktere sind gut gezeichnet und authentisch.
Die Liste mit den Namen und Tätigkeiten der 13 Mitarbeiter am Anfang des Buches war für mich sehr hilfreich.

Das letzte Viertel des Buches habe ich als zu überfrachtet empfunden. Es geschieht einfach viel zu viel auf diesen 100 Seiten, es finden sich Logikfehler, und die Geschichte verliert leider an Glaubwürdigkeit. 

Das Buch hat mir - mit Abstrichen - sehr gut gefallen. Es war spannend, hatte mehrere Wendungen und hat mich bis zum Ende gefesselt.

Bewertung vom 14.10.2022
Café Leben
Leevers, Jo

Café Leben


ausgezeichnet

Berührende Lebensgeschichten
Der Droemer Verlag hat "Café Leben", den Debütroman der englischen Autorin Jo Leevers, veröffentlicht. Das wunderschön gezeichnete Cover erregte meine Aufmerksamkeit, und der Klappentext versprach eine interessante Lektüre. Ich bin nicht enttäuscht worden.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 32jährige Henrietta Lockwood. Sie ist alleinstehend und lebt sehr zurückgezogen, ihr einziger und bester Freund ist ihr Hund Dave. Eigentlich ist Henrietta Bibliothekarin, aber bisher hat sie ihren Platz in der Berufswelt noch nicht gefunden. In einer Zeitschrift entdeckt sie eine interessante Stellenanzeige und bewirbt sich für das Projekt Lebensbuch bei der Beratungsambulanz eines Londoner Krankenhauses. Zu ihrer Freude erhält sie den Job, und fortan ist es ihre Aufgabe, im Café des Krankenhauses Gespräche mit todgeweihten Patienten zu führen und ihnen dabei behilflich zu sein, ihre Lebensgeschichte schriftlich festzuhalten.

Die erste Patientin, mit der Henrietta sich unterhält, ist die krebskranke Annie Doyle. Annie ist 66 Jahre alt und beginnt, aus ihrem Leben zu erzählen. Ihre Ehe mit Terry, den sie mit 19 Jahren kurz nach dem Tod ihrer Schwester heiratete, blieb kinderlos. Erst vor zwei Jahren hat sie ihren Mann durch einen tragischen Unfall verloren. Ihre 18 jährige Schwester Kathleen ist 1974 "mutmaßlich ertrunken", wie Annie es ausdrückt. Henrietta hakt nach, möchte mehr erfahren, aber Annie braucht noch Zeit, um sich zu öffnen, Zeit, die ihr vielleicht fehlt .....

Die Autorin schildert in schönem Sprachstil und auf einfühlsame Weise die Begegnungen der beiden Frauen, die unter schweren Traumata leiden und sich mit zunehmender Vertrautheit und Zuneigung ihre Lebensgeschichten erzählen. Im Wechsel begleiten wir Henrietta und Annie, erleben ihren Alltag, ihre Gedankenwelt und ihre Erinnerungen, aber auch die Auseinandersetzung mit ihrer Kindheit.
Jo Leevers rollt die Ereignisse der Vergangenheit und die Erinnerungen von Henrietta und Annie ganz behutsam und langsam auf. Nach und nach erfahren wir, welches schmerzliche Erlebnis aus Henrietta diese sehr spezielle und verschlossene Frau machte. Auch Annies Leben blättert sich langsam auf, von der engen Verbundenheit mit ihrer Schwester Kath bis hin zu derem Verschwinden und ihrer langjährigen Ehe mit Terry. 

Das ruhig und sensibel erzählte Buch hat mich von Beginn an sehr berührt und in seinen Bann gezogen, ich tauchte ein in die Lebensgeschichten der beiden ungleichen Frauen bis hin zu dem für mich überraschenden, aber stimmigen Ende. 
Die Protagonistinnen waren mir sehr sympathisch, ich konnte mich sehr gut in die Charaktere einfühlen und habe die Geschichte trotz des ernsten Themas an keiner Stelle als rührselig oder gar kitschig empfunden. 
Nicht unerwähnt lassen möchte ich das schöne und berührende Nachwort sowie das Gespräch mit Jo Leevers am Ende des Buches. 

Der Roman wird mich noch lange beschäftigen - klare Leseempfehlung von mir und 5 Sterne!