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Benutzername: 
Lunamonique
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 414 Bewertungen
Bewertung vom 05.07.2019
Something in the Water - Im Sog des Verbrechens
Steadman , Catherine

Something in the Water - Im Sog des Verbrechens


gut

„Something in the Water – Im Sog des Verbrechens“ ist das Romandebüt von Autorin Catherine Steadman. Auf ihrer Hochzeitreise machen Mark und Erin eine schicksalhafte Entdeckung.

Flitterwochen auf Bora Bora. Mark ist ausgebildeter Taucher. Trotz ihrer Ängste hat sich Erin vorgenommen, ihn auf den Tauchausflug zu begleiten. Das Wracktauchen hat ein paar Überraschungen parat. Mark und Erin geraten in eine ungewöhnliche Situation, die eine schnelle Entscheidung erfordert.

Der Einstieg verrät zu viel. Spannender wäre es gewesen, wenn diese erschreckenden Informationen bis zum Ende offen geblieben wären. Die Geschichte wird aus Erins Sicht erzählt. Persönliche Ansprachen ermöglichen zusätzlich Nähe zum Geschehen. Gut inszeniert ist die Paaridylle. Mark und Erin sind trotz aller Schwierigkeiten eng miteinander verbunden und sich gegenseitig eine Stütze. Die große Liebe ist greifbar. Marks Welt wird erschüttert. Nach und nach Häufen sich die Geheimnisse auf beiden Seiten der Hauptfiguren. Für Atmosphäre sorgt die Bora-Bora-Traumkulisse in den Flitterwochen. Nicht immer sind die Handlungen der einzelnen Charaktere nachzuvollziehen. Besonders Erin beweist viel Naivität und Leichtsinn. Bald gerät alles aus den Fugen und die Kittversuche machen Manches schlimmer. Fehler passieren. Mark ist der Fels in der Brandung. Trotz langsamem Tempo durch Erins Gedankengänge und die Spekulationen der Hauptfiguren reißt die Geschichte mit. Auslöser und undurchsichtige Hintergründe sind originell. Mit Erins Job wird zusätzlich eine lauernde Gefahr geschaffen. Wer sind die Gegner? Mit der Entdeckung auf Bora Bora schwindet die Sicherheit. Alles ist möglich. Das Rätselhafte bildet den roten Faden. Ausweglosigkeit und Machtlosigkeit nehmen zu. Im letzten Buchdrittel nimmt der Thriller Fahrt auf. Die Auflösung zum Schluss ist nicht so packend wie erwartet. Beim Plot wurden Möglichkeiten verschenkt. Trotzdem hat die Story Intensität, und eine Nebenfigur mit Persönlichkeit sticht heraus.

Die Perspektive der Coverszene ist gut gewählt. Der Titel wird perfekt in Szene gesetzt. Die Farben unterstreichen das Düstere, Mysteriöse. „Something in the Water – Im Sog des Verbrechens“ fesselt mit einer wachsenden Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Mehr Raffinesse beim Plot, mehr Spannung und überraschende Wendungen wären drin gewesen. Zusammenspiel und Intensität sind gelungen.

Bewertung vom 30.06.2019
Die sieben Gründe zu töten / Helena Faber Bd.3
Wilhelm, Uwe

Die sieben Gründe zu töten / Helena Faber Bd.3


ausgezeichnet

„Die sieben Gründe zu töten“ ist nach „Die Farben des Blutes“ und „Die Kreise der Hölle“ Band 3 der Helena Farber-Thrillerreihe von Autor, Filmproduzent und Filmregisseur Uwe Wilhelm. Die Suche nach Sophie bringt alle an ihre Grenzen.

Drei Jahre ist Sophies Entführung her. Endlich gibt es eine Spur zu ihr. Schwester Katharina will sie im Alleingang befreien. Ihre Mutter Ex-Staatsanwältin Helena sitzt noch im Knast, wird aber bald entlassen. Sie kann nicht zulassen, dass ihre Tochter zu einem Himmelfahrtskommando aufbricht. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Sophies Schicksal berührt. Es gibt kein Entkommen. Sie ist den Menschen um sich herum ausgeliefert. Drei Jahre haben die Hoffnungen des Teenagers auf Befreiung fast ausradiert. Ihre Familie ist zerstört. Jeder kämpft seinen eigenen Kampf und fühlt sich auf seine Weise schuldig. Bis es endlich einen Hoffnungsschimmer gibt. Die Geschichte wird in mehreren Perspektiven erzählt, die Tempo und Spannung auf einem hohen Niveau halten. Alle Charaktere und die Geschehnisse wirken sehr real. Besonders Katharina, Spitzname Kata, fasziniert mit ihrem unberechenbaren Wesen und dem Ehrgeiz, alles wieder gut zu machen. Es fällt leicht, mit den drei Frauen mitzufiebern. Vater Robert ist über lange Strecken Randfigur. Der Thriller ist voller starker weiblicher Persönlichkeiten. Besonders heraussticht auch Menschenrechtsanwältin Nadeen, die mit legalen Mitteln wenig erreichen kann. Schicksale in Saudi-Arabien erschüttern. Der Kampf gegen Missbrauch, Gewalt, Willkür und Leid scheint aussichtslos. Aber der Widerstand erlischt nicht. Bald überschlagen sich die Ereignisse. Überraschende Wendungen sind effektvoll inszeniert. Nichts ist mehr sicher, alles kann passieren. Das Himmelfahrtskommando nimmt noch einmal Fahrt auf. Manches ist auf den letzten Seiten schwer zu ertragen. Wer überlebt? Filmreife Schlusssequenzen lassen den Puls noch einmal hochschnellen.

Cover, Titel und die Einteilung des Thriller nach Emotionen sind sehr gelungen. Die blutrote Hintergrundfarbe setzt Zahl und Schrift gut in Szene. „Die sieben Gründe zu töten“ übertrifft die Erwartungen. Bewegend, erschütternd und aufrüttelnd. Die Danksagung des Autors am Buchende mit weiteren Informationen bildet einen guten Schlusspunkt.

Bewertung vom 26.06.2019
Die Obsession - Wenn eine Begegnung zum Verhängnis wird
Çesme, Nuray

Die Obsession - Wenn eine Begegnung zum Verhängnis wird


weniger gut

„Die Obsession – Wenn eine Begegnung zum Verhängnis wird“ ist nach „Der Wille versetzt Berge – Aus dem Leben einer türkischen Gastarbeiterfamilie“ das zweite Werk von Autorin Nuray Çeşme. Eine Liebe wird nicht nur für Amelia zum Verhängnis.


Die 36jährige attraktive Italienerin Amelia lernt nach einigen kurzen Beziehungen Frauenschwarm Marlon kennen. Zum wiederholten Male wird sie von einem Mann abserviert. Von den Folgen weiß Marlon nichts. Amelia kann nicht loslassen und wird zur obsessiven Stalkerin.

Die Ich-Perspektive ist für diese Geschichte keine gute Wahl. Es kommt kein Tempo auf, Dialoge sind zu langatmig, die Charaktere wirken oberflächlich. Erst nach und nach wird die Hauptfigur etwas greifbarer. Zu einer taffen, beruflich erfolgreichen, selbstbewussten und gut aussehenden Italienerin will das Stalking nicht passen. Warum erniedrigt sich Amelia dermaßen? Es lässt sich schwer nachvollziehen, dass sie durch die kurze Bettgeschichte mit Marlon Ehre, Stolz und Selbstachtung verloren hat. Die Spannung bleibt auf der Strecke. Keine fesselnden Ereignisse über lange Strecken. Stattdessen Erklärungsversuche, warum Amelia und Marlon zu den Menschen geworden sind. Rückblicke in die Vergangenheit/Kindheit sind nicht effektvoll positioniert und wirken anfangs überflüssig. Die gleichen Geschehnisse werden aus einer anderen Perspektive erzählt und bremsen die Geschichte aus. Eine zeitliche Anknüpfung wäre besser gewesen. Der Plot überzeugt nicht. Wenige Wendungen und Wahrheiten erreichen keine Intensität. Es tauchen keine Psychothriller-Elemente auf. Kleinere Eskalationen pendeln sich auf einem niedrigem Niveau ein. Der Antriebskern der Story geht verloren. Interessant ist Marlons bester Freund, aber auch der Charakter wird nicht richtig ausgebaut. Insgesamt sehr viele Schwächen. Auffällige Fehler wurden bei der Überarbeitung übersehen. Schade. Auch das Ende enttäuscht. Amelias gesteigerte Verblendung will nicht zum Rest passen. Ihre Rosa-Rote-Wolken-Phantasien wirken zum Schluss sehr übertrieben. Die letzten Seiten haben nur ein kleines Highlight parat.

Cover und Genre führen in die Irre und schüren falsche Erwartungen. „Die Obsession – Wenn eine Begegnung zum Verhängnis wird“ ist kein Psychothriller und kein Krimi. Vieles ist nicht schlüssig, und der Aufbau ist nicht gelungen. Eine andere Umsetzung hätte dem Buchprojekt gut getan.

Bewertung vom 25.06.2019
Wo die Freiheit wächst
Reifenberg, Frank Maria

Wo die Freiheit wächst


ausgezeichnet

Das Jugendbuch „Wo die Freiheit wächst – Briefroman zum Widerstand der Edelweißpiraten“ von Autor und Sprecher Frank M. Reifenberg befasst sich mit Schicksalen, Liebe und Hoffnung und dem unbändigen Wunsch nach Freiheit in Zeiten der NS-Diktatur.

Köln, 1942, die 16jährige Lene Meister ist Lehrling in einem Friseursalon. Ihr großer Bruder Gefreite Franz kämpft an der Ostfront. Ihr kleiner Bruder Kalli wird in der Kinderlandverschickung auf seine Karriere als Soldat vorbereitet. Lene verliebt sich in den Edelweißpiraten Erich und bringt nicht nur sich in Gefahr.

Die Geschichte wird in Briefwechseln erzählt, die Lene mit ihrer besten Freundin Rosemarie, ihren Brüdern Franz und Kalli und später auch mit Erich führt. Mit den Bomben-Angriffen, Todesnachrichten und dem Verschwinden jüdischer Freunde und ihren ungeklärten Schicksalen wachsen in Lene immer mehr Zweifel am NS-Regime. Lene ist eine starke Hauptfigur mit Gerechtigkeitssinn, die versucht, alle Krisen zu meistern und die Familie in größter Not zusammenzuhalten. Mit den schlimmen Ereignissen verändert sie sich vom Teenie zur jungen Frau. Ihr fällt es schwer, zu schweigen, die Dinge nicht aussprechen und Kritik zu üben. Überall lauert die Gefahr von Denunzianten und Geheimpolizei. Mit Erich kommt Lenes Widerstand mehr und mehr zum Vorschein. Berührend sind die Briefe von Franz, der von der Front berichtet und sich um seine Familie sorgt. Nachrichten und Päckchen der Familie sind sein Halt. Bruder Kalli dagegen wünscht sich nichts sehnlicher als Soldat zu werden und in den Krieg zu ziehen. Er ist voller Verblendung und erkennt nicht, was vor sich geht. Die Briefwechsel, Charaktere und ihre Emotionen wirken sehr real. Schicksale bewegen und die Angst um alle Beteiligten wächst. Wer wird überleben? Die Sinnlosigkeit des Krieges wird mit jeder Zeile deutlicher. Erschütternde Wendungen, Leid, Trauer und Hoffnung. Das Stilmittel „Briefroman“ sorgt für viel Nähe zum Geschehen. Bis zum Schluss sehr berührend. Nicht ganz so zufriedenstellen kann der Epilog, der Fragen offen lässt. Informativ sind Nachwort und Zeitafel.

Das Cover bringt den Inhalt gut auf den Punkt. Lenes Schreibmaschine spielt eine wichtige Rolle. Autor Frank Maria Reifenberg kann sich sehr gut in seine Charaktere hineinfühlen. Die Sprache passt zur damaligen Zeit. „Wo die Freiheit wächst“ erinnert an den Mut von Jugendlichen, die auf ihre Weise Widerstand leisteten. Sehr empfehlenswert für jung und alt ab 14 Jahren.

Bewertung vom 19.06.2019
Nur Uschi kochte schärfer / Familie Jupp Backes ermittelt Bd.2
Wood, Dany R.

Nur Uschi kochte schärfer / Familie Jupp Backes ermittelt Bd.2


sehr gut

„Nur Uschi kochte schärfer“ ist nach „Nur Gisela sang schöner“ Band 2 der Dorfkrimireihe um Familie Jupp Backes von Autor Dany R. Wood. Ein Klassentreffen hat schicksalhafte Folgen.

Schwiegermutter Käthe hat Schmetterlinge im Bauch. Der Ex-Französischlehrer von Eva ist zum Klassentreffen angereist und wickelt Käthe mit seinem Charme ein. Dummerweise wird er am nächsten Tag tot in seinem Hotelzimmer gefunden. Polizeioberkommissar Jupp Backes geht nach ersten Erkenntnissen von einem Herzinfarkt aus, aber Käthe lässt nicht locker. Das war Mord!

Ein Blinddate bringt Schwung in Käthes Leben und die Geschichte. Missverständnisse sind vorprogrammiert, denn Käthe weiß genau was sie will und ihr Gegenüber ist oft überfordert. Im Mittelpunkt des Saarländer Dorfkrimis steht Familie Jupp Backes, allen voran Schwiegermutter Käthe. Der humorvolle Erzählstil erinnert an die Alpenkrimis von Jörg Maurer. Was ist eine Miggeplätsch, oder was versteht man unter Huddel? Das Saarländisch sorgt bei den Dialogen für Unterhaltungswert. „Oh leck!“, ein Ausdruck der Verwunderung, kommt aufgrund sich aufdröselnder Verwicklungen sehr häufig vor. Ein bisschen in den Hintergrund rückt dank des familiären Tohuwabohus der Kriminalfall. Kurzzeitig gerät sogar Käthe unter Mordverdacht. Denn Jupp schließt niemanden aus, nicht mal ein Familienmitglied. Trotz jahrzehntelanger Polizeierfahrung scheint mit seiner Intuition etwas nicht zustimmen. Seine Tat-Spekulationen reißen nicht ab. Klar, dass das Ermittlertrio aus Jupp, Ehefrau Inge und Schwiegermutter Käthe ran muss. Sonst geht der Täter am Ende noch stiften. Die Irreführung mit Verdächtigen ist gelungen. An der Spannung hapert es. Unterhaltsame Missverständnisse, überdrehte Furien und die urige Käthe gleichen Einiges aus. Auch Jupp hat so seine Macken, drückt gerne mal ein Auge zu, greift auf Notlügen zurück. Mit der Überbringung von Todesnachrichten und taktvollen Beileidsbekundungen tut er sich generell schwer. Charaktere und ihre Befindlichkeiten, darum dreht sich im fiktiven Hirschweiler alles. Im brisanten Mordfall gibt es am Ende eine Überraschung.

Das Cover passt perfekt zum Inhalt und stimmt auf einen humorvollen Krimi ein. Der Titel hat Seriencharakter. „Nur Uschi kochte schärfer“ ist ein unterhaltsamer Gute-Laune-Krimi mit Schmunzelfaktor. Das Buch passt in jedes Reisegepäck und eignet sich gut als Strandlektüre. Eine Schippe drauflegen, z.b. bei der Spannung, ist noch möglich.

Bewertung vom 14.06.2019
Unbarmherzig / Gina Angelucci Bd.2
Löhnig, Inge

Unbarmherzig / Gina Angelucci Bd.2


gut

„Unbarmherzig“ ist Band 2 der Gina Angelucci-Krimireihe von Autorin Inge Löhnig. Ein mysteriöser Knochenfund setzt Spekulationen in Gang.

Gina Angelucci, Spezialistin für Cold Cases bei der Münchner Kripo, übernimmt die Ermittlungen in einem 70 Jahre alten Fall. Zwei Leichen geben Rätsel auf. Was ist damals geschehen? Eine Identifizierung erscheint unmöglich. Dann gibt es einen ersten Hinweis auf eines der Opfer.

Der Prolog lässt Atmosphäre aufkommen und sorgt für anfängliche Spannung. Die Geschehnisse bleiben rätselhaft. Mit dem Zeitsprung und ominösen Fund nimmt das Tempo ab. Die Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen erzählt. Das Thema „Familie“ nimmt viel Raum ein. Verfeindete Dorfbewohner werden von der Vergangenheit eingeholt. Misstrauen, Verdächtigungen, Geheimnisse, Lügen und Schweigen. Wer weiß mehr als er zugibt? Derweil braut sich in Ginas Umfeld eine lauernde Gefahr zusammen, die sich nicht so recht in die Geschichte integrieren will. Gib es Zusammenhänge? Die Ermittlungen kommen nur langsam voran. Gina trifft auf Hindernisse. Über lange Strecken kommt der Krimi nicht so richtig in Fahrt. Dagegen fesseln die Ereignisse von damals. In Rückblicken lebt die Kriegszeit 1944 auf. Willkür, Hunger, Angst, Ausgeliefertsein, das Schicksal der Menschen berührt. Die beiden Hauptcharaktere aus dieser Zeit wirken sehr real. Der intensivste Handlungsstrang des Krimis. Details zu den Opfer setzen Spekulationen in Gang. Die Irreführung mit bald mehreren Verdächtigen ist gelungen. Gina will das Rätsel lösen und lässt sich von nichts aufhalten. Trotz ihres interessanten Jobs, der Herausforderungen und Einblicken in ihr Privatleben bleibt sie eher blass. Genau wie Ehemann Tino und Kollege Holger. Im letzten Buchdrittel zieht das Tempo zwar an, aber ein Handlungsstrang wird zu schnell ad acta gelegt. Eine Gefahr kann sich aufgrund der Kürze nicht entfalten. Alles steuert auf die Auflösung zu. Die ist einerseits überraschend, nicht so ganz überzeugen wollen Hintergründe und Motiv. Ein paar Zufälle zu viel sind im Spiel. Ein durchwachsener Krimi, mit einer interessanten Opfergeschichte.

Obwohl der Autorinnenname sehr ins Auge fällt, ist der Titel gut in Szene gesetzt. Die Coverszene unterstreicht den düsteren Eindruck. „Unbarmherzig“ erfüllt nicht die hochgeschnellten Erwartungen, trumpft aber mit historischem Bezug und berührenden Schicksalen auf. Die ausschlaggebenden Fäden sind gut gesponnen, entfalten aber nicht das Potential.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.06.2019
Stadtnomaden
Horsten, Christina;Zeltner, Felix

Stadtnomaden


sehr gut

„Stadtnomaden – Wie wir in New York eine Wohnung suchten und ein neues Leben fanden“ ist das Buch zu einem ungewöhnlichen Umzugsprojekt und New York-Abenteuer von den Journalisten Christina Horsten und Felix Zeltner.

„Am Anfang war es eine absurde Idee, aus der Not geboren: Weil uns der verrückteste Mietmarkt der Welt zu Nomaden gemacht hat, wollen Felix und ich mit Emma durch New York ziehen, jeden Monat in eine neue Wohnung in einem neuen Stadtviertel. Es wird ein Achterbahnjahr, in dem wir die Stadt, ihre Menschen und uns selbst völlig neu kennenlernen.“

Abwechselnd erzählen Christina und Felix von ihrer Wohnreise, Schwierigkeiten und Glücksmomenten, von Tiefpunkten und überraschenden Auswegen. Eine Familie, ein Experiment, die 2jährige Emma mittendrin. Der Rausschmiss aus der Traumwohnung wird zum Geschenk. Ein Neuanfang in der eigenen Stadt und eine Liste mit Wunschvierteln auf einem Bierdeckel. Mut und Ausdauer werden belohnt, kurzfristige Verzweiflung weggewischt. Christina und Felix lassen ihr Achterbahnjahr Revue passieren und nehmen den Leser mit. Das Besondere sind die Begegnungen, Freundschaften, die entstehen, Retter in der Not, die im letzten Moment weiterhelfen. Jede einzelne Station, jedes Stadtviertel verströmt durch ihre Beschreibungen seinen eigenen Charakter. Sie geben ihre Erfahrungen und Ausflugs- und Restauranttipps von Freunden weiter. Zeitweise überwiegt zu sehr das Immobilienthema. Sympathisch ist die Idee der Neighborhood-Dinner mit Bekannten und Fremden. Die zwei unterschiedlichen Erzählstile und Schwerpunkte sorgen für Abwechslung. Jedes Stadtviertel hat Unikate parat, vom Immobilienmillionär bis zum Büchersammler. Viele kleine Mosaik-Geschichten in einer Großen machen den Charme des Abenteuers aus. Vorurteile und Klischees werden ausgeräumt. „Offen bleiben und sich selbst vor Ort ein Bild machen, nicht nach Hörensagen urteilen, sondern allem selbst eine Chance geben – so banal und selbstverständlich das klingt, so sehr macht es doch den entscheidenden Unterschied, wie mir die Bronx noch mal in aller Deutlichkeit vor Augen führt.“ Fotos machen die Wohnsituationen und wechselnden Zuhause ein bisschen greifbar. Ein schönes Plus ist die Karte mit den einzelnen Reisestationen am Ende. Das, in eine Handvoll Lektionen, eingebettete Fazit und die Auflösung mit den neuesten vier Wänden bilden ein gelungenes Ende und zugleich einen neuen Anfang.

Titel, Untertitel und Coverszene wecken die Neugierde. Aus einer Schnapsidee wird ein Erfolgsprojekt. Besonders zum Schluss werden die sehr interessanten Wohnreise-Stationen zu schnell abgehandelt. Gerne hätte es ein paar Seiten mehr sein können. „Stadtnomaden – Wie wir in New York eine Wohnung suchten und ein neues Leben fanden“ macht Mut und Lust darauf, eigene Ideen umzusetzen und sich viel mehr aus der Komfortzone zu wagen. Das Abenteuer liegt manchmal so nah.

Bewertung vom 02.06.2019
Löwenzahnkind / Charlie Lager Bd.1
Bengtsdotter, Lina

Löwenzahnkind / Charlie Lager Bd.1


sehr gut

„Löwenzahnkind“ bildet den Auftakt zur Charlie Lager-Thrillerreihe von Autorin Lina Bengtsdotter. Ein Netz aus Lügen und die Wahrheit, die hinter allem lauert, bringt Charlie an ihre Grenzen.

In einer Kleinstadt in Westschweden, Gullspång, wird die 17jährige Annabelle Roos vermisst. Kommissarin Charlie Lager wollte nie wieder in ihren Heimatort zurückkehren. Der mysteriöse Fall zwingt sie dazu, sich den Schatten ihrer Vergangenheit zu stellen.

Wenige Zeilen ermöglichen einen Einblick in eine schicksalhafte Nacht. Der intensive Einstieg stimmt auf eine packende Geschichte ein. Die Aufteilung des Thrillers verstärkt die Atmosphäre. Was steckt hinter Annabelles Verschwinden? Drei Handlungsstränge, drei Geschehnisse. Mit „Jener Nacht“ kehrt der Leser immer wieder zu Annabelle zurück. Jedes Puzzlestück ein Teil des Schreckens, das folgt. Für Charlie werden die Ermittlungen und die Rückkehr an einen besonderen Ort zur Herausforderung. Das Team Charlie und Anders überzeugt, auch wenn er hinter ihr in den Hintergrund rückt. Anders ist ein bisschen wie ein Ruhepol im Sturm. Welches Geheimnis hat Charlie zu verbergen? Ihre Schwächen und ihre taffe Art verleihen ihr Persönlichkeit. Charlie kann ihrer guten Intuition vertrauen. Wer lügt, wer verschweigt etwas? Mit jedem Stück Wahrheit, was aufgedeckt wird, kommt der Thriller mehr und mehr in Fahrt. Die Schachfiguren, die sich auf dem Schachbrett verteilen, scheinen alle Gewicht zu haben. Strategie und Irreführungen sind gelungen. Der Erzählstil ermöglicht viel Nähe zum charismatischen Opfer. Dadurch wirkt die dunkle Seite des Thrillers sehr real. Das zentrale Thema „Drogen“ in unterschiedlicher Form, der Leichtsinn der Jugendlichen und die Ausweglosigkeit berühren. Im letzten Buchdrittel wird der Thriller etwas zu schnell teilweise durchschaubar. Ein Paukenschlag wendet das Blatt. Effektvoll inszeniert! Offen bleibt bis auf den letzten Metern Annabells Schicksal. Zum Schluss werden Möglichkeiten verschenkt. Ein paar Seiten mehr und die Geschichte hätte runder gewirkt. Nicht so recht passen und überzeugend aufgehen will einer der Handlungsstränge. Der Eindruck von einer Person war ein anderer. Ein kleines Manko bei einem Fast-Gänsehaut-Thriller.

Der Titel ist sehr kreativ und perfekt in Szene gesetzt. Auch die Cover-Details passen gut zum Inhalt. Der Vorabhype um das Buch verspricht nicht zu viel. „Löwenzahnkind“ fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Eine andere Wende am Ende des Thrillers hätte noch einen drauf gesetzt. Die hohen Erwartungen an das Debüt werden trotzdem erfüllt. Sehr empfehlenswert für alle Thriller- und Krimifans.

Bewertung vom 29.05.2019
Die stille Tochter / Kommissar Tommy Bergmann Bd.4
Sveen, Gard

Die stille Tochter / Kommissar Tommy Bergmann Bd.4


gut

„Die stille Tochter“ ist Band 4 der Kommissar Tommy Bergmann-Thrillerreihe von Autor Gard Sveen. Der erste Band der Serie „Der letzte Pilger“ wurde u.a. mit dem skandinavischen Krimipreis „Glass Key Award 2014“ ausgezeichnet.

Vor 34 Jahren ist die ehemalige DDR-Bürgerin und KGB-Agentin Christel Heinze verschwunden. Ihr Schicksal ist bis heute ungeklärt. Ein Angler entdeckt eine Leiche. Handelt es sich um die Vermisste? Kommissar Tommy Bergmann erhält einen Auftrag gegen alle Gesetze und sticht mit seinen Alleingängen in ein Wespennest.

Der Thriller pendelt zwischen Vergangenheit und Heute. Gleich beim ersten Kapitel wird das Ende nur angedeutet und bleibt offen. Kann eine brenzlige Situation entschärft werden? Interessant sind auch die Rückblicke in Christel Heinzes Leben. Eine Begegnung verändert alles. Wer wurde ihr zum Verhängnis? Von Anfang an wirken Zusammenhänge und das Verwirrspiel kompliziert. Gleich mehrere undurchsichtige Charaktere setzen nach und nach Spekulationen in Gang. Wer verfolgt welchen Plan? Warum musste Christel sterben? Das Damals ist leichter zu verfolgen als das Heute. Es geht um Macht, Geheimnisse, Liebe, Lügen, Verrat. Das Gespinst aus Geheimdienst und Spionage erschwert den Überblick. Ein gefährlicher Gegner bleibt im Dunkeln. Nach dem ersten Kapitel bleibt die Spannung über lange Strecken eher auf niedrigem Niveau. Erst als Tommy Steine in den Weg geworfen werden und er bei seinen Ermittlungen mehr und mehr auf sich allein gestellt ist, nimmt der Thriller an Fahrt auf. „Es wäre sicher das Beste, den verfluchten Fall loszuwerden. Das alles war ein schreckliches Labyrinth, und er war sich nicht mal sicher, ob er den Eingang gefunden hatte. Geschweige denn den Weg zum Ausgang.“ Christels Schicksal fesselt mehr als das Verwirrspiel. Nicht nur sie fungiert als Schlüsselfigur sondern auch der ominöse Unbekannte. Mit den Emotionen zum Schluss und einem überraschenden Auftritt berührt die Vergangenheit. Die Auflösung zu den Hintergründen ist keine große Überraschung. Gut gewählt ist Norwegen als Hauptkulisse. Die kalte, düstere Jahreszeit passt zur Geschichte.

Der Titel weckt die Neugierde, bezieht sich aber zu wenig auf den Kern der Geschichte. Der schwarze Hintergrund und die Grauschattierungen in der weißen Schrift unterstreichen das Thriller-Genre. Auffällig ist ein Fehler im Klappentext. Arvid Storholt ist nicht Christel Heinzes große Liebe. „Die stille Tochter“ erfüllt nicht ganz die hochgeschnellten Erwartungen. Mehr packende Szenen und Wendungen wären drin gewesen. Trotzdem ein unterhaltsamer Thriller. Zu viele Lesepausen lassen einen den Überblick verlieren.

Bewertung vom 20.05.2019
Im Freibad
Page, Libby

Im Freibad


ausgezeichnet

„Im Freibad“ ist der Debütroman von Autorin Libby Page. Eine Begegnung und ein besonderer Treffpunkt ändern Kates Leben.

Kate, Journalistin beim Brixton Chronicle, ist weder beruflich noch privat glücklich und fühlt sich sehr einsam. Für die Zeitung soll sie über die drohende Schließung des Brockwell-Freibads schreiben und lernt die begeisterte Schwimmerin Rosemary kennen. Die 86jährige steckt mit Lebensfreude und Kampfgeist Kate an. Gemeinsam versuchen sie, das Freibad zu retten.

Der Alltag in Brixton und eine zufällige Begegnung lassen Atmosphäre aufkommen. Rosemary hat ein feines Gespür für ihr Gegenüber und erkennt bald Kates schlechte Verfassung. Kates Einsamkeit inmitten von Menschen wirkt sehr bedrückend. Keine Freunde, kein Heimat- und Zuhausegefühl. Niemand ahnt, wie es in Kate aussieht. Das aktuelle Thema „Vereinsamung in einer großen Stadt“ wird berührend umgesetzt. Dank Rosemary und einer kniffeligen Aufgabe ändert sich alles in Kates Leben. Herzerwärmend, ihrer Wandlung zu zuschauen. Rosemary ist eine sympathische, rebellische Schlüssel- und Hauptfigur. Ihre Erinnerungen ermöglichen Rückblicke in glückliche Zeiten mit ihrer großen Liebe George. Die beiden haben den Schalk im Nacken und lassen sich von Verboten nicht abschrecken. Das Freibad als Zentrum wichtiger Geschehnisse ist ein ungewöhnlicher und doch so alltäglicher Handlungsort. Ein bisschen erinnert die Geschichte an die Filmkomödie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ mit Hugh Grant. Sympathische Nebenfiguren wie Frank und Jermaine untermalen den Unterhaltungswert. Immer mehr Freunde und Bekannte beteiligen sich an der Mission „Freibad“-Rettung. Originelle Ideen fließen ein. Rückschläge und Herausforderungen schweißen Kate und Rosemary zusammen. Es geht um Freundschaft, Zusammenhalt, Liebe und einen offenen Blick auf Umfeld, Chancen und Möglichkeiten. Das Ende lässt sich erahnen. Der Charme der Geschichte hallt noch lange nach. Das „Nachwort der Autorin“ bildet einen informativen und krönenden Abschluss.

Cover und Titel setzen den Inhalt passend in Szene. Sehr gut gewählt sind Details und Farben. Trotz der gelungenen Gestaltung überrascht der Inhalt. „Im Freibad“ ist eine Ode an das Freibad und das Schwimmen, aber auch an eine schicksalhafte Freundschaft und alle Rosemarys und Kates der Welt. Der Roman macht Mut und regt zum Nachdenken an.