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Benutzername: 
Renken
Wohnort: 
Worpswede

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 17.09.2017
Kreuzschnitt / Bogart Bull Bd.1
Borge, Øistein

Kreuzschnitt / Bogart Bull Bd.1


ausgezeichnet

Norwegenkrimi mit Tiefgang und authentischen Charakteren

Sehr geschickt verbindet Øistein Borge in seinem Debütroman "Kreuzschnitt" ein dunkles Kapitel der Vergangenheit mit einem Mord in der Gegenwart. Der Reiz dieses Krimis liegt aber auch in der Tiefe der Handlung und in den authentischen Charakteren.

Zum Inhalt:
Der Norweger Unternehmer Axel Krogh wird ermordet in seiner Villa in Südfrankreich aufgefunden. Bogart Bull, ein Kommissar der Osloer Kriminalpolizei wird von seiner Chefin zu Europol versetzt. Seine Aufgabe ist die Unterstützung der örtlichen Ermittlungen in Frankreich in diesem Mordfall. Bull selbst hatte ca. ein Jahr zuvor seine Frau und seine Tochter bei einem scheren Verkehrsunfall verloren und blüht in dieser Mordermittlung förmlich auf.
Alle Zeugen, die zum Mordzeitpunkt in der Villa wohnten, haben ein wasserdichtes Alibi und der Täter hat keine Spuren hinterlassen. Einziger Anhaltspunkt ist ein fehlendes Gemälde, der einzige Gegenstand, der entwendet wurde. Bulls Ermittlungen führen ihn zu einem grausamen, ungesühnten Verbrechen in der Vergangenheit.

Mein Eindruck:
Auf dem Buchrücken wird das Buch mit einem Zitat von Aftenposten, Oslo beworben: "Ein komplexes, spannendes Debüt" heißt es dort.
Diesen Worten kann ich mich nur anschließen. Die Geschichte ist durchaus komplex. Da sie aber nie kompliziert wird, kann man ihr trotzdem mühelos folgen. Es gibt im Wesentlichen einen aufregenden Handlungsstrang in der Vergangenheit und einen weiteren in der Gegenwart, der sich mit Bulls Ermittlungen beschäftigt. Beide sind gleichermaßen spannend und fügen sich erst in der zweiten Hälfte langsam zusammen. Die wirkliche Auflösung findet aber erst auf den allerletzten Seiten statt. Dabei werden selbst kleine Puzzleteile aus dem Verlauf des Buches berücksichtigt und geben im Großen und Ganzen ihren Sinn preis.
Die Charaktere sind schön gezeichnet. Sie bekommen zügig ein tieferes Bild, was mir besonders gut gefallen hat. Bulls persönlicher Hintergrund ist durch den Verlust seiner Familie geprägt. Natürlich leidet er, stürzt ab, kommt aber stark und konzentriert aus seinem Tief wieder heraus. Dieses Dilemma belastet die Geschichte aber nicht über Gebühr, sondern wird im Wesentlichen nur einleitend angeführt. Bull ist im Endeffekt ein ehrgeiziger, von seiner Aufgabe angetriebener Ermittler mit hoher Auffassungsgabe. Nur in ruhigen Momenten hadert er mit seinen eigenen Problemen. Es macht Spaß ihn als Ermittler und als Menschen auf seiner Südfrankreichreise zu begleiten.
Auch die weiteren Charaktere, die in dieser Geschichte eine Rolle spielen, bekommen ein ausgeprägteres Bild und sind dabei sehr authentisch und glaubwürdig. Handlung und Charaktere empfand ich als realistisch und bildhaft. Beide greifen sehr passend ineinander. Auf diese Weise konnte ich tief in diesen Krimi eintauchen.
Die Zusammenarbeit mit der französischen Polizei ist nicht von einem Kompetenzgerangel oder gegenseitigem Misstrauen geprägt, wie man es leider schon öfter lesen musste. Hier ist genau das Gegenteil der Fall. Es entwickelt sich schnell eine tiefere Vertrauensebene und Freundschaft zwischen Bull und seinem französischem Pendant Jean Moulin.
Der Schreibstil von Øistein Borge hat mir gut gefallen. Er ist ein klein wenig anspruchsvoller als in vielen anderen Büchern, bleibt aber immer gut lesbar. Alle Beschreibungen bleiben nachvollziehbar und verständlich.

Fazit:
Ein rundum gelungener skandinavischer Krimi mit Tiefgang, der sowohl den Ermittler Bull - als auch den Leser - vor ein scheinbar unlösbares Rätsel stellt.

Bewertung vom 08.09.2017
Unter Wasser hört dich niemand schreien
DeBoard, Paula Treick

Unter Wasser hört dich niemand schreien


sehr gut

Konfrontiert mit der verbotenen Liebe, die keine ist

Vom Klappentext angezogen, war ich doch etwas erstaunt, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt hat. Ein lebloses Mädchen im Pool verspricht eigentlich Polizei oder Detektive; auf jeden Fall aber so etwas wie Ermittlungsarbeit. Das Buch „Unter Wasser hört dich niemand schreien“ von Paula Treik DeBoard kommt ganz ohne diese Klassiker aus und kann trotzdem eine anregende und spannende Geschichte liefern.

Zum Inhalt:
Liz McGinnises zieht mit ihrem Mann und ihrer 14-jährigen Tochter Danielle nach „The Palms“, einem luxuriösem Wohngebiet für die Reichen und Schönen dieser Welt. Phil hat dort einen Job als Community Relations Specialist der Immobilienfirma bekommen, die The Palms betreibt. Seine Aufgabe besteht darin, die Wünsche und den Ärger der Bewohner aufzunehmen bzw. sie zu beruhigen. Liz fühlt sich in dieser äußerst exquisiten Gesellschaft sichtlich nicht wohl. Die Leute dort sind eben von einem anderen Schlag als sie selbst. Dennoch organisiert sie für ihre Tochter ein Treffen mit anderen Mädchen aus der Nachbarschaft. Danielle freundet sich daraufhin mit Kelsey und Hannah an.
Eines Tages treibt Kelsey leblos im Pool der Familie McGinnises.

Mein Eindruck:
Statt einer Polizei- oder Detektivgeschichte erwartet den Leser eine eher eine psychologische ausgerichtete Geschichte. Sie wird aus den Perspektiven von Liz und Phil erzählt und decken nach und nach die Hintergründe der leblosen Kelsey im Pool auf. Die Spannung wird durch immer neue Situationen, Gedankengänge und Ängste kontinuierlich weiterentwickelt. Die Beschreibung von "The Palms" und deren Bewohnern ist extrem gut gelungen. Auf der einen Seite wünscht man sich diesen Luxus, auf der anderen Seite merkt man auch schnell, dass man wie Liz dort eigentlich doch nicht so gerne leben möchte. Die Sorgen und Nöte der Bewohner sind eben nicht die gleichen, wie bei uns Normalverdienern. Vom Schreibstil ist das Buch angenehm zu lesen. Gedanken, Gefühle und Handlungen werden präzise und sehr nachvollziehbar beschrieben.

Es ist leider nicht möglich, diesen Eindruck weiter zu schreiben, ohne ein klein wenig zu spoilern. Wer sich überraschen lassen möchte, sollte bei dieser Rezension jetzt abbrechen und zum Buch greifen.

Besonders beeindruckend ist die nicht stattfindende Liebesgeschichte zwischen der 15-jährigen Kelsey und Phil. Kelsey sucht den Kontakt und versucht Phil dazu zu bringen, sich auf sie einzulassen. Phil aber zweifelt zu Recht und verhält sich daher zunehmend abweisend ihr gegenüber. Kelseys Handeln und ihre Reaktionen darauf sind beeindruckend beschrieben und bilden schließlich auch den Kern der Geschichte. Phils Ängste, dass man ihm eine Beziehung zu einer 15-jährigen unterstellen könnte, bringen ihn in eine für ihn schier ausweglose Situation. Darunter beginnt sehr bald die gesamte Familie zu leiden, denn auch Liz merkt sehr schnell, dass mit Phil etwas nicht stimmt. Zudem wird ihre Tochter Danielle plötzlich erwachsen und befindet sich in der „Abnabelungsphase“. Für großartige Konfliktmöglichkeiten ist also gesorgt.
Das Zusammenspiel von Phil, Liz und Kelsey ist ein hervorragend konstruiertes Handlungs- und Spannungsnetz, dass großes Potential besitzt. Es wird dabei in erster Linie mit den Ängsten und Befürchtungen der Hauptpersonen gespielt. Letztlich fehlte mir in dieser Geschichte aber leider noch der allerletzte Funke, um mich ganz tief in ihren Bann zu ziehen. Mir kommt die Geschichte etwas zu „runter erzählt“ vor, wobei mir im Schreibstil das besondere Etwas fehlt, obwohl er insgesamt sehr gut und angenehm zu lesen ist.

Fazit:
Ein etwas anderer Thriller mit einer sehr unterhaltsamen und bedrohlich erscheinenden Familiengeschichte.

Bewertung vom 31.08.2017
Stalker
Voss, Louise;Edwards, Mark

Stalker


sehr gut

Kranke Liebe aus ganz gegensätzlichen Perspektiven

Stalking muss schrecklich sein. In dem Thriller "STALKER" von Louise Voss und Mark Edwards schlüpft man sowohl in die Rolle des Opfers, als auch in die des Täters. Daraus ergibt sich eine sehr eindringliche und spannende Gegenüberstellung von Gedanken, Gefühlen und Erklärungen beider Seiten, die unterschiedlicher nicht sein können.

Zum Inhalt:
Alex Parkinson schreibt sich in einem Schreibkurs ein und verliebt sich prompt in seine Lehrerin Siobhan. Allerdings wird seine Liebe nicht erwidert und entwickelt sich schnell in eine gesunde Richtung. Nach einem Korb interessiert er sich noch mehr für Siobhan. Er meint, dass sie füreinander bestimmt sind. An seinem Arbeitsplatz, einem großen Versandhandel, organisiert Alex sich auf eine illegale Weise Siobhans Adresse und Kontaktdaten. Es dauert also nicht lange, bis er vor ihrem Haus steht und sie beobachtet. Durch einen Zufall gelingt es ihm sogar, sich in ihre Wohnung umzuschauen und einen Blick auf ihr Tagebuch zu erhaschen. Alle seine Bemühungen und teuren Geschenke, scheinen jedoch nicht erfolgreich zu sein.
Alex Liebe bleibt dabei nicht ohne Folgen. Er ist unkonzentriert, macht Fehler und verliert am Ende sogar seinen Job. Eines Tages liegt eine Mitschülerin aus dem Schreibkurz tot vor ihrem Haus und Alex kennt die Hintergründe ihres Todes.

Mein Eindruck:
Es fällt sofort ins Auge, dass die Geschichte aus der jeweiligen Perspektive von Alex und Siobhan und noch dazu in sehr angenehmer Tagebuchform geschrieben ist, was die Eindrücke und Gefühle unverblümt und mitreißend darstellt. Einige Ereignisse in den Tagebüchern überschneiden sich für den Leser, was die extrem unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Hauptdarsteller sehr beeindruckend ans Licht bringt.
Siobhan, das Stalkingopfer dieser Geschichte, hat mit unterschiedlichen Gefühlen zu kämpfen, steckt sie doch auch gerade in einer Art Lebenskrise und hatte sich kurz zuvor von ihrem Partner getrennt. Diese Gefühle reichen dabei von Interesse bis hin zu echter Panik. Alex hingegen rechtfertigt sein wissentlich falsches Handeln durch teilweise wirre Erklärungen. Gerade diese Gedankengänge konnten mich ganz besonderes faszinieren, teilweise haben sie mich aber auch irritiert.
Durch unterschiedliche Ereignisse, Gedanken und Handlungen der beiden Charaktere bleibt die Geschichte durchgängig spannend. Dabei ist sie durch den Tagebuchstil einfach und flüssig zu lesen. Es gelingt den Autoren, die Gedanken des Opfers und des Täters verständlich darzustellen.
Das Buch ist in zwei Teile unterteilt. Mit Beginn des zweiten Teils vollzieht sich eine Wendung, die ich keinesfalls erwartet habe. Ich brauchte einige Seiten, um diese Entwicklung zu verdauen. Am Ende aber, werte ich diese Wendung eher positiv, da ich genau hier die Grundidee der Geschichte vermute. Allerdings wird der zweite Teil dabei leider etwas vorhersehbar.

Fazit:
Das Thema Stalking und die Gedanken, die dahinter stecken, werden nahezu perfekt beschrieben und in eine durchaus über das gesamte Buch vorhandene Spannung umgesetzt. Wer in den Kopf eines Stalker eintauchen möchte, muss dieses Buch lesen.

Bewertung vom 28.08.2017
Marthas Widerstand
Drewery, Kerry

Marthas Widerstand


sehr gut

Todesurteil per Anruf oder SMS

Stell Dir vor das Rechtssystem wird verändert. Es gibt keine Gerichte mehr und niemanden interessieren Beweise oder Indizien. In "Marthas Widerstand" von Kerry Drewery (ONE Verlag) urteilen Zuschauer der TV-Sendung "Death is Justice" über Leben und Tot der Angeklagten.

Zum Inhalt:

Die 16-jährige Martha Honeydew wird festgenommen. Sie hält ein Waffe in der Hand und ruft. "Ich war's". Neben ihr liegt erschossen ein einflussreicher und bekannter Mann, der sich als Wohltäter einen Namen gemacht hat. Martha kommt als Mörderin in ein besonderes Gefängnis. Jeden Tag werden die Zellen gewechselt, die jeden Tag kleiner, dunkler und enger werden. Über Marthas Schuld oder Unschuld und damit über ihr Leben oder ihren Tod entscheiden die TV-Zuschauer in einem Fernsehvoting per Anruf, SMS oder Website. Nur sieben Tage bleiben Martha bis zu ihrer Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl.
Die psychologische Betreuerin Eve ist die einzige Person, die mit Martha reden darf. Eve hat allerdings die Vermutung, dass Martha unschuldig ist und die Schuld für jemanden anderen auf sich nimmt. Es beginn ein Wettlauf mit der Zeit, um Martha vor ihrem tödlichen Schicksal zu bewahren.

Mein Eindruck:

Kerry Drewery entwickelt in diesem Thriller für junge Erwachsene ein düsteres und in höchstem Maße ungerechten Rechtssystem. Ähnlich wie in realen und überall bekannten Casting Shows wird in dieser Geschichte über das Schicksal der Beschuldigten gerichtet. "Senden Sie STERBEN oder LEBEN an 7997" lässt die Zuschauern zu Richtern und Henkern gleichermaßen werden. Wäre dies nicht schon schlimm genug, gibt es keinerlei fachliche Kontrolle. Alle Gerichte wurden abgeschafft, Beweise oder Indizen, Zeugen... All das spielt keine Rolle mehr und das Fernsehen manipuliert die Zuschauern nach Belieben. Eine Situation die mich nach Abschluss des Buches noch sehr beschäftigt.
Die Darstellung der Geschehnisse erfolgt in kleinen Abschnitten, jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven. So gewährt die Autorin Einblicke in die Gefühle und auch Ängste der generell sehr starken Sechszehnjährigen, deren Tod unmittelbar bevorsteht. Nach und nach fügt sich die Vorgeschichte mittels Rückblenden zusammen und es entwickelt sich unter anderem auch ein aussichtsloser Kampf gegen das System.
Die besonders starken Charaktere Martha und Eve haben mich begeistert. Sie erscheinen mir tatsächlich wie normale Menschen, die plötzlich in eine Situation geraten, die niemand gewollt hat. Beide nehmen eine Entwicklung, die mir sehr gefallen hat und diese Charaktere sehr sympathisch macht.
Die Handlung und damit die Spannung schreitet mit jedem Tag und jeder Stunde in den Todeszellen stetig voran. Es ist eine Geschichte, die man nur schwer zur Seite legen mag.
Einige Kleinigkeiten, bzw. offene Fragen aus den Lesegeschehen sind mir leider offen geblieben und das Ende erscheint mir etwas zu konstruiert, was der Geschichte insgesamt aber nur einen kleinen Dämpfer gibt. Unter Umständen ist dies auch einem zwingenden Abschluss dieses Bandes geschuldet, um auf den Folgeband (es sollen wohl eine Trilogie werden) vorzubereiten.

Fazit:

"Marthas Widerstand" hat mich allein schon durch die beängstigende Entwicklung von Justiz und Fernsehunterhaltung und deren beeindruckende Beschreibung begeistert.

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