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Schmiesen

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Bewertung vom 01.07.2017
Stell dir vor, dass ich dich liebe
Niven, Jennifer

Stell dir vor, dass ich dich liebe


gut

"Ich denke, wie wunderbar die Welt wäre, wenn alle überall tanzen würden."

Libby Strout ist dick. Und zwar nicht nur ein wenig pummelig, sondern wirklich fettleibig. Mehrere Monate lang konnte sie aufgrund ihres Körperumfangs das Haus nicht verlassen. Nun steht ihr erster regulärer Schultag in der elften Klasse der Highschool an. An derselben Schule, die auch Jack besucht. Er verbirgt vor allen ein belastendes Geheimnis: Er ist gesichtsblind, d.h. er kann Menschen nicht anhand ihrer Gesichter erkennen - nicht einmal die, die er liebt. Diese zwei außergewöhnlichen Charaktere treffen in "Stell dir vor, dass ich dich liebe" aufeinander.

Natürlich entspannt sich hier eine Liebesgeschichte. Nichts anderes erwartet der Leser. Doch leider driftet diese, gerade zum Ende hin, viel zu sehr ins Klischeehafte ab. Konstruierte Konflikte erzeugen vermeintlich Spannung, obwohl das bei solchen fantastischen Charakteren gar nicht notwendig gewesen wäre. Das Happy End bleibt vorherzusehen.


Was das Ganze jedoch rettet und eigentlich die vollen 5 Sterne verdienen würde, sind die bezaubernden Protagonisten. Libby ist einfach unglaublich. Geschichten von Mobbing im Zusammenhang mit Körpergewicht kennt wohl jeder aus dem echten Leben. In "Stell dir vor, dass ich dich liebe" werden diese Situationen so realistisch nachgezeichnet, dass es manchmal wehtut. Doch Libby verfällt nicht in die Rolle des Opfers. Sie ist stark, ungebrochen trotz des Verlustes ihrer Mutter und der schrecklichen Anfeindungen, die sie ertragen muss. Und sie liebt es zu tanzen. Sie zeigt es der ganzen Schule, findet Freunde und die Liebe, und nichts davon hat mit ihrem Gewicht zu tun, sondern einfach mit ihr. Sie ist wichtig, sie ist erwünscht, sie ist geliebt. Diese Message war wahnsinnig stark und authentisch vermittelt.


Auch Jack ist ein liebevoll gezeichneter Charakter. Seine Krankheit ist gar nicht so selten, wie man annehmen könnte, und das ist ein weiterer spannender Aspekt des Buches: Man erfährt sehr viel über Prosopagnosie. Wie Jack damit umgeht, kann ich allerdings teilweise nicht nachvollziehen. Er ist einfach sehr unsicher, hat Angst und gibt sich deshalb in der Schule als besonders cool aus. Dass er allerdings nicht einmal seine Eltern oder seine Brüder erkennen kann, macht ihm sehr zu schaffen. Und so erlebt man Jacks innere Entwicklung, seinen Kampf, sein Leiden. Es ist der Autorin überraschend gut gelungen, Jacks Weltsicht zu vermitteln. Ich bin froh, mehr über diese Thematik gelernt zu haben.


So ist "Stell dir vor, dass ich dich liebe" eine nette Jugendromanze, hinter der zwei faszinierende Charaktere stehen, die eigentlich mehr verdient hätten. Daher gut gemeinte 3 von 5 Sternchen.

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