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schreibtrieb

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Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 26.04.2017
Lieben muss man unfrisiert
Kegele, Nadine

Lieben muss man unfrisiert


sehr gut

Lieben muss man unfrisiert gibt Berichte von Frauen wieder. Wie sie ihr Leben rückblickend und aktuell bewerten. Was sie erlebt haben, aber auch wie ihre Stellung als Frau ist. Ein sehr wichtiges Thema also und ich wünsche mir, dass mehr Menschen – egal welchen Geschlechts – sich damit befassen.
Die Aufzeichnungen, die Nadine Kegele hier liefert, unterliegen keiner höheren Ordnung. Sie sind weder alphabetisch noch zeitlich geordnet. Und das ist auch gut so. Eine zeitliche Einteilung käme einer Chronik gleich und keiner Bestandsaufnahme. Der Eindruck entstünde, hier würde eine Entwicklung aufgezeigt. So war das Frauenbild – so ist es heute. Doch – und das zeigt dieses Buch wunderbar – es gibt nicht DAS Frauenbild. Es gibt Elemente und Zuschreibungen, Vorurteile und Umstände, die Faktoren für die Vorstellung der Frau sind. Und doch gibt es in diesem Buch lediglich parallelen zwischen den einzelnen befragten Frauen – keine Überschneidungen.
Außerdem, und auch diesen Umstand liebe ich hier, sind die Gesprächsteilnehmerinnen so großartig divers. Migrantinnen und Emigrantinnen, Traditionelle und Konservative, Junge und Alte, Weiße und Schwarze, Mütter, Großmütter, Alleinstehende, Lesbische, Transgender, Queer. Statt nur zu fragen, wie Frauen heute leben, fragt das Buch hier auch was eigentlich eine Frau ausmacht. Auch zieht Nadine Kegele dabei durch die verschiedenen sozialen Schichten. Von der Anwältin zur Putzfrau, von der Tänzerin zur Wissenschaftlerin, von der Schülerin zur Architektin. Das öffnet die Augen und zeigt die eigene Begrenztheit der Erfahrungen auf.
Geradezu erschütternd ist, wenn die einen vom Kampf gegen das Patriachat reden, vom Wunsch nach Gleichberechtigung, der freien Entfaltung des eigenen Seins – und die anderen gerade diese Regeln als Gottgegeben aufzeigen. Auch hier arbeitet das Buch fesselnd. Indem es diese Meinungen lediglich präsentiert, aber nicht gegeneinander aufwiegt, schafft es einen Vergleich zu ermöglichen, ohne selbst zu werden. Generell nimmt die Fragestellerin sich in den Aufzeichnungen so gut es geht heraus. Lediglich das von den Befragen Gesagte ist abgetippt. Zu behaupten, dadurch wäre ein objektiver Blick gewährleistet ist aber fatal. Nur weil sie „herausgeschnitten“ ist, heißt das nicht, dass sie keine Fragen gestellt hat. Das zeigt sich in den Antworten, wenn direkt auf Nachfragen zu Berufsaussichten, Ungerechtigkeiten, Erfahrungen eingegangen wird.
Hier zeigt sich, dass die Intention des Buches doch klar ist, Missstände aufzuzeigen. Gehaltsunterschiede zwischen Männer und Frauen werden genauso angesprochen wie Probleme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bildung, Aussehen, Diskriminierungen kommen zu Sprache. Aber eben aus so vielen Perspektiven und teilweise auch mit Kritik an dem Konzept des Buches selbst, dass ich wirklich erstaunt, beeindruckt, erschreckt und begeistert zugleich war. Gerade durch diesen vielseitigen Blick wird für mich jedenfalls die Zuschreibung „Frau“ offener und weiter. Gleichzeitig bin ich geradezu entsetzt, wie viele Belästigungen hier zur Sprache kommen, Übergriffe, Gewalt, Anfeindungen.
Wie prägend die Einteilung in Frau und Mann ist – in all ihren Einzelheiten – ist kaum fassbar. Aber dieses Buch bietet zumindest auf der einen Seite und in sehr vielen Facetten einen guten Ansatz, um es herauszufinden.

Bewertung vom 29.03.2017
Liebe ist wie Drachensteigen
Blake, Ashley Herring

Liebe ist wie Drachensteigen


ausgezeichnet

Hadleys Welt steht Kopf, seit sie erfahren hat, dass ihr Vater fremd gegangen ist. Ihre Mutter verschanzt sich auf der Arbeit, der Umzug war auch nicht gerade hilfreich und obwohl Hadleys Vater die Familie nicht verlassen hat, fühlt sie sich ihm so fremd. Dann trifft sie auf Sam, der sie nur zu gut versteht. Seine Eltern sind frisch geschieden und er versucht mit allen Mitteln, seine kleine Schwester zu schützen. Hadley und Sam verbindet zuerst ein Geheimnis und dann etwas, was eigentlich unmöglich erscheint und was beide verwirrt. Echte Gefühle.
Ich habe das Buch angefangen und konnte nicht mehr aufhören. Die Geschichte ist packend vom ersten Wort an. Der Leser wird direkt reingeschmissen in die zerstörten Welten von Sam und Hadley, leidet mit und erkennt sofort, dass beide im Grunde verzweifelt nach einem Halt suchen. Die Handlung fokussiert abwechselnd Hadley und Sam und sorgt so schnell dafür, dass der Leser mehr weiß, als die Figuren. Dennoch habe ich bis zum letzten Wort mitgefiebert. Vielleicht gerade deshalb, denn zusammen erfahren die beiden eine so umwerfende Dynamik, dass alles logisch erscheint und alles überraschend ist. Großartig.
Wirklich begeistert haben mich die intertextuellen Verweise. Das Buch zeichnet eine Mischung aus Romeo und Julia und Viel Lärm um nichts nach und geht doch seinen eigenen Weg. Die Verfeindung ist eine frische und wird mit viel Schmerz und Empathie dargestellt. Viele Figuren begehen schwerwiegende Fehler in Liebe ist wie Drachensteigen, doch auf eine wunderbare Art und Weise schafft Ashley Herring Blake es, diesen Fehlern Tiefe zu verleihen. Hier ist nichts platt, sondern alles von einer zauberhaften Psychologisierung durchzogen. Jeder Charakter wird plastisch, jede Handlung begründet. Gut und Böse, Richtig und Falsch verschwimmen dabei nicht unbedingt, sondern werden durch Blickwinkel erweitert. Auch wer Falsches tut hat Gründe, die alles in einem anderen Licht erstrahlen lassen. Erkenntnis, Vergebung, Trauer, Überwindung. Eine Mischung, die packt.
Sam und Hadley sind dann auch beide keine Figuren, die ohne Tadel bestehen. Beide versuchen mit ihrem Schmerz umzugehen und verletzen dabei andere. Dabei kreisen sie unentwegt umeinander. Ein tragisches Verwirrspiel und die Frage, ob es in der Ausweglosigkeit der Situation Hoffnung geben darf lassen Liebe ist wie Drachensteigen geradezu philosophisch wirken. Auf grandiose Weise werden unterschiedliche Wege präsentiert. Und obwohl dabei der Rahmen einen vorhersehbaren Weg geht, überraschen die Figurenentwicklungen wie die Verschiebungen innerhalb des Romans.
Falls ihr es bis hierhin noch nicht verstanden habt: Ich liebe dieses Buch. Lest es! Lest es, denn es ist zeitlos. Es packt die Urstoffe von Rache, Liebe, Einsamkeit und formt darauf eine so wundervolle Geschichte, dass ich ohne Einschränkung behaupten kann: Es ist eine der besten, die ich je kennengelernt habe!

Bewertung vom 24.03.2017
John F. Kennedy
Corey, Shana

John F. Kennedy


sehr gut

John Fitzgerald Kennedy kommt aus einer reichen Familie, genießt eine gute Bildung. Als Kind ist er kränklich, liest viel. Vom Vater geplant ist dagegen, dass Johns großer Bruder eines Tages Präsident wird. Doch im zweiten Weltkrieg ändert sich alles. John geht in die Politik, ist beliebt und erkennt in der Diskriminierung von Schwarzen ein großes Problem. Dagegen will er kämpfen, es ist Zeit zu handeln.
Zuerst möchte ich die tollen Zeichnungen loben. Sie sind nach meiner Meinung genau im richtigen Maß detailliert. Da das Buch eher zum Selbstlesen als zum Vorlesen geeignet ist, sind die Zeichnungen ergänzender Schmuck, unterstützen den Text, stehlen ihm aber auch nicht die Show. Gerade die Gesichtszüge sind sehr nah an den realen Figuren dran und liefern das Gefühl von Historizität. Das wird durch direkte Zitate von J.F.K. unterstütz, die groß gedruckt immer wieder eine Seite füllen.
Sehr schön fand ich aber auch den Text. Biografisch in der Kindheit einzusteigen erzeugt natürlich eine Nähe zum jungen Leser. Die lesende Figur im Buch und das lesende Kind mit dem Buch in der Hand – ein wunderbares Bild. Gekonnt schafft es Zeit zu handeln Kennedys Lebensstationen aufzuzeigen und zu umrahmen, wie aus dem kränklichen Kind ein beliebter Präsident werden konnte. Im eigentlichen Fokus steht aber eher die Bürgerrechtsbewegung und wie Kennedy dazu stand.
Die Gefahr, J.F.K. zu überzeichnen geht das Buch dabei nicht ein. Es zeigt, dass Kennedy gezaudert hat, Angst hatte und lange gewartet hat, ehe er sein Versprechen von der Verbesserung der Bürgerrechte eingehalten hat. Wenn ich daneben die heutige Ist-Situation stelle, zeigt sich schnell, dass damit nicht alles Mögliche und Nötige getan ist. Dennoch porträtiert das Buch über Kennedys Biografie den Kampf um die Bürgerrechte recht gut.
Da John F. Kennedy: Zeit zu handeln aber ein Kinderbuch ist, dass sich am besten selbst liest, wird es heute Zeit, meinen Sohn zu Wort kommen zu lassen. Keule ist 8 (fast 9) und umstandsbedingt ein großer Bücherfreund. Ich hatte erst Angst, dass eine Biografie mit deutlichem Sachbuchcharakter nichts für ihn ist. Immerhin geht es durchaus um komplexe Probleme. Doch er war begeistert:
„Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Was mir aber nicht gefallen hat, was aber leider wahr ist, ist dass John F. Kennedy erschossen wurde. Er hat ja so viel Gutes gemacht. Ich fand es ganz toll, wie mutig die Leute waren. Schlecht finde ich, wie die Bürgerrechtler behandelt wurden. Jemanden zu verhaften, weil er einfach nur sitzt, verstehe ich nicht. Auch manche Zitate habe ich nicht verstanden, aber andere fand ich richtig cool.“

Bewertung vom 24.03.2017
Eine kurze Geschichte von Gehirn und Geist
Eckoldt, Matthias

Eine kurze Geschichte von Gehirn und Geist


ausgezeichnet

Angefangen bei den ersten Überlegungen zum Sitz der menschlichen Gedanken in der Antike bis zur modernen Überlegung, wie künstlich unser Gehirn ist und wie natürlich eine Maschine wirken kann geht das Buch die verschiedenen Stationen der Hirnforschung durch. Den Anfang machen Knochenfunde, die belegen, dass bereits in grauer Vorzeit Operationen an Kopf und Gehirn vorgenommen wurden, die von den Patienten überlebt wurden. Dabei galt der Kopf lange nicht als Sitz des Geistes. Die Sinneswahrnehmungen von Sehen, Hören, Schmecken wurden schnell dort lokalisiert – immerhin sitzen am Kopf praktischer Weise auch Mund, Ohren, Augen, Nase – das Denken selbst wurde unabhängig davon betrachtet.
Interessant war für mich, wie lange sich die Vorstellung einer gasförmigen Substanz hielt, die die „Seele“ oder den beseelten Geist beinhalten sollte. Dort glaubte man Denken und Fühlen. Durch die kirchlichen Normen geprägt, war die Abkehr dieser körperlichen Ausprägung der Seele so lange undenkbar, dass auch die, die sich schließlich über das Gesetzt hinwegsetzten und Leichen sezierten, mit dem Gehirn vor ihrer Nase nicht von der Idee abbringen ließen. Beeindruckend am Buch finde ich, wie wertfrei der Autor an die einzelnen Schritte der Geschichte herangeht. Die kirchlichen Doktrinen, die der Forschung lange im Weg standen – ihr vielleicht immer noch im Weg stehen – werden keiner modernen Kritik ausgesetzt. Es war eben so, Punkt. Diese Sicht macht es wesentlich einfacher, den Forschungen zu folgen, als eine Zusammenfassung, die jeweils die Umstände verteufelt, statt sich auf die Ergebnisse zu konzentrieren.
Elementar beim Verständnis von Gehirn und Geist, das macht der Autor immer wieder klar, ist die Technisierung, die immer wieder neue Metaphern für das hochkomplexe Gebilde unseres Gehirns liefert. Wie viel Elektrizität ins uns steckt, wie viel davon in Wirklichkeit Chemie ist, wie viel wir immer wieder überwerfen müssen, weil das bisher gedachte einfach falsch war. Staunend habe ich dieses Buch gelesen und war immer wieder beeindruckt. Von den Forschern, aber umso mehr von unserem Gehirn, unserem Wesen, das immer noch zu weiten Teilen im Dunkeln liegt, weil wir abermals an einem Punkt angelangt sind, an dem wir den aktuellen Grenzwert erreicht haben. Bis hierher und nicht weiter – jedenfalls momentan. Mit jedem weiteren Tag, jedem Fortschritt, jeder Entdeckung, jedem neuen Stück Technik kann sich auch sofort wieder die Vorstellung unseres Gehirns verändern. Vom Aufnahmepunkt der Sinneneindrücke bis zur Datenzentrale, dem Internetknotenpunkt unseres Körpers.
Beeindruckend fand ich auch, dass der Autor nicht etwa Biologe ist. Matthias Eckoldt hat Philosophie, Germanistik und Medientheorie studiert. Dennoch – oder gerade darum – findet er die richtigen Worte, um die komplexen Forschungsschritte so zu erklären, dass sie verständlich werden. Fehlen darf dabei dann auch nicht die Entdeckungen von Broca und Wernicke, die Germanistikstudenten wie Biologiestudenten zumindest einmal kennen gelernt haben sollten. Hier zeigt sich auch wie ausgefeilt unser Gehirn ist. Während Broca ein Areal lokalisierte, das für das Zustandebringen zusammenhängender Sätze, also die grammatikalische Einbettung – nicht aber für das Verstehen von Sprache und Worten – zuständig ist, entdeckte Wernicke einen Bereich, bei dessen Störung Sprache zwar noch reproduzierbar ist, aber ohne Sinn. Die Grammatik stimmt noch, aber die Worte ergeben keinen Sinn. Vielleicht ist es gerade die wissenschaftliche Herkunft des Autors geschuldet, dass andere, ebenso faszinierende Beispiele neurologischer Erkrankungen teilweise fehlen. Andererseits gibt es davon so viele, dass das Buch um gut 100 Seiten fülliger, das Ergebnis umso verwirrender würde. Als Fazit bleibt zu sagen. Eine kurze Geschichte von Gehirn und Geist ist eine sehr interessante Lektüre, die historische, biologische, philosophische und moderne Zugänge bietet und mich sehr in ihren Bann gezogen hat.

Bewertung vom 20.03.2017
Die Flammenreiter-Chroniken (eBook, ePUB)
Roth, Sara

Die Flammenreiter-Chroniken (eBook, ePUB)


weniger gut

Rayne Trevalis ist Meisterdiebin des Jadedrachen. Doch als sie einen magischen Kristall stehlen soll, wird sie selbst bestohlen. Der Kristall fällt in die Hände von Alec, der zu den Wandlern gehört. Doch auch denen wird der Stein gestohlen. Alec und Rayne müssen zusammenarbeiten, um den Stein zurück zu holen, und die Gefahr, die mit ihm verbunden ist, zu bannen. Dabei wird schnell klar, dass die beiden nicht einfach nur Geschäftspartner sein können.
Ich kann absolut nicht am Stil meckern. Sara Roth kann mit Wörtern umgehen und Spannungen aufbauen. Die Sprache ist definitiv nicht das Problem dieses Buches. Auch die Protagonistin Rayne ist durchaus mit einer Psychologisierung versehen, die ihre Handlungen glaubhaft macht und ihr Tiefe verleihen. Da der Leser hier auch immer wieder neue Entdeckungen macht, gibt es auch Entwicklung und Nähe wird erzeugt. Alec dagegen, der immerhin auch vom Erzähler fokussiert wird, ist da wesentlich eindimensionaler. Interessant ist immerhin, dass Rayne innerhalb der Flammenreiter-Chroniken eher als Vernunftsperson zu betrachte ist und Alec sehr animalisch und emotional reagiert.
Die ist auch bitter nötig, denn oft habe ich verwirrt auf die Seiten gestarrt und gedacht, da stimmt doch was nicht. Zum einen ist Rayne als Diebin des Jadedrachen mit fantastischen Geschöpfen unterwegs. Drachen – wenn auch meist in ihrer menschlichen Form – Vampire, Magier, Wandler. Nun ist es ab er so, dass immer wieder gesagt wird, wie selten diese Wesen sind, dass sie sich darum sammeln, versuchen unentdeckt zu bleiben und diese Verschwiegenheit sehr wichtig ist. Und im nächsten Moment erfährt der Leser, dass Raynes bester Freund ein Vodoo-Magier ist, den sie aber schon länger kennt, als sie in für den Jadedrachen arbeitet. Als wäre dieser „Zufall“ nicht genug, hatte sie auch eine Beziehung mit einem Vampir, ehe sie zur Meisterdiebin wurde. Scheinbar können die mystischen Wesen also gar nicht so abgeschieden und für sich sein, wenn Rayne schon ihr Leben lang mit ihnen zu tun hat – ohne selbst aus ihren Kreisen zu stammen.
Was mich aber noch mehr aufregt – und da habe ich wirklich wild auf dem kindle rumgedrückt, weil ich dachte, da wären Seiten übersprungen worden – ist der abrupte Wechsel in die Erotik. Immer wieder. Mal von den üblichen nervenden Besitzansprüchen des männlichen Gegenparts zu Rayne, Alec, abgesehen, der sie einfach unbedingt und vom ersten Moment an bespringen will, versteht der Roman nicht, erotische Momente einzusetzen. Er knallt sie dem Leser vielmehr vor die Nase. Eben noch gab es einen wilden Kampf, die Figuren wären fast drauf gegangen, sind verletzt und geschockt. Und im nächsten Augenblick rollen sie verzückt auf dem Boden und reißen sich gegenseitig Kleider vom Leib. Das ist weder im Roman selbst stimmig, noch stimmungsvoll für den Leser.
Die Flammenreiter-Chroniken lassen Raum für eine Fortsetzung, viele Fäden hängen in der Luft. Nach der Lektüre bin ich auf den Abschluss aber gar nicht so wild.

Bewertung vom 14.03.2017
Er trat aus den Schatten / Léon & Claire Bd.1
Schweikert, Ulrike

Er trat aus den Schatten / Léon & Claire Bd.1


weniger gut

Claire ist frisch aus Amerika nach Paris gezogen und lebt sich gerade in ihrer neuen Schulklasse ein, als sie Léon trifft. Immer wieder taucht er als ihr Retter auf, wird ihr geheimer Beschützer Und bald beginnt Claire Gefühle zu entwickeln, die sie verwirren. Doch Léon hat seine Geheimnisse. Er dient dem Schatten und lebt unter Paris, wo er Kräfte entwickelt hat, die undenkbar scheinen.
Ja, ich hatte Probleme in das Buch hinein zu kommen. Lange habe ich überlegt, woran das lag. Die Grundidee ist sehr gut und lange habe ich gedacht, die Geschichte würde ohne fantastisches Element auskommen – was ihre Mystik nur verstärkt hätte. Dann aber ist von Magie die Rede. Irgendwie sticht sich das mit dem nüchternen Stil. Die Autorin legt Wert auf Details und gerade im Bereich des Magischen wird es schwammig. Der auktoriale Erzähler lässt den Leser im Unklaren. Dass ist nur dann kein Problem, wenn der Leser eintauchen kann und selber aufklärt.
Hier aber hatte ich die ganze Zeit eine ermüdende Distanz. Zu den Figuren, zur Handlung, zu allem. Identifikation Fehlanzeige. Mitgerissen werden konnte ich nicht. Die Spannung war so aufgesetzt, dass sie mich nicht packen konnte. Im Gegenteil. Sie blieb schwach und fand noch nicht einmal im Höhepunkt einen Reiz, der mich ansatzweise hätte versöhnen können. Immerhin war ich von der Handlung schon einiges gewohnt. Der schnell monoton erscheinende Zyklus zwischen Schule und Unterwelt wirkt vor allem künstlich. Zwanghaft wird eine Verbindung zwischen Claire und Léon erzeugt, die alles andere als glaubhaft wirkt. Und das gilt auch für andere Bereiche.
Denn leider sind auch die Figuren nicht authentisch. Stereotype werden abgearbeitet, wie der reiche Bengel, der glaubt, alles zu bekommen, oder die zickige Anführerin der Mädchen. Auch um das Klischee „Ich bring dich in Gefahr, bleib weg von mir“ und der dazu passenden weltfremden Naivität kommt Léon & Claire nicht herum. Die Charaktere – und leider auch die Protagonisten – bleiben Abziehbildchen. Das fesselt nicht, das langweilt schnell.
Claire beispielsweise agiert nie wirklich eigenständig. Sie lässt sich vom erstbesten Klassenkameraden einlullen, folgt, erträgt, wartet. Das hält sie bis auf wenige Ausnahmen die ganzen 480 Seiten durch, während Léon als männlicher Part natürlich agiert und trotz Anweisungen dem eigenen Weg folgt. Wer hier Held und wer Opfer ist, ist eindeutig. Und es bedient lahme Geschlechterklischees vom ersten Satz an.
Wirklich gestelzt ist aber die Sprache. Jugendliche werden hier mit einem ausgefeilten, hochtrabenden Vokabular ausgestattet und auch in den Familien ist das Sprachniveau nie alltäglich, sondern immer professionell. Selbst die Drogenabhängigen im Untergrund drücken sich absolut gepflegt aus. Dadurch wirkt der gesamte Roman wie eine Nacherzählung. Eine innere Zerrissenheit, Anspannung oder Konflikt suchte ich vergeblich.

Bewertung vom 10.03.2017
The Sleeping Prince - Tödlicher Fluch
Salisbury, Melinda

The Sleeping Prince - Tödlicher Fluch


ausgezeichnet

Errin kämpft ums Überleben. Seit ihr Bruder verschwunden und ihre Mutter krank ist, kümmert sich das Mädchen um die Versorgung des Hauses und das Zahlen der Miete. Dafür braut die junge Herbalistin verbotene Tränke und verkauft sie. Beispielsweise an Silas, dessen Gesicht sie nicht kennt. Doch Errins Mutter ist nicht einfach nur krank und Silas kein normaler Kunde. Als ihre Geheimnisse aufgedeckt werden, bleibt Errin nur noch eine Möglichkeit. Die Flucht. Denn der schlafende Prinz ist aufgewacht und zieht eine blutige Spur durchs Land. Ein Spur, die geradewegs auf Errin zuläuft.
Errin ist nicht Twylla, die Protagonistin des ersten Bandes, die herausgefunden hat, dass der schlafende Prinz geweckt wurde. Dennoch steht sich von Anfang an mir ihr in gewisser Weise in Verbindung. Zum einen weil sie Liefs Schwester ist. Zum anderen stellt sie eine Spiegelung der anderen Hauptfigur nach. Währen Twylla als gottgleiche Daunen ins Schloss geholt wurde und den Prinzen heiraten sollte, ist Errin in einer glücklichen Kindheit großgeworden, die jäh endete, als ihr Vater starb. Eine weitere Verbindung ist der Druck, der auf beiden Frauen lastet, durch die jeweilige Mutter. Was sie aber schließlich zusammenbringen muss, ist die Tatsache, dass der schlafende Prinz sie beide sucht.
So kommt es, dass Twylla (und andere Figuren, die wir aus dem ersten Band kennen) als Nebenfigur wieder auftaucht. Dieser neue Blick auf die einstige Ich-Erzählerin vertieft ihre Figur ungemein. Dem Selbstbild zieht sich ein Fremdbild hinzu. Auch der Blick auf andere Charaktere wird durch die neue Perspektive erweitert. Nicht zuletzt weiß der Leser auch durch Liefs Erzählungen im ersten Teil ein paar rudimentäre Dinge über Errin.
Doch der Roman hat noch weit mehr geniale Tricks auf Lager. War im ersten Teil die Dreiecksbeziehung elementar für den Identitätskonflikt Twyllas, ist die Konstellation bei Errin eine ganz andere. Auch hier bahnt sich eine Liebesbeziehung an, die immer wieder abgewürgt wird. Doch nicht durch die fast schon typischen „Wir können nicht zusammen sein“-Anekdoten. Tatsächlich gibt es auch hier eine Entwicklung, die Varianten zeigt und die Figuren dennoch näher bringt. Näher bringt die Geschichte auch die Legende des schlafenden Prinzen und ihren eigentlichen Ursprung. Diese Dechiffrierung des Mythos geschieht schrittweise und weitet den Blick des Lesers gekonnt. Der gesamte Rahmen wird gleichzeitig tiefer und gewinnt an Kontur.
Dabei verlier sich The Sleeping Prince nicht in der Weiterführung der Handlungsstränge des ersten Teils, sondern gibt dazu nur die Häppchen, die Errin erfährt. Die Spannung steigt und erzeugt, trotz rundem Abschluss, ein Warten auf den dritten Teil. Sehr gefreut habe ich mich dabei über die Kontingenz des Romans hinsichtlich seines Anfangs und Endes. Was ich meine, müsst ihr schon selbst nachlesen, doch genau dieser innere Zusammenhalt ist es, der The Sleeping Prince zu einem Roman macht, der im Rahmen der Reihe gelesen werden kann – aber nicht muss. Und das ist wirklich bewundernswert.