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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
oOoLeoOo
Wohnort: 
Münster

Bewertungen

Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2022
Beifang
Simons, Martin

Beifang


sehr gut

In "Beifang" ist ein Mann auf der Suche nach seiner Familiengeschichte. Bislang hat er nur eine vage Vorstellung davon, wie sein Vater und dessen Geschwister aufwuchsen, da sein Vater wenig über die Vergangenheit redet. Da er selbst gerade im beruflichen Stillstand und einer aussichtslosen Affäre verharrt, also nichts besseres zu tun hat, macht er sich auf den Weg seine Verwandtschaft abzuklappern um mehr zu erfahren.
So richtig viel kann er nicht herausfinden, doch er findet mehr Gemeinsamkeiten und Sympathie mit seiner Verwandtschaft als er zunächst angenommen hat und schließ so etwas wie Verständnis für das Schweigen seines Vaters.
Der Schreibstil des Buches wirkte auf mich teilweise ungeordnet und verworren, es gab z.B. Schachtelsätze die eine halbe Seite eingenommen haben, das erschwerte mitunter das Lesen spiegelte sogleich aber auch die Verworrenheit der Familiengeschichte wieder.
Ich denke das Thema betrifft viele Familien, dass Dinge des lieben Friedens Willen totgeschwiegen werden oder einfach, weil man den Bezug zur nächsten Generation verloren hat. Das Buch hat einem keine Lösung für das Problem geboten aber zumindest auf den Elefanten im Raum aufmerksam gemacht und zum Nachdenken und vielleicht auch mehr Nachfragen angeregt.

Bewertung vom 13.07.2022
Lightseekers
Kayode, Femi

Lightseekers


sehr gut

Spannender Fall: Ein Psychologe als Ermittler
Ein kenianischer Psychologe kommt zurück in seine Heimat. Dort soll er einen Mordfall untersuchen bei dem drei Studenten von einer Menschenmenge umgebracht werden. Die Hintergründe sind unklar, angeblich resultierte die Tat aus den allgemeinen Spannungen zwischen Studenten und Bewohnern der Stadt, doch der Vater eines der Opfer will das nicht glauben und bittet Philip Taiwo, den Fall zu untersuchen, da dieser Studien zu ähnlichen Fällen betrieben hat. Philip übernimmt den Fall und stößt dabei auf viel Misstrauen, viele Lügen, wenig Kooperationsbereitschaft und Korruption. Außerdem kriselt es in seiner Ehe und er muss seine neue alte Heimat erst wieder neu kennenlernen mit allen Gepflogenheiten und Sitten.
Ein tolles Buch über die Suchen des Lebens: der Heimatsuche, der Sinnsuche in der Arbeit und der Suche nach Gerechtigkeit. Eine teils frustrierenden aber auch sehr spannende Geschichte mit sehr passendem Titel. Philip sucht das Licht im Dunkeln, hinter all dem Schweigen, der Korruption und den Verwirrungen der Beziehungen und Vorkommnissen.

Bewertung vom 09.07.2022
Kreiseziehen
Shipstead, Maggie

Kreiseziehen


sehr gut

Zweigleisig fahren ist auch bei Büchern nicht das Beste

Das Buch erzählt die Geschichte eines Mädchens, das Anfang/Mitte des 30. Jahrhunderts Fliegen lernen möchte. Dazu lässt Marian sich auf dubiose Geschäfte und einen zweifelhaften Mann ein mit dem sie schließlich in eine unglückliche Ehe gerät, denn ihr Mann möchte sie vom Fliegen fernhalten und ist auch sonst nicht der Einfühlsamste. Auf bildreiche Art und Weise entführt die Autorin den Leser in die damalige Zeit und entfacht in einem die Euphorie fürs Fliegen.
Parallel fließt bruchstückhaft das Leben einer Schauspielerin (Hadley) aus dem Jetzt ein, die die Rolle von Marian als Schauspielerin in einem Film spielen soll. Beim Lesen fand ich diese Abschnitte jedoch wenig interessant und für das Buch nicht bereichernd. Es hätte mir vollkommen gereicht und wahrscheinlich noch besser gefallen, wenn man sich auf die Geschichte von Marian fokussiert hätte.
Alles in allem fand ich die Geschichte, gerade um Marian herum, sehr belebend. Man hat das Buch gern immer wieder zur Hand genommen, wollte wissen wie es weitergeht, welche Abenteuer und Freiheiten Marian sich erkämpft hat und ob sie am Ende den Flugversuch um die Erde schafft.

Bewertung vom 09.07.2022
Die Familie
Krupitsky, Naomi

Die Familie


sehr gut

Zwei Mädchen wachsen in einer sizilianischen Familienbande auf. Sie werden groß mit den Geheimnissen, der augenscheinlichen Macht der Väter und der Ahnung von Angst und Gewalt. Als Kinder sind sie unzertrennlich. Eine ist die Tochter des Bosses, der anderen wird schon früh der Vater genommen. Und nachdem sie während des Heranwachsens beide mit ihrem Leben und ihrer Verstrickung in der Familie hadern, heiraten sie letztendlich doch Mitglieder der Bande und können diesem Leben nicht mehr entfliehen.
Eine spannende Geschichte a la "die Sopranos", jedoch aus Sicht der Frauen und ihren Rollen in dem System der Familienbanden.
Der Schreibstil ist sehr flüssig und ermöglicht einem sich gut einzufühlen,auch die Figuren wirken überwiegend authentisch, ihre Entscheidungen und Handlungen jedoch ab und zu nicht.
Das Ende hat mich leider nicht überzeugt, da es eher der Beginn einer noch viel größeren Geschichte bedeutet, die mehr Fragen als Antworten aufwirft. Von daher konnte ich persönlich nicht gut mit der Geschichte abschließen und hätte gerne noch weiter gelesen, das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass mich das Buch bis dahin in seinen Bann gezogen hat und sehr fesselnd war.

Bewertung vom 15.05.2022
Amelia
Burns, Anna

Amelia


ausgezeichnet

pur und mit Tiefe

Eine Geschichte über eine ziemlich verrückte Familie in der Gewalt und sehr merkwürdige Szenen an der Tagesordnung zu sein scheinen und trotzdem ein gewisser Zusammenhalt herrscht, sobald eine "Bedrohung" von außen auftritt.
Man wird in einen Strudel dramatischer Umstände und Ereignisse hineingezogen, dabei versteht die Autorin es jedoch so gut wie jede Beklemmung und Mitleid, die beim Lesen aufkommen könnten in eine beobachtende und schicksalsergebene Haltung zu verwandeln. Man muss sogar ziemlich oft schmunzeln, denn in fast Allem schwingt eine zweite Ebene und gewisse Komik mit.

Der Erzählstil hat mir unglaublich gut gefallen. Die Gefühle und Gedanken der Personen kamen sehr gut und oft mit viel Witz und/oder Tiefe rüber ohne Mitleid zu erheischen.
Besonders anrührend aber auch komisch waren die Erzählungen aus Sicht des Kindes:
Zum Beispiel das völlige Erstaunen des Kindes darüber, wie jemand seinen Vater so herrisch anreden kann, ob dieser jemand denn nicht wüsste wer und wie ihr Vater sei und Zack kriegt dieser jemand eins über den Latz gezogen.
Herrlich humorvoll werden auch gesellschaftliche Themen hinterfragt und kritisiert:
Im Verlauf von Amelias Geschichte hat Amelia z.B. einen rassistischen und frauenfeindlichen Freund, der sich haltlos in einer Grübelei verliert, ob es denn nun eigentlich schlimmer sei eine weiße Frau oder ein schwarzer Mann zu sein.

Ein energischer Roman, der viele Themen mit eindrucksvoller Tiefe behandelt: Familienpatriarchat, Gewalt, gesellschaftliche und politische Unruhen, psychische Krankheiten und vieles mehr. Trotz der ernsten Themen fesselt einen die Geschichte bis zum Schluss und eigentlich möchte man Amelia noch ein Stück weiter auf ihrem Weg begleiten.

Bewertung vom 09.04.2022
Singe ich, tanzen die Berge
Solà, Irene

Singe ich, tanzen die Berge


ausgezeichnet

Gewaltig und umwerfend schön

Ich bin noch ganz überwältigt von dem Roman. Etwas in derartiger Form habe ich noch nie gelesen. Es werden einem als Leser*in tausend neue Perspektive dargelegt. Solà erzählt mal aus Sicht von Mensch, dann aus Sicht von Toten oder Ungeborenen, aus Sicht von Hunden, Bären und Rehkitzen oder aus Sicht von Gebirgen, Pilzen und Gewitterwolken. Man wird in die Kapitel hineingesogen. Jedes Kapitel ist neu gedacht und meistens so ausdrucksstark und fesselnd, dass es für sich allein als Kurzgeschichte stehen kann. Poesie und Prosa reichen sich die Hände und aus jeder Zeile sprüht die kreative Energie der Autorin oder hast du dir etwa schon mal Gedanken darüber gemacht, was sich eine Gewitterwolke so denken mag?
Die Schönheit der Worte und Sätze ist umwerfend, als wenn man einer Komposition aus Glück lauscht.

Bewertung vom 04.04.2022
RABBITS. Spiel um dein Leben
Miles, Terry

RABBITS. Spiel um dein Leben


ausgezeichnet

Ein Thriller, wie ich ihn bislang noch nicht gelesen habe. Es geht um das Spiel Rabbits, dieses Spiel spielt sich im realen Leben ab. Man muss Auffälligkeiten in seiner Umgebung registrieren und in diesen Diskrepanzen versteckte Hinweise finden um weiterzukommen. Es geht um alles: einen riesigen Gewinn oder den Tod. Immer mehr Menschen verschwinden auf unerklärliche Weise während des Spiels, es scheint etwas nicht zu stimmen, irgendwas ist anders als in den letzten Spielrunden. K (der Hauptprotagonist) ist gebannt von Rabbits und steckt viel tiefer drin als er ursprünglich geplant hat...
Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Es ist thematisch ganz anders als alle bisher gelesenen Thriller. Es hat mich ein wenig an die Serien "Alice in Borderland" oder "Squid Game" erinnert, allerdings in sehr viel gewaltfreierer und geheimnisvollerer Weise. Teilweise fließen Elemente von Paranormalem und Sci-Fi ein. Eigentlich bin ich gar kein Fan von allzu Unrealistischem aber in diesem Fall hat mich die Vorstellung von mehreren Dimensionen gecatcht. Da am Ende doch noch einige Fragen offen bleiben, hätte die Geschichte durchaus Potenzial für einen zweiten Band.

Bewertung vom 26.03.2022
Bergers unverhoffte Reise
Walker, Hans

Bergers unverhoffte Reise


weniger gut

Der Roman handelt von Max Berger, einem jungen Studenten, der als Hauslehrer mit Anne und ihren beiden Kindern auf eine mehrwöchige Schiffsreise nach Asien aufbricht. An Bord sind außerdem einige weitere Passagiere. Der Roman konnte mich leider nicht überzeugen, da mir der Unterhaltungswert und auch ein roter Faden gefehlt haben. Über 2/3 des Buches passiert quasi rein gar nichts, dramatisches Highlight bis hierhin ist vermutlich, dass Max der verheirateten Anne den Rücken massiert hat und die Tochter dies gesehen hat.
Die Figuren sind unstet, man gewinnt kein klares Bild von ihnen, so wird zu Anfang bspw. betont, dass Max kein Interesse an festen Beziehungen zu Frauen oder gar Kindern hat, dann steht er aber doch irgendwie auf Anne, dann wieder auf eine andere Passagierin, am nächsten Tag wieder auf Anne und eigentlich sind Kinder ja auch doch nicht so schlimm.
Viele der Figuren sind schlicht überflüssig und dienen nur für höchst merkwürdige Dialoge oder sollte man lieber Monologe sagen? Man trifft sich bspw. auf dem Deck, hat angeblich schon lange darauf gewartet mit dem anderen ins Gespräch zu kommen um dann monologartig einen Teil seiner Lebens-/Krankengeschichte zu erzählen und sich ohne Weiterentwicklung des Gesprächs schlagartig mit Verweis auf die fortgeschrittene Stunde zu verabschieden.
Man wird von langweiligen Details geradezu gequält, der Butler zählt z.B. jede erdenkliche Frühstückseispezialität auf, immer wieder wiederholen sich Phrasen: dauernd schreckt wer aus seinen Gedanken auf oder wacht orientierungslos in seinem Bett auf.
Ich konnte dem Buch leider nicht viel abgewinnen, sowohl inhaltlich als auch erzählerisch und für die Figuren, konnte ich für mich leider kein Gefallen entwickeln.

Bewertung vom 24.03.2022
Die Singuläre Frau
Kullmann, Katja

Die Singuläre Frau


ausgezeichnet

Eine Ovation an die Sing(u)l(är)e Frau

In diesem Essay, ihrem 5. Buch, widmet Katja Kullmann der alleinstehenden Frau ein Buch voller Witz, Scharfsinn und Wiedererkennungsmomenten und gibt ihr einen neuen Namen: „die singuläre Frau“. Unabhängig, missachtet, oft ärmer als der Durchschnitt aber auch zufriedener und in den meisten Fälle überhaupt nicht einsam, so beschreibt sie die singuläre Frau heutzutage. Mit vielen Quellenbelägen schreibt sie über die Entstehung des Phänomens der alleinstehenden Frau und über ihren Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft. Es geht ihr dabei nicht um die Verteufelung des Mannes sondern um eine kritische Haltung gegen die gesellschaftliche Erwartung, dass nur eine vergebene Frau eine glückliche (und in manchen Auffassungen auch vollwertige) Frau sein kann. Nachdem man dieses Buch gelesen hat sollte jedem klar sein, dass es in den meisten Fällen kein Grund dazu gibt, die Singles im Bekanntenkreis mit der Monsterfrage, wie Frau Kullman sie taufte, „Wieso bist du nicht verheiratet?“ zu belästigen. Frau Kullmann schlägt als Antwort die Gegenfrage „Wieso bist du nicht schlank?“ vor oder alternativ, an eine Pärchen gerichtet und mit viel Erstaunen vorgetragen: „Was mich die ganze Zeit schon interessiert, ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nah, aber: Sind Sie fest zusammen? Ehrlich? Wie kommt das denn? Das passt gar nicht zu Ihnen. Was glauben Sie denn woran es liegt? Man wird ja wohl noch fragen dürfen, wer wird denn gleich einschnappen?“
Empfehlenswert für alle Singles, die doch ab und zu mit dem Singledasein hadern, wenn auch nur auf Grund der gesellschaftlichen Erwartungen und nicht aus sich selbst heraus, sowie für alle Männer die glauben, sie wären ein Must-Have für jede Frau.

Bewertung vom 05.03.2022
Unser wirkliches Leben
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


ausgezeichnet

Fesselnder Roman über ein Leben als Sängerin, Freundin und Affäre

Anna ist Aushilfsjobberin, beste Freundin und Mitbewohnerin aber vor allem ehrgeizige Opernsängerin in Ausbildung und Geliebte/ Affäre/ Beziehung eines Mannes. Was genau sie für diesen Mann und der Mann für sie ist, ist bis zur letzten Seite nicht so ganz einzuordnen.
Nachdem sie bislang zu 100% für ihre Ausbildung zur Opernsängerin gebrannt hat, den Proben dem Gesangsunterricht und den Auftritten mit dem dazugehörigen Lifestyle, rückt Max, nachdem sie ihn in einer Bar kennenlernt immer mehr in den Vordergrund ihrer Prioritäten.
Mit der Zeit sagt sie immer mehr Proben etc. ab um Zeit mit Max zu verbringen, sie zieht bei ihrer besten Freundin und Mitbewohnerin Laurie aus und lässt sich stattdessen eine eigene Wohnung von Max finanzieren. Laurie ist von dem Kerl und der ganzen Beziehung alles andere als angetan und tatsächlich ist Max‘ Einfluss auf Annas Leben nicht gerade positiv…
Mich hat der Roman komplett in seinen Bann gezogen. Man hat die ganze Zeit einen üblen Beigeschmack was Max‘ Intention und Gefühle angeht, aber man kann es nicht greifen. So wie die Opfer von Gaslighting kann man auch als Leser nicht sagen, ob man sich dieses Misstrauen gegen Max nur einredet, weil Laurie offen ihre Abneigung gegen ihn kundtut, weil er Anna ein paar mal zuviel unterstellt wie kindisch sie wäre, weil man das Gefühl hat, dass er sie kaufen möchte , finanziell abghängig machen und sozial isolieren will. All diese Motive könnte man aber auch für ihn auslegen: Laurie ist vielleicht einfach nur neidisch oder sieht alles durch eine pessimistisch-feministische Brille, er möchte Anna vielleicht nur vor Fehlern bewahren und finanziell unterstützen und sozial isolieren tut sie sich eigentlich ja selber, wie das halt normal ist, wenn man verliebt ist.
Sehr gut gefallen hat mir auch der Schreibstil. Durch das Weglassen von Anführungszeichen in der wörtlichen Rede, war der Text flüssiger lesbar, man ist nicht dauernd über die Zeichensetzung gestolpert, sondern die Erzählung ging ohne Stocken in den Dialog über und umgekehrt.
Absolute Empfehlung für diese Geschichte über eine Beziehung, die für die meisten Menschen wahrscheinlich näher an der Realität liegt und aus dem man auf jeden Fall mehr mitnehmen kann als aus den typisch kitschigen, aufpolierten Liebesromanen mit Happy End.