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Benutzername: 
Jo
Wohnort: 
Hagen

Bewertungen

Insgesamt 58 Bewertungen
Bewertung vom 02.07.2024
Dunkler Abgrund
Lillegraven, Ruth

Dunkler Abgrund


sehr gut

Ungewöhnlicher Thriller

Clara Lofthus ist eine ungewöhnliche Frau, taff, ehrgeizig und rücksichtslos, wenn es um ihre Ziele geht. Kurz nach dem Tod ihres Ehemanns wird sie norwegische Justizministerin, obwohl sie ihre beiden achtjährigen Söhne nun allein erziehen muss und wenig Hilfe von außen zulässt. Doch dann werden die beiden Jungen entführt und Claras Leben steht auf dem Kopf.
Das Buch wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, jeweils schildern die Beteiligten das Geschehen aus ihrer Sicht. Das ist auch für die Leser spannend, denn man bekommt unterschiedliche Einblicke und sieht manche Dinge plötzlich anders als im vorigen Kapitel. Ein geschickter Schachzug der Autorin!
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, denn es führt uns in die Vergangenheit zurück, zeigt aber auch, wie brutal ein Mensch unter der glatten Oberfläche sein kann.
Am Schluss hat es die Autorin etwas übertrieben mit dem retardierenden Moment und es zog sich zu lang hin, aber insgesamt fand ich es sehr gut geschrieben und sehr aufregend.
Die Vorgeschichte wurde übrigens in einem anderen Band erzählt (Tiefer Fjord), aber das Buch hatte ich nicht gelesen und kam mit diesem Buch trotzdem gut klar.

Bewertung vom 23.05.2024
Krähentage / Gruppe 4 ermittelt Bd.1
Cors, Benjamin

Krähentage / Gruppe 4 ermittelt Bd.1


sehr gut

Gruselig

Mit diesem Buch beginnt Benjamin Cors eine neue Reihe um das Ermittlerduo Jakob Krogh und Mila Weiss, die in einer ungenannten Stadt an der See ermitteln. Beide bringen eine geheimnisvolle Geschichte mit, die sich wahrscheinlich erst im Laufe der nächsten Bände aufklärt.
Der erste Fall hat es gleich in sich. Eine ältere Frau wurde ermordet, aber sie wunde nachweislich nach ihrem Tod noch gesehen. Wie kann das sein? Und dann spielen noch unheimliche Krähen eine Rolle und es bleibt nicht bei der einen Toten.
In diesem Buch weiß der Leser von Anfang an mehr als die Ermittler, denn immer wieder sind Geschehnisse um den Mörder eingeschoben. So ist man immer einen Schritt voraus.
Insgesamt fand ich das Buch gut geschrieben, allerdings gab es am Anfang eine Vielzahl von neuen Personen, die man erst einmal einordnen und entwirren musste. Das Buch ist bis zum Schluss sehr spannend, aber auch manchmal gruselig und unheimlich. Nichts für schwache Nerven!

Bewertung vom 27.04.2024
Die Zeit der Kinder
Riess, Lena

Die Zeit der Kinder


ausgezeichnet

Berührend

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, wie Kinder im 19. und teilweise auch noch im 20. Jahrhundert erzogen wurden. Sie galten als kleine Erwachsene und sollten zu den typisch preußischen Tugenden gedrillt werden, Gehorsam, Pünktlichkeit und Klappe halten... Erst Pestalozzi und später Friedrich Fröbel wollten dies ändern und den Bedürfnissen der Kinder nach Spiel und Freiheit mehr Raum geben.
Und Fröbel spielt auch eine der Hauptrollen in diesem Buch, aber im Mittelpunkt steht seine Mitarbeiterin und spätere Ehefrau Luise Levin. Sie ist in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und wird vom Hausmädchen zu Fröbels bester Mitarbeiterin, die viele der "Spielgaben" erfand oder verbesserte.
Das Buch schildert auf berührende Art und Weise ihren Weg zur anerkannten, aber heute leider vergessenen Partnerin, da geht es ihr wie so vielen Frauen der Zeit. Manchmal liest sich das Buch etwas sperrig, was aber der für uns gestelzt klingenden Sprache der damaligen Zeit geschuldet ist.
Insgesamt habe ich durch das Buch viel gelernt und konnte in eine längst vergangene Epoche eintauchen, eine Epoche von grausamen "Bewahranstalten", aber auch von neuen Ansätzen in der Pädagogik.
Kindergärten nach Fröbels Idee galten in Preußen sogar als staatsgefährdend und wurden verboten, das kann man sich kaum noch vorstellen. Heute sind sie in der ganzen Welt verbreitet und das wunderschöne Wort Kindergarten gibt es in vielen Sprachen. Daran hatte Luise Levin einen großen Anteil und es ist wichtig, dass solche mutigen und klugen Frauen nicht vergessen werden.

Bewertung vom 27.04.2024
Zuckerbrot
Balli, Kaur Jaswal

Zuckerbrot


gut

Kinderleben in Singapur

Zuerst einmal das Positive: Das Titelbild ist wirklich hübsch und ansprechend.
Weniger ansprechend fand ich den Inhalt des Buches, es hat mich nicht begeistert.
Die Geschichte der zehnjährigen Pin, die mit ihren Eltern in Singapur lebt und eine christliche Schule besucht, fand ich zäh und langatmig. Ihr Leben dreht sich um Schule, Freundinnen, Klamotten, Fußball und um Gott. Erst als die kranke Großmutter in die Wohnung zieht und Pin ihr Zimmer mit ihr teilen muss, brechen Konflikte auf, deren Grund in der Vergangenheit liegt. Ganz langsam erfährt man, was dahinter steckt und warum Pins Mutter und ihre Großmutter sich hassen.
Ein zehnjähriges Mädchen erlebt naturgemäß nicht so viele aufregende Dinge und damit ein Buch mit 350 Seiten füllen zu wollen ist gewagt. Pins Gedankenwelt blieb mir fremd und das ständige Kreisen um das Bild von Gott im Wohnzimmer war penetrant.
Natürlich erfährt man nebenbei noch viel über das Leben der Sikhs in Singapur, ihre religiösen Vorstellungen und Gebräuche. Aber das reichte für mich nicht, um das Buch interessanter zu machen.
Aber zum Schluss noch ein positiver Aspekt: Die Erklärung der Ausdrücke und Wörter am Schluss war sehr hilfreich.

Bewertung vom 04.04.2024
Die Frauen der Familie Carbonaro / Die Carbonaro-Saga Bd.2
Giordano, Mario

Die Frauen der Familie Carbonaro / Die Carbonaro-Saga Bd.2


sehr gut

Viele Jahre Familiengeschichte

Leider hatte ich den ersten Band der Familiengeschichte der Carbonaros aus Sizilien nicht gelesen, aber ich fand trotzdem schnell in das Buch hinein.
Die Hauptpersonen in diesem Band sind die Frauen Pina, Anna und Maria. Pina ist als Tochter eines grausamen Mafiabosses aufgewachsen und hat gegen alle Widerstände den armen Barnaba geheiratet, der mit Zitrusfrüchten handelt und in Deutschland eine zweite Heimat findet. Ihr Sohn Nino heiratet die Fischerstochter Anna, die eigentlich Sängerin werden will, sich aber den Wünschen ihres Mannes unterordnet und mit ihm nach München zieht. Maria ist ihre Tochter, sie kann neue Wege gehen. Das Buch beginnt um die Jahrhundertwende und endet in den 1960er Jahren.
Mir hat die Geschichte gut gefallen, die entführte mich in eine fremde Welt, in der die Männer das Sagen haben und die Frauen sich unterordnen müssen. Aber im Hintergrund können sie doch ihre Männer beeinflussen und auch manchmal erpressen. So erreichen sie einige ihrer Ziele, müssen aber auch viele Träume begraben.
Besonders gut hat mir die Beschreibung von Pinas Demenz gefallen, sie ist sehr realistisch und sehr einfühlsam.
Insgesamt ist das Buch gut zu lesen und nimmt einen mit auf eine Reise in eine untergegangene Welt.

Bewertung vom 16.03.2024
Der Lärm des Lebens
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens


sehr gut

Pottjugend

Jörg Hartmann kennt man aus vielen Fernsehproduktionen, vor allem als Kommissar Faber in den Tatort-Folgen aus Dortmund. Nun hat er seine Geschichte und die seiner Familie zu einer - ja, was denn? - Autobiografie? verarbeitet und das ist ein echtes Lesevergnügen.
Aufgewachsen ist Hartmann in Herdecke südlich von Dortmund, er ist also ein echtes Pottkind und bringt den rauen Charme des Ruhrgebiets auch in seinem Buch hervorragend rüber. Seine Familie besteht aus echten Typen, die mit ihrer Lebensklugheit und ihrem Humor alle Gefahren des Lebens mühelos umschiffen. Und das oft mit dem typischen Ruhrpottslang, hart, aber herzlich. Das Buch ist manchmal haarscharf am Klischee, aber oft auch herzerfrischend.
Eingestreut in die Kindheitsgeschichte sind Episoden aus Hartmanns Schauspielerleben, von seinem Traum an der legendären Schaubühne in Berlin zu spielen, von Problemen in der Coronazeit.
Das alles ist mal witzig, mal ernsthaft und immer gut geschrieben. Hartmann könnte mit seiner Weltsicht ein Bruder von Hape Kerkeling sein...
In der Figur des Faber scheint eine Menge Hartmann zu stecken, aber Hartmann ist noch viel mehr. Das erkennt man schnell in diesem lesenswerten Buch.

Bewertung vom 02.03.2024
Kantika
Graver, Elizabeth

Kantika


ausgezeichnet

Ein Frauenleben

Elizabeth Graver hat in Romanform das Leben ihrer Großmutter Rebecca Cohen aufgeschrieben, die als Jüdin in der Istanbuler Oberschicht aufwuchs und dann über Spanien und Kuba in die USA floh. Das Schicksal meinte es nicht immer gut mit ihr, sie verliert ihren Mann, muss ihre Kinder und ihre Eltern zurücklassen und heiratet schließlich den Witwer ihrer Jugendfreundin mit einer behinderten Tochter. Doch Rebecca ist erstaunlich stark und setzt sich immer wieder durch, trotz aller Trauer um die verlorene Vergangenheit.
Das Buch hat mich von Anfang an gefesselt. Elizabeth Graver versteht es die Leserinnen mitzunehmen und tief in das Schicksal der Frau eintauchen zu lassen. Ihre Nöte, ihre Einsamkeit, aber auch ihre innere Stärke werden sehr deutlich. Man bekommt einen Einblick in die unterschiedlichen Kulturen, an die sich Rebecca anpassen muss, und welche Kraft diese Anpassung kostet.
Ein sehr schönes Buch, das Hoffnung ausstrahlt und sehr gut zu lesen ist!

Bewertung vom 28.02.2024
Krummes Holz
Linhof, Julja

Krummes Holz


sehr gut

Einsamkeit in der Familie

Ich gebe zu, dass mir die Rezension dieses Buches schwer fällt.
Einerseits ist da diese wunderbare, präzise und unsentimentale Sprache, in der Julja Linhof Vorgänge und Emotionen beschreibt, dann aber auch wieder diese deprimierende, manchmal wirre Handlung, die es schwer macht, das Buch durchzulesen.
Jirka ist mit seiner Familie auf einem großen Bauernhof am Rande der Soester Börde aufgewachsen. Mit 14 Jahren kam er in ein Internat und hat seitdem sein Elternhaus nicht wiedergesehen. Obwohl seiner Schwester Malene das Leben auf dem Hof zu schwer wird und sie sich um die demente Großmutter und den gewalttätigen Vater kümmern muss, hat Jirka ihr nicht beigestanden. Mit 19 wagt er endlich den Schritt zurück und muss sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Dabei trifft er auch auf Leander, in den er damals heimlich verliebt war.
Das Buch ist so düster und manchmal erschütternd, dass ich manchmal kaum weiterlesen wollte. Es ist heiß, es ist trocken, aber die Herzen der Beteiligten sind kalt und verhärtet und sie bleiben stumm, wo sie dringend reden müssten. Und immer wieder fragt man sich, wo der Vater geblieben ist.
Einerseits hat mich das Buch fasziniert wegen der wunderschönen Sätze, dann aber auch wieder abgestoßen, weil es so hoffnungslos war.
Also ein sehr zwiespältiges Fazit!

Bewertung vom 17.02.2024
Die Spiele
Schmidt, Stephan

Die Spiele


sehr gut

Zwischen den Welten

Zwischen Mosambik und China pendelt dieser Politkrimi und damit auch zwischen zwei völlig unterschiedlichen Kulturen.
In Shanghai sollen die Olympischen Sommerspiele für das Jahr 2032 vergeben werden, beworben haben sich drei Städte in Europa und drei Städte in Afrika. Es wird ein hartes Rennen erwartet und die Bundeskanzlerin reist persönlich an, um für den europäischen Standort zu werben.
Doch dann liegt der mosambikanische IOC-Funktionär Charles Murandi tot in seinem Hotelzimmer. Ein Verdächtiger ist schnell gefunden, der deutsche Journalist Thomas Gärtner. Das deutsche Konsulat muss sich einschalten und schickt die junge Lena Hechfellner, um dem Mann beizustehen. Schon bald erfährt der Leser, dass sich die drei kannten und es entwickelt sich ein spannender Wettlauf zwischen den chinesischen Behörden und dem deutschen Konsulat, den die Deutschen nicht gewinnen können.
Man muss beim Lesen dieses Buches sehr aufmerksam bleiben, denn immer wieder wechseln Zeiten und Orte. Schon bald ahnt man, dass hinter dem Fall mehr steckt als die Suche nach Dokumenten, der Fall ist sehr raffiniert aufgebaut und spannend bis zum Schluss.
Man taucht tief in die chinesische Kultur ein, die sich zu einem für uns fast unerträglichen Überwachungsstaat entwickelt hat. Schnell merkt man, dass Stephan Schmidt diese Kultur gut kennt und dass er hervorragend recherchiert hat. Reale Personen wie Thomas Bach, Angela Merkel und andere machen das Buch zusätzlich interessant.
Insgesamt hat mich das Buch gefesselt und es ist sehr gut aufgebaut, aber anstrengend und nicht einfach "wegzulesen". Darauf muss man sich einlassen.

Bewertung vom 10.02.2024
Das Lächeln der Königin
Gerhold, Stefanie

Das Lächeln der Königin


sehr gut

Unbekannte Zeitgeschichte

Die Büste der Nofretete steht in Berlin, ja klar! Aber wie kam die ägyptische Königin ausgerechnet nach Deutschland? Und warum blieb sie nicht an ihrem Fundort in Ägypten? Dieses Buch liefert in Romanform Antworten auf diese Fragen.
James Simon ist ein sehr reicher Berliner Textilunternehmer, das Geld hat die jüdische Familie mit Baumwolle verdient. James wäre viel lieber Forscher geworden, aber der Vater erwartete von ihm, dass er in die Firma einstieg. Daher fördert James neben seinem Beruf Kunst und Kultur, baut aber auch Heime für Waisen und arme Menschen. Er unterstützt Ludwig Borchardt bei seinen Ausgrabungen in Ägypten und als Teil eines Fundes gelangt Nofretete in seinen Besitz.
Der Roman beruht auf Tatsachen, allerdings wird James Simon sehr idealisiert beschrieben. Sein Vermögen beruhte ja zu großen Teilen auf der Ausbeutung von Sklaven in den USA und auch in Ägypten wurden die Arbeiter kaum besser behandelt. Man fragt sich, ob er mit seinem sozialen und kulturellen Engagement auch sein Gewissen beruhigen wollte.
Trotz aller Vorbehalte ist das Buch gut geschrieben und einfach zu lesen. es vermittelt einen Eindruck vom Leben am Anfang des 20. Jahrhunderts und der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Es empfiehlt sich auch das Sachbuch "Die Königin" von Sebastian Conrad zu lesen, denn dann kann man die Ereignisse besser einordnen.